Korax. 1) Berg im östlichen Ätolien, einer der größten im Nordgriechenland (Strab. X 450. Ptolem. III 14, 11), der westlich vom Parnassos (Strab. IX 417) und am südlichen Ende des Pindos (ebd. VII 329 frg. 6) lag und an den Oita angrenzte (ebd. X 450). Er wurde auch Αἰτωλικὸν ὄρος genannt (ebd. IX 417), und daß er zu Ätolien gehörte, wird ausdrücklich betont (ebd. VII 329 frg. 6). Das alles trifft nur zu auf die mächtige Bergmasse Vardusia, deren Gipfel (2405 m) beinahe so hoch wie der Parnassos ist, von allen Bergen Mittel- und Südgriechenlands, wie ich bezeugen kann, der schroffste und rauheste, so daß er den unheimlichen Namen K. völlig verdient. Eine andere Bestimmung der Lage liefert die Tatsache, daß der Consul Glabrio in seinem Aufmarsch von den Thermopylen nach Naupaktos in der Nähe von Kallipolis (Kallion) diesen Berg überstieg (so, richtig verstanden, Appian. Syr. 21. Liv. XXXVI 30, 4. XXXVII 4, 7. 5, 4). Da nun diese Stadt ohne Zweifel im nördlichen Ende des Daphnus- (jetzt Morno-Mega) Tales, am Fuße des Oita, lag (Kiepert FOA XV. Woodhouse Aetolia 371), kann der Berg nur der Vardusia sein, da K. zwischen Kallipolis und Naupaktos lag, nach Polyb. XX 11 (bei Steph. Byz. s. Κόραξ), und auch der höchste Berg zwischen diesen Städten war (Liv. XXXVI 30, 4 nach Polybios); s. auch Leake North. Greece II 624. Es herrscht aber bei den Geographen die größte Unbestimmtheit über die Ausdehnung des Namens K. sowie über Vardusia und Giona. Pouqueville Voyage 230f. nennt Rigani bei Naupaktos K. und Kallidromos bei den Thermopylen ,Vardisios‘. Ulrichs Reisen I 28, 1 nennt Giona einen Teil des Vardusia, was wohl ein Versehen ist, denn kein Einheimischer konnte diese scharf getrennten Berge verwechselt haben. Roß Reisen I 70 und A. 22 nennt Giona einfach K. Von den Älteren aber abgesehen dehnt selbst Woodhouse 372 den Namen K. auf diese beiden aus, und Kiepert schreibt ihn dem Giona allein zu. Ein Blick auf eine Karte aber zeigt daß der K., den Glabrio überstieg, der Vardusia sein muß, und der Giona nicht darunter zu verstehen ist; auch gehörte dieser zur Hälfte oder vielleicht größtenteils den Lokrern, und durfte nie ein ausschließlich ätolischer Berg (wie von Strabon) genannt
[1379] werden (vgl. Bursian 139. 143). Da wohl für den mächtigen Giona (noch höher als Parnassos) kein Namen bekannt war, haben die Geographen ‚Korax‘ auch auf diesen übertragen, obgleich zwei voneinander schärfer getrennte Berge als gerade diese schwer zu finden sind. Der Giona gehört viel mehr zu der Parnassoskette als zu den ätolischen Gebirgen (vgl. Bursian Geogr. I 143. Philippson o. Bd. IV S. 2148, 53). Seitdem nun Oberhummer Aselenon (o. Bd. II S. 1531) als den Namen des Giona entdeckte, hat man keinen Grund mehr, auf ihn den Namen K. zu übertragen. – Im J. 191 v. Chr. durchkreuzte den K. der Consul Glabrio (Livius und Appian a. a. O.); in dem nächsten Jahre wurde der Paß aber besetzt (Liv. XXXVII 4, 7. 5, 4). — Über die Geologie des Vardusia, der zum großen Teil eine Kalkmasse ist, s. Neumayr Denkschr. Akad. Wien XL 104ff. Philippson Ztschr. d. Ges. f. Erdk. XXV 363. Négris Roches cristall. usw. (1915) passim.