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III. Kapitel
III
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aus: RE:Karten
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§ 43. Das K.-Netz und dessen Projektionen. Hatte Marinos seine K. der Oikumene mit einem schütteren Netz von parallelen einander rechtwinklig schneidenden Koordinaten überzogen: Meridianen und Parallelen, deren Teilung auf das Verhältnis 5:4 gestimmt war, das für den Parallelkreis von Rhodos zutrifft, so hat Ptolemaios sein Netz dichter gezogen und als Forderung die gleichzeitige Berücksichtigung der Bogengrößen auf den Parallelkreisen von Thule und Rhodos und auf dem Äquator aufgestellt. Dichter wird das Netz dadurch, daß Ptolemaios

a) zum Unterschied von Marinos, der Meridiane je nach einem Stundenabschnitt gezogen hatte, schon je nach 1/3 Stunde einen Meridian zeichnet, und

b) daß er nördlich vom Äquator mehr Parallelen als Marinos zieht, und zwar so, daß das Fortschreiten des längsten Tages als maßgebend angesehen wird: je eine Viertelstunde Zuwachs zeigt die Punkte an, durch die die Parallelen nördlich vom Äquator bis zum vierzehnten Parallelkreis (-Bogen) (τὸν δὲ ιδ’ ὥραις τρισὶ καὶ ἡμίσει διαφέρειν ἀπέχοντα μοίρας με, somit dauert der längste Tag auf der Zone XIV um 3½ Stunden länger als der Tag auf dem Äquator, also 15½ Stunden, und man hat 45° nördlicher Breite erreicht; dieser Parallel läuft nach dem Almagest II 6 διὰ μέσου Πόντου, mitten durch das Schwarze Meer) zu ziehen sind; die Parallelen XV bis XIX werden dort gezeichnet, wo der längste Tag um je eine halbe Stunde größer geworden ist; die beiden letzten Parallelen XX und XXI (dieser mit 8 Stunden Zunahme, also 20 Stunden Dauer für den längsten Tag, in 63° Breite, γραφόμενον διὰ τῆς Θούλης) folgen je nach einer weiteren Stunde. Stundentabellen nach Ptolemaios’ Geographie I 23 und Almagest II 6 haben Verschiedene entworfen, s. o. S. 2062 Anm. ***).

[2082] Am leichtesten und richtigsten läßt sich dieses Koordinatennetz auf einer Nachbildung der Erdrundung durchführen, also auf einem Erdglobus oder auf einem der Oikumene oder auch nur einem Teil derselben entsprechenden Kugelstück. Schwieriger ist es, ein Verfahren zu ermitteln, bei welchem das richtige Verhältnis auch auf eine Tafel oder auf ein Blatt Papier hinübergerettet werden kann. Vollkommen ist kein Verfahren.

§ 44. Ptolemaios empfiehlt, aller Wahrscheinlichkeit nach nach Hipparchs Vorgang (o. S. 2055f. und Berger Gesch. Erdk.² 476f.), eine Kegelprojektion (gute Veranschaulichung des Prinzips durch Bergers Fig. 16 auf S. 632). Einem Rechteck, dessen Grundlinie doppelt so lang als die andere Seite ist, soll die Oikumene eingeschrieben werden. Die Grundlinie wird halbiert, im Halbierungspunkt die Höhe errichtet und über das Rechteck noch soweit verlängert, daß die Verlängerung zur Höhe selbst sich wie 34: 975/12 oder zur ganzen Linie wie 34:1315/12 verhält. Der Endpunkt der Verlängerung wäre als eine Art Nordpol für den Zeichner anzusehen, und er beschreibt (schlägt) mit einem Radius von 52 Teilen (eben jenen Teilen, die den Verhältniszahlen 34, 975/12, 1315/12 zugrunde liegen) den Parallelkreis von Thule, mit 79 Teilen den von Rhodos, mit 115 den Äquator. Südlich des Äquators wird mit einem noch um 165/12 längeren Radius (also mit der ganzen Linie, die durch Verlängerung der Höhe des Rechtecks bis zum (oben so genannten) Nordpol entstanden war), derjenige Parallel gezogen, der als der südlichste der Oikumene angesehen werden darf und genau soweit vom Äquator absteht, wie dieser vom Parallelkreis von Meroe (d. i. 16° 25’ nach Geogr. I 23 oder 16° 27’ nach dem Almagest).

Die Mittellinie (die Höhe, die in der Mitte des Rechtecks auf die Grundlinie gezogen worden ist) gilt als Mittelmeridian (ἡ τοῦ μέσου μεσημβρινοῦ γραμμή). Auf dem Parallelkreis von Rhodos, dessen Länge, wie bereits gesagt, zu einem Meridiankreis sich wie 4 : 5 verhält, werden in Abständen von 4 jener Teile, in die die Mittellinie (Verhältniszahlen 34, 975/12, 1315/12) geteilt war, die Meridiane als gerade Linien (vom Nordpol der Zeichnung aus, somit als Kreishalbmesser) gezogen, so daß durch sie gerade die Drittelstundenabschnitte markiert werden. Für den südlich vom Äquator gezogenen Parallel, den von Agisymba, gilt natürlich dieselbe Einteilung wie für den gleichweit vom Äquator nordwärts abstehenden Meroeparallel; ,die nach Süden geneigte Lage wird aus der geänderten Richtung ersichtlich gemacht‘. Vgl. dazu Berger Gesch. Erdk.² 635. Es folgen noch Bemerkungen über die übersichtlichste Art, die Einteilung nach Breite- und Längegraden auf der Tafel anzubringen, und die Stellen, an denen Einzeichnungen in die K. erfolgen sollen, rasch und zutreffend aufzufinden. Diese Kegelprojektion formuliert Schöne (unter Hinweis auf die oben angeführte Abbildung bei Berger) a. O. S. 24 in folgender Weise: ,Die Projektionsfläche ist dabei der Mantel eines geraden Kegels, der die Kugel im Mittelparallel der K. berührt, für den hier der Parallel von Rhodos eintritt. Seine Spitze ist auf der K. das Zentrum der [2083] Parallelkreise und der Schnittpunkt aller Meridiane; diese erscheinen als gerade Seitenlinien des Kegels. Weil die Kugel innerhalb des Kegels liegt, müssen bei der Übertragung die Parallelkreise mit Ausnahme des Berührungskreises zu lang ausfallen‘; vgl. die Fachliteratur ebd. bei Schöne. Urteile von Technikern: Artur Vital Kartenentwurfslehre (= Die Erdkunde, herausg. von M. Klar XXVI 1903) 14. 18f. H. Wagner Lehrb. der Geogr. I⁷ (1903) § 103. – Die zeichnerische Wiedergabe dieses Kartennetzes z. B. bei Wilberg Taf. zu Heft 1 Fig. 8. Forbiger I 406. Berger Gesch. Erdk.² 633. Schöne S. 6; die Hss. zeigen, soweit ich sie überblicke (Müller hat es unterlassen, in seiner Ausgabe auch nur ein Wort über die Figur zu verlieren, wohl weil er die Behandlung für ein Begleitwort einer bisher nicht erschienenen Tafel mit den zur Geogr. gehörenden Illustrationen aufsparte), eine schematische, übrigens gut verständliche Figur ohne ausführlichere Einzeichnung des Koordinatennetzes.

§ 45. Eine zweite Art der Projektion verwendet Ptolemaios selbst beim Zeichnen; ihr gegenüber biete die eben (§ 44) dargestellte geringere Schwierigkeiten und also würde diese auch vermutlich häufiger von anderen verwendet werden. Da nun nach dem leichteren System die in den Hss. des Ptolemaios gezeichnete Welt-K. gezeichnet ist, als deren Verfasser der Alexandriner Agathodaimon sich bezeichnet, ist klar, daß dieser Agathodaimon nicht von Ptolemaios mit ihrer Entwerfung betraut worden sein kann (vgl. Schöne S. 28 und 16).

Das zweite Verfahren stellt auch die Meridiane (außer dem Mittelmeridian) als gekrümmte Linien dar, und zwar so, wie wenn das Auge auf den Schnittpunkt des Mittelmeridians und des die Breite der Oikumene ungefähr halbierenden Parallels von Syene, d. i. des nördlichen Wendekreises, gerichtet wäre und wenn zugleich die Verlängerung der Sehlinie den Mittelpunkt der Erdkugel träfe. Das Verfahren wird I 24, 9ff. auseinandergesetzt und führt zu einer noch größeren Ähnlichkeit mit der Erscheinung auf der Kugel; dann wird nur ein Meridian, nämlich der mittelste, dessen Ebene durch die Achse des Sehstrahlenkegels geht, als Gerade erscheinen, ,während die zu beiden Seiten von ihm alle konkav gegen ihn gekrümmt erscheinen, und zwar die weiter von ihm entfernten stärker. Das wird ja auch hier unter dem gehörigen Verhältnis der Krümmungen gewahrt. Ferner sichert auch die genaue Abmessung der Parallelbogen gegeneinander das eigentliche Verhältnis nicht bloß auf dem Äquator und dem Parallel von Thule wie dort, sondern auch auf den andern mit möglichster Annäherung, wie man bei einer Probe sehen kann, und die genaue Abmessung der ganzen Breite gegen die ganze Länge das eigentliche Verhältnis nicht bloß wieder auf dem über Rhodos gezeichneten Parallel, wie dort, sondern ziemlich auf allen überhaupt‘ (19; Übersetzung nach Schöne). Urteile von Technikern: Vital S. 16. 82. Wagner § 104. Zeichnerische Wiedergabe dieses Verfahrens z. B. bei Wilberg a. O. Fig. 10. Forbiger I 409. Berger 637. Schöne 9.

Zu beiden Arten des Projektionsverfahrens [2084] vgl. die Bemerkungen in Wilbergs Ausgabe (von ihm und Grashof), die auch heute noch Beachtung verdienen, und Mollweide Die Mappierungskunst des Claud. Ptol., in der Monatl. Korresp zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, herausg. von Frh. v. Zach XI (1805) 15ff. und XII (1805) 13ff.

§ 46. Eine dritte Projektionsart, die mit der Flachzeichnung (ἒν ἐπιπέδῳ) der Oikumene innerhalb einer Armillarsphäre zusammenhängt, so daß sie auf der Erdkugel zwischen den Reifen des Äquators und des nördlichen Wendekreises sichtbar wird, geht VII 6 von dem Gedanken aus, daß zwar der Durchschnittspunkt des Hauptmeridians mit dem Parallel von Syene, nicht aber auch der Erdmittelpunkt in der Sehlinie zu liegen kommen ; diese beiden Linien erscheinen uns als Gerade, die übrigen Meridiane und Parallelkreise konkav zu den beiden geraden Hauptlinien. – Vgl. Mollweide a. a. O. und Berger² 638f. Eine Abbildung auch bei Nobbe Ausg. II S. 189. Berger bezweifelt, daß die Darstellung VII 6f. korrekt überliefert ist. Vgl. auch Jos. Fischer Ptolemaeus und Agathodaemon 86f.

§ 47. Den Inhalt der K. zählt Ptolemaios im Text der Bücher II–VII 4 auf; nicht ein Wort fügt er weiter seinen Namenslisten bei, außer was zur Abgrenzung der einzelnen K.-Gebiete unumgänglich nötig erscheint. VII 5 gibt eine allgemeine Charakterisierung der Welt-K. (ὑπογραφὴ κεφαλαιώδης τοῦ τῆς οἰκουμένης πίνακος), das bisher Gesagte kurz zusammenfassend. Wichtig ist (VII 5, 1) der Satz καὶ αὐτοὶ προσεπενοήσαμεν, τὰ μὲν ἑωρακότες, τὰ δὲ καὶ παρ’ αὐτῶν (n. τῶν ἀρχαιοτέρων, des Marinos wird nicht Erwähnung getan) ἀκριβῶς ἐκλαβόντες, πίνακος ὥσπερ τρόπον πάσης τῆς οἰκουμένης ὑποτυπῶσαι. Obwohl schließlich dieser Satz nicht gerade eine vollzogene Handlung bekunden muß, sondern ebenso leicht ein Versprechen enthalten kann, so kann es doch nur selbstverständlich scheinen, daß Ptolemaios sein Buch doch eben nur in Verbindung mit dem Entwurf entweder einer alles umfassenden K. oder – und das ist wohl glaubhafter – einer Übersichts- und so und sovieler Einzel-K. abzufassen in der Lage war.

Der Text von Buch II–VII 4 umfaßt in anscheinend 82 Kapiteln die einzelnen Landgebiete, und zwar so, daß zunächst die Begrenzung derselben mit den entsprechenden Positionsangaben vorgetragen wird; es folgt in strenger Ordnung die jeweilige Gliederung des Gesamtbezirkes, mit Angabe der Völker und schließlich der Städte, auch diese in fester Ordnung, so daß die an der Küste oder an einem Hauptstrom gelegenen vorangehen und die πόλεις μεσόγειοι oder ἀπὸ τοῦ ποταμοῦ hinterdrein kommen. Klarer werden wir über die Gliederung und ihre hsl. Bekundung urteilen können, wenn erst einmal eine kritische Ausgabe mit einer vernünftigen Würdigung des Stammbaumes der Hss. vorliegen wird. Vorher wäre alles Reden umsonst. Jetzt muß es genügen, aus Ptolemaios’ Einleitung zum II. Buch die Regel zu wiederholen, die er dem Leser, stets die Handlichkeit (τὸ εὔχρηστον) seiner Arbeit suchend, einschärft: seine Darstellung schreitet wie bei der gewöhnlichen Richtung des Schreibens vor, stets rechtshin; früher komme also der [2085] Norden denn der Süden, früher der Westen als der Osten; dieses Prinzip seiner Aufzählung kann daher auch textkritisch bei der Feststellung fraglicher Positionszahlen eine Rolle spielen.

Da erfahrungsgemäß die früheren K.-Zeichner, dort, wo zahlreiche Eintragungen vorlagen, aus Raumnot und auf Kosten der mit Detail weniger belasteten Landschaften, die Partien mit vieler Schrift übermäßig ausgedehnt, die andern zu sehr eingeengt und so das K.-Bild entstellt haben, schlägt er (VIII 1) Einzel-K. vor, aber offenbar nur, um das Zusammenhalten des Ganzen (wir möchten heute sagen: des ganzen Atlanten) zu ermöglichen. Für diese sei nicht Festhalten an demselben Maßstab nötig, sowie wenn einer den Kopf allein oder bloß die Band zu zeichnen hat, er nicht gehalten ist, den gleichen Maßstab anzuwenden, wie das bei der Abzeichnung [2086] der ganzen menschlichen Gestalt sich von selbst verstehe. Auch versündige man sich nicht an der Richtigkeit des Einzellandbildes, wenn man sein Netz aus geraden Linien herstelle, nicht aus Bogen, und es empfehle sich hier, das Verhältnis der Teilung der Parallelen zu den Meridianen nach jener Norm zu richten, die für den jeweils mittleren Parallel der Landschaft als richtig anzusehen sei (VIII 1, 5f.). Er verlange für Europa 10, für Libven 4, für Asien 12 K. (VIII 2, 1), verspricht die Begrenzung jedes einzelnen K.-Bildes und für die πόλεις ἐπίσημοι die größte Tageslänge und die Entfernung vom Meridian von Alexandreia zu geben (während er in den früheren Büchern vom westlichsten Meridian der Weltkarte an gezählt hat). Das sind folgende Blätter (πινακες)[1]: [2085]

I Europa 01 αἱ Βρετανικαὶ νῆσοι 11 †:2000 09
02 ἡ Ἱσπανία πᾶσα 003:4 † 10
03 αἱ Γαλλίαι 002:3 10
04 ἡ Μεγάλη Γερμανίαι 003:5 4
05 Ῥαιτία, Οὐινδελικία, Νωρικόν, αἱ δύο Παννονίαι, ἡ Ἰλλυρίς00 043:5 60
06 Ἰταλία, ἡ Κύρνος νῆσος 003:4 12
07 Σαρδώ, Σικελία 004:5 10
08 Σαρματία, Ταυρικὴ Χερσόνησος 011:20 05
09 Ἰάζυγες Μετανάσται, Δακία, αἱ δύο Μυσίαι, Θρᾴκη, Χερσόνησος 043:60 16
10 Μακεδονία, Ἤπειρος, Ἀχαία, Πελοπόννησος, Κρήτη, Εὔβοια 007:9 25
II Afrika 01 αἱ δύο Μαυριτανίαι 013:15 10
02 Ἀφρική 013:15 13
03 Κυρηναική, Αἴγυπτος 033:60 17
04 ἡ ἐντὸς Λιβύη, Αἰθιοπία 001:1 12
III Asia 01 Πόντος, Βιθυνία, ἡ ἰδίως Ἀσία, Γαλατία, Παμφυλία, Καππαδοκία, Κιλικία 003:4 44
02 Σαρματία ἡ ἐν Ἀσίᾳ 007:12 05
03 Κολχίς, Ἰβηρία, Ἀλβανία, ἡ Μεγάλη Ἀρμενία 014:15 12
04 Κύπρος, Συρία, Ἰουδαία, Ἀραβία (Πετρ. und Ἔρ.), Βαβυλωνία, Μεσοποταμία 005:6 28
05 Ἀσσυρία, Σουσιανή, Μηδία, Περσίς, Παρθία, ἡ Ἔρημος Καρμανία 004:5 17
06 ἡ Εὐδαίμων Ἀραβία, Καρμανία 011:12 21
07 Ὑρκανία, Μαργιανή, Βακτριανή, Σογδιανοί, Σάκαι, ἡ ἐντὸς Ἰμάου Σκυθία 002:3 14
08 ἡ ἐκτὸς Ἰμάου Σκυθία, Σηρική 02:3 06
09 Ἀρεία, Παροπανισάδαι, Δραγγιανή, Ἀραχωσία, Γεδρωνία 013:15 12
10 ἡ ἐντὸς Γάγγου Ἰνδική 011:12 17
11 ἡ ἐκτὸς Γάγγου Ἰνδική, Σῖναι 0†1:1 11
ἔγγιστα fügt Ptolemaios zur Zahl oder zum Verhältnis. Summe 358

Die Summe 358 der πόλεις ἐπίσημοι setzt sich aus 116 europäischen, 52 afrikanischen und 190 asiatischen Namen zusammen; überliefert scheinen, soweit ich mich orientieren kann, in der dem VIII. Buch vorausgehenden Inhaltsübersicht die Zahlen 118 + 42 + 190 = 350, somit bloß die der asiatischen in Übereinstimmung mit den Einzelposten; das weist auf irgend eine empfindliche Störung der Überlieferung hin, die zu definieren vorläufig kaum irgendwelche Aussicht besteht. Ist uns schon der Einblick in die ersten sechs Bücher der Geographie durch das Fehlen des Stammbaums der Hss. erschwert, so ist uns für die beiden letzten Bücher nicht einmal die lectio varia bekannt!

§ 48. Ein Aneinanderstoßen der 26 Einzelblätter in einem Gesamtbild, wie wir doch heutzutage [2086] z. B. Meßtischblätter oder Generalstabs-K. in dieser Absicht aneinander reihen, ist schon deshalb vollständig ausgeschlossen, weil der Autor um des handlichen Formats [2] seines Atlas willen den Maßstab so und so oft mal auswechselt. Man kann Ptolemaios aber auch dann, wenn er denselben Maßstab hätte festhalten wollen oder können, nicht zumuten, er wolle jemandem empfehlen, z. B. seine Blätter V und VI von Europa (V = Donaulandschaften bis einschließlich Illyriens [2087] und VI = Italien) aneinander zu stoßen; die äußersten Punkte [3] beider Blätter fallen:
für V 34° und 47° Länge, 41° und 48° Br.,
VI 27° 30' und 43° Länge, 38° und 45° 20’ Br.;
diese K., nur ganz roh auf Quadrate der Linie eines Äquatorialgrades mit 68·6 für K. V und 85·25 für K. VI umgerechnet, decken sich also mit der zwischen 34° und 43° Länge sowie zwischen 41° und 45° 20’ Breite liegenden Fläche, also mit mehr als der Hälfte von K. V und mit etwa 6/13 von K. VI; die Nordlinie dieser gemeinsamen Fläche wurde auf K. VI mit dem Maß 45 : 60, auf K. V mit 43 : 60 für den Grad des Parallelkreises gezogen sein.

Noch krasser stellt sich dies bei der letzten Tafel Libyens, die das gesamte südlich von Mauretanien, Afrika und Ägypten gelegene libysche Festland umfassen soll, also in der vollen Breite sich hinziehen muß, die die drei, den Nordstreifen Afrikas bildenden libyschen K. I–III zusammen einnehmen. Ein Wahren des gleichen Maßstabes, der etwa bei jenen drei K. angewendet wäre, würde ein breites Band mit wenig Schrift bringen; das wäre aber gegen die Absicht des Verfassers, der doch nur deshalb die Ausführung von Einzel-K. empfiehlt, um eben eine ungleiche Verteilung der Schrift auf die Fläche und die daraus sich ergebenden Verlegenheiten oder Eigenmächtigkeiten der Zeichner zu verhüten. Übrigens mag Ptolemaios sich die Ausführung so gedacht haben, wie die Hss. der Geographie es zeigen, die (vgl. z. B. die Tafel aus dem Kodex vom Berg Athos bei Langlois) auf der vierten K. von Libyen das ganze Festland darstellen, also einschließlich der nördlichen Landschaften, die jetzt bei ihrer Wiederholung nur wenig Schrift erhalten.

Lehrreich ist in dieser Beziehung die Übersichts-K. Nordenskjölds im Faksimile-Atlas p. 1; hier sind die Rahmen der 26 Einzelk. in die Gesamt-K. eingetragen.

Eine Vorschrift betreffend den Maßstab der K. gibt Ptolemaios (vernünftigerweise) nicht. Es mußten also Ptolemaios, da er wie gesagt nicht das bloße Anstoßen der Blätter beabsichtigt hat, bei der Unvollkommenheit der menschlichen Technik diese Mittel genügen, um das geistige Auge die richtigen Beziehungen schauen zu lassen. Es mußte ihm genügen, ihm, der stets das εὔχρηστον seiner Mittel und Wege erwog, und bei dem aller Wahrscheinlichkeit nach die Beschäftigung mit der Geographie bloß als mathematisches Problem und Hilfeleistung für den Astronomen, also gewissermaßen auch als ein Teil der πρόχειροι κανόνες für diesen in Betracht kam, die einzelnen Blätter durchzuzählen und handlich aneinander zu reihen; dann wohl auf einer Papyrusrolle, die nicht einmal so hoch wie die K.-Blätter der uns vorliegenden Pergament-Hss. der Geographie zu sein brauchte; im Urbinas ist die K.-Höhe (Jelić S. 169) 52 cm, im Kodex vom Berg Athos (außer für das jetzt von Fischer veröffentlichte Übersichtsblatt, das fast die ganze – 37 cm – Höhe der Hs. einzunehmen [2088] scheint) nicht über 25 cm, im Vindobonensis Gr. 1 wechselt sie zwischen 34 und 52 cm. Übrigens braucht uns das Format des Papyrus keine Sorge zu bereiten, wenn wir auf den Genfer Papyrus Lat. 1 mit den Resten einer Buchführung bei der Legio III Cyr. aus domitianischer Zeit blicken; noch weniger natürlich die Breite des Papyrus, für welche die Analogie unserer Pergament-Hss. einen bequemen Vergleich gibt; im Vindobonensis finden sich 21 K., die sich über zwei oder mindestens anderthalb Blattseiten erstrecken, und 5 K., die bloß eine Seite in Anspruch nehmen (vgl. auch die photographische Reproduktion der Hs. von Watopedi).

§ 49. Hat Ptolemaios seine Karte oder Karten gezeichnet? Die Frage scheint überflüssig; denn wie soll er sie sonst ausgeschrieben haben? Das ist doch nicht denkbar, daß er den Inhalt einer seiner K. oder eines seiner Buchkapitel bloß vor seinem geistigen Auge sich so klar vergegenwärtigen konnte, daß er ihn mit Bogengraden und -Minuten (bis auf 5’, die sein kleinstes Maß bilden) in den Text der γεωγραφικὴ ὑφήγησις korrekt hätte hinüberbringen können. Und wenn er das selbst bei einer einzelnen K. vermocht hätte, dann hätte er doch sicher nicht den Anschluß eines neuen Kärtchens oder Kapitels an jenes frühere ungefährdet zustande gebracht. Es hat nun auch niemand je daran gezweifelt, daß Ptolemaios für sich selbst die K. entworfen hat, vielleicht – obwohl gar nichts darauf hinweist – durch einen Zeichner unterstützt: natürlich eine Platt-K.; denn obwohl Ptolemaios der sphärischen Darstellung (der auf dem Globus) vor der Platt-K. den entschiedenen Vorzug einräumt, so hätte er sie nicht leicht in seiner Studierstube verwenden können; auch nicht, wenn er sich auf jenes Stück der Kugel beschränkte, das für die Darstellung der Oikumene ausreichte. Die Tabula Peutingeriana mißt 6·8 ✕ 0·34 = 2 312 m2; sie enthält angeblich 5000 Namen, Ptolemaios’ Geographie angeblich (anscheinend etwas zu hoch angesetzt) 8000. Würden einfach diese Verhältnisse miteinander verglichen (denn unter die Schriftgröße der Tab. Peut. kann bei seinem Entwurf kaum gegangen worden sein), so wäre ein Modell von 2·7 ✕ 1·35 m Fläche (= halbe Kugelzone) und 0·9 m Tiefe (= dem Kugelradius) nötig gewesen; da aber ein Gradnetz entworfen und innerhalb derselben übersichtlich bei weit reicherer Innenzeichnung die Einzeldaten untergebracht werden sollten, wird wohl reichlich das Doppelte des Flächenraums nötig geworden sein, was auf eine Fläche von 3·8 ✕ 1·9 m auf eine Tiefe von 1·2 und eine Rückenfläche von 2·4 m Länge führt und ein Gerüst voraussetzt, das ständig vor der zum Zeichnen bestimmten Fläche stand.

§ 50. Eine andere Frage ist es, ob Ptolemaios die Platt-K.: eine Übersichts-K. und eine Anzahl von K., wie er sie im 8. Buch vorschlägt, seinem Buche als Illustration beigefügt wissen wollte. Und hier gehen die Meinungen auseinander. Ptolemaios selbst sagt gar nichts davon, daß er seinem Buche K. beifügen wolle; das muß doch sehr auffallen. I 18 spricht er von der Ausführung der K., aber nicht von der durch ihn fertig gestellten, sondern er gibt bloß die ὑφήγησις [2089] dazu; er erklärt es als seine Pflicht, über die Methode des K.-Zeichnens zu sprechen, τὰ κατὰ τὴν ἔφοδον τῆς καταγραφῆς. Es gebe zwei Arten, die auf sphärischer Fläche und die als Plattbild. Es lasse sich zeigen, daß auch wenn kein K.-Bild vorliege (καὶ μὴ προϋποκειμένης εἰκόνος) man trotzdem mit großer Leichtigkeit ἀπὸ μόνης τῆς διὰ τῶν ὑπομνημάτων παραθέσεως (also auf Grund seines Textbuches) die K. selbst entwerfen könne. Bei der Übertragung von einer Vorlage auf ein neues Blatt werde naturgemäß die Zeichnung in etwas modifiziert, und so würden die Kopien schließlich bis zur Unkenntlichkeit von dem Vorbild abweichen: τό τε γὰρ ἀεὶ μεταφέρειν ἀπὸ τῶν προτέρων πραδειγμάτων ἐπὶ τὰ ὕστερα διὰ τῆς κατὰ μικρὸν πραλλαγῆς εἰς ἀξιόλογον εἴωθεν ἐξάγειν ἀνομοιότητα τὰς μεταβολάς. Was nun bei Ptolemaios folgt, würde allerdings auch gegen die Möglichkeit sprechen, einen Zeichnungsversuch bloß auf eine ὑφήγσις zu stützen. Aber der nächste Satz zeigt gleich, daß der im Schreiben wenig gewandte Autor nicht seine eigene ὑφήγσις dabei im Auge hat, von der er erst c. 19 sprechen will, sondern die des Marinos, deren Unübersichtlichkeit alle bisherigen Versuche anderer, mathematisch richtige K. zu entwerfen, vereitelt habe.

Kann der Herausgeber einer K. bei so ausführlichem Bericht über die zur K. führenden Wege so ganz und gar darauf verzichten, von seiner eigenen Zeichnung auch nicht ein Wort zu sagen? Es ist also nicht weiter zu verwundern, daß die Publikationsabsicht und das Publikationsfaktum rundweg bestritten worden ist. Das hat Berger² 640ff. in seiner zurückhaltenden Art, aber entschieden genug getan; schärfer hat diese Ansicht K. Kretschmer formuliert int Petermanns Mitt. 1914, I 142f. Er beruft sich darauf, daß den Hauptteil des Textbuchs des Ptolemaios das Verzeichnis der Ortsnamen mit ihren Längen und Breiten bilde. ,Diese Art der Darstellung ist etwas ganz Ungewöhnliches. So hat weder vor ihm noch nach ihm ein Autor geschrieben, weder Eratosthenes, noch Strabon, auch sein Gewährsmann Marinos nicht. Man merkt hier den Astronomen heraus, der den trockenen Ton seiner starren Kataloge längst gewohnt war, und der den Versuch macht, dieses Verfahren auch in die Geographie einzuführen. Es war so auch die Möglichkeit gegeben, späterhin bei Erweiterung der Kenntnisse das Zahlenmaterial immer richtiger zu fassen und zu verbessern und damit die Grundlage der K. sicherer zu gestalten. Durch diese langen und breiten Tabellen war aber der ganze K.-Inhalt so unzweideutig festgelegt worden, daß jeder sich seine K. selbst herstellen konnte, wenn er es nötig hatte.‘ ,Einen zwingenden Beweis‘ gegen die Ansicht, daß Ptolemaios seinem Buche K. beigegeben habe, will Kretschmer aus der Beischrift [auf der Welt-K.] ableiten, daß Agathodaimon τὴν οἰκουμένην πᾶσαν auf Grund der 8 Bücher ὑπετύπωσεν, ,entworfen habe‘; also könne er sie nicht vorgefunden haben. Dieser Beweisgrund wird allerdings nicht als ,zwingend‘ angesehen werden können, weil man mit der Möglichkeit rechnen muß, daß die K. in der Zeit nach Ptolemaios verloren gegangen seien, und daß [2090] Agathodaimon ebendeshalb zu ihrem Ersatz sich veranlaßt sah.

,Um nun, fährt Kretschmer fort, die Vermutung auszuschließen, daß Agathodaimon die K. erstmalig entworfen habe, sucht man die Konstruktion der K. nach dem Ptolemaiostext als ein Ding der Unmöglichkeit hinzustellen. Ja auch ein in der Kartographie bewanderter Zeichner der Jetztzeit sollte dieses nicht fertig bringen können.‘ Kretschmer führt ein Beispiel (Tarraco) an und bemerkt, was schließlich jeder, der mit dem Buch des Ptolemaios zu tun hat, längst gewußt hat, daß die Daten des Ptolemaios für eine bestimmte Einzeichnung in die K. ausreichten. ,Ist das schwer? Nein. Jeder Gymnasiast würde die Karte spielend erledigen. Nicht schwer ist es, höchstens langweilig. Schwierigkeiten könnten sich ergeben aus unzureichenden Angaben für Gebirge, Flüsse usw. Bei vielen Flüssen gibt Ptolemaios nur die Lage der Quelle und der Mündung an, so z. B. für die Weichsel. Nach nur zwei Positionsangaben läßt sich natürlich ein Strom, der noch dazu große Bogen beschreibt wie die Weichsel, nicht wiedergeben. Das können wir heute nicht, das konnte Agathodaimon nicht und schließlich Ptolemaios selbst nicht. Man kann daher nur annehmen, daß ihm ausführlicheres Material fehlte, und daß es ihm nur darum zu tun war, die ungefähre Lage und Richtung anzudeuten.‘ Das sind alles jedermann geläufige Tatsachen, und auch die Schlußfolgerung könnte man zur Ergänzung des ohnehin schon fast feststehenden Urteils über das Verhältnis des Ptolemaios zur Illustrierung seines Buches annehmen, freilich unter einer wichtigen Bedingung: nämlich daß Ptolemaios auf den K., die er zur Ergänzung seines eigenen Entwurfs heranzog, Flüsse nur selten – etwa die wichtigsten – eingezeichnet gefunden hat. Es wird ja ohnehin niemand Herodots naive Übertreibung ernst nehmen, nach dessen Zeugnis schon die ionische K. (o. S. 2051 Z. 1) ,alle Flüsse‘ verzeichnet!

Auch läßt sich aus dem Argument der Flüsse und der Gestaltung der Küsten und Landesgrenzen eher ein Schluß gegen grundsätzliche K.-Losigkeit gewinnen: eigentlich wären die Benutzer der Geographie des Ptolemaios besser beraten gewesen, wenn sie außer dem Katalog der Positionen auch eine K. gezeichnet vorgefunden hätten; damit hätten sie ein viel lebendigeres Bild erhalten, und Ptolemaios hätte eine gewisse Kontrolle der K. auch in späteren Kopien dadurch gesichert, daß er außer der Mündung und eventuell dem Einlaufe eines Nebenflusses, wie er das ja oft genug tut, auch die Quelle durch Angabe der Positionen festlegte. Schließlich würde die Einzeichnung von Flüssen in das K.-Bild eine Hilfe für den Zeichner gebildet und die anliegenden Orte gebunden, also selbst wieder ungefähr wie ein Koordinatensystem gewirkt haben. Bei ganz großen Flüssen gibt Ptolem. auch für die Biegungen die nötigen Zahlen; aber sehr ungleich; beispielsweise für den Rhein, den er fast als geraden Lauf zeichnet, auch nicht ein einziges Mal, für die Donau auf einer größeren Anzahl, wie denn überhaupt dieser Fluß in der Darstellung des Ptolemaios noch bevorzugter erscheint als selbst die beiden Hauptströme Indiens oder der Nil.

[2091] § 51: Also z. B. werden (II 15, 1) innerhalb der beiden das Gesamtbild des Donaulaufes nach unseren Begriffen am stärksten charakterisierenden Beugungen einmal oberhalb von Waizen und [2092] Budapest und dann wieder unterhalb der Drau- und Savemündung nicht weniger als sieben Daten (und z. T. sehr viel wortreicher als in irgend einer anderen Partie der Geographie) angeführt:

ἡ κατὰ Κούρταν καμπή
τὸ ἀρκτικώτατον τοῦ Δανουβίου ποταμοῦ
42°
42° 30’
Länge
     „
47°
48° †)
Breite
     „
τὸ κατὰ τὴν ἐκτροπὴν τοῦ πρὸς δυσμὰς ἐκτεινομένου ποταμοῦ, ὃς διὰ
     τῶν δύο Παννονιῶν ἐρχόμενος καὶ σχισθεὶς κατὰ Καρρόδουνον
     πόλιν ὡς ἐπὶ τὸ Κέτιον ὄρος κατὰ μὲν τὸ ἀρκτικώτερον μέρος
     καλεῖται Σαουαρίας, κατὰ δὲ μεσημβρινώτερον Δάρος
44° 20’      „ 45° 40’      „
ἡ κατὰ Κόρνακον ἐπιστροφὴ τοῦ Δανουβίου ποταμοῦ 44° 20’      „ 45° 15’      „
ἡ κατὰ Ἀκούμινκον ἐπιστροφὴ 45°      „ 45° 20’      „
ἡ κατὰ Ῥιττιον ἐπιστροφὴ 45° 30’      „ 45°      „
τὸ κατὰ τὴν ἐκτροπὴν Σαούου τοῦ ποταμοῦ, ὃς καὶ ἐκτεινόμενος διὰ
     τῶν δύο Παννονιῶν συνάπτει τῷ Κετίῳ ὄρει πρότερον ἐπὶ τὰς
     ἄρκτους ἐπιστραφείς, εἶτα πρὸς δυσμάς
45°      „ 44° 30’      „


†) Dieselben Daten wiederholt Ptolem. II 11, 3:

ἡ κατὰ Κούρταν καμπή
ἡ ἐφεξῆς ἐπιστροφὴ κατὰ Κάρπιν καὶ ἀρκτικωτάτη πασῶν
42°
42° 30’
Länge
     „
47°
48°
Breite
     „

Auf diesen Flußlauf werde ich unten (S. 2096) noch einmal zurückkommen. Vorher mag noch darauf verwiesen werden, daß an Nebenflüssen der Donau aufgezählt werden (ein Beispiel: II 11, 3 τὸ κατὰ τὴν ἐκτροπὴν τοῦ πρὸς μεσημβρίαν φέροντος ποταμοῦ, ὃς καλεῖται Αἶνος = Inn, 34° Länge und 47° 20' Breite; ἐκτροπήν und πρὸς μεσημβρίαν statt εἰσβολήν und ἄρκτους, o. S. 2066 erklärt)? im Oberlauf je drei rechts- und linksseitig; im unteren Lauf bekommt der Fluß von beiden Seiten je vier Nebenflüsse. Die rechtsseitigen des Oberlaufs Lech, Inn und Raab dürfen als die bedeutendsten angesehen werden, und das Ausbleiben von Iller, Isar, Traun und Ens gibt kaum zu einer Bemerkung Anlaß. Die linksseitigen des Oberlaufs notiert er ohne Namen (als πρῶτος und δεύτερος sowie ὁ παρὰ τὴν Λοῦναν Ὕλην πρὸς ἄρκτους φέρων ποταμός); offenbar benützte er, bezw. sein Gewährsmann, hier die Kopie einer K., auf der die Namen ausgefallen waren, oder eine K., auf der die Namen verblaßt waren. Die modernen Identifikationsversuche dieser Flüsse können als für unseren Zusammenhang entbehrlich übergangen werden; für den letzten der drei Flüsse gibt Ptolemaios die Position 39° 30’ Länge und 47° 20’ Breite, er müßte also in den Donaustrom zwischen Carnuntum 39 ° Länge 47 ° Breite und Flexum (Ungarisch-Altenburg) 40° und 47° 15 einmünden, kann also insofern mit dem Marchfluß identifiziert [2092] werden. Dann fehlen also immerhin die ansehnlichen Nebenflüsse, die die Donau aus dem nordungarischen Bergland erhält: Waag, Neutra, Eipel.

Dann folgen in deutlicher Abhängigkeit von einer (vielleicht durch Verblassung verwirrten) Land-K. und im einzelnen zu Bedenken Anlaß gebend Drau [4] und Save.

Im Zusammenhang damit muß auch gleich noch des Drinos gedacht werden, den der Savestrom von Süden her erhält; dieser Drinos komme, sagt Ptolemaios (II 16, 4) aus der nämlichen Quellgegend wie der Drilon, der an der dalmatischen Küste zwischen Ulkinion (Dulcigno) und Lissos (Lješ) münde und ἀπό τε τοῦ Σκάρδου ὄρους (Position 47° Länge und 41° 40’ Breite, II 16, 1) καὶ ἀπὸ τοῦ (τοῦ fehlt in der besten Hs., dem Vaticanus X) ἑτέρου ὄρους (τοῦ setzt Wilberg hier ein) κειμένου παρὰ μέσην τὴν ἄνω Μυσίας (Position 45° 40’ Länge und 42° 40’ Breite) herabfließt; es ist evident, daß Ptolemaios auch hier den Namen auf der K. gesucht, aber nicht gefunden oder nicht entziffert hat.

Unterhalb der Savemündung verzeichnet Ptolemaios zwei Namen, und zwar statt des Margus einen uns ganz unbekannten Moschios und ferner einen kleineren Grenzfluß, nicht aber Timok und Isker. Von den großen Zuflüssen, die die Donau von der Theißmündung an erhält: Theiß mit ihren Zuflüssen, Temes, Schyl, Aluta usw. bis Sereth und Pruth, nennt Ptolemaios den

Tibiskos 46° Länge 44° 15’ Breite; der nächste Ort an der rechten Seite des Stromes wäre Tricornium 46° und 44° 10’ Breite,
Rabosos 49° Länge 43° 30’ Breite (44° 30’ Vat X); der nächste Ort gegenüber Ratiaria 49° und 43° 20’,
Aluta 50° 15’ Länge 44° Breite; die nächsten Orte am Ufer gegenüber Regianum 50° und 43° 40’ und Oescus (mit dem recht veraltet anmutenden Zusatz: der Triballer) 51° und 44°,
Hierasos (Position weder III 8, 2 noch III 10, 7 angegeben, an ersterer Stelle aber durch κατὰ Δινογέτειαν mit der Position dieser Stadt genauer bestimmt):

Wie man sieht, ist der Osten des Stromgebietes der Donau sehr viel stiefmütterlicher als der Westen behandelt, und eigentlich gar kein Niederschlag aus der Kriegsgeschichte Traians in ihm zu erkennen. Vor allem hätte man den (rechtsseitigen) Iantrafluß, an welchem der Kaiser Nikopolis gegründet hat, erwartet.

§ 52. Nun tragen die Hss. des Ptolemaios, solche mit K. und ohne diese, anscheinend aber sämtliche, [2093] die Schluß-Subscription: Ἐκ τῶν Κλαυδίου Πτολεμαίου γεωγραφικῶν βιβλίων ὀκτὼ τὴν οἰκουμένην πᾶσαν Ἀγαθὸς Δαίμων Ἁλεξανδρεὺς μηχανικὸς ὑπετύπωσα[5]; es folgen dann 7 Hexameter[6], die sich auf eine K. der Oikumene beziehen (Beginn ἐν γραμμαῖς τὸν κόσμον ἀριθμηθέντα νόησον), im übrigen für uns inhaltsleer; die wenig liebevollen Bemerkungen, die der Dichter den Aethiopen, Deutschen, Sarmaten (diese vergleicht er Schweinen) und Skythen widmet, erlauben keinen bestimmten Schluß auf Zeit oder Wohnort des Agathodaimon; doch ist ein früheres Datum, z. B. das 4. oder 5. Jhdt., wahrscheinlich viel annehmbarer als ein Spätdatum. Dieser theophore Name ist in Ägypten nicht selten[7] (Dinse S. 754 irrt), in der Literaturgeschichte kommt angeblich im 5. Jhdt noch ein Grammatiker Agathodaimon vor (vgl. Fabricius Bibliotheca Graeca V 272), den wir mit diesem μηχανικός[8] (= Künstler, Ingenieur) zu verbinden keinen Anlaß haben. Man hat so ziemlich allgemein unseren Agathodaimon als Verfasser und Zeichner der K. angesehen, die in unseren Ptolemaios-Hss. erhalten sind. Seine Zeit zu bestimmen sind wir nicht in der Lage. ,Den ersten Aufschluß‘ über ihn hält Josef Fischer aus einer Hs. der Ambrosiana zur Veröffentlichung bereit (Petermanns Mitteil. 1914, II 287). Literatur bringt Berger o. Bd. I S. 747. Die Subscription und das Gedicht druckt Jelić aus dem Vatic. Urb. S. 213 ab, dazu die Lichtbilder Taf. V und VI.

§ 53. K. sind nur einem Teil unserer Ptolemaios-Hss. angeschlossen, und anscheinend nicht den besten. Sie umfassen eine Übersichts-K. der Oikumene, soviel ich übersehe, stets am Schluß des Buches VII untergebracht (und also durch die Breite eines ganzen Buches von den zugehörigen Versen des Agathodaimon getrennt!) und

(A) entweder 26 Ländergruppen, im engsten Anschluß an die von Ptolemaios im VIII. Buch vorgenommene Gliederung oder

(B) 63 Einzel-K., die sich ideell in die 26 Ländergruppen des Buches VIII einreihen, aber da sie in verschiedenem Maßstab gezeichnet sind, [2094] genau so wenig durch einfaches Aneinanderstoßen zu solchen Ländergruppen der Redaktion A vereinigen lassen, wie die K. der Redaktion A durch bloßes Zusammenrücken zu einer Gesamtübersicht der Oikumene verbunden werden können, und außerdem Übersichtsblätter von Europa, ferner von Afrika, sowie endlich von Asien in zwei Teilen (Nord- und Südasien).

Zur Redaktion A der K. gehören ein Venetus Marcianus (s. XII/XIII), die Hs. von Watopedi (bei Müller L) und der Vat. Urb. 82, beide des 13./14. Jhdts. (die Datierung des Urb. ins 11./12. Jhdt. durch Jelić ist nicht aufrechtzuhalten), Hss. des 15. Jhdts., wie der Vindobonensis (bei Müller M), werden als erst in Italien abgeleitet nicht mitgezählt;

zur Redaktion B zwei Hss. des 14. Jhdts.: ein Florentinus Laurentianus (Müller Ω) und ein Mediolanensis Ambrosianus, und zwei des 15. Jhdts.: eine in London und eine in Konstantinopel; und abgeleitete der spätesten Zeit;

die 63 Einzel-K. nicht (wie die A-Redaktion) als Atlasanhang am Schluß des ganzen Werkes, sondern im Text je an der zugehörigen Stelle und nur die vier Übersichtskarten am Schlusse des Werkes.

Überhaupt, wenn die jüngsten Hss. mitgezählt werden, enthalten unter etwa 30 griechischen Hss. der Geographie nur 13 das ganze K.-Werk oder einen Teil desselben; vgl. Dinse S. 748f.

Es überrascht, daß Fischer die B-Redaktion für älter, ,für Abkömmlinge der Urformen der ptolemaeischen Länderzeichnung‘, ansieht, Dinse S. 750; es überrascht, weil der ptolemaeische Text keinen Anhalt für die Teilung des Erdbildes in 63 Einzel-K. zu gewähren scheint, und man wird wohl Fischers Ausführungen abwarten müssen, um zu dieser Ansicht Stellung nehmen zu können. Aber auch die 26 K. der A-Redaktion leitet Fischer direkt von Ptolemaios’ Handexemplar ab. Hingegen weist er das Übersichtsblatt der Oikumene, das wir ohnehin so wie es mit seiner Projektionsart vor uns liegt, nicht gut Ptolemaios zuschreiben können (vgl. o. S. 2083), Agathodaimon zu. Eine solche Beschränkung der Tätigkeit des Agathodaimon auf die Zusammenstellung der K. der Oikumene kann weder aus dem Wortlaut der Subscription noch aus der Breitspurigkeit der folgenden Hexameter direkt widerlegt werden; es ist auch nicht unsere Sacbe, Agathodaimon gegen die Zuweisung einer Rolle zu verteidigen, die ganz an den seligen Ballhorn erinnert Aber die Beweisführung Fischers steht noch aus, und so ohne weiteres braucht man die bisherige Ansicht, Übersichts-K. und die 26 Einzelblätter auf Grund des 8. Buches bildeten ein Ganzes, nicht aufzugeben. Auch die Frage ob die 63 Einzelblätter der B-Redaktion, von denen vor Fischer niemand besondere Notiz genommen hat, doch etwa nichts anderes als eine der verschiedenen Einzelphasen der späteren Entwicklung der ptolemaeischen Geographie darstellen, wird bis zur Vorlage des Materials und der Beweise als unentschieden gelten müssen.

§ 54. Dinse ist (S. 747) der Ansicht, daß von ,philologischer Seite nicht einmal der Versuch gemacht worden sei, den Wert der hsl. mit Ptolemaios‘ Geographie verbundenen K. ,für die Richtigstellung des Textes voll auszuschöpfen‘. Wenn das nur [2095] auch wahr wäre und wir also für den Text nun ein neues Hilfsmittel erwarten dürften! Aber offenbar ist es anderen genau so ergangen wie mir, daß in welcher Hs. immer ich den Text der Bücher II—VII mit den K. verglichen habe, die K. die ganze Verderbnis des Textes mitgemacht zu haben schienen, so daß ich also annehmen mußte, daß der Text des Ptolemaios schon arg gelitten habe, bevor jemand (also etwa wohl Agathodaimon) die K. zu Ptolemaios aufgrund des Textes entworfen habe. Zu welcher Zeit das geschehen sein kann, bleibt so lange unklar, als nicht eine genügende Übersicht der lectio varia und der Textgeschichte vorliegt. Wenn Dinse S. 753 daraus, daß ,der Khalif Al Mamum nach Masudis Zeugnis um die Wende des 8. zum 9. Jhdt. solche K. besessen‘ habe[9] und daß ,ein allerdings kartenloser, dem 13. Jhdt. angehöriger Ptolemaios Kodex der Vaticana‘ die Hs., aus der er abgeschrieben worden ist, als aus 134 Blättern Text und 27 K. bestehend beschreibt und [2096] ,innere Anzeichen‘ darauf führen, daß diese Vorlage im 4. oder 6. Jhdt. entstanden sei, — gut, dann war der Text der Geographie eben schon vor der Zeit des Khalifen Al Mamum und sogar schon im 4./5. Jhdt. so jämmerlich zugerichtet, wie wir ihn aus unseren Hss. ableiten müssen. Also fiele die entscheidende Verschlechterung des Textes in die Zeit zwischen Ptolemaios und das ,4./5. Jhdt.‘ Nur das wird man klarmachen und daran festhalten müssen, daß die K. jede und jede Dummheit der Textverschlechterung treu wiedergeben, daß sie also nur aufgrund dieses Textes gezeichnet worden sein können.

§ 55. Es muß mir hier genügen, auf zwei Daten hinzuweisen, die schon heute leicht auf Bl. V der europäischen K. nachgeprüft werden können, dem einzigen, für das auch Urb. 82 (bei Jelić) in guter Abbildung vorliegt. Ptolemaios beschreibt als an der Donau gelegen (ὑπὸ μὲν τὸν Δανούβιον ποταμόν)

II 13, 3 Ἀρελάτη (so X, Ἀρεδάτη die anderen
Hss., zu lesen ist Ἀρελάπη = Pöchlarn)
35° Länge 47° Breite
Κλαυδιούιον (gemeint ist aller Wahrscheinlichkeit [10]
Κλαύδιον Ἰούαον = Salzburg)
36° (oder 36½° X Länge 46° 40’      „
II 14, 3 Οὐιλιόβονα (gemeint ist Vindobona), λεγίων ι’ Γερμανική [11] 37° 45’ Länge 46° 20’      „
Καρνοῦς 39°      „ 47°      „
Φλέξον, λεγίων ιδ’ Γερμανική[12] 40°      „ 47° 15’      „

Der uns offenbare Fehler in der Breitenbestimmung von Wien genügte für den K.-Zeichner, um unbekümmert um den klaren Text der Geographie die Stadt von der Donau weg und zwischen die Quellflüsse der Drau (,Savarias‘ und ,Daros‘) zu verlegen. Müller hat auf der Abbildung bei Langlois die Stadt auf der K. des Athous an dieser ganz unmöglichen Stelle verzeichnet gesehen (also wieder ein Fall, der gegen Dinses Behauptung S. 747 spricht), sich aber dadurch nicht veranlaßt erklärt, daraufhin den Versuch aufzugeben, eine nördlichere Breite anzunehmen, die die Stadt wieder an die Donau rückt; allerdings hätte er die Änderung durch [2096] anderen Druck ersichtlich machen sollen. — Daß das angebliche Claudivium und Arlape mit einander vielleicht den Platz gegenüber der Kolonne der Positionen tauschen sollen, um die Situation zu retten, trifft vielleicht schon den Autor, braucht also nicht die K.-Zeichner zu belasten.

Ein zweiter Fall ist Celeia, das Ptolemaios mit 45° 80’ Breite, wie aus der Abfolge der Zahlen in der Kolonne der Positionen hervorgeht und auch durch einige Hss. des Ptolemaios bezeugt wird (nicht einmal das kann man aus Müllers l. var. erkennen, aus Wilbergs l. var. ersieht man ihre Vertretung durch mehre Parisini und einen Palatinus); nun haben die meisten Hss. die Breite 46° 30', und sofort zeigt sich in den K. die Verrückung um einen vollen Grad nordwärts, so daß Müller bemerkt (auch dieser Fall spricht gegen Dinse S. 747): ,pravam hanc positionem codex Athous etiam in tabula habet, ubi Celeia ad Danubium [richtiger wäre propius oder prope Danubium gewesen] ponitur, a Vindobona, quae perperam 46° 20’ collocatur, versus occasum aestivum‘. Beide Fälle (Vindobona und Celeia) sind in allen Hss. und ebenso in den ältesten Drucken nach den hsl. erhaltenen K., die mir im Laufe der Jahre zugesichte gekommen sind, genau so falsch wie im Athous eingezeichnet.

Daß Gutschmid sich ebensowenig Nutzen für die Textkritik der ptolemaeischen Geographie aus den K. versprochen hat, wird u. S. 2098 erwähnt. Von diesem Standpunkt aus ist auch Nordenskjölds (p. 6 a) vermittelnde Stellung (Ptolemaios habe allerdings einen Atlas veröffentlicht, Agathodaimon habe dann später bei Herstellung eines künstlerisch oder kalligraphisch besser ausgestatteten Exemplars seinen Anteil [2097] geltend machen wollen: so wie wir die Subscriptionen des 4. und 5. Jdts. zu antiken Autoren zu fassen gewohnt sind) abzulehnen.

§ 66. Auf die Einrichtung der Spezial-K. (natürlich der 26 des Ptolem. B. VIII) kann ich nur unter der Voraussetzung eingehen, daß sie noch im Altertum gezeichnet worden sind, also wenigstens vor saec. V./VI. Sehr sauber und anschaulich ist ein Blatt der Urbinatischen Hs. des Vatikan (Europa K. V) bei Jelić abgebildet und S. 170f. erläutert; der Vergleich mit der entsprechenden K. im Vindobonensis M, einer Abschrift jener Urbinatischen, verstärkt den Gesamteindruck dieser Abbildung für mich, der nur eine nicht allzudeutliche Erinnerung an die Hs. im Vatikan behalten hat, ganz erheblich. Die K. der Hs. von Watopedi ist beiden gegenüber schon stark degeneriert. Der Eindruck, den der Lichtdruck bei Jelić macht, ist sehr verschieden von dem Bild, das die gesamte römische K.-Tradition einschließlich des Mosaiks von Madeba und der Tabula Peutingeriana bietet. Nicht bloß durch das Gradnetz, das die K.-Fläche gliedert, und die Grad-Ein- und Unterteilung des K.-Rahmens, sondern auch durch die bestimmte Abgrenzung der Provinzen (mittels Linien und obendrein mittels Wechsels der Flächenbemalung) und durch den Anschein, daß der Verlauf der Flußlinien und Bergzüge ganz dem Zufall entzogen und vielmehr in den Dienst einer bestimmten Auffassung gestellt sei, sowie ferner durch die künstlerische Gestaltung der Stadtvignetten und der Bergsymbole. Diese unterscheiden sich am meisten von dem sonst auf mittelalterlichen K. üblichen Typus; sie sind nämlich nicht als Dreiecke oder in Wellenform (,Maulwurfshaufen‘), sondern als flache Steine mit abgeschrofften Seitenwänden gezeichnet; indes vgl. auch E. Oberhummer Die Entstehung der Alpen.-K., Ztschr. D.-Ö. Alpenverein 1901, 24f., vgl. auch H. v. Mžik Über die Darstellung und Farben der Gebirge auf den arabischen K., Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII (1915) 162. Die Stadtvignetten aber, ganz verschieden von den sonst gebräuchlichen, stellen etwas wie die Façade eines stattlichen Baues dar, dann wenn die betreffende Stadt auch unter den πόλεις ἐπίσημοι des Buchs VIII erscheint, mit drei flach abgeschlossenen Zinnentürmchen (also auch in der Zeichnung von den übrigen Stadtvignetten deutlich unterschieden); inmitten dieser ebenso einförmigen als klobigen Vignetten wird die Beziehung auf die Positionsangabe der Geographie durch einen dicken Punkt hergestellt, der irgendwo inmitten der Vignette untergebracht wird. Übrigens scheinen die Hss. in der Ausstattung der Vignetten, soviel ich sehe, nicht unbedeutende Unterschiede, natürlich innerhalb des durch die Überlieferung gegebenen Rahmens, aufzuweisen. So fehlte in der prächtigen Wiener Hs. M vom J. 1454, die Jelić als Abschrift des Vatic. Urbinas bezeichnet hat, die Unterscheidung der Vignetten für die πόλεις ἐπίσημοι und für die übrigen Städte; Stadtbilder hat die Hs. M bloß auf der Karte Taprobanes; aber das sind komplizierte, phantastische Produkte mittelalterlicher Anschauung.

Lesenswert (aber nicht durchwegs richtig) sind die Bemerkungen Nordenskjölds über [2098] das Fortleben der ptolemäischen Tradition der K.-Anlage (auch bei Orientierung mit Norden = oben) und K.-Zeichen über die Hss. und Drucke hinaus bis in die neueren K.: ,the principles of geography may be said still to be published with Ptolemys alphabet‘. Es habe auch das erziehlich mitgewirkt, daß die ptolemäischen Einzel-K. außer dem Lande, das sie zur Darstellung bringen sollten, auch noch so viel von den in den Rahmen desselben Vierecks fallenden Nachbarländern (wenn auch mit sparsamerer Innenzeichnung und Beschriftung) brachten, daß für die zeichnerischen Füllsel mit Schiffen, Königen, Ungeheuern usw., wie sie in der übrigen K.-Tradition des Mittelalters (vgl. z. B. Baudris Verse 753f. u. § 77) gang und gäbe war, kein Platz übrig blieb.

§ 57. Literatur zu Ptolemaios’ Karten. Zunächst die Ausgaben von Nobbe (1843—1845), Wilberg und Grashof (1838—1845, umfaßt bloß die B. I—VI; nach Mitteilung A. v. Gutschmids lag noch 1881 der hsl. Apparat Wilbergs beim Verleger Baedeker, Zangemeister Westd. Ztschr. III 1884, 323, 5. v. Gutschmid gewann aus seiner Durchsicht den Eindruck, ,daß gerade die mit K. versehenen Hss. stark interpolierte Texte enthielten, weil sie nach den bereits durch freie Kombination entstandenen K. [irrig] redigiert worden seien‘), K. Müller (1883 und aus seinen Papieren fortgesetzt durch K. Fischer 1901, umfaßt bloß Buch I—V). Praktisch ohne Bedeutung ist die ganz selten gewordene Ausgabe und Übersetzung von Buch I und Schluß von Buch VII durch den Abbé Halma; umso wichtiger die o. S. 2066 zitierte Kritik dieses (von mir nicht gesehenen) Buches durch A. J. Letronne. Die Ausgabe Nobbes ist zwar vollständig, aber ohne l. var. und erbärmlich schlecht gedruckt; seine größere Ausgabe mit der l. var. ist nicht zum Druck gelangt. Die Wilbergs ist für ihre Zeit vortrefflich, stützt sich aber leider (wenigstens anfänglich) bloß auf die Pariser Hss.; die Müllersche hat einen reichen Apparat an Hss., aber keine Vorstellung vom Verhältnis der Hss. zueinander; diese Führungslosigkeit und der Mangel einer ordentlichen Korrektur des Drucks ertötet vieles von dem Guten, das das umfassende Wissen des Verfassers im Kommentar (übrigens einem Mischmasch von Lectio varia und Exegese) bietet.

Die Herstellung des Stammbaums ist das erste Erfordernis einer neuen Ausgabe; ich habe mich lange um seine Ermittelung bemüht, wäre aber bei dem häufigen Versagen des Müllerschen Apparats auch noch zu einer mehr wöchentlichen Bereisung der Bibliotheken genötigt gewesen, in denen die maßgebenden Hss. liegen.

Die hsl. erhaltenen K. der ptolemaeischen Geographie will J. Fischer (in Feldkirch) herausgeben, vgl. Fischer in Petermanns Mitt. 1914, II 287; Dinse hat die K. des Vaticanus Urb. 82 bei Fischer vor dem J. 1913 im Druck vollendet gesehen. Die des Klosters Watopedi (μοναστήριον τοῦ Βατοπεδίου) auf dem Berg Athos haben Sewastianoff und Langlois Géographie de Ptolémée, reproduction photolithographique du manuscrit Grec du monastère de Vatopedi (1867) in Farbendruck herausgegeben; die aus dieser Hs. entwendete und ins Britische Museum [2099] gebrachte Welt-K. hat Fischer Ptolemaeus und Agathodaemon Tf. 2 in Lichtdruck nachgetragen. Eine der K. (= Europa V) des Vaticanus Urb. hat wie gesagt Jelić in Lichtdruck veröffentlicht Wiss. Mitt. aus Bosnien und der Hercegowina VII (1900) Tf. 7.

§ 58. Die zahlreichen Drucke der Geographie des Ptolemaios im Zeitalter der geographischen Entdeckungen gehen in der Hauptsache auf Neuzeichnungen durch Arnold Buckinck (Ausgabe Rom 1478), durch den Benediktinermönch des Klosters Reichenbach Dominus Nicolaus, Nicolaus Germanus oder gewöhnlicher Donis genannt (Ausgabe Ulm 1482), Sebastian Münster (Ausgabe Basel 1540), Gerhard Kremer oder latinisiert Mercator (Köln 1578) zurück. Ausführlicher unterrichtet über diese ,Ausgrabung‘ (so S. 17, dieses Wort muß aber im Hinblick auf die gelehrte Tätigkeit der Araber und [Berger Ber. Ges. Wiss. Leipzig 1898 S. 88] auf die italienische Kartographie während des frühen Mittelalters eingeschränkt werden) und die Palingenesie der Geographie des Ptolemaios Günther Gesch. der Erdk. 100ff. (er zitiert 102, 1 Winsor A Bibliography of Ptolemy’s Geography 1884); Vivien Histoire de la Géographie 209f., insbesondere aber A. E. v. Nordenskjöld Facsimileatlas, englische Übersetzung (1889) S. 9-29, und überhaupt über Ptolemaios S. 1-61. Großenteils werden in jenem Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen diesen K. moderne K. der entsprechenden Landschaften gegenüber gestellt und die neuentdeckten angeschlossen. Es ist lebendiges und fruchtbares Treiben in dieser Tätigkeit; man lernte damals bei Ptolemaios genau so wie etwa bei Galen oder Aristoteles. – Dann wurde, als der alte Lehrmeister seine Gaben nicht mehr unmittelbar dem Leben der Gegenwart nutzbringend machen konnte, die Beschäftigung mit ihm seltener und etwa für die Philologen berechnet: Orbis antiqui tabulae geogr. sec. Cl. Ptolemaeum cum indice philologico absolutissimo (Amsterdam 1730) apud Wetstenios et Smith. – Cl. Ptolemaei geographia, tabulae XXXVI a Carolo Mullero instructae (1901), bietet die Übersichts-K. und die 10 europäischen, die 4 afrikanischen, aber bloß 4 von den 12 asiatischen K., ohne auf dem Titelblatt oder sonst irgendwo diese Beschränkung zu verraten; jeder Rekonstruktion einer ptolemaeischen K. ist ein ziemlich überladenes K.-Bild in neuerer Zeichnung gegenübergestellt; daß Müllers Zeichnungen korrekter als die der holländischen Drucker ausgefallen wären, oder daß die Zeichnung der verschiedenen Blätter richtig zusammengienge, kann nicht behauptet werden. Öfter wird noch die Welt-K. des Ptolemaios neu gezeichnet, ich zitiere bloß Forbiger I zu S. 418 (dieser aber auch die einzelnen Erdteile: Asien II zu S. 38, Afrika zu S. 764 und Europa zu S. 888); Vivien Atlas historique Taf. 2, 7; Spruner-Menke³ (1862) auf Taf. 1 mit Gegenüberstellung einer modernen K., Spruner-Sieglin Taf. 1, 6 usw.; hauptsächlich aber neulich R. Kiepert im ansehnlichen Format der Volltafeln seiner Formae orbis (35 : orbis terrarum und 36: Europa). Nachzeichnung von Einzel-K. in großer Zahl, z. B. von H. Kiepert Atlas von Hellas u. d. hell. Kolon. (1872) Taf. XIV und XV.

[2100] Andere Literatur hier anzuführen erübrigt sich; sie ist unübersehbar und großenteils auch, namentlich die aus lokaltopographischen Erörterungen entstandene[WS 1], für den einzelnen schwer erreichbar. Die neuesten allgemein gehaltenen Darstellungen geben J. Fischer Ptolemaeus und Agathodaemon, II. Anhang zu Hans v. Mžik, Afrika nach der arabischen Bearbeitung von Muhammad ibn Musa al-Hwarizmi (= Denkschr. Akad. Wien LIX 4, 1916) 71ff. P. Dinse Die hsl. Ptolemaios-K. und die Agathodaemonfrage, Ztschr. der Ges. f. Erdk., Berlin 1913, 745ff. K. Kretschmer, o. S. 2098f. zitiert. A. Hermann Marinus. Ptolemaios und ihre K., Ztschr. Ges. Erdk., Berlin 1914, 780ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstandene
  1. Die dritte Rubrik gibt das Verhältnis des mittleren Parallels zum Meridian, die vierte die Zahl der πόλεις ἐπίσημοι.
  2. Gewiß aus keinem anderen Grunde. Was Fischer Ptolem. und Agathod. S. 73 in diesem Verfahren sucht, verstehe ich nicht.
  3. Ich kümmere mich nicht um die Zahlen, welche in dem augenscheinlich späterer Bearbeitung zugehörenden Kap. 30 des Buches VIII sich finden.
  4. Die Beziehung des Σαουαρίας auf den Seber, den Oberlauf eines Nebenflusses der Raab, durch Friedr. v. Kenner Mitt. Altertumsverein Wien XI (1866) 96 kann die Stelle nicht retten.
  5. oder -σε oder -σατο; offenbar war in älteren Kopien dieser Subscription die Verbalform abgekürzt gewesen.
  6. Aus dem Wiener Kodex M (Müller) auch bei Nobbe I S. XXII abgedruckt; dort mit dem Druckfehler ἀθρανεῖς in Αἰθίοπας τ’ ἀδρανεῖς (die untätigen Aeth.), obwohl die Hs. das Richtige hat; das würde ich nicht erwähnen, wenn nicht Jelić das gleiche Versehen beim Ausschreiben des Urbinas begegnet wäre, der nach Ausweis des Lichtdruckes doch gleichfalls das Richtige bietet.
  7. Und nicht bloß als Personennamen verwendet. [Nachtrag: s. jetzt Suppl.-Bd. III S. 58f.]
  8. Der μηχανικὸς Agathodaimon erinnert meines Erachtens an den Λεόντιος μηχανικός, der die Herstellung von Erdgloben berufsmäßig betrieben hat, vgl. u. § 87, und an Pappus VIII p. 1026 Hultsch: μηχανικοὺς δὲ καλοῦσιν καὶ τοὺς τὰς σφαιροποιίας [ποιεῖν] ἐπισταμένους, ὑφ’ ὧν εἰκὼν τοῦ οὐρανοῦ κατασκευάζεται δι’ ὁμαλῆς καὶ ἐγκυκλίου κινήσεως ὕδατος.
  9. Die Beziehungen Al-Hwarizmis (um 817—826) und überhaupt der Araber zu Ptolemaios und seinen K. hat zulezt H. v. Mžik in einer weit ausgreifenden Studie, Ptolemaios und die K. der arabischen Geographen, Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII (1915) 152ff. (für Al-Hwarizmi vgl. insb. S. 164) erörtert.
  10. Die jüngste Abhandlung über Claudivium von G. Stockhammer Beiträge zur Kenntnis der römischen Topographie Niederösterreichs, im Jahrb. d. Ver. f. Landesk. v. N.-Öst. XV (1916) 117ff., 538ff. sucht allerdings einen andern Weg zur Erklärung.
  11. †† Am ehesten als Mißverständnis der Abkürzung ΓΕΜ = γεμινή zu erklären. Der die Garnison betreffende Zusatz sichert die Beziehung auf Vindobona gründlich; über die Nennung der Legionen bei Ptolemaios Kubitschek Arch. Jahresh. V (1902) 83.
  12. Vgl. ††), übrigens gehört die (Rand-)Notiz betr. die Legion vielmehr um eine Zeile höher, zu Carnuntum.