Astypalaia (ἡ Ἀστυπάλαια, auch Ἀστυπαλαία, s. Lobeck Paral. 301), nach H. Kiepert S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 839ff. volksetymologische Umbildung einer phönizischen Bezeichnung für ‚Niederung‘ (zwischen zwei zusammengehörigen Höhen).
1) Insel im karpathischen Meere (Plin. n. h. II 243. Mart. Cap. VI 612. Eust. Dion. Per. 530), von Scyl. 48 (Cod. Ἀστυπάλη). Steph. Byz. zu den Kykladen, von Strab. X 488. Eustath. a. a. O. Plin. n. h. IV 71 zu den Sporaden, von Ptol. V 2, 31 zu Asien gerechnet. Die 98,7 qkm. (Strelbitsky; Umfang nach Plin. n. h. IV 23 88 mp.) grosse Insel besteht aus zwei 506 m. (Westen) und 396 m. (Osten) hohen Bergmassen, welche durch eine niedrige, an der schmalsten Stelle bis auf ca. 110 m. Breite eingeschnürte Landenge verbunden sind. Für den Ackerbau ist wenig Raum vorhanden, dagegen bot die Insel im Altertum ein ergiebiges Feld für Jagd (Rebhühner und Hasen, Athen. IX 400 d) und Fischerei (Ov. ars am. II 82; eine vortreffliche Art essbarer Muscheln erwähnt Plinius n. h. VIII 140. XXX 45. Ross Inselr. II 66). Als eine besondere Merkwürdigkeit wird das Fehlen von Schlangen hervorgehoben, Aristot. bei Ael. h. a. V 8 und bei [1874] Antig. h. mir. 11. Ihre ältesten Bewohner waren Karer, zu deren Zeit sie den Namen Πύρρα (wohl von dem rötlichen Erdreich, Ross 65) geführt haben soll; dann soll sie Πύλαια, später Θεῶν τράπεζα (wegen ihres Blumenreichtums), zuletzt A. genannt worden sein, Steph. Byz. Nach Ovid met. VII 461f. wurde die Insel von Minos unterworfen. Hellenisiert wurde sie durch eine Colonie von Megara, Skymn. 551. Busolt Gr. Gesch. I 199. Anderseits soll von A. aus Rhoiteion colonisiert worden (Strab. XIII 601) und Phalaris nach Akragas eingewandert sein (Phal. ep. 35. K. O. Müller Dor. I² 112. Holm Gesch. Sicil. I 398f.). Auf die Seetüchtigkeit der Bewohner weist eine metrische Inschrift, Bull. hell. III 483f., und die Abkunft des Onesikritos von A., Dem. Magn. bei Diog. Laert. VI 84. Arr. Ind. 18, 9. Ael. h. a. XVI 39. Die Staatsgewalt ist durch βουλά und δᾶμος vertreten, deren Beschlüsse (monatliche) πρυτάνεις vorbereiten; auch eine γερουσία wird genannt (Bull. hell. XV 634), von Beamten werden ein δαμιοργός als Eponymos, ταμίαι, λογισταί und ἀγορανόμοι erwähnt, Inschriften (s. u.). Gilbert Staatsaltert. II 212f. Im 5. Jhdt. gehörte A. dem delisch-attischen Bunde an, in dessen Listen es unter dem Καρικὸς φόρος in den J. 453–425 erscheint, CIA I 37. 227–44. Im 3. Jhdt. scheint die Insel zeitweise zu Ägypten gehört zu haben, CIG II 2492. Droysen Hellen. III² 1, 329. Mit Rom war A. durch ein aequum foedus verbunden, das im J. 105 v. Chr. feierlich erneuert wurde (CIG II 2485. Hertzberg Gesch. Griech. u. d. Herrsch. d. Röm. I 337), und behielt auch unter den Kaisern seine Autonomie, Plin. n. h. IV 71 und Inschriften (bis Gordianus). Die gleichnamige Hauptstadt lag, wie der jetzige Hauptort, auf einem Vorsprung der Ostküste des westlichen Teiles der Insel, südlich der beide Teile verbindenden Landenge; zahlreiche Bautrümmer sind noch jetzt vorhanden. Von einzelnen Gebäuden werden in den Inschriften ein Prytaneion und eine Säulenhalle am Markte, ein Agoranomion, ein Theater, ein Heiligtum der Athene und des Asklepios, des Apollon, der Artemis Mendesia erwähnt; ausserdem wird noch der Kult des Zeus, Dionysos, der Kora, Diktynna, Roma bezeugt (Inschr., Ross 61), sowie des Achilleus (Cic. nat. deor. III 45) und des Athleten Kleomedes (Paus. VI 9, 6ff.). Die Münzen zeigen gewöhnlich das Haupt oder Symbole des Perseus, Head HN 534. Ausser den angeführten Stellen sind noch zu vgl. Mela II 114. Stad. mar. mag. 273. Hierocl. 687 (von hier ab Ἀστυπαλία. Not. ep. III 568 Parth. Georg. Cypr. ed. Gelzer 485b 1700. Inschriften (meist in dorischem Dialekt) CIG II 2483–2500 add. 2488b–2497 b. IV 8657 (Bruchstück einer Grundsteuerliste aus dem 5. oder 6. Jhdt.). Ross Inscr. gr. ined. II 153–164. III 312f. (dazu A. Nauck Philol. IX 168–72). Bull. hell. III 483f. VII 405–407. 477f. XV 629–636. XVI 138–142. Im späteren Mittelalter (seit 1207 bezw. 1310 und 1413) stand A. unter Herren aus den venezianischen Geschlechtern der Quirini und Grimani und gehörte zum Herzogtum Naxos, 1537 wurde es eine Beute der Türken, Hertzberg Gesch. Griechenl. seit d. Abst. d. ant. Leb. II 70. 219. III 24. Ross Inselr. II 59. 1821 von der nationalen Bewegung mit fortgerissen Hertzberg IV 68), blieb es in den Händen der Griechen, denen
[1875] auch anfänglich durch die Londoner Conferenz die Westhälfte der Insel zugesprochen wurde; doch wurde dieselbe später gegen die Nordhälfte von Amorgos an die Türkei zurückgegeben, Ross 55f. 62. Der Name wurde von den Griechen in Ἀστροπαλαιά (Ross 57, 2) und Στροπάλια (Dubois De Co ins. 20, 3), von den Türken in Ustopaliá (Kiepert a. a. O. 840, 1), von den Italienern in Stampalia geändert (Bondelmonte Lib. Ins. c. 18 u. a.). Der gleichnamige Hauptort soll ca. 1500 Einwohner zählen. Von Neueren vgl. Ross Inselreisen II 55–67. Mediterranean Pilot IV 118–121. Cuinet La Turquie d’Asie I 440–442. Karten der britischen Admiralität nr. 1888 und 387. H. Kiepert Spezialk. v. Westkleinas. Bl. XIII.