Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Im Mittelalter beliebte Gattung von Kommentaren zu bibl. Büchern
Band III,2 (1899) S. 17861787
Katene in der Wikipedia
Katene in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register III,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|III,2|1786|1787|Catenae|[[REAutor]]|RE:Catenae}}        

Catenae (σειραί), eine seit etwa 500 auftauchende, im Mittelalter massenhaft vertretene Gattung von kettenartigen Commentaren zu biblischen Büchern, deren Verfasser sei es auf den Rändern um den Bibeltext herum, sei es in fortlaufender Schrift zu dem in kleine Abschnitte zerlegten Texte verschiedene Auslegungen älterer Exegeten zusammenstellten. Oft enthalten sich die Verfasser jeder eigenen Zuthat; ein angesehener Commentar pflegt die Grundlage zu bilden und ziemlich vollständig, doch mit dogmatischen Correcturen, seltener in starker Abkürzung, stückweise abgeschrieben zu werden, aus anderen Commentaren (oder sonstigen gelegentlich Exegese treibenden Schriften) wird zur Ergänzung Geeignetes beigefügt. Bei wörtlicher Wiedergabe der Quelle wird der Name des Autors gern beigefügt; natürlich haben bei diesen Lemmata die Abschreiber schlimme Verwirrung gestiftet. Eine excerpierende Zusammenarbeitung aus verschiedenen, dann nicht genannten, Vorlagen ist verhältnismässig selten, sie erforderte ja mehr selbständige [1787] Thätigkeit. Schon Prokopios von Gaza um 500 hat in dieser Weise den Oktateuch behandelt; besonders wichtige C. hat z. B. um 1075 Bischof Niketas von Serrae zum Psalter und zu Hiob verfasst. In diesen C. liegen reiche Schätze alter, sonst verlorener Litteratur verborgen, von einer Reihe hervorragender Exegeten z. B. Polychronios besässen wir ohne die Hülfe der C. keine Zeile, und eine neue Ausgabe des Origenes kann ohne Durcharbeitung der C. nicht veranstaltet werden; selbst für nichtchristliche Schriftsteller wie Philo von Alexandrien ist ihr Studium von höchstem Wert. Leider ist bisher nur ein sehr geringer Teil der in den grossen Bibliotheken lagernden C. herausgegeben worden; die Ausgaben sind, auch wenn man nicht vorgezogen hat, blos eine lateinische Übersetzung zu liefern, wenig zuverlässig; zu den besten gehört Cat. graec. Patr. in b. Iob collectore Niceta Heracleae metropolita ed. P. Iunius Lond. 1637; sehr verschiedenartiges Material enthält J. A. Cramer Catenae graec. Patr. in Novum Test. 8 t. Oxon. 1844. Vgl. J. E. Grabe Spicilegium ss. Patr. II 1² 1714 Praefatio. Th. Ittig De bibliothecis et catenis Patrum tractatus, Lips. 1707. J. Ch. Wolf Dissert. de catenis patr. graec. mss., Witteb. 1712. J. A. Noesselt De catenis patr. gr. in Novum Test. observat., Hal. 1762. Walch-Danz Biblioth. patristica 1834, 247ff. J. A. Fabricius Bibl. graeca VIII 637ff. Harles. XIII 1726, 457ff. P. Wendland Neuentdeckte Fragmente Philos 1891. L. Cohn Zur indirecten Überlieferung Philos u. d. älteren Kirchenväter, Jahrb. f. prot. Theol. 1892, 475ff. Ad. Harnack Altchristl. Lit.-Gesch. I 835–842. Ein das Beste verheissender Anfang zu methodischer Verarbeitung dieses Stoffes ist H. Lietzmann Catenen. Mit einem Beitrag von H. Usener. Freiburg i. B. 1897.