Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Griechischer Arzt
Band I,2 (1894) S. 2644 (IA)–2645 (IA)
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3) Griechischer Arzt des 2. christlichen Jhdts. (nach Archigenes, der von ihm benützt ist, Oribas. II 337, und vor Galen, vgl. Rose Anecd. gr. I 22f.). Er gehört der pneumatischen Schule an und ist einer der trefflichsten Ärzte; seine Verdienste liegen auf dem Gebiete der Diaetetik, der allgemeinen Therapie und vornehmlich der Chirurgie. Er stellte beachtenswerte meteorologische und klimatologische Untersuchungen an über die Wirkung der Temperatur der Luft auf den Menschen (Oribas. II 287 D. = Stob. floril. CI 30 vol. III 260 M. Oribas. II 289 = Stob. a. a. O. 256), über die Winde und deren Einfluss auf den menschlichen Körper (Oribas. II 298f.), über den Einfluss des Aufenthaltes in hohen, niedrigen, am Meere gelegenen, sumpfigen, gebirgigen Gegenden (Oribas. II 301 = Stob. a. a. O. 259). Er empfahl alle Arten der gymnastischen Übungen, besonders das Spazierengehen (Oribas. I 503), den Dauerlauf (I 511), das Reiten (I 519), das Schwimmen (I 523), das Reifschlagen (I 521), ferner das von Asklepiades eingeführte Schaukeln (I 513). Einen wichtigen Platz in seiner Therapie behaupten die Bäder, über die er ausführlich handelte (II 380), besonders über die Mineralbäder (II 383f.). Er gab ausführliche Vorschriften über die Wohnungsverhältnisse (II 307), über die verschiedenen Arten des Lagers (II 309) und schrieb genau die Lebensweise, die Speisen und Getränke vor, die für Kranke empfehlenswert sind (I 300. 414). Er wandte nach dem Vorgange des Asklepiades bei Bräune in Fällen, wo die Gefahr der Erstickung vorhanden war, die Laryngotomie an (Aet. X 30. Paul. Aeg. VI 33), bestimmte genau die Adern, die beim Aderlass zu öffnen sind (Oribas. II 38f.) und handelte vortrefflich über die Anwendung dieser Operation (II 47f.), der Schröpfköpfe (II 58) und der Blutigel (II 69). Am bedeutendsten war er als Chirurge; in seinen Operationen schloss er sich vielfältig an den zur Zeit des Traian lebenden Arzt Heliodor an (Oribas. III 570). Massgebend sind seine Vorschriften über die Behandlung der am Kopf vorkommenden Abscesse (III 570f.) und der Fisteln (III 611f.), ferner vervollkommnete er die Lehre von den Knochenresectionen, indem er erkrankte Knochenteile entfernte, Teile des Oberschenkelknochens, des Vorderarmknochens, des Oberkiefers und den Unterkiefer hinwegnahm (III 617ff.). Ja er kannte die Extraction des Staares (Rhazes Continens II c. 3 ed. Venet. 1506 fol. 41). Seine Hauptschrift führte den Titel περὶ βοηθημάτων und bestand aus vier Büchern, von denen das erste περὶ τῶν ἔξωθεν προσπιπτόντων βοηθημάτων (Oribas. II 287), das zweite περὶ τῶν κενουμένων βοηθημάτων (II 38f.), das dritte περὶ τῶν προσφερομένων βοηθημάτων (I 300) und das vierte περὶ τῶν ποιουμένων βοηθημάτων handelte (I 436). Vgl. Stobaeus a. a. O. 263. Diese Schrift war eine Compilation aus Athenaeus, Herodot, Apollonios von Pergamon, Diokles, Rufus, Archigenes; benützt ist sie von Galen, besonders in seinem Commentar zu Hippokr. περὶ χυμῶν und von Oribasius. Vgl. V. Rose a. a. O. Seine chirurgische Hauptschrift war nach dem Vorbilde des Heliodor χειρουργούμενα betitelt (Schol. zu Oribas. vol. III [2645] 685. 688 D.) und bestand aus mindestens zwei Büchern. Endlich verfasste er eine Schrift über den Wasserkopf neugeborener Kinder (περὶ ὑδροκεφάλων Nicet. 121). Eine Schrift περὶ ἑψήσεως τῶν ἐμβαλλομένων εἰς τὰς ἐμπλάστρους φαρμάκων erwähnt Paulus Aegineta VII 24, die nur ein Teil seiner Schrift περὶ βοηθημάτων ist. Vgl. Paul. Aeg. VI 33. 40. 53. 62. 67. VII 10. 17. 18. 24. Die meisten Fragmente dieses Arztes hat uns Oribasius erhalten; gesammelt sind sie von Panag. Nicolaides Antylli, veteris chirurgi, τὰ λείψανα, praeside Curtio Sprengel, Halle 1799. Vgl. Ch. F. Matthäi Medic. gr. varia opuscula, Moskau 1808.