Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Mädchen, mythisch mit Apollon verbunden, personifizierter Lorbeerbaum
Band IV,2 (1901) S. 21382140
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6) Name eines Mädchens, das in den verschiedenen Mythen stets in Verbindung mit Apollon erscheint, der personificierte Lorbeerbaum. Die männerscheue Nymphe wird von Apollon geliebt und verfolgt (,spröde Geliebte Apolls‘ bei Gerhard Gr. M. § 321, 4); auf ihr Flehen nimmt sie die Erde in ihren Schoss auf und lässt an ihrer Statt einen Lorbeer spriessen, oder das Mädchen wird direct in den Baum verwandelt; der Gott bekränzt sich mit den Zweigen desselben. So erscheint sie:

a) als Tochter des arkadischen Flussgottes Ladon und (wo die Mutter genannt ist) der Erde, Myth. ed. Westerm. p. 309 (Palaiph. π. ἀπ. 50). 309 (Libanii narr. 11 [IV p. 1102 R.]). 367 (Nonni narr. ad Greg. inv. 2, 16 p. 165). Paus. X 7, 8. Schol. Hom. Il. I 14 (Ps.-Eud. p. 106f. Vill.) und Cass. Bass. Geop. XI 2. Aphth. prog. 5. 6. (Rhet. Gr. ed. Walz I 72ff., ed. Speng. II 28ff.). Nonn. Dion. XLII 387ff. Tzetz. Lyk. 6 (Ps.-Eud. p. 273f. Vill.); Exeg. in Il. p. 74ff. Herm. Eustath. Dionys. Perieg. 416. Stat. Th. IV 289f. Serv. Aen. II 513. III 91; Buc. III 63 (Myth. Vat. I 116), vgl. Hes. s. Λαδωγενής;

b) im lakonischen Eurotasthal als Tochter des Amyklas: Phylarchos (FHG I 342, 33) bei Parth. erot. 15 (Prob. Verg. Buc. III 62 p. 9 K.) und bei Plut. Agis 9 (vgl. FHG II 288, 76), vgl. Verg. Buc. VI 83;

c) als Tochter des thessalischen Peneios: Ovid. met. I 452ff. Hyg. fab. 203 p. 128, 12ff. Sch.), vgl. Stat. silv. I 2, 130f. Serv. Aen. III 91. Fulg. myth. I 14 (24, 10ff. Helm.). Myth. Vat. II 23. III 8, 4. In die spröde Jägerin habe sich Leukippos verliebt, der Sohn des pisatischen Königs Oinomaos, und, um sie zu gewinnen, sein Haar lang wachsen lassen (zum Weihgeschenk für den Alpheios), dann sich in weiblicher Gewandung als Tochter des Oinomaos der Geliebten angeboten als Jagdgenossin und so dieser Zuneigung erworben; der eifersüchtige Apollon aber habe D. veranlasst, sich mit ihren Gefährtinnen im Ladon zu baden; die Täuschung sei erkannt und Leukippos von den Mädchen mit Wurfspiessen und Jagdmessern getötet worden, Paus. VIII 20, 2ff. Diod. bei Parth. erot. 15, wo sich noch die Flucht der D. vor Apollon und ihre Verwandlung (durch Zeus, vgl. auch Prob. a. a. O.) anschliesst;

d) als Tochter des Ladon, mit diesem übertragen nach Syrien; als Seleukos I. Nikator in der Gegend von Antiocheia am Orontes jagte, wühlte sein Pferd mit dem Hufe eine Pfeilspitze aus dem Boden mit Aufschrift Φοίβοθ, woraus man schloss, hier sei die Verwandlung der D. vor sich gegangen (als Local die Gegend am Olympos bei Prusa Bithyn., wo sich Lorbeerblätter unter die Steine vermengt fanden, Anon. Vat. 15 bei Keller Scr. rer. nat. min. I 108), und Apollon habe hier aus Schmerz über den Verlust seine Pfeile fallen lassen, Liban. Antioch. I 302 R. Daher nach D. eine Vorstadt [2139] von Antiocheia (Nr. 3) benannt mit Heiligtum des Δαφναῖος Ἀπόλλων (und der Artemis), Philostrat. vita Apoll. Tyan. I 16. Iulian. misop. p. 357 C. 361 Spanh. (τοῦ δαφναίου τεοῦ), vgl. noch p. 346 B und ep. 27 (p. 400). Ammian. Marc. XXII 13 (vgl. XIX 12, 19). Sozom. V 19 (Δαφναῖος Ἀπόλλων s. Apollon o. Bd. II S. 46f. und oben Art. Daphnaios Nr. 1), ἱερεῖς Ἀπόλλωνος τοῦ ἐπὶ Δ. CIG 4458; mit dem Heiligtum waren Asylrecht und Spiele verbunden, vgl. besonders Polyb. XXXI 3. 4 (aus Athen. V 194 c. X 439 b). Poseid. FHG III 263, 31 (Athen. XII 540 a. V 210 e). Iulian. p. 361; daher Antiocheia zur Unterscheidung von andern Städten dieses Namens Ἀντ. ἡ ἐπὶ Δάφνῃ, Strab. XV 719. XVI 749. 750 (Eustath. Dionys. Perieg. 916 = FHG III 589, 17). Plin. V 79, auch Ioseph. ant. XVII 24, vgl. noch XIV 325. 451 (Δ. τῆς Ἀντ.); bell. Iud. I 243. 328 (ἡ πρὸς Ἀντ. Δ.) oder auch ἡ περὶ τὴν Δάφνην, Steph. Byz. s. Ἄκρα und Μερόη. Head HN 658. Vgl. noch Paus. VIII 20, 2 und Paus. π. Ἀντ. bei Tzetz. Exeg. in Il. 138. Herm. Cass. Dio LI 7. Nonn. Dionys. XL 136f. 149. Zosim I 52. Liv. XXXIII 49, 6. Ausonii ordo urb. nob. 15 Sch. Eutrop. VI 14. Hegesipp. (Ioseph.) IV 1. Δαφνήπολις: Stadt in der Phantasie des Eustath. (Eumath.) Makremb. VIII 18.

D. wurde im Liede besungen (Ach. Tat. I 5, 5), im Pantomimos als Fliehende dargestellt (Luc. de salt. 48. Auson. app. V 30 (85) Sch. Anth. Pal. XI 255), in Gemälden im Moment der Verwandlung (Luc. vera hist. I 8), plastisch in polychromer Manier (Anth. lat. I 172 Riese), wurde auf Siegelringen getragen (Anth. Pal. IX 751), erscheint als Jagdgenossin des Hippolytos (wohl an Stelle der ,Virtus' römischer Darstellungen) in der Beschreibung eines Gemäldecyklus bei Chorikios ἐκφρ. εἰκ. p. 165ff. Boiss. Brunn Kl. Schr. I 18. Kalkmann Arch. Ztg. XLI 1883, 148ff. Vgl. noch Anacreontea 59 Bgk. Luc. dial. deor. 2. 14—16. Anth. Pal. IX 124. 307. Ovid. ep. XV 25. Mart. XI 43. Auson. epigr. CV (102). CVI (103) Sch.; οῑά τε Δ. beliebter Versschluss bei Nonnos (Dionys. II 108. 114. IV 98. XXXIII 222), Dion. XXIV 99 werden unter den übrigen Adryades (s. Dryades) die δαφναῖαι νύμφαι hervorgehoben als besondere Schützlinge Apollons; Weiteres s. Ind.: in der Polemik der Kirchenväter: Stellen bei Raoul-Rochette Choix de peint. 61.

Für Kunstdarstellungen vgl. Helbig Rh. Mus. XXIV 1869, 251ff., besonders auf Wandgemälden der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens (Helbig Wandgem. nr. 206—215); hier häufig eine von unserer litterarischen Überlieferung abweichende Version illustriert, derzufolge Apollon die Geliebte durch seine Musik zu gewinnen trachtet; vgl. Nonn. Dionys. XV 309f. (Helbig Unters. über die campan. Wandmalerei 222. 267). Reliefdarstellung in Trier, Arch. Anz. XIII 1898, 74f. Fig. 5. Über D. auf Münzen, zumal von Apollonia Salbake (Karien), vgl. J. Friedländer Ztschr. f. Num. VII 1880, 218. Head HN 251.

Apolls Liebschaft ergab sich aus der Bedeutung des Lorbeers für seinen Cult als eine aitiologische Legende, Mannhardt Wald- und Feldculte I 297, über die Symbolik des Lorbeers: Boetticher Baumk. d. Hell. 338ff. (264). [2140] Die Legende von Apollon und D. symbolisiert die Überwältigung der Erdmantik durch Apollon und seine Art der Weissagung, Rohde Psyche² II 58. 2; vgl. I 141. 238 A. II 58, 1. 181, 2. Max Müller (vgl. Essays II² 84f. 143. 411f.) deutet D. auf die vor der aufgehenden Sonne fliehende Morgenröte, wozu ,die Verwandlung der D. in einen Lorbeerbaum eine auf griechischem Boden erwachsene Fortsetzung der Mythe'; vgl. dagegen Mannhardt a. O. II 20. Preller-Robert Gr. M. I 292, 1. Justi Berl. phil. Wschr. XVIII 1898, 1493ff.