RE:Ὑπομνηματογράφος

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Hypomnematographos, Beamtentitel im ptolem. und röm. Aegypten
Band S IV (1924) S. 773775
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Ὑπομνηματογράφος, ägyptischer Beamter.

1. Der Kabinettsekretär der Ptolemäerkönige (seit dem 2. Jhdt. v. Chr. nachweisbar). Er und der ἐπιστολογράφος sind die beiden Vorstände der königlichen Kanzlei (beide sind nicht identisch, wie man gelegentlich gemeint hat). Über den Tätigkeitsbereich im einzelnen erfahren wir folgendes: P. Tebt. I 61 b 260f. (118/7 v. Chr.) erwähnt; einen Mann als μ[εταβεβη(κὼς) εἰς τὴν κατ]οικίαν τῶν ἐπ’ Ἀμφικλείους τοῦ ὑπ[ομνη]ματογραφή[σα]ντος προσαχθέντων‚ der Leute also, die unter dem ὑ. Amphikles zu den Katöken (Besitzern von Militärlandlehen) überführt wurden; ebd. 64 a. 88 (116/5 v. Chr.) ist eine gemeinsame Bewilligung des Finanzministers und des ὑ. erwähnt. An den genannten Amphikles ist auch die Eingabe der Suchospriester in Krokodilopolis (Thebais) von 123 v. Chr. gerichtet, in der diese wohl um Berücksichtigung des in einem Kriege zwischen Hermonthis und Krokodilopolis erlittenen Schadens bei der Steuerberechnung bitten (Wilcken Chrest. 11). Diese Texte zeigen einmal, daß der ὑ. für ganz Ägypten zuständig war, dann aber, da die Priester der letztgenannten Urkunde vom ὑ. eine diesbezügliche Verfügung wünschen, seine relative Selbständigkeit (vgl. auch BGU IV 1182), hier in Dingen des Finanzressorts bezw. der Landkultur [Schubart Archiv f. Pap. V 69. 3 spricht von ihm als Gehilfe und Vertreter des Dioiketes’-Finanzministers]. Keineswegs aber ist er ein Mittler zwischen Herrscher und Priesterschaft, zu dem ihn Strack Archiv f. Pap. II 557 gemacht hat auf Grund seiner Inschrift nr. 38, in der der König gebeten wird, den ὑ. anzuweisen, in betreff eines Heiligtums an den Gaustrategen (u. a.) zu schreiben, was also auch zu seinen Obliegenheiten gehört (vgl. auch Semeka Ptolem. Prozeßrecht I 23f.). Er beantwortet in des Königs Namen Gesuche, die an den Herrscher gelangen (s. auch Otto Priester u. Tempel I 56). Er hat den Hofrang eines συγγενής (z. B. Wilcken Chrest. 11. Dittenberger Or. gr. inscr. sel. I 163; dazu Cohen De magistratibus Aegyptiis usw., Diss. Leiden 90).

Wilcken Grundzüge 6; Archiv V 69, 3 und das im Text Angeführte. Martin Les Epistratèges 76f. Schubart Einführung 248. 384.

2. Daneben gab es noch andere ὑ. in der Ptolemäerzeit. Vgl. P. Tebt. I 112, 87, wo das Amt mit dem eines Epistolographen kumuliert ist (beides sind aber nicht die königlichen Beamten), ferner der Text ebd. I 58 [111 v. Chr.]‚ der ein ὑπομνηματογραφεῖον nennt. Es handelt sich also um eine lokale Behörde (vgl. auch Semeka 23.1), eine Art Notare oder Urkundenschreiber (vgl. Stein 196).

3. Für die römische Zeit berichtet Strabon C 797, daß zu den ἑπιχώριοι ἄρχοντες κατὰ πόλιν (d. h. Alexandria) der ἐξαγητής, ὑ/, ἀρχιδικαστής und der νυκτερινὸς στρατηγός gehöre, und [774] weist auf ihre ptolemäischen Vorbilder hin (vgl. BGU IV 1073). Mommsen Ztschr. d. Sav. Stift. XVI 189 hat darauf aufmerksam gemacht, daß diese Beamten bei der exzeptionellen Stellung von Alexandrien zwar zunächst für städtische Geschäfte bestimmt, trotzdem Unterbeamte des römischen Statthalters waren (s. auch Oertel Liturgie 59. 353; vgl. u.). In der Tat geben die Papyri zwei Klassen von römischen ὑ. an die 10 Hand.

a) Der ὑ. ist Chef der Kanzlei des römischen Statthalters (vgl. P. Hamb. I S. 78, 4). Dieser ὑ. hat seinen Amtssitz in Alexandria. Er ist es offenbar, der in dem Erlaß des Statthalters bei Zucker S. Ber. Akad. Berl. 1910, 710f. den ἀνέγνων-Vermerk unter die Abschrift setzt (vgl. S. 714f.). Mommsen und P. M. Meyer (Archiv f. Pap. III 72, 1; vgl. aber u.) sehen in ihm wohl mit Recht den a commentariis praefecti Aegypti. Lukian, der selbst dieses Amt bekleidet hat, schildert die Tätigkeit apol. 12 also: der ὑ. muß die Rechtshändel dem Gerichtshof vortragen, dort für die gebührende Ordnung sorgen, das Verhandlungsprotokoll führen, die Reden der Advokaten ordnen (ihre Reihenfolge bestimmen?), die Reskripte des Kaisers sorgfältig verwahren; dafür beziehe er talentweis Gehalt vom βασιλεύς. Vgl. auch Philo in Flacc. 16. Allerdings wird die Beziehung dieser beiden Stellen auf unseren alexandrinischen ὑ. von P. M. Meyer und Oertel jetzt abgelehnt (vgl. Oertel 353, 5), ob mit Recht, bezweifle ich. Vgl. Stein 194f. In der Tat ist er in P. Straßb. I 22, 28 (3. Jhdt. n. Chr.) als Protokollführer tätig, der in dem Rechtsfall auch Verschiedenes in Erfahrung gebracht hat. Er besitzt den Ritterrang (Mommsen Röm. Gesch. V 569; Ztschr. d. Sav. Stift. a. a. O. 190; Oertel läßt die Gleichsetzung mit dem a commentariis nur mit Einschränkung gelten, Ritterrang und Gehalt bezweifelt er).

b) Er ist auch ein städtischer liturgischer Beamter, der nach Preisigke Städt. Beamtenwesen in Aeg. (Diss. 1903) 31 die niederste Stufe in der städtischen Rangordnung einnimmt, was von Jouguet 341 als unrichtig dargestellt wird, wie ich auch glaube; denn, obwohl Preisigke 33 sagt, daß die einer Person zukommenden Rangtitel in der Regel in aufsteigender Reihenfolge genannt werden, so muß man nach den Papyri konstatieren, daß der ὑ. mehrfach als der letzte, also höchste, dieser städtischen Beamten genannt wird (vgl. P. Oxyrh. XII 1412. 1434. 1498. XIV 2/3 Anm.). Oertel Liturgie 351f. hat sein Vorhandensein in den Gaumetropolen (also außerhalb von Alexandria) als sehr zweifelhaft hingestellt. Allein neue Texte wie P. Oxyrh. XII 1434, 10. P. Soc. Ital. V 46l scheinen sein Vorhandensein doch ziemlich sicher zu machen. Für Alexandria bezeugt den städtischen ὑ. P. Oxyrh. I 59, 2 [292 n. Chr.]. ebd. XII 1412 [284 n. Chr.]. Mehrfach treten sie als Kollegien, also in der Mehrzahl auf (z. B. BGU II 460. Lips. 4), und bezeichnen sich als ἔναρχοι (also Wechsel in der Ausübung des Amtes). Im einzelnen freilich reicht unser Material zu eineisicheren Entscheidung der Streitfragen vielfach heute noch nicht aus.

[775] Stein Untersuch. z. Gesch. u. Verw. Ägypt. unter röm. Herrschaft 191. Oertel Die Liturgie 351f. Jouguet La vie municipale dans l’Egypte Romaine 171f.

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 129
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