Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Architekt am Artemistempels in Magnesia am Mäander 3./2. Jh. v. Chr.
Band VIII,1 (1912) S. 879881
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29) Hermogenes, hervorragender Architekt der Wende des 3. und 2. Jhdts. v. Chr., Erbauer des Artemistempels in Magnesia am Mäander und des Dionysostempels in Teos. Abgesehen von einer nur mit Wahrscheinlichkeit auf H. zurückgeführten Inschrift aus Priene (s. u.), stehen alle Nachrichten über ihn bei Vitruv, gehen aber in letzter Linie auf H.s eigene Schrift de aede Dianae ionica quae est Magnesiae pseudodipteros et Liberi Patris Teo monopteros (Vitruv. VII pr. 12 p. 159, 7, vgl. III 2, 9 p. 73, 6f.) zurück und lassen sich an den Überresten dieser Gebäude kontrollieren. Der Tempel der Artemis Leukophryne in Magnesia ist durch die Kgl. Museen in Berlin ausgegraben und von J. Kothe veröffentlicht worden, Humann, Kothe und Watzinger Magnesia am Maeander, Berlin 1904, 39ff. 163ff.; der Dionysostempel in Teos, dessen Friesplatten mit bakchischen Szenen in das British Museum gelangt sind, ist nach einer flüchtigen Untersuchung von Pullan im J. 1865 in den Antiquities of Jonia IV 1881, 35ff. und Taf. XXII-XXV kaum genügend veröffentlicht.

Der Artemistempel in Magnesia, dessen Größe, Eurhythmie und Kunst der Ausführung Strab. XIV 647 rühmt, ist ein ionischer Pseudodipteros mit je 8 Säulen auf beiden Fronten und je 15 auf den Seiten, ein Bautypus, dessen Erfindung (der Pseudodipteros war schon früher nicht ganz unbekannt) durch Weglassen der inneren Säulenstellung der Peristasis des Dipteros H. sich gerühmt [880] und dessen praktische und ästhetische Vorzüge er auseinandergesetzt hatte (Vitruv. III 2, 8-9 p. 72, 16ff.; bei der Zahl 38, die Vitruv für die in Wegfall gekommenen Säulen nennt, sind die Ecksäulen doppelt gerechnet). Den Dionysostempel in Teos, der als dorisch projektiert war, hatte H. aus dem dazu schon hergerichteten marmornen Baumaterial in ionischem Stil ausgeführt und die Veränderung durch den Hinweis auf die Unzweckmäßigkeit des dorischen Stils für Tempelbauten wegen der Gliederung des Triglyphen- und Metopenfrieses an den Ecken gerechtfertigt (Vitruv. IV 3, 1-2 p. 90, 20ff.). Es ist das einzige Beispiel eines ‚Eustylos‘, das Vitruv anführt, und zwar mit sechssäuliger Front (und elf Säulen auf den Langseiten). H. hatte über die Maßverhältnisse des Eustylos, die er nach dem unteren Durchmesser als modulus für vier-, sechs- und achtsäulige Front berechnete, eingehend gehandelt und insbesondere den größeren Zwischenraum zwischen den mittleren Säulen verlangt (Vitruv. III 2, 6-7 p. 71, 21ff.), was indes wohl heim Artemision in Magnesia, aber gerade beim Dionysostempel in Teos anscheinend nicht ausgeführt worden ist. Die Ruine bedarf indes noch gründlicherer Untersuchung, auch um festzustellen, wie weit etwa der ursprüngliche Bau in der Kaiserzeit umgestaltet worden ist. Die außerordentliche Säulenweite von 2¼ Säulendurchmessern entspricht im übrigen den Angaben Vitruvs. Auch der kleine Tempel des Zeus Sosipolis in Magnesia (Kothe a. a. O. 141ff.) und die ihn umgebenden Markthallen lassen den Einfluß des H. deutlich erkennen: die ganze Doppelanlage der Agora und des Artemisions ist so sehr aus einem Guß, daß sie als Werk des H. gelten muß. Die ungleichmäßige und sorglose Ausführung namentlich der Hallenbauten verraten zudem große Hast.

Im Anschluß an die Geschichte der dionysischen Techniten in Teos hatte G. Hirschfeld Arch. Ztg. 1875, 24ff. auch über die Zeit des H. gehandelt und gegenüber früheren Versuchen, ihn in das 7. oder 6. Jhdt. hinaufzurücken (vgl. Klein Arch.-epigr. Mitt. 1885, 179), an der hellenistischen Zeit festgehalten. In der auf die dionysischen Künstler in Teos bezüglichen Pergamener Inschrift Altert. aus Pergamon VIII 1 nr. 163 aus der Zeit Eumenes II. wird D 9f. das ἱερὸν τοῦ Διονύσου als Ort der Aufzeichnung des für Teos bestimmten Exemplares genannt (von Fränkel a. a. O. 97 irrtümlich auf den Tempel des Dionysos in Pergamon bezogen). Der Bau des H. in Teos wird also der Munifizenz Eumenes II. oder bereits Attalos I. seine Entstehung verdanken. Die Erbauung des Artemisions in Magnesia setzt Kothe a. a. O. 164 ‚den Inschriften zufolge‘ in die J. 220-205 v. Chr. Dieser Ansatz beruht indes nur auf der allerdings wahrscheinlichen Vermutung, daß der Bau im Zusammenhang mit der in diese Jahre fallenden Einrichtung des Festes der Leukophryena ausgeführt worden ist, vgl Kern Herm. XXXVI 1901, 496. Da Magnesia damals mit Priene verbunden war (Hiller v. Gaertringen Inschr. v. Priene XVI und 212 nr. 516) und am Artemistempel in Magnesia Ziegel mit staatlichem Stempel von Priene Verwendung gefunden haben (ebd. 179 nr. 35), so ist es recht wahrscheinlich, [881] daß der Architekt Ἑρμογένης Ἁρπάλου der Votivinschrift aus Priene nr. 207 kein anderer als unser H. ist. Das Monument zeigt nach Hiller ,gute Schrift wohl erst des 2. Jhdts.‘. Aus dem Fehlen des Ethnikons in der Inschrift hat Kern mit Recht geschlossen, daß H. aus Priene stammte. Gegenstand der Weihung war dort der Entwurf eines Tempels, dessen Ausführung H. übernommen hatte, was gut zu seinem Charakter paßt (τοῦ νεὼ τὴν ὑπογραφήν, ἣν καὶ ἠργολάβησεν; über die Bedeutung von ὑπογραφή = Grundriß vgl. Fabricius Bonner Studien, R. Kekulé gewidmet, Berlin 1890, 60).

H. ist allem Anschein nach der führende Architekt in Ionien am Ende des 3. Jhdts., der dem ionischen Stil das in der Folgezeit gültige Gepräge gegeben und später einen starken Einfluß namentlich auch auf Rom ausgeübt hat. Eine kunstgeschichtliche Würdigung der Bauten des H. versucht Kothe a. a 0. 136ff., über das ionische Kapitell des H. handelt besonders Puchstein 47. Berliner Winckelm.-Progr. 1887, 40, wo der ganze Abschnitt über die ionische Bauart im 3. Buche Vitruvs auf H. zurückgeführt wird; dazu Delbrück Die drei Tempel am Forum holitorium in Rom 1903, 51. Vgl. auch Brunn Gesch. d. griech. Künstler II 258ff.