Anaideia (Ἀναίδεια), Personification der Schamlosigkeit. Auf ihre Verehrung in Athen deutet bereits Xenophon hin (Symp. VIII 35), indem er von den Lakedaimoniern im Gegensatz zu den Athenern rühmt: θεὰν γὰρ οὐ τὴν Ἀναίδειαν, ἀλλὰ τὴν Αἰδῶ νομίζουσι. Theophrast (bei Zenob. IV 36) sagt, es seien in Athen Altäre der A. und der Hybris gewesen; Spätere (Clem. Alex. protr. 2, 26) führen diese Altäre auf Epimenides zurück oder erwähnen ein von Epimenides errichtetes Heiligtum der A. (Istros bei Suid. s. θεός. Cic. de leg. II 28). Wahrscheinlich sind jene Altäre identisch mit dem λίθος Ὕβρεως und dem λίθος Ἀναιδείας, zwei von Pausanias (I 28, 5) erwähnten roh zugehauenen Steinen auf dem Areopag, die als Standplatz für den Kläger und den Beklagten dienten. Das auf den Kult hindeutende Sprichwort θεὸς ἡ Ἀναίδεια erklären die Paroimiographen ἐπὶ τῶν δι’ ἀναισχυντίαν ὠφελουμένων. Dass die Personification frühzeitig geläufig war, beweist ein Ausdruck wie Ἀναιδείας φάρος Soph. frg. 259 N.²; als μεγίστη θεῶν bezeichnet sie Menandros frg. 357 Kock.