Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Im modernen archäol. Sprachgebrauch: zylinderförmige Geräte
Band III,2 (1899) S. 25932606
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4) Der moderne archäologische Sprachgebrauch versteht unter C. gewisse cylinderförmige Geräte, meist aus Bronze, aber auch aus anderem Material (Holz, Elfenbein, Knochen). Anlass zu dieser Benennung gab die Ähnlichkeit in der Form mit den Mysterienkörben. Es ist unmöglich, eine genaue Begrenzung des durchaus unwissenschaftlichen Begriffes zu geben oder darüber zu streiten, welche cylinderförmigen Geräte C. zu nennen sind, welche nicht. Auf Grund des recipierten Sprachgebrauches kommen hier zwei Typen in Betracht: die Praenestiner C. und die ,gerippten Cisten‘ (ciste a cordoni).

a) Praenestinische Cisten. Litteratur: Gerhard Etr. Spiegel I 3ff. O. Jahn Die ficoronische C., Leipzig 1852. R. Schöne Ann. d. Inst. 1866, 151ff. 1868, 413ff. (giebt vollständiges Verzeichnis nr. 1–75 der damals bekannten C.). Friederichs Kl. Kunst 125ff. Fernique Étude sur Préneste, Paris 1880, 145. Schumacher Eine praen. C. im Mus. zu Karlsruhe, Heidelberg 1891; dies die letzte und gründlichste Behandlung des Gegenstandes.

Es mögen jetzt etwas mehr als 100 solcher C. bekannt sein. Sie werden fast ausschliesslich in Gräbern von Praeneste gefunden, nur ausnahmsweise anderswo. So in Vulci Schöne nr. 9. 10. 55. Helbig Bull. d. Inst. 1880, 213; in Bolsena [2594] Schöne nr. 56; in Corneto, Bull. d. Inst 1876, 15; in Todi, ebd. 1880, 17; in Picenum Schöne nr. 58. Dass aber in Etrurien solche oder ähnliche Geräte üblich waren, beweisen ausser obigen Funden im Museo Gregoriano befindliche C.-Füsse aus Vulci und Orte (Mus. Greg. I 61) und das Vorkommen von C. in den Zeichnungen etruskischer Spiegel, mit gleichem Inhalt, wie er für die praenestinischen C. constatiert ist. Gerhard Etr. Sp. I 19. V 47. 96; ausserdem ebd. IV 282. 320. V 18. 22. 32. 67. 96. 139, 1. Freilich haben diese C. nicht recht den praenestinischen Typus; am ehesten V 18. 139, 1.

Der voll entwickelte Typus besteht aus einem cylinderförmigen, seltener ovalen (Schöne nr. 12. 18. 34. 45–50. 60. 65) Behälter aus Bronze, getragen von drei, bei ovaler Form von vier Füssen, in 2/3 seiner Höhe mit meistens acht runden Scheibchen versehen, an denen Ringe befestigt sind, in denen Ketten, seltener Riemen hingen, geschlossen durch einen bald ein-, bald übergreifenden Deckel, auf dem als Griff eine oder mehrere Figuren stehen.

Der Name C. für dies Gerät hat keinerlei Gewähr; man hat, wie schon oben bemerkt, unter C. schwerlich etwas anderes als einen Korb verstanden. Noch weniger die frühere Ansicht (Gerhard Etr. Sp. I 6ff.; Über eine C. mystica, Abh. Akad. Berl. 1849, 491ff.), als hätte es bei den Mysterien Verwendung gefunden. Es waren vielmehr Behälter für Toiletten- und namentlich Badegerät, Zoega bei Welcker A. D. III 544. Jahn 47ff. Brunn Ann. d. Inst. 1864. 373ff. Dies geht hervor aus den vielfach in den C. gefundenen Gegenständen. Zusammenstellung derselben Schöne Ann. 1866, 194: Spiegel (diese fast regelmässig Brunn Ann. 1864, 372), Strigiles, Kämme, Schwämme, ein Stück Leinen als Handtuch, Pinzetten zum Haarausrupfen, Schminkbüchschen, kleine Spateln zum Auftragen der Schminke, Salbengefässe, Haarnadeln und Discernicula, Spangen, auch zierliche Frauensandalen (Helbig Bull. d. Inst. 1866, 16). In den in den Zeichnungen der C. vorkommenden C. (Schöne nr. 7. 63. 64. 76) erkennt man, wie es scheint, Mündungen von Salbenfläschchen und Griffe von Spiegeln. So auch auf dem Spiegel Gerhard V 47. Der besonders vollständige Inhalt der C. Schöne nr. 18 ist abgebildet Mon. d. Inst. VIII 8; vgl. Ann. 1864, 371: aus Bronze ein Spiegel, eine zierliche Strigilis, eine Pinzette, eine Spatel, zwei Armbänder, zwei Fibeln, drei Haarnadeln, eine kleine Schachtel, ein Fläschchen, ein Becher; aus Knochen drei Haarnadeln, ein kleiner Behälter wie eine Nadelbüchse, drei Stücke unklarer Bestimmung, vielleicht um Garn aufzuwickeln (nach Brunn a. O. wurde auch einmal ein Knäuel Garn in einer C. gefunden): aus Holz zwei kleine Schachteln in Form eines Fusses und einer Taube mit je fünf Abteilungen, vielleicht für Schminke, und ein Fragment eines anderen Gefässes; ferner ein Salbengefäss aus Alabaster, ein kleines Thonfläschchen und ein Schwamm. Die hier inmitten eines durchaus auf Gebrauch seitens einer Frau deutenden Bestandes gefundene Strigilis (vgl. auch Schöne nr. 9. 11) muss uns warnen, aus dem Vorkommen dieses Geräts (Schöne nr. 2. 3. 5. 72) auf einen männlichen Besitzer zu schliessen; [2595] vgl. auch die silberne Strigilis mit der Inschrift Crescentia bei Pignorius De servis 85. In den Zeichnungen der Cisten und Spiegel kommen C. stets nur in Verbindung mit Frauen vor.

Der cylinderförmige Behälter ist verschiedener Grösse. Die Höhe ist meistens zwischen 0,20 und 0,25; doch finden sich auch C. von nur 0,08 (Schöne nr. 20) und 0,09 (Schöne nr. 60) Höhe und grössere von 0,33 (Schöne nr. 22), 0,34 (Schöne nr. 29) und 0,44 (Schöne nr. 16, Ciste Napoleon). Der Durchmesser pflegt bei den cylinderförmigen C. etwas geringer zu sein als die Höhe. Eine kleine, wie es scheint ältere Gruppe zeigt schlankere Proportionen; gedrücktere Verhältnisse haben die ovalen C. Die Wände sind ohne Naht aus einem Stück getrieben; nur in einem Falle (Schöne nr. 45) aus einer Platte zusammengenietet. Der Boden ist manchmal aus demselben Stück getrieben, manchmal aber auch besonders gearbeitet und angelötet. Die Wände haben mit seltenen Ausnahmen (Schöne nr. 47. 48. 53. 56. 57. 61. 68. 69) eingravierte Zeichnungen. An der ficoronischen C. und an der C. Schöne nr. 49 sind an den Stellen, die durch die Scheiben mit den Ringen geschützt waren, an der ficoronischen auch da, wo ursprünglich die Füsse ansassen, Reste von Versilberung zu erkennen. Nach Bröndstedt (Ficoron. C. 9; vgl. Jahn 2) war an der ficoronischen C. kenntlich, dass die Gravierungen mit Gold ausgefüllt waren; doch ist davon jetzt nichts mehr kenntlich. Unwahrscheinlich und allgemein aufgegeben ist die Vermutung Sempers (Stil II 561), dass die Gravierung nur Vorzeichnung für aufgelegte Farben gewesen sei; sie ist namentlich mit der Feinheit der Zeichnungen der ficoronischen C. gänzlich unvereinbar.

Die Zeichnungen sind nur ausnahmsweise blos ornamentaler Art (Schöne nr. 37. 67), in der Regel in der Mitte ein breiter Streifen figürlicher Darstellungen, oben und unten ein schmaler Ornamentstreifen – am häufigsten Palmetten und Lotus –, an dessen Stelle auch Meerwesen und andere Tiere treten können (Schöne nr. 13. Mon. d. Inst. VI 40); andere figürliche Darstellungen – oben ein Gelage, unten Kentaurenkampf – zeigt an dieser Stelle die napoleonische C. Schöne nr. 16. Mon. d. Inst. VI. VII 61–64. Der Mittelstreifen ist nur in einem einzigen Falle (Schöne nr. 12. Mon. d. Inst. VI. VII 40, Prometheus und Pandora) in je eine Scene enthaltende Felder geteilt; sonst enthält er stets eine ringsum laufende Composition, die bei den besseren C. so angeordnet ist, dass eine besonders in die Augen fallende Figur oder Gruppe als Centrum, ausserdem manchmal noch ein rückwärtiges Centrum hervorgehoben ist. So auf der ficoronischen C. als Hauptcentrum Polydeukes und Amykos, als Centrum der Rückseite die Quelle. Schöne Ann. d. Inst. 1866, 201. Furtwängler ebd. 1877, 185. Schumacher 14, welcher nachweist, dass mehrfach das Centrum auch durch die Anordnung des oberen Streifens hervorgehoben wird. Häufig zeigen auch die Zeichnungen keine einheitliche Handlung, sondern ihrer zwei, die in keinem inneren Zusammenhang stehen und nur äusserlich bisweilen irgendwie in Verbindung gesetzt sind. So auf der von Schumacher publicierten C., wo [2596] die Vorderseite badende Frauen, die Rückseite einen bakchischen Zug zeigt, dessen beide äusserste Figuren aber, zwei Silene, ihre Aufmerksamkeit den Frauen zuwenden. Drei ganz getrennte Handlungen zeigt die grosse und schöne C. Schöne nr. 21, Mon. d. Inst. VIII 29. 30: Parisurteil, Raub des Chrysippos (?), Krieger vor dem thronenden Apollo.

Was den Inhalt der Darstellungen betrifft, so sind es nur zum kleinsten Teil verständliche mythologische Scenen, oder doch solche, von denen wir voraussetzen können, dass sie den Verfertigern und Besitzern der C. verständlich waren. So die eben genannte, Schöne nr. 21. Das hervorragendste Beispiel dieser Classe ist die ficoronische C: sie zeigt die in Bithynien gelandeten Argonauten gruppiert einerseits um den von Polydeukes besiegten und gefesselten Amykos, andererseits um eine Quelle. Hierher gehört auch die napoleonische C., Schöne nr. 16 (Totenfeier des Patroklos) und Schöne nr. 13 (Perseus, Andromeda und Phineus). Vollkommen verständlich sind auch mythologische Handlungen allgemeinerer Art, wie Kentaurenkämpfe (Mon. d. Inst. Suppl. 17. 18), Amazonenkämpfe (Schöne nr. 9. 31), bakchische Scenen (Schöne nr. 11. 66). Auch eigentliche Genrescenen finden sich: Palaestrisches (Schöne nr. 3. 74), Jünglinge, die sich waffnen (Schöne nr. 2. 5), Badescene und heimkehrende Krieger (Schöne nr. 75 = Mon. d. Inst. VIII 56–58). Weitaus die häufigsten Darstellungen aber sind dem Anschein nach mythologische Handlungen, in Wahrheit aber nur willkürlich gruppierte Figuren. Diese, und nur diese Classe hat manchmal auch Namenbeischriften, die aber durchweg sinnlos sind und zu keinem Verständnis helfen. So zeigt die C. Schöne nr. 15 (Mon. d. Inst. VI. VII 55) ein Parisurteil, aber die drei Göttinnen sind durch Beischriften als Atalante(?), Helena und Alsir bezeichnet; ausserdem eine unverständliche Scene mit zum Teil dem troischen Kreise entnommenen Beischriften: Crisida, Aiax, Oinumama, Casentor. So kommen in den Beischriften Schöne nr. 19 Aias und Agamemnon vor, aber die Handlung ist unverständlich. Offenbar hatten die Verfertiger keine rechte Kenntnis der griechischen Mythen. Vgl. noch Schöne nr. 4. 7. 14. 17. 22. 24–29. 32–35. 76. Bull. d. Inst. 1870, 99ff. I–IV. Mon. d. Inst. Suppl. 15–16. 19–20.

Ganz vereinzelt steht die merkwürdige ovale C. Schöne nr. 18. Mon. d. Inst. VIII 7. 8. Bei einem grösseren Durchmesser von 0,46, einem kleineren von 0,22 hatte sie ursprünglich die bei ovalen C. sonst nicht vorkommende Höhe von 0,36, wurde aber dann durch Abschneiden des oberen Teils der Wände auf 0,18 reduciert, so dass von allen aufrechten Figuren die oberen Körperteile verloren sind. Dargestellt sind Kampfscenen, und zwar als Mittelgruppe der einen Langseite ein Krieger, der einen von einer Lanze durchbohrten Gegner mit dem Schwert vollends zu töten im Begriff ist. Auf dem Deckel dieser selbe Krieger mit einem auf am Boden liegenden Waffen stehenden Könige Frieden schliessend; links wird der tote Gegner fortgetragen, rechts drei Frauengestalten, von denen die erste zum König spricht, die zweite sich der Mittelgruppe zuwendet, obgleich [2597] die dritte sie mit zornigen Geberden daran zu hindern sucht. Die Identität der beiden Gegner ist zweifellos; es ist der einzige Fall, dass die Darstellung der Wand sich auf dem Deckel fortsetzt. Es ist schwerlich möglich, hier etwas anderes als (mit Brunn Ann. 1864, 356ff.) Aeneas, Turnus, Latinus, Lavinia und Amata zu erkennen, wenngleich der Kampf nicht der vergilischen Schilderung entspricht und auf dem Deckel eine Figur unerklärt bleibt. Nun ist es zwar auf Grund der schriftlichen Überlieferung, wie Nissen Jahrb. f. Philol. XCI 375ff. nachweist, sehr schwer anzunehmen, dass diese Form der Sage schon zur Zeit der praenestinischen C. ausgebildet gewesen sei; aber die C. müsste als Zeugnis gelten, dass dies doch der Fall war, wenn die Echtheit der Zeichnungen sicher wäre. Zweifel an derselben sind im allgemeinen angedeutet von Heydemann Arch. Zeit. XXIX 122; nach Robert 50. Berl. Winckelm.-Progr. 63, 1 wäre auf der Wand Penthesilea dargestellt, der Deckel aber unecht; O. Rossbach oben Bd. I S. 1018 scheint das Ganze für gefälscht zu halten. Im Brit. Museum, wo sich die C. jetzt befindet, gelten die Zeichnungen des Deckels (nicht dieser selbst) für unecht und werden in dem demnächst erscheinenden Katalog der Bronzen so bezeichnet werden (Mitteilung von A. S. Murray). Andererseits sind C. und Deckel gleich nach der Ausgrabung von vorzüglichen Kennern (Fr. Martinetti, Graf Tyskiewicz) noch mit dicker Sinterschicht bedeckt gesehen worden, deren Entfernung dem Kunsthändler Pasinati monatelange Mühe machte; dieselben Kenner haben eben deshalb gegenüber den ihnen bekannten Zweifeln ausdrücklich an der Echtheit festgehalten (Mitteilung von W. Helbig). Sicher echt ist die Wand, auch die Deutung auf Penthesilea wohl nicht haltbar: die beiden, durch verschiedene Rüstung charakterisierten Parteien sind beide männlich.

Ebenso vereinzelt steht die C. Mon. d. Inst. X 29 mit Darstellung eines Triumphes auf dem Albanerberg, Michaelis Ann. d. Inst. 1876, 105ff.

Unverkennbar ist in den Darstellungen mancher C. die Beziehung auf den Gebrauch derselben in Bad und Palaestra. Beides – Faustkampf und Quelle – ist vertreten auf der ficoronischen C. Palaestrische Darstellungen Schöne nr. 3. 74; auch die sich waffnenden Jünglinge ebd. nr. 2. 5 können verglichen werden. Ganz besonders häufig ist die Darstellung nackter Frauen, die bei einem wasserspeienden Löwenkopf mit ihrer Toilette beschäftigt sind, mit oder ohne mythologischen Vorwand (Thetis von Peleus belauscht, Parisurteil). Es liegt nahe, anzunehmen, dass C. mit Darstellungen dieser letzteren Art für Frauen, solche mit palaestrischen und Kampfscenen für Männer bestimmt waren. Doch ist selbstverständlich dies im Gebrauch nicht durchgeführt worden. Lehrreich ist hierfür die ficoronische C., die, wenn irgend eine, männlichen Charakter hat, aber nach der Inschrift von Dindia Macolnia ihrer Tochter geschenkt wurde. Die Funde in den C. geben, wie schon oben (S. 2594) bemerkt, in dieser Richtung keine sichere Entscheidung.

Die kleinen Scheiben mit den Ringen sind in 2/3 der Höhe meistens angelötet, seltener genietet; ihrer sind meistens acht; nur die ficoronische C. und noch eine besonders grosse (Schöne nr. 24) [2598] haben zwölf; zweimal (Schöne nr. 4. 25) sind es sechs, zweimal (Schöne nr. 36. 63) vier, einmal (Schöne nr. 5) zehn. Sie waren meistens verbunden durch Ketten, und zwar in den erhaltenen Exemplaren (Schöne nr. 13. 19) so, dass zwischen je zwei durch eine Kette verbundenen Ringen einer unbenutzt blieb; dagegen sind in den Zeichnungen der C. kleine C. dargestellt, an denen alle Ringe durch Ketten verbunden sind. Natürlich dienten sie um das Gerät zu tragen, sind aber zu kurz, um über dem Deckel zusammengenommen zu werden. In einigen Fällen (Schöne nr. 32. 45. 72) vertraten Riemen die Stellen der Ketten; die weiterhin zu erwähnende viereckige C. (Schöne nr. 71) hatte an den Langseiten Ketten, an den Schmalseiten Riemen. Bei Anbringung der Scheiben ist auf die Zeichnung der Wände keine Rücksicht genommen; die sind bisweilen gerade auf die Köpfe der Figuren gesetzt. Nur in einem Falle (Schöne nr. 29) sind in den Gravierungen die Plätze der Scheiben vorgesehen und vorgezeichnet; dann aber sind dieselben doch an ganz anderen Stellen angebracht worden.

Ebenso wird auch durch die Füsse die Zeichnung der Wände rücksichtslos unterbrochen. Sie haben stets die Form von Tierfüssen; meistens sind es Löwentatzen, seltener Kuhfüsse (Schöne nr. 60. 69; dazu Ann. d. Inst. 1866, 192f. nr. 25. 128. 39. 40). Über denselben und mit ihnen aus einem Stück pflegt, am Körper des Gefässes anliegend, noch eine Figur oder Gruppe angebracht zu sein. Besonders oft erscheint hier ein geflügelter Knabe (Eros), neben dem auf der C. Schöne nr. 22 (Mon. d. Inst. VIII 29. 30; ebenso Schöne nr. 58) ein wasserspeiender Löwenkopf, ein Balsamarium und eine Strigilis sichtbar sind; er selbst ist beschäftigt, sein Haar zu ordnen; so auch in anderen Exemplaren, wo er in der Rechten ein unklares Gerät hat, Schumacher 27. Offenbar ist also seine Beziehung zum Bade. An der ficoronischen C. finden wir an dieser Stelle eine Gruppe von drei Figuren: Eros zwischen Herakles und Iolaos; die Deutung, und die Beziehung auf Bad und Palaestra, ergiebt sich aus dem Vergleich von Spiegelzeichnungen, wo statt des Eros Hermes erscheint, Iolaos eine Strigilis hält und einmal auch der wasserspeiende Löwenkopf sichtbar ist, Jahn 37ff., vgl. auch Ann. d. Inst. 1866, 193, 31. Die Beziehung auf das Bad ist auch klar an der napoleonischen C. (Schöne nr. 16) – Herakles im Bade von Nike und Satyr bedient – und bei dem offenbar als Brunnenfigur gedachten Satyr mit Hydria Schöne nr. 42. Häufig freilich sind es Figuren ohne solche Beziehungen; so der besonders beliebte Löwe (Schöne nr. 2. 3. 7. 32. 33. 37–40) oder die Harpyie (Schöne nr. 4. 5. 30. 31. 43. 64. 65). Selten fehlt diese Figur ganz und ist der Übergang vom Fuss zum Körper nur durch ein einfaches ornamentales Motiv vermittelt. Die Tatzen der C.-Füsse stehen in der Regel jede auf einer kleinen Platte; bisweilen (Ficor. C. Schöne nr. 21. 58) ist auf dieser noch ein von der Tatze plattgedrückter Frosch angebracht. Die Füsse sind durchweg geringer Arbeit, gegossen und nur wenig und oberflächlich mit dem Grabstichel bearbeitet.

Der Deckel ist meist flach, seltener etwas [2599] höher gewölbt und wie die Wände mit gravierten Zeichnungen versehen; am häufigsten ringsum ein Blattkranz oder Ornamentstreif, innerhalb desselben figürliche Darstellungen. Besonders beliebt sind hier Seetiere, Schöne nr. 19 (Mon. d. Inst. IX 22. 23) mit auf ihnen sitzenden Nereiden; Nereiden allein Schöne nr. 32 (Bull. d. Inst. 1866, 142 XII): ohne Zweifel mit Beziehung auf den Gebrauch der C. zum Bade. Eine freilich unverständliche mythologische Scene Schöne nr. 45, eine Kampfscene Mon. d. Inst. Suppl. 13. 14. In der Mitte ist bisweilen der Platz zum Aufsetzen der Henkelfiguren frei gelassen (Schöne nr. 13. 14 = Mon. d. Inst. VI. VII 40. 54. Schöne nr. 19 = Mon. d. Inst. IX 22. 23. Schöne nr. 5); es kommt aber auch vor, dass ohne Rücksicht auf diese die Mitte durch ein rundes Ornamentmotiv – Schöne nr. 21 = Mon. d. Inst. VIII 31 ein Gorgoneion – eingenommen, oder auch nur ein runder Platz frei gelassen wird; so Mon. d. Inst. Suppl. 13. 14. Auf der ficoronischen C. sind um das ornamentale Mittelmotiv in einem inneren Kreise Löwen und Greife, in einem äusseren eine Eberjagd dargestellt. Endlich kann auch die figürliche Darstellung das ganze Rund des Deckels einnehmen. Schöne nr. 15 = Mon. d. Inst. VI 55, wo auch der einfassende Kranz oder Ornamentstreif fehlt. Der ganz vereinzelte Fall der Aeneasciste, auf deren Deckel die Darstellung der Wand fortgesetzt ist, wurde schon oben erwähnt.

Auf dem Deckel sind regelmässig eine oder mehrere Figuren befestigt, um als Henkel zu dienen. Als einzige Figur ist weitaus am häufigsten ein κυβιστής männlichen (Schöne nr. 45. 57. 59. 60) oder weiblichen (Schöne nr. 12. 18. 19. 27–29. 46. 50) Geschlechts, der mit der Vorderseite nach oben auf Händen und Füssen steht. Vereinzelt findet sich ein Jüngling, der einen Discus (54) oder eine Ente (65) trägt; einmal (20) Herakles, einmal (32) dieser mit dem Löwen kämpfend. Selten Tierfiguren: ein Tiger (68. 69), ein Delphin (Bull. d. Inst. 1876, 15). Weit häufiger sind es zwei Figuren, mit Vorliebe verschiedenen Geschlechtes. Eine Ringergruppe verschiedenen Geschlechtes pflegt man Peleus und Atalante zu nennen (Schöne nr. 2. 4. 23. 26. 43. 51. 66. 67. 75). Oft aber stehen Mann (bisweilen als Satyr charakterisiert. Schöne nr. 3. 5. 8. 17. 40. 62. 64) und Frau, nackt, einfach neben einander, sich gegenseitig eine Hand auf die Schulter legend (30. 31. 33. 37); ebenso zwei Männer (13. 39). Ferner zwei Krieger oder nackte Jünglinge, die einen nackten toten Mann oder eine tote Frau (Schöne nr. 21. 42. Mon. d. Inst. Suppl. 13. 14) oder ein Jüngling und eine Frau, die einen toten Mann tragen (58). Einmal Bacchus auf einen Satyr gestützt (44), einmal zwei Flügelfiguren (72); eigentümlich sind auf der ovalen C. aus Vulci Schöne nr. 9 die auf zwei Schwänen sitzenden weiblichen Gestalten. Seltener sind Gruppen von drei Figuren; so auf den beiden grössten C., der ficoronischen und der napoleonischen (Bacchus zwischen zwei Satyrn) und auf der auch grossen Schöne nr. 24 (Silen zwischen Mann und Frau). Nur ganz ausnahmsweise (34. 47) statt der Figuren nur ein einfacher Henkel. Die Arbeit der Deckelfiguren ist der der Füsse ähnlich. [2600]

Diese Figuren stehen auf einem auf dem Deckel festgenieteten Bronzestreifen, seltener, wo ihrer mehrere sind, jede auf einer kleinen Platte. Auf diesem Streifen ist bisweilen, in der Mitte des Deckels, ein Ring befestigt, an dem in einzelnen Fällen Reste einer Kette oder eines Riemens gefunden werden. Schöne nr. 13. 17. 27. 28. 40. 42; die C. Schöne nr. 7 hat nur den Ring, ohne Figuren. Vermutlich diente derselbe, um den Deckel mit Hülfe der an den Wänden angebrachten Ketten irgendwie zu befestigen. Dass letztere auch zu solchem Zweck benutzt wurden, kann auch daraus geschlossen werden, dass bisweilen an ovalen C. ohne Ringe, und nur an solchen, der Deckel einen charnierartigen Verschluss hat, Schöne nr. 46.

Der geringere Kunstwert der Accessorien im Vergleich mit den Zeichnungen ist besonders auffällig an der ficoronischen C., aber auch sonst zu beobachten (Schumacher 30). Dieser Unterschied im Verein mit der rücksichtslosen Art, wie sie auf die Zeichnungen aufgesetzt sind, könnten die Vermutung nahe legen, als hätten den C. ursprünglich diese ja nicht notwendigen Zuthaten gefehlt und seien erst später hinzugefügt worden. Doch ist diese Annahme nicht durchführbar. Schon erwähnt wurde, dass bisweilen die Deckelzeichnungen den Platz für die Standplatte der Figuren frei lassen, dass in einem Falle der Zeichner die Plätze der kleinen Scheiben für die Ringe angab. Beweisend ist ferner das Vorkommen von vier C. (Schöne nr. 19. 27–29), die sowohl in der Form des Behälters – von ungewöhnlich schlanken Verhältnissen, mit ein-, nicht übergreifendem Deckel – als auch in den Deckelfiguren und Füssen genau übereinstimmen und offenbar einschliesslich dieser aus einer Fabrik hervorgegangen sind; vgl. Schöne Ann. d. Inst. 1877, 198. Und gerade für die ficoronische C. ist die ursprüngliche Zugehörigkeit der Accessorien auch inschriftlich beglaubigt. Denn die offenbar von einer Hand geschriebene Inschrift – Novios Plautios med Romai fecid, Dindia Macolnia fileai dedit – kann, da sie den Namen des Verfertigers mit dem der Geberin vereinigt, sich nur auf die Verfertigung der ganzen C. beziehen, nicht etwa nur auf die der Deckelfiguren, auf deren Standplatte sie steht. Ausserdem scheint es, wenn auch die Lesung nicht ganz sicher ist, dass der Name Maquoulnia (oder ähnlich) auf einem der Füsse stand (Schöne a. O. 156). Füsse und Deckelfiguren waren auch schon lange vor der Zeit der ältesten praenestiner C. üblich (s. u.). Sicher ist freilich wohl, dass die Accessorien von anderen Arbeitern hergestellt und befestigt wurden, als von denen, die die Zeichnungen ausführten, und dass diese letzteren meistens auf die Accessorien keine Rücksicht nahmen, denkbar auch, dass die C. ohne die Accessorien zum Verkauf standen und diese von den Käufern besonders ausgesucht und dann erst befestigt wurden. Jahn 52f. Schumacher 30f.

In Betreff des Kunstcharakters nehmen die Zeichnungen der berühmten, 1745 gefundenen und von Fr. Ficoroni erworbenen C., jetzt im Museo Kircheriano in Rom, der von allen zuerst gefundenen, eine besondere und von allen anderen verschiedene Stellung ein, Jahn a. O. Bröndsted Den ficoroniske Cista, Kjöbenhavn 1847. [2601] G. M(archi) La cista atletica del museo Kircheriano, Roma 1848. E. Braun Die ficoronische Cista des Collegio romano, Leipzig 1849. Weiteres bei Schöne Ann. d. Inst. 1866, 158. Die Zeichnungen dieser C. sind nicht nur von griechischer Kunst beeinflusst, sondern können als directes Product derselben gelten. Dass freilich auch diese C. in Italien entstanden ist, bezeugt nicht nur die schon erwähnte Inschrift, sondern auch einige Einzelheiten der Zeichnung: Halsband mit bullae, Armband eines Mannes, Art der Beschuhung (Jahn 9, 1. 18, 6. 53); es ist aber sehr wohl möglich, dass die Zeichnungen von einem griechischen Arbeiter ausgeführt wurden und Novius Plautius nur der Fabrikherr war. Von keiner der übrigen C. kann dasselbe gesagt werden; sie sind Producte einer einheimischen Kunstübung, abhängig von griechischen Vorbildern, aber entschieden italischen Charakters, jedoch ohne Spuren etruskischen Einflusses. Etruskischen Charakter zeigt nur die C. Schöne nr. 11 (Gerhard Über eine C. mystica des Berl. Mus.; vgl. Jahn 49ff.; ungewisser Provenienz, nach einer Angabe aus Praeneste, nach einer anderen aus Caere), auf der in einer bakchischen Scene eine stark an den etruskischen Charun erinnernde Figur vorkommt. Die Henkelfiguren und Füsse zeigen auch bei der ficoronischen C. entschieden italischen, aber weder hier noch sonst etruskischen Charakter. Dem entsprechend sind auch mehrfach C. mit lateinischen, aber bisher keine mit etruskischen Inschriften gefunden worden. Der griechische Einfluss auf diese latinische Kunstübung wurde wohl vermittelt durch die gemalten Vasen, und zwar für die besseren C. durch die griechisch-unteritalischen Vasen. Hierher gehört die schöne C. Schöne nr. 21 = Mon. d. Inst, VIII 29–31, die napoleonische, die von Schumacher publicierte Karlsruher und einige andere. Die übrigen, mit nachlässigerer und gröberer Zeichnung, sind wohl abhängig von der im südöstlichen Etrurien frühbetriebenen Nachahmung attischer Vasen, einer Industrie, die jetzt namentlich durch die Funde von Falerii im Museum der Villa Papa Giulio in Rom vertreten ist. S. hierüber Schumacher 24ff.

Als Entstehungszeit der Praenestiner C. kann im wesentlichen das 3. Jhdt. v. Chr. gelten. Darauf führen vor allem die Inschriften; weniger die Formen der Buchstaben, die bei dieser Art Schrift nur einen unsicheren Anhalt bieten, als die sprachlichen Formen, Mommsen bei Jahn 42ff. Jordan Krit. Beitr. 2ff. Ferner steht für die gemalten Thongefässe aus Falerii, die mit den C. und den mit ihnen zusammengehenden Spiegeln auffallende Berührungspunkte zeigen, nicht nur das J. 241, in dem die Stadt zerstört wurde, als untere Zeitgrenze fest, sondern sie müssen noch etwas höher hinauf datiert werden, weil ihnen noch vor diesem Jahr eine jüngere Gattung, mit Reliefbildern, gefolgt ist (Schumacher 25), wie denn überhaupt in den römischen Gräbern von Anfang an die Beigaben weit spärlicher sind als in Etrurien und den latinischen Städten.

Es liegt kein Grund vor, gerade Praeneste als Hauptfabricationsort der C. zu betrachten (so zuletzt Schumacher 25). Die ficoronische C., die einzige, deren Fabricationsort positiv bekannt ist, ist in Rom entstanden und beweist, dass hier eine [2602] blühende C.-Industrie bestand, aus der ohne Zweifel auch geringwertigere und daher nicht mit Ursprungszeugnissen versehene Ware hervorging. Die bezüglichen Bemerkungen Jordans Krit. Beitr. 13 sind durchaus zutreffend. Die der ficoronischen in den Accessorien sehr ähnliche napoleonische C. dürfte aus derselben Fabrik stammen. Dass in Rom keine C. gefunden sind, kann nicht in Betracht kommen und würde, selbst wenn reichere Gräber des 3. Jhdts. aufgedeckt wären, nur beweisen, dass es in Rom nicht, wie in Praeneste, üblich war, den Toten C. mitzugeben. Einige ältere C., z. B. die ficoronische, reichen ins 4. Jhdt. hinauf. Fr. Martinetti beobachtete die Aufdeckung eines Grabes, in dem neben einer C. zwei kleine attische Vasen freien rotfigurigen Stils gefunden wurden (Mitteilung von W. Helbig).

Wir haben bisher nur den gewöhnlichen Typus der praenestinischen C. betrachtet. Es sind nun noch einige in verschiedener Weise abweichende, aber doch derselben Classe angehörige Gefässformen zu erwähnen, zum Teil derselben, zum Teil älterer Zeit angehörig.

Wir erwähnen zunächst die selten vorkommende Form der viereckigen Cisten. Eine derselben (Schöne nr. 71), in Praeneste gefunden, hat gravierte Zeichnungen und ist ohne Zweifel den übrigen praenestinischen C. gleichzeitig, Pieralisi Lettera sopra una c. prenestina, Roma 1867. Eine zweite ist erwähnt Bull. d. Inst. 1859, 100, eine dritte (oder dieselbe?), im Louvre, Friederichs 125, 1.

Viel abweichender ist die ovale C., Schöne nr. 9, aus Vulci, abgeb. Mus. Greg. I 40–42. Gerhard Etr. Sp. I 9–11. Schumacher 66, deren Wände statt der Gravierungen über einer Form getriebene Reliefs – Amazonenkämpfe – rein griechischen Stiles zeigen. Reliefverzierung auch Schöne nr. 65. Sodann die gleichfalls ovale C. Schöne nr. 45, aus Bronze über einem mit Leinen überzogenen Holzkern. Das Bronzeblech ist dünner als an den anderen C., die Wand nicht rund getrieben, sondern aus einer Platte zusammengebogen und mit eingravierten Ornamenten verziert.

Eine besondere Gruppe bilden die C. aus Holz, an denen nur der obere und untere Rand und, wo er erhalten ist, der Deckel mit Bronzeblech beschlagen sind, Schöne nr. 6 (Picenum). 10 (Vulci; vgl. Schumacher 35). 43. 50. 60 (diese drei aus Praeneste). Zum Teil (6. 60, hier innen und aussen erhalten) waren sie ganz mit Leder überzogen; 43 hatte nur einen Lederstreif, auf dem die Ringe befestigt waren. C. dieser Art (ohne Leder) lassen sich bis in viel ältere Zeit hinauf verfolgen; sie fanden sich bei Bologna in etruskischen Gräbern des 5. Jhdts. v. Chr. Ein gut erhaltenes Exemplar Zannoni Scavi della Certosa 70, 6, danach bei Schumacher 34; auf dem ein-, nicht übergreifenden Deckel diente als Griff, ganz wie auf praenestiner C., ein mit der Vorderseite nach oben auf Händen und Füssen stehender Mann, als Füsse Löwentatzen mit Palmetten. Auch der Gebrauch war der gleiche, wie in Praeneste: man fand teils in, teils mit der C. einen Spiegel, eine Patera und einen elfenbeinernen Kamm: Offenbar haben wir hier Vorläufer der praenestiner C., und es ist nicht ohne Wahrscheinlichkeit, wenn auf Grund derselben [2603] auch den oben genannten fünf Holzcisten ein höheres Alter gegenüber den Bronzecisten zugeschrieben wird (Schumacher 35).

Ebenfalls bei Bologna in Gräbern des 5. Jhdts. hat sich ein etwas abweichender C.-Typus gefunden; drei gut erhaltene Exemplare bei Zannoni a. O. 80, 1–5. 8; S. 242, 1. 313. 315. Auch diese sind aus Holz, aber ganz mit Bronze bekleidet. Von der Mehrzahl der praenestiner C. weichen sie ab durch zwei bewegliche Bügelhenkel und durch das Fehlen der Ringe. Die Füsse sind ganz wie dort; an einem Exemplar sind sie auch mit einer Relieffigur, einem ruhenden Silen, verziert. Deckel sind nicht erhalten; zwei ganz gleiche, zusammen gefundene Exemplare haben glatte Wände, ohne andere Verzierungen als die Attachen der Füsse und Henkel, das dritte oben und unten einen Ornamentstreifen, der als eine Erinnerung an den Bronzebeschlag der Holz-C. gefasst werden kann. Auch hier wurde an einigen Resten beobachtet, dass der Deckel eingriff. Mit diesen C., über deren Inhalt nichts beobachtet werden konnte, stimmt die napoleonische (Schöne nr. 16) überein durch die beweglichen Bügelhenkel und den eingreifenden Deckel. Diesen hat auch die ficoronische und die C. Schöne nr. 19. 27–29 (vgl. o. S. 2600); allen diesen gemeinsam sind etwas schlankere Verhältnisse als sonst die praenestiner C. zu haben pflegen. Man erkennt daher (Schumacher 37) nicht ohne Wahrscheinlichkeit in ihnen eine etwas ältere Gruppe. Es ist aber gut, sich der Unsicherheit eines solchen Schlusses bewusst zu bleiben: wie im 5. Jhdt. und wie zur Zeit der napoleonischen und ficoronischen C., so konnten bis in die Zeit der spätesten praenestinischen C. die Form mit und die ohne Bügelhenkel neben einander üblich sein.

Eine noch ältere Vorstufe bezeichnet die Silber-C. des capitolinischen Museums, Schöne nr. 70. Helbig Führer I 614, abgeb. Mon. d. Inst. VIII 26, danach bei Schumacher 39, wo die weitere Litteratur. Sie wurde gefunden in einem praenestinischen Grabe zusammen mit Gegenständen der Culturschicht, die man nach dem caeritischen Grabe Regulini-Galassi zu bezeichnen pflegt, also aus dem Ende des 7. oder der ersten Hälfte des 6. Jhdts. v. Chr. Ihre Verzierungen zeigen starken orientalischen, speciell (namentlich in dem Palmetten- und Lotusband zu unterst) mesopotamischen, ohne Zweifel durch Phoinikier vermittelten Einfluss. Ob sie von Phoinikiern oder von Griechen unter phoinikischer Einwirkung gefertigt ist, hat sich nicht feststellen lassen. Der cylinderförmige Behälter ist aus Holz und mit aufgenagelten Silberblechstreifen bekleidet. Und zwar hat die Wand der C. nur oben und unten einen geschlossenen Blechstreifen, oben mit Tieren, unten mit Palmetten und Lotus verziert. Diese sind, wie auch die Verzierungen des flachen Deckels (Palmetten und Lotus, in der Mitte ein Stern), in flachem Relief herausgetrieben und graviert. Der mittlere Teil der Wand zeigt zwei Tierstreifen, in denen zwischen den Tieren der Grund herausgeschnitten ist. Die Disposition ist also von der der späteren C. nur dadurch verschieden, dass die mittlere Fläche in zwei Streifen geteilt ist. Ein wesentlicherer Unterschied ist es, dass weder Füsse, noch Ringe, noch Deckelfiguren vorhanden [2604] waren, dagegen ein beweglicher Bügelhenkel, vielleicht ihrer zwei, wenn, wie nicht unwahrscheinlich, ein in der Barberinischen Sammlung befindlicher silberner Bügelhenkel zu dieser C. gehört (Schumacher a. O.). Dass diese C. dem gleichen Zweck diente, wie die späteren, kann nicht mit Sicherheit behauptet werden; denn von keinem der zugleich gefundenen Gegenstände ist bezeugt, dass er in der C. enthalten war, für die meisten ist es bei der Kleinheit der C. (innerer Durchmesser kaum 0,14) unmöglich.

Derselben phoinikischen oder unter phoinikischem Einfluss stehenden Kunstrichtung, aber einer etwas späteren Zeit gehören zwei in Chiusi gefundene Elfenbein-C. an. Die eine ist abgebildet Mon. d. Inst. X 39 a, 1. 1 a (dazu Ann. d. Inst. 1877, 379). Schumacher 52, wo weitere Litteratur; über die andere s. Helbig Bull. d. Inst. 1878, 130. Die erstgenannte ist in abwechselnd breitere und schmälere Horizontalstreifen geteilt, jene mit figürlichen Darstellungen, diese mit Ornamenten ausgefüllt. Das Gefäss war aus Holz, mit Elfenbein bekleidet, ohne Henkel und Füsse; es stammt aus einem Grabe der Mitte des 6. Jhdts. Die andere C. hat nur zwei Streifen mit Tierfiguren. Dass C. aus Elfenbein oder Knochen demselben Zweck dienten wie die praenestiner C., beweist die in einem Grabe bei Vulci gefundene viereckige C., Bull. d. Inst. 1880, 211, welche Kämme und ein Discerniculum enthielt, während ein Spiegel in der Nähe gefunden wurde.

In noch ältere Zeit führen einige sehr kleine (Höhe 0,155 und 0,17, Durchmesser 0,11) cylinderförmige Gefässe, die bei Bologna in vor den Beginn des Verkehrs mit den Griechen fallenden Gräbern (,Villanovaperiode‘) gefunden wurden, Schumacher 40ff. Die Wände sind aus einer Platte zusammengenietet und haben getriebene, in einem Falle figürliche Verzierungen; zwei hatten bewegliche Bügelhenkel, eine dritte nicht; dagegen ist hier der mit einem einfachen Griff versehene Deckel erhalten. Keine derselben hat Füsse, Ringe oder Deckelfiguren. Ausser den Bronzeexemplaren fanden sich auch zahlreiche Nachbildungen in Thon. Mit einer dieser C. wurde ihr Inhalt gefunden: zwei grosse Bronzenadeln mit knöchernen Köpfen, eine Bronzefibel und ein Spinnwirtel (Not. d. sc. 1890, 137). Überhaupt wird wohl anzunehmen sein, dass diese kleineren C., so auch die praenestinische Silber-C., zur Aufbewahrung von Schmuckgegenständen, nicht, wie die späteren, des Badegerätes dienten.

b) Gerippte Cisten (ciste a cordoni). Litteratur: Gozzadini Scavi Arnoaldi-Veli 38ff. Virchow Ztschr. für Ethnol. 1874, (141). Zannoni Scavi della Certosa 233ff. Helbig Ann. d. Inst. 1880, 240ff. Schumacher 42ff. Marchesetti Necrop. di S. Lucia 185ff. Dies in grosser Zahl namentlich in den Gräbern bei Bologna gefundene Gerät hat mit den praenestiner C. in der Form nur eine entfernte Verwandtschaft und trennt sich ausserdem von ihnen durch die zum Teil ganz abweichende Benutzung und durch sein ganz anderes, viel grösseres Verbreitungsgebiet. Es ist ein cylinderförmiges Bronzegefäss, verziert durch getriebene vorspringende Rippen, ohne Füsse, bald mit zwei beweglichen Bügelhenkeln, bald mit zwei an die Wände angenieteten Griffen. Man unterscheidet, [2605] an die Bologneserfunde anknüpfend, zwei Gattungen (Gozzadini 48). Die ältere, ,palaeoetruskische‘, ist kleiner; die Rippen, fünf bis acht, stehen so weitläufig, dass zwischen ihnen Platz bleibt für Verzierungen, entweder figürliche oder ornamentale (geometrischen Stils), meist graviert, seltener getrieben. Diese Gattung gehört der Zeit des geometrischen Stils (Villanovaperiode) an. Nur das älteste Exemplar (Scavi Benacci I), mit Bügelhenkel (Zannoni 236f. Schumacher 42) diente als Aschenurne; die übrigen fanden sich als Beigaben; ebenso in diesen älteren Gräbern zahlreiche Gefässe gleicher Form aus Thon. Man streitet, ob die Thongefässe den Bronzen nachgebildet waren (Pigorini Bull. di paletnol. ital. XIII 1887, 73f. Schumacher 44) oder umgekehrt (Zannoni 234. Marchesetti 187, 7). Die jüngeren, ,etruskischen‘, sind grösser, 0,20–0,40 hoch, Durchmesser bis 0,43, mit 9 bis 15 enger stehenden Rippen. Sie gehören, soweit aus mitgefundenen Gegenständen, namentlich Vasen, hat geschlossen werden können, dem 5. Jhdt. v. Chr. an, und dienten, namentlich in Italien, durchaus als Aschenurnen; so auch in Hallstatt. Dagegen gilt dies nicht für die weiter nördlich gefundenen, und es ist nicht wahrscheinlich, dass das Gerät für diesen Zweck erfunden sein sollte. Besonders bemerkenswert ist der Fund einer solchen C. bei Primentdorf, Prov. Posen, weil diese bronzene Schmucksachen enthielt, also einem ähnlichen Zweck diente, wie die praenestiner C. (Virchow 143). Thoncisten kommen in diesen jüngeren Gräbern (mit schwarz- und rotfigurigen Vasen) nicht mehr vor.

Das Verbreitungsgebiet der gerippten C. ist sehr gross. Übersicht der 1893 bekannten bei Marchesetti 190ff. Danach fanden sich weitaus die meisten (51) in den Gräbern bei Bologna, 12 im übrigen Oberitalien, 21 in Istrien, 4 in Mittelitalien, 6 in Süditalien (2 aus Cumae, eine unbekannter Herkunft im Neapler Museum, die beiden anderen aus Nocera und Rugge in Apulien), 47 nördlich der Alpen, nördlich bis zum Unterlauf der Weser, westlich bis ins östliche Frankreich, östlich bis nach Ungarn. Über Herkunft und Fabricationscentrum dieser C. ist bis jetzt keine Einigung erzielt. Nach Gozzadini und Zannoni ist es die Gegend von Bologna, nach Helbig (vgl. auch v. Duhn Röm. Mitt. II 1887, 269) Cumae; nach Schumacher wären sie auf dem Landwege über Istrien aus der Balkanhalbinsel nach Italien gekommen und dann hier an mehreren Orten fabriciert worden. Dass für Italien das Pothal das älteste Centrum ist, wird dadurch wahrscheinlich, dass die ,palaeoetruskischen‘ C. hier in eine Zeit hinaufreichen, für die ein Verkehr mit Unteritalien nicht anzunehmen ist, dagegen wohl noch in Picenum (Ann. d. Inst. 1881, 219), nicht aber in Unteritalien vorkommen, hier vielmehr sich nur der Typus des 5. Jhdts. findet. Durch Beobachtung des entschiedenen Vorwiegens der C. mit Bügelhenkeln im Norden einschliesslich des Venetianischen, der mit festen Griffen im Süden einschliesslich Bolognas, kommt Marchesetti zu der Annahme zweier Centren, in Bologna und in Venetien.

Den gerippten C. steht nahe die bei Moritzing in Südtyrol gefundene, Orgler Archaeol. Notizen [2606] aus Südtyrol I. II, Progr. Bozen 1866, 71. Conze Mon. d. Inst. X 6; Ann. d. Inst. 1874, 164. Wieser Ztschr. des Ferdinandeum 1891, 311, Taf. IV 1. Schumacher 61. Ihre Wände sind durch die Rippen in vier breitere und vier schmälere Streifen geteilt; die breiteren enthalten figürliche Darstellungen: Wagen, Reiter, Pferde, Tiere, die etwa wie Hirsche oder Steinböcke aussehen; die Einteilung ist sehr ähnlich der oben S. 2604 erwähnten Elfenbein-C. Ähnliche Darstellungen auf dem Deckel um ein rundes Mittelfeld. Die rohe Zeichnung der getriebenen und gravierten Figuren beruht nicht auf hohem Alter, sondern auf dem bäuerlichen Charakter dieser Kunstübung: durch den Vergleich mit besser datierten Monumenten einer anderen Classe, den Situlen, ergiebt sich als Entstehungszeit das 4. Jhdt. (Schumacher a. O.). Die C. wurde in Fragmenten gefunden; es scheint nicht sicher zu sein, ob sie Bügelhenkel (Conze) oder feste Seitengriffe (Wieser) hatte.

Dass die beiden Typen der gerippten und der praenestiner C. auf einander einwirkten und in einander übergingen, zeigt eine aus einem der Zeit der praenestiner C. nicht ferne stehenden Grabe bei Vulci stammende C; dieselbe hat als Decoration nur vier herausgetriebene Rippen, ruht aber auf mit einem Gorgoneion verzierten Füssen ganz nach praenestinischer Art.

[Mau. ]