Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Fest in Argos
Band IX,1 (1914) S. 33
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Ὑβριστικά hieß ein Fest, das die Argiver im Monat Hermaios, der wahrscheinlich dem attischen Gamelion entsprach (Bischoff Fasti gr. ant. 379) feierten (Plut. de virt. mul. 4 p. 245 F. Polyaen. strateg. VIII 33 p. 606). Es herrschte dabei der eigentümliche Brauch, daß die Männer in Frauenkleidung, die Frauen aber in Männerkleidern auftraten. Man erklärte die Sitte daraus, daß einst, als Kleomenes von Sparta das Heer der Argiver geschlagen und zusammengehauen hatte, die Frauen unter Führung der Telesilla die Mauern verteidigt und die Feinde abgeschlagen hätten; zur Erinnerung aber an diese Tat habe man das Fest gestiftet (Paus. II 20, 7. Plut. apophthegm. Lac. 223. Suid. s. Τελέσιλλα). Das ist eine Legende, die nur beweist, daß man die Bedeutung der Bräuche nicht mehr kannte. Der Kleidertausch kommt auch an andern Orten vor (Plut. quaest. gr. 58 p. 304 E. Paus. VIII 48, 3; vgl. Boeckh Kl. Schr. V 193ff.), und man hat ihn in Verbindung mit Hermaphroditenkult gebracht (Preller-Robert Griech. Myth. I 510); wahrscheinlich ist, daß wir es mit einem auch sonst begegnenden Brauch zu tun haben (Philochor. frg. 15 bei Macrob. Sat. III 83), nach dem der Gatte die eben Vermählte in Frauenkleidung im Brautgemach erwartete, oder auch diese sich in Männertracht zu ihm begab. Es würde gut dazu stimmen, daß man an den Ὑ. auch der Aphrodite opferte (Nilsson Griech. Feste 371ff.), und die Ratio der Feier wäre, junge Ehen vor dem Einfluß schädlicher Dämonen zu bewahren. Vgl. ferner Plut. de mus. 9 p. 1134 C. Schoemann-Lipsius Griech. Altert. II 310.