Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Niederlegen, hinlegen, hinterlegen
Band V,1 (1903) S. 233236
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Depositum. Das Wort deponere findet sich in den Rechtsquellen mehrfach in einer nicht technischen Bedeutung. So bezeichnet es zuweilen das Hinlegen einer Sache an einer bestimmten Stelle, vgl. Dig. XLI 2, 18, 2: Si venditorem, quod emerim, deponere in mea domo iusserim, possidere me certum est. Daher wird der Schatz (thesaurus) von Paulus als vetus depositio pecuniae bezeichnet, Dig. XLI 1, 31, 1. Auch das Niederreissen oder Niederlegen eines Hauses durch Abbruch wird als deponere gekennzeichnet (Dig. XLV 1, 83, 5). In übertragener, aber dennoch in der Rechtssprache nicht technischer Bedeutung benennt dieser Ausdruck zuweilen das Niederlegen eines Amtes oder einer andern rechtlichen Stellung (Dig. XLVIII 10, 1, 9. I 7, 13. XXIV 1, 5, 13. XLI 1, 34 pr.), zuweilen auch die Abgabe einer Zeugenaussage, Cod. II 58 (59), I, 1. Im eigentlich technischen Sinne bezeichnet das Wort die Hinterlegung beweglicher Sachen zum Aufbewahrungszwecke, vgl. Ulp. Dig. XVI 3, 1 pr.: praepositio enim de auget positum, ut ostendat, totum fidei eius commissum, quod ad custodiam rei pertinet. Bei dem sequester, der als Unparteiischer eine streitige Sache für den späteren Sieger aufbewahren soll, kann das D. über die blosse Hingabe custodiae causa hinaus zu einem depositum omittendae possessionis causa gesteigert werden, wenn dem Empfänger die Stellung eines unabhängigen Besitzers für die Zwischenzeit eingeräumt wird, Dig. XLI 2, 39. In derselben Schrift, in der Ulpianus das D. als das quod custodiendum alicui datum definiert (libro XXX ad edictum Dig. XVI 3, 1 pr.), behauptet er (Dig. XVI 3, 1, 12), dass eine besondere lex custodiae ein plenius mandatum darstelle und neben der actio depositi eine actio mandati begründe. Der Widerspruch ist dahin zu lösen, dass die selbstverständliche Verwahrungspflicht des Empfängers schon im D. liegt, dass aber jeder ausserdem noch besonders übernommene Act der Fürsorge (lex custodiae), z. B. Ausreiten eines Pferdes u. dgl., als eine Auftragsübernahme (mandatum) neben [234] dem D. angesehen werden soll. Da Ulpian hier von einem plenius mandatum redet, so deutet er darauf hin, dass in jedem, auch im gewöhnlichen D. ein mandatum (minus plenum) stecke. Es stimmt dies zu den Ausführungen Voigts (Röm. Rechtsgeschichte I 823ff. und an den dort angegebenen Orten), der annimmt, dass sich das commendatum rei zum depositum specialisiert hat (a. a. O. 825, 5), in dem commendatum aber ein mandatum tutelae sieht, vgl. Ulp. Dig. L 16, 186: commendare nihil aliud est quam deponere, eingeschränkt von Papinianus Dig. XVI 3, 24 auf solche Fälle, bei denen nicht verabredet ist, ut tantundem solvatur, sondern das hinterlegte Stück selbst wiederzugeben ist.

Trotz dieses geschichtlichen Zusammenhanges wird das D. von dem Consensualvertrage des mandatum scharf geschieden. Weil sich bei einer jeden Hinterlegung an ihrem Gegenstande eine sichtbare Raumveränderung vollzieht, ohne die ein Rückgabeversprechen nicht denkbar ist, wird in der Scala der Verpflichtungsgründe (obligatio contrahitur re, verbis, litteris, consensu, Gai. III 89. Inst. XIII 2) das D. den Realcontracten zugezählt und daher, um den Unterschied vom Darlehen zu betonen, das deponere in Gegensatz zum credere gestellt, Dig. XLII 5, 24, 2. Es ist daher nicht unbestritten, ob es nach römischem Rechte neben dem Darlehen noch ein depositum irregulare gab, d. i. Hingabe einer Mehrheit von Geldstücken oder ähnlichen Sachen mit der Verpflichtung, nicht die empfangenen Stücke, sondern ebensoviel zurückzugewähren. Ulpian scheint dies Dig. XLII 5, 24, 2 zu bestreiten, falls Zinsen ausbedungen sind. Er erkennt also hier besondere Depositalzinsen neben den Darlehenszinsen nicht an. Anders Papinian Dig. XVI 3, 24, der allerdings daselbst bemerkt: nam si, ut tantundem solveretur convenit, egreditur ea res notissimos depositi terminos. Trotzdem zieht auch er in solchem Falle eine actio depositi und eine Abrede von Depositalzinsen in Erwägung. Es lässt sich dies wohl dahin erklären, dass der Act der Hingabe bei einem Verzicht auf die Rückgabe desselben Stückes genau genommen im Lateinischen ebensowenig ungezwungen als deponere bezeichnet werden konnte, wie er im Deutschen als Hinterlegung oder als Hingabe zur Verwahrung benannt werden kann. An diesem stilistischen Bedenken bleibt jedoch der praktische Sinn des Juristen nicht haften. Er verwirft hier nur den Namen, nicht das Recht des D. (vgl. zum d. irregulare Niemeyer Das Depositum irregulare, Halle 1889 und Oertmann Die Volkswirtschaftslehre des corpus iuris civilis. Berl. 1891. 24. 100. 106).

Die Haftung aus dem D. ist einerseits eine leichtere, andererseits eine strengere, als die gewöhnliche Verpflichtung aus Verträgen. Die Erleichterung zeigt sich darin, dass der Empfänger des D. nur für dolus malus und die ihm gleichstehenden culpa lata haftet. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatze, dass die Partei, die an einem Vertragsverhältnisse nicht selbst interessiert ist, in der Regel nur in der angegebenen Weise haften soll, und aus der Unentgeltlichkeit der übernommenen Pflicht. Diese Unentgeltlichkeit war dem D. wesentlich und das Unterscheidungsmerkmal [235] von der locatio conductio (s. d.), Dig. XVI 3, 1, 8.

Andererseits galt die Aushülfe in einer Verlegenheit durch Übernahme des D. als eine besonders strenge Treuepflicht. Darum zog eine Verurteilung des Depositars aus diesem Geschäfte Infamie nach sich, worin sich die Verwandtschaft des D. mit dem mandatum zeigt, Dig. III 2, 1. Auch im Concurse des Depositars wurden die Depositaforderungen bevorzugt, was wenigstens gegenüber den nummularii und mensularii (Bankiers) bezeugt ist, falls das Geld unverzinslich hinterlegt war, Dig. XVI 3, 7, 2. XLII 5, 24, 2. Mit dieser strengen Auffassung der Pflicht eines Depositars hängt zusammen, dass die Christen unter den schweren Freveln, die zu vermeiden sie besonders eidlich versprachen, auch die Ableugnung eines D. erwähnten, Plin. cp. X 97, 7. Besonders schlimm erschien die Treulosigkeit eines Depositars dann, wenn die Hinterlegung bei einem Unglücksfalle (tumultus, incendium, ruina, naufragium) geschehen war. Hier fand eine verschärfte Haftung statt, Dig. XVIII 3, 1, 1 (vgl. Voigt Röm. Rechtsg. I 624, 35). Es ist hier von einer publica utilitas die Rede (Dig. XVI 3, 1, 4), die freilich auch bei dem gewöhnlichen D. in Frage kommt, da auch sonst die Unverletzlichkeit dieses Vertrages ohne Zweifel dem gemeinen Wohle dient, Cic. de off. I 31. III 95. Auch der Ausschluss der Compensationseinrede gegenüber der Klage aus dem D. enthielt eine Anerkennung der Wichtigkeit dieses Schuldverhältnisses, Paul. sent. II 12.

Man nimmt an (z. B. Voigt Röm. Rechtsgeschichte I 623; vgl. ebd. auch 624, 37 über Inst. IV 6, 26), dass das D. erst durch das praetorische Edict aus einer Gewissenspflicht zu einer klagbaren Rechtspflicht geworden ist. Vgl. aber auch Paul. sent. II 12, 11: Ex causa depositi lege duodecim tabularum in duplum actio datur, edicto praetoris in simplum. Collat. X 7, 11. Trotzdem geht die allgemeine Ansicht dahin, dass die zwölf Tafeln eine Klage aus dem D. nicht als besonderes Rechtsmittel gewährten, sondern nur als Anwendungsfall einer andern Klage, entweder der Klage aus dem Nebenvertrage einer mancipatio (vgl. Puchta-Krüger Inst.10 351, 272 Anm.), wozu die Quellen keinen Anhalt bieten, oder als Anspruch wegen furtum nec manifestum. Die letztere Annahme ist glaubwürdig, und es dürfte nicht ausgeschlossen sein, dass die zwölf Tafeln das d. non redditum als Beispiel eines furtum nec manifestum noch besonders erwähnt haben. Es entspricht dies auch der Auffassung der älteren Zeit, die bekanntlich bei der Beurteilung des Unrechts die äussere Sachlage schärfer betonte als den Seelenzustand des Übelthäters. Erst als es späterhin unpassend erschien, eine blosse Unterlassung der Rückgabe mit dem unterschlagenen D. auf eine Linie zu stellen, mochte wohl der Praetor für den ersteren Fall die besondere actio depositi gewähren. Er gab übrigens dem Kläger die Auswahl zwischen einer actio depositi in factum concepta und einer gleichnamigen actio in ius concepta, was vielleicht mit dem bei Gaius IV 107 erwähnten Unterschiede zusammenhängt (vgl. hierüber die bei Puchta-Krüger a. a. O. Genannten).

[236] Litteratur: Puchta-Krüger Inst.10 351. Sohm Inst.8. 9 365. v. Czyhlarz Inst.⁴ 186ff. R. Leonhard Institutionen 393. 467.