Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stoischer Philosoph
Band III,2 (1899) S. 20252027
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7) Chairemon (FHG III 495–499. Zeller Herm. XI 430ff.), stoischer Philosoph (Suid. s. Ἀλέξανδρος Αἰγαῖος. Διονύσιος Ἀλεξανδρεύς. Apoll. de coniunct. p. 515, 15. Origen. c. Cels. I 59. Porphyr. de abst. IV 6 ὁ Στωικός. 8 ἀνδρὸς ... ἐν τοῖς Στωικοῖς πραγματικώτατα φιλοσοφήσαντος) und Grammatiker, [2026] war wahrscheinlich Vorsteher des alexandrinischen Museion nach Apion und vor Dionysios Glaukos Sohn – so dürfte die von Suidas s. Ἀπίων. Διονύσιος Ἀλεξανδρεύς erwähnte διαδοχή aufzufassen sein – und wurde mit Alexander von Aegae als Erzieher des jungen Nero an den kaiserlichen Hof berufen, nach 49 n. Chr. In Alexandrien gehörte er ausserdem als ἱερογραμματεύς (Porphyr. bei Euseb. praep. evang. V 10, 5. Tzetz. exeg. in Iliad. p. 123, 11; hist. V 395) der höheren Priesterschaft an. Er kann nicht mit dem Ch. Nr. 3 identisch sein, der die Reisegesellschaft des Praefectus Aegypti C. Aelius Gallus auf der Nilfahrt im J. 26 oder 25 v. Chr. vergeblich von dem Tiefsinn der ägyptischen Priesterweisheit zu überzeugen versuchte (Strab. XVII 806; vgl. Mommsen Res gestae divi Augusti p. 106); hingegen ist es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass dieser Oheim oder Grossvater des Schriftstellers war, da die ägyptischen Priesterstellen erblich zu sein pflegten (vgl. Decret von Kanopos 27ff. Krebs Ztschr. f. ägypt. Spr. und Altert. XXXI 34).

Dass der Stoiker und Hierogrammat nicht nur dem Namen nach Grammatiker war, zeigt das titellose Bruchstück bei Apoll. de coniunct. p. 515, 15 über die σύνδεσμοι παραπληρωματικοί; allerdings war in diesem Capitel die technische Grammatik wegen seiner Berührung mit der Logik stark von der Stoa beherrscht (vgl. Apoll. p. 479, 16). Die Verbindung zwischen Stoa und Philologie ist übrigens im ersten nachchristlichen Jahrhundert durchaus nicht selten; um von dem Grammatiker Demetrios in Plutarchs Schrift de def. oracul. (vgl. besonders 11. 12) zu schweigen, ist vor allem der philosophische Homererklärer Herakleon aus Alexandrien (Diels Doxogr. gr. p. 91) zu nennen; auch Apion ist nicht frei von stoischen Einflüssen, wie denn überhaupt seit Dionysios Thrax in der alexandrinischen Philologie die stoischen Ideengänge sich mit den alteingesessenen peripatetischen um den Vorrang streiten.

Apion ist auch darin Ch.s Vorgänger, dass er als officielles Haupt der alexandrinischen Grammatikerschule den ägyptisch-alexandrinischen Synkretismus kräftig nach aussen hin vertritt und für die ps.-ägyptische Romantik, die von Anfang an in Alexandrien vorhanden, im letzten vorchristlichen Jahrhundert üppig ins Kraut geschossen war, Propaganda macht. Die übrigen Titel des Ch. gehören sämtlich hierher: es sind eine ägyptische Geschichte (Joseph. c. Apion. I 288 Αἰγυπτιακὴν φάσκων ἱστορίαν συγγράφειν. Psellos Bull. hell. I 129 Χαιρήμονι τῶι σοφῷ ... ἀνδρὶ γενναίῳ καὶ ἐλλογίμῳ ἱστορίαν συναγαγεῖν, das Fragment ist nicht über p. 129, 13–27 auszudehnen), ein astrologisches Werk über die Kometen (Origen. c. Cels. I 59 ἐν τῷ Περὶ κομητῶν συγγράμματι, über die ägyptische Astrologie, vgl. die Bruchstücke bei Psellos a. a. O. und Porphyrios im Brief an Anebo, Euseb. praep. ev. III 4, 1. 2), und ein Buch über die symbolische Schrift der alten Ägypter (Suid. Χαιρήμων· ἕτερος Χ. γράψας Ἱερογλυφικά. Tzetz. hist. V 396 ἐν διδάγματι τῶν ἱερῶν γραμμάτων). Ch. lag es ganz fern, in diesen Büchern ein wahrheitsgetreues Bild von dem zu geben, was zu seiner Zeit in ägyptischen Kreisen gedacht und gewusst wurde, wenn auch selbstverständlich [2027] nicht alles reine Erfindung ist; schildern wollte er das alte Ägypten mit seiner Heiligkeit und seinen symbolischen Geheimnissen. Die Gedanken und Tendenzen dieses in die Vergangenheit projicierten Idealbilds sind der alexandrinischen philosophisch-religiösen Romantik entlehnt, die von Philo, Clemens, Origenes in das Alte und Neue Testament hineingetragen, aber weder jüdischen noch christlichen, sondern hellenistischen Ursprungs ist. Es ist ohne weiteres verständlich, wenn in der Askese, die Ch. den altägyptischen Priestern zuschreibt (Porphyr. de abstin. IV 6–8, das Fragment darf nicht über das directe Citat hinaus ausgedehnt werden), manches sich nah mit der phantastischen Schilderung eines Conventikels alexandrinischer Juden berührt, die Philo in Περὶ βίου θεωρητικοῦ entworfen hat (Wendland Jahrb. f. Philol. Suppl. XXII 755ff.): auf litterarische Beziehungen zwischen Philo und Ch. darf darum nicht geschlossen werden. Viel eher liesse sich bei manchem, was Clemens von Ägypten zu erzählen weiss, besonders bei Strom. VI 35–38, vermuten, dass es aus Ch. oder dessen nächsten Gewährsmännern entlehnt ist. Die Stoa verrät sich in der physischen Theologie (Porphyr. bei Euseb. praep. ev. III 4, 2 ὅλως πάντα εἰς τὰ φυσικὰ καὶ οὐδὲν εἰς ἀσωμάτους καὶ ζώσας οὐσίας ἑρμηνεύοντάς) und in der Auffassung der Wissenschaft als ἐμπειρία (Porphyr. de abstin. IV 8, vgl. Iamblich. de myst. IX 4); andererseits ist stark zu betonen, wie sehr die Stoa in diese alexandrinische Romantik hineingezogen ist und sich dem Platonismus und Pythagoreismus nähert; eine Gestalt wie Ch. macht den grossen Procentsatz stoischer Gedanken verständlich, der sich bei Philo und den christlichen Alexandrinern findet.