Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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[Florus, P. Dichter z. Zeit Hadrians
Band I,2 (1894) S. 2266 (IA)–2268 (IA)
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47) P. Annius Florus, Verfasser eines Dialogs, über die Frage Vergilius orator an poeta (dasselbe Thema Macrob. Sat. V 1; s. auch oben S. 2233), dessen lebendige und charakteristische Einleitung von Th. Oehler in einer Brüsseler Hs. gefunden und von F. Ritschl im Rh. Mus. I 1842, 302–314 = Op. III 729 erstmals herausgegeben und commentiert worden ist; dann in den Ausgaben der Epitome de T. Livio des Iulius Florus von O. Jahn Lips. 1852 p. XLIff. und von C. Halm Lips. 1854, 106–109. Nach den persönlichen Andeutungen, welche dieses anziehende Bruchstück enthält, war der Verfasser aus Africa gebürtig (der Name CIL VIII 3143[1]; über sein Latein E. Wölfflin Archiv f. Lex. VI 1ff.), wo sein Vater in guten Verhältnissen damals noch lebte; noch jung (puer) war er in dem poetischen Concurs, welchen Domitian († J. 96) seit dem J. 86 n. Chr. mit den Ludi capitolini verband, [2267] aufgetreten, hatte aber infolge des Vorurteils, welches Domitian gegen den africanischen Provincialen hegte, den allgemein ihm zuerkannten Preis nicht erhalten, aus Verdruss darüber Rom verlassen und sich auf Reisen begeben, dann endlich in Tarraco sich niedergelassen und eine Rhetorschule begründet. Dort trifft ihn kurz nach dem dakischen Triumphe Traians 103 oder 106 der Interlocutor, der ihm unter anderem auch dringend zuredet, wieder nach Rom zu gehen. Dies that F. auch, da derselbe ohne Zweifel identisch ist mit dem Florus poeta, mit welchem Hadrian einige scherzhafte Verse wechselte (Hist. Aug. Hadr. 16) und welcher sonst poetische Schriften an diesen richtete (Charis. 53 und 106: Annius Florus ad D. Hadrianum ,poematis delector‘ und 123 Florus ad D. Hadrianum ,quasi de Arabe aut Sarmata manubias‘. FPR 373). Auch ist ganz glaublich, dass die ansprechenden 26 trochaeischen Tetrameter, welche im Codex des Salmasius die Überschrift haben Flori de qualitate vitae, von demselben Verfasser sind (O. Müller 9f., vgl. 34–36. PLM IV 346), sowie die fünf Hexameter Flori de rosis, welche in derselben Hs. stehen (O. Müller 12, vgl. 36. PLM IV 279). Zweifelhaft aber ist die Vermutung von O. Müller 18ff., dass dieser F. auch der Verfasser des Pervigilium Veneris sei (wegen der Ähnlichkeit des Geistes, der metrischen Form und der Sprache), wiewohl die ungefähre Zeit der Abfassung damit gewiss richtig getroffen ist, s. F. Bücheler Pervigil. Ven. Lips. 1859 p. 51. E. H. O. Müller De P. Annio Floro poeta et carmine quod Pervigilium Veneris inscriptum est, Berl. 1855 (34–44 die Überreste des F. einschliesslich des Pervig. Ven.). Der Dichter F. ist in mehrfacher Hinsicht eine hochwichtige Erscheinung in der römischen Litteratur. Er ist der älteste in der langen Reihe bedeutender Schriftsteller des 2. Jhdts., welche aus Africa entstammt sind und die führende Rolle in der Geschichte der lateinischen Litteratur und Sprache gespielt haben, mit der Aelteste der in der Zeit Hadrians blühenden poetae neoterici (Diomed. 517, 3. G. Schultz Herm. XXII 275), zu denen sein Zeitgenosse Annianus Faliscus, Septimius Serenus u. a. gehören. Zu den beliebtesten Metra dieser Dichter gehörten die Anakreonteen, katalektischen und akatalektischen iambischen Dimeter, das erstere Mass, auch auf africanischen Inschriften beliebt (CIL VIII 2632[2]), ist in dem Gedicht auf Hadrian angewandt. Die Stoffe entnahmen diese Dichter meist dem Landleben, dem Leben der Kinder und kleinen Leute, und der Naturbetrachtung; so gehören die Hexameter des F. über die Rosen zu dem anziehendsten aus der Poesie jener Zeit; wichtiger sind für unsere Kenntnis der Geschichte römischer Poesie und Metrik die erhaltenen trochaeischen Septenare (PLM IV 347) mannigfachen Inhalts. Der Dichter betet zu Bacchus für seine Weinfässer, pflanzt junge Äpfel- und Birnbäume, in deren Rinde er den Namen der Geliebten einschneidet; besonders interessant ist der Hass gegen die Graeculi, der sich ähnlich wie in der gleichzeitigen 3. Satire Iuvenals (60ff.) in den Versen ausspricht: Sperne mores transmarinos, mille habent offucias, Cive Romano per orbem nemo vivit rectius. Quippe malim unum Catonem [2268] quam trecentos Socrates. Mit dieser volkstümlichen Anschauung und der Wahl aus dem Volksleben entnommener Stoffe hängt eng zusammen die Wahl des volkstümlichen Metrums, das, seit zwei Jahrhunderten in der Litteratur ausser Gebrauch, wie es scheint durch F. in die Poesie wieder eingeführt wurde. Der trochaeische Septenar war zuletzt um die Zeit des numantinischen Krieges von Lucilius, etwas später von dem Aristokratenfeind Porcius Licinus und dem jungen Cicero im Glaucus angewandt worden, zu einer Zeit, als derselbe im Volkslied den abgeschafften Saturnier zu ersetzen begann und deshalb von den docti poetae der caesarianischen und augusteischen Zeit gemieden wurde. Seit der Zeit des F. erscheint der Vers öfters auf Grabinschriften und in der Litteratur, bei Appuleius u. s., in der christlichen Poesie spielte derselbe eine grosse Rolle, H. Usener Jahrb. f. Philol. CVII 175. O. Ribbeck Gesch. d. r. Dichtung III 317ff. Über die sehr wahrscheinliche Identification des Dichters und Rhetors F. mit dem Rhetor und Historiker, die besonders C. Halm Jahrb. f. Philol. LXIX 192 (Nachträge bei Wölfflin a. O.) durch das Vorkommen derselben Redewendungen bei beiden Autoren zu erweisen sucht (E. Westerburg Rh. Mus. XXXVII 47), s. den Art. Florus.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 3143
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 2632