Predigt anlässlich der 11. Wander-Versammlung der bayer. Missionskonferenz

Textdaten
Autor: Hermann von Bezzel
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Titel: Predigt anlässlich der 11. Wander-Versammlung der bayer[ischen] Missionskonferenz
Untertitel: gehalten in der Heiliggeistkirche Nürnberg
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Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Verlag der Christl. Buchhandlung (Fr. Wilh. Nüssel)
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Erscheinungsort: Erlangen
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Quelle: Commons
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Predigt
anlässlich der
11. Wander-Versammlung
der
bayer. Missionskonferenz
am 15. November 1910
in der Universitätskirche zu Erlangen gehalten
von
Oberkonsistorialpräsident D. Dr. von Bezzel



Der Reinertrag ist für die Heidenmission bestimmt.


Verlag der Christl. Buchhandlung (Fr. Wilh. Nüssel)
Erlangen, Hauptstrasse 106.


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Lieder:

Nr. 331, 1–3 (Auf, ihr Heiden, lobet Gott ...)
Vor der Predigt: 334, 1–6 (Jesu, bittend kommen wir...)
Nach der Predigt: 551, 3 (Wachet auf, ruft uns die Stimme...)
Zum Schlusse: 514, 10 (Treuer Wächter Israel ...)


Altarlektion:

Offenbarung 7, 9–17.




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 Das ist je gewißlich wahr und ein teuer wertes Wort, daß Christus Jesus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.
 Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 Matth. 28, V. 17–19a. Da die Jünger Jesum sahen, fielen sie vor Ihm nieder, etliche aber zweifelten. Und Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker!

 Gott, der da hieß daß Licht aus der Finsternis hervorleuchten, hat Sich das Recht vorbehalten aus Menschennein Sein ewiges Ja, aus Menschenja Sein heiliges und heilsames Nein zu prägen. Wir sprechen von Ferne, Er preist die Nähe, wir sehen den Tod, Er rühmt das Leben. Aus dem Weh des Scheidens schließt Er zusammen und wenn alles zu Ende gehen will, schafft und schenkt Er neue Aufgaben. Der Meister verläßt die Jünger und deckt ihnen zugleich das Geheimnis Seines Bleibens bei und unter ihnen auf. Sie reden und klagen von Verlorenem und Er zeigt, es sei gut, daß Er hingehe. „Als Du mir nahe warst, da warst du mir so ferne. Nun Du mir ferne bist, bist Du mir so nahe!“ So ist aus der Stunde, die Fernung und Entfernung brachte, die Mission, die Aufgabe der Arbeit für den Fernen mit der Verheißung Seiner nahen Kraft erwachsen, aus dunklem Grund die lichte Aufgabe, über Nacht und Finsternis das Licht im Sieg heraufzuführen. Wir reden darum von dem Geheimnis der Mission, von Jesu erlebt und von Jesu geheißen.

 Deine Zeugnisse sind mein ewiges Erbe; denn sie sind meines Herzens Wonne. Amen.


I.
 Das Geheimnis der Mission ist von Jesu erlebt. Wie ein Haushalter über Gottes Geheimnisse, über Gnade und Gnadenführung, in Seelenbereitung und Lebensverklärung, in Sünder tragender und Sünde tilgender Geduld Rechenschaft von seinem Haushalt tut, wie der treue Knecht zu seinem Auftraggeber heimkehrt, das zeigt Jesu Rechenschaftsbericht| vor Seinem Leiden: „Ich habe Dich verklärt auf Erden und vollendet das Werk, das Du mir gegeben hast, daß ich es tun sollte“... Ihm, der herabkam nicht um den eignen Willen zu tun, der über Leiden und Not weggeführt und alsbald den Sieg hätte erringen wollen, dem die Zinne des Tempels versuchlich war und der Blick vom Berge über Weltgeschichte und Weltgeschicke im Glanz der Vollendung Anfechtung bereitete, ist aus dem, das Er litt, Gehorsam als Lebenskunst und Lebenskraft aufgegangen und zugewachsen. Der Herr läßt in ein großes schreckhaftes Mysterium Einblick tun, wenn Er davon spricht, daß Er nicht gekommen sei, Seinen Willen zu vollbringen. Ungeahnte Kämpfe, unfaßlicher Widerstreit von Pflichttreue und Meinung tuen sich auf. Die Gemeinde lernt verstehen, was es um den göttlichen Gehorsam Großes sei, der bis zum Tode, ja zum Tod in Kreuz und Schande ausreifte und ausreichte. Das mattfarbige allzusüßliche Jesusbild verblaßt in solchem heilig kraftvollen Ernste. Die harten herben Farben prägen sich auf dem Antlitz Dessen ab, Der in der schwersten Stunde den ganzen großen Sieg errungen hat. Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe! Entschluß des Opfers ist einer festlichen Stunde frohe Gabe, Ernst des Opferns des schweren Tages Inhalt und Arbeit, aber die schlichte verzichtende Willigkeit zu wahrer Willentlichkeit, die Bereitschaft, sich wollen zu lassen und dabei doch in Selbstbehauptung zu stehen ist das Ziel der Mühe. – Gottes Wille und der Seines Gesandten sind in heißem Streite, aus prüfungsreichen Stunden Eins geworden und in der letzten Stunde hat auch der Sohn, der Sich unterworfen hat, sagen dürfen: Vater, Ich will, weil Er ganz in den Willen des Vaters eingegangen war und diesen so für Sich gewonnen hatte. –
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 Diesem Gehorsam, in den Jesus sich senden und brauchen ließ, den Er bewahrte, bewährte und behielt, ist von Dem, Der ihn erfuhr und erprobte, treulich und in klarer Herrlichkeit geantwortet worden. Der Vater ist nicht ungerecht, daß er der Arbeit vergäße. Mir, spricht Jesus, ist gegeben – nicht von der Anerkennung schwankender und schwacher Menschen geliehen, daß sie vom Gemeindeurteil und dem jeweiligen Ergebnis menschlicher Subjektivismen leben müßte. Ein Ich-Christus, ein Gemeinde Christus, im Urteile der Jahrhunderte umgeprägt und umgestaltet, heute wegen dessen erhoben, weswegen das Morgen Ihn verwerfen wird, ist ein haltloses Phantom, ein armseliges Symbol, für Suchen und Nichthaben, für Haben und Nichthalten. An solchen Göttern stirbt ein Mensch. Wer kann Ihm| etwas Seiner Würdiges geben, welcher Kurzlebige und Kurzsichtige Ihm gerecht werden? Der Goldglanz, den die Gemeinde um sein Antlitz wob, müßte nicht nur verbleichen, sondern aus Ehrlichkeit zerrissen werden, ihre Ehrenprädikate, bald aus fiebernder Erhitzung hochgegriffen, bald aus einer der früheren Erregung reuig sich schämenden Ernüchterung absichtsvoll herunter gestimmt, müßten als armselige Ungereimtheiten zurückgewiesen werden.
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 Er setzt sich auch nicht selbst in Ehre, der da nicht gekommen ist, daß Er Ihm dienen lasse, sondern daß Er diene. Jesus nimmt nie etwas von sich aus in Anspruch, Er bewahrt sich in Seiner Knechtweise, Er behält sich auch in der Verklärung bei der willentlichen Armut. Christi Art ist selbstlos, denkt nicht an sich, sieht nicht auf sich. Aber eben darum hat Ihn Gott erhöht, der Herr den Knecht, der Vater den Sohn, der Hausherr den, der in Seinem ganzen Hause treu war. Sehet ihr Christen, auf daß Mir ist gegeben, lest und forscht nach, wie in den Abschiedsreden Jesu Gabe und Rückgabe, Geschenk und Rückleistung, Kraftquelle und Kraftstrom enge an einander gestellt sind. Vergangen ist die Nacht des Alleinseins und der Schrecken der Gottesverlassenheit, dieser ernsten Mühe um Sündennot und Sündenfolge, vorüber ist die Sorge und Angst der Trennung und des Geschiedenseins. Wer da hat Gehorsam, Ernst und Willigkeit in Ihm, dem wird gegeben, daß Er die Fülle habe. Für Treue im Leben und Sterben nicht nur eine Krone, sondern der Kronen Macht: alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Ist eine Obmacht, die den Himmel der Erde erschließt, so heißt sie Erbarmen, gibt es eine Gewalt, die dem Himmel die Erde nähert, so ist es die Liebe, sollen Feinde und Feindesmacht niedergehalten und niedergerungen werden und ein Wort Himmel und Erden verneuen, so weiß es die Allmacht zu wirken. Und ihren stillen, selbstgewissen Weg dem Ziele zu geht die Gerechtigkeit und Beständigkeit. In diesen drei Größen, der schaffenden, der schenkenden und der ausgleichend vollendenden ist alle Größe beschlossen. Jesus hat die Allmächtigkeit, mit der Er Himmel und Erde, zu Rechten der Majestät thronend, erfüllt. Im Himmel prägt Er fortan Begriffe von Größe und Macht, von Hoheit und Bedeutung; nicht der Leuchtende ist groß, sondern der in der Nacht das Licht bewahrt, nicht der ist mächtig, der da herrschen will, sondern der im Dienen herrschen kann. Hoheit ist es, wenn Niedrigkeit und Armut, Dürftigkeit und Leid nicht beflecken noch zerstören, wenn der Erdenstaub den Himmelssinn nicht trübt und daß Suchen der Sünder nicht die Seele an die Sünde sich verlieren| läßt. Bedeutung ist es, wenn mit wenigem viel erreicht, aus dem Nichts der Welt das Große vor Gott ersteht. Weil der Herr sich auf Eines konzentriert, allen Willen Einem Ziel und Zweck zu Dienst gestellt hat, darum ist Seine Allmächtigkeit Einheitlichkeit von Sein und Seinsollen, von Inhalt und Form, von Sein und Sosein, darum gibt Seine Allmächtigkeit heilige Begriffe und rechte Worte. Und sie stärkt dazu, unter den möglichen Wegen den schwersten und unter den Lebensaufgaben die ernsteste zu wählen und zu sprechen: Dein Joch ist sanft und Deine Last ist leicht. Allmächtigkeit im Himmel durchwirkt die Erde, macht sie fruchtbar, lockert den Acker, segnet die Saat, wirkt die Ernte. Es muß unser Trost in allen Anzeichen nahender Stürme und schleichender Zersetzungen sein, daß die Hand des Leides jetzt die eines Allmächtigen ist und daß der die Weltgeschichte lenkt, an den sie einst all ihre Gottfeindschaft ausgeübt und ausgelebt hat. Allmächtigkeit, die nie in den Streit sich begab, könnte zur Verkennung der Gefahr, müßte zur Unkenntnis unserer Sorgen werden. „Aber seid getrost, Ich habe die Welt überwunden, nicht überragt.“ Aus Ohnmacht der Niederlage die Allmacht gegen sie! –
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 Liebe aber hat gebeten, wo Allmacht fordern konnte, und gelitten, wo Allmacht drohen mußte, und getan, was selbst der Allmacht zu schwer war, Liebe hat sich mit der Sünde vereinerleit, um Sünder herauszuholen, mit dem Fluch sich vermählt, um den Fluch zu bannen. Nicht Herablassung, deren Absicht wehe tut, weil sie den Nächsten als minderwertig betrachtet und die Anstrengung zu ihm hinab betont, nicht flüchtige Regung zum Leide hin, wie ein Sonnenstrahl über den trüben Tag hinlächelt, um beim Verschwinden ihn desto mehr zu verdüstern, noch auch Schwachheit, die den andern in seiner törichten Eigenart gelten läßt ohne ihn zu strafen und lieber die Güte wegwirft als sie in ihrer Größe, welche von Unrecht und Unreinem ferne ist, erscheinen und gelten zu lassen. Jesus hat die Vollkraft der Liebe, die Ihn zur Erde gesandt und Sein ganzes Leben hat opfern lassen, da Er, was getrennt war, durch Sein Leiden und Sterben versöhnte, in den Himmel erhoben. Liebe regiert fortan die erlöste Welt, in Liebe umfaßt Er alle erlösten und verneuten Gottesgedanken. Niemand hat größere Liebe, denn daß er das Leben läßt, um Leben zu retten. Die allumfassende Fürbitte aus Pflicht solcher Liebe wendet sich an alle, die ihrer sich trösten wollen, sie ist das eigentliche Trostgeheimnis der Missionstätigkeit, die ohne Stab und Anker durch Wüsten gehen und über Meere ziehen müßte, wenn sie nicht von der – Gesamtheit und Einzelleben| umfassenden Fürbitte Jesu Christi gehalten, getragen, getröstet würde, dessen Liebe die Antwort für jede sehnliche Frage ist, die aus der Heidenwelt in Gebet und Opfer hinansteigt und je hinauf kam. – Wir denken, Geliebte, zu geringe von der Liebe, wenn wir sie lebhafte Sympathie für uns, warme Teilnahme nennen und in den Kreis schwacher Gefühle weisen, wir verflüchtigen sie also. Die Liebe Christi ist höchste Energie, die alles glaubt, ohne leichtgläubig zu sein, ohne kleingläubig zu werden, obgleich ihr so Schweres zugemutet wird, – die alles hofft, ohne leichtsinnig zu sein, ohne in Kleinmut zu entarten. Sie trägt alles und wird nicht stumpf. Sie duldet alles und wird nicht gleichgiltig noch unempfänglich. Das alles, weil in Seiner Liebe das Geheimnis tiefsten Verständnisses mit der erlösungsfähigen und heilsbestimmten Menschheit liegt, der Er aller Dinge gleich werden mußte, um barmherzig zu werden. Aus Liebe ist Er in die Not eingegangen, damit diese in die Liebe kommen möchte. – Wo also noch Liebe einkehren darf, weil eingeladen und darum gebeten, da stellt sie sich ein mit aller Gewalt. Ihr sind tausend Wege offen, tausend Weisen zur Hand. Der Missionsgedanke Jesu wird und darf nicht rasten und muß retten: Er hat Sein Wesen an ihn verpfändet. –
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 Und diese Liebe hört nimmer auf, Ihre Beständigkeit und Folgerichtigkeit, die festhaltende Dauer ihrer Treue heißt Gerechtigkeit, Geradheit, die zum Ziele führt. So nennt der Sohn den Vater, den Sohn Sein Apostel gerecht. – Wie Ihm der Vater alle Reiche der Welt seit Seiner Heimkehr, alle Zeiten und Weiten anvertraut hat zum Lohn für den Gehorsam, der Lockungen zur widergöttlichen Weltherrschaft verschmähte und also die Verheißung einlöste, so will Er die Wahrheit jedes Gottesgedankens zur Wirklichkeit, die Glaubensgewißheit Seiner Getreuen zur Schauensfreude erheben. In Seiner Treue zeichnet Er Zug um Zug der Reichsgedanken in das langsam sich ausgestaltende Weltbild ein. Gegnerschaft, ernsthafte und feindliche Leugnung, Abirrung und Hemmnis, Scheiden und Gehen, alles muß Ihm dienen. So oft die Reichsbitte mahnend zu Ihm dringt, flehend Sein Ohr berührt und die Gemeinde der Harrenden, die Kirche aus Kampf und Not Ihn angeht: „Komm, Herr Jesu!“ fügt Er einen neuen Zug ein, langsamer vielleicht als wir meinen, aber doch in eilender Sorge und Liebe zum Vollendungsbilde: des ist die ganze Kirchengeschichte Zeugnis. Hier erscheint sie als furchtbares Ineinander von Irrung und ohne deren Berichtigung, von Hebungen und Senkungen, in Seiner gestaltenden Hand wird sie Durchführung Seiner Reichsgedanken, stetig| ausreifende Wirklichkeit Seiner Siege. Freilich nicht nach Zahlen und Mengen und glänzenden Namen, aber in der Wesenhaftigkeit der für Ihn Entschiedenen. – Gerechtigkeit ist sohin Synthese der Allmacht und der Liebe Jesu Christi, der ausführen kann und will und muß, was Ihm der Vater befohlen und verheißen hat, bis zu dem Tag, wo Erde und Himmel ganz sich zusammen getan haben und die Erde Ein himmlischer Gedanke geworden sein wird, Zeit und Ewigkeit Ein Gepräge haben, das Werden und das Sein sich finden. – So erfahren wir aus den Abschiedsworten Jesu das Geheimnis der Mission nach ihrem tiefsten Grund. Vom Vater in die Welt gesandt geht der Sohn durch sie in Leid und Not des Lebens. Ihre innigste Kraft ist der Gehorsam: „Ja, Vater ja, von Herzensgrund.“ Der Sohn will sich in des Vaters Willen schicken und senken, bis Er ihn ganz wollen und wirken kann. Der Lohn aber ist die Gewalt im Himmel, den Er der Erde erschlossen und auf der Erde, die so den Himmel gewonnen hat. Fortan kann nichts mehr sich Ihm entziehen, alle Kniee müssen sich beugen, der Anbetende wie der Widerstrebende, Hemmung und Aufhalt ist Förderung, Widerspruch und Leugnung muß zum Bekenntnis werden. Jesus ist Sieger, Sonne und Segen, denn Er und der Vater sind eins. Diese Gewißheit soll die Jünger stärken, über den Abschied trösten und mit der sicheren Zuversichtlichkeit erfüllen, daß sie von Dem nicht in Ohnmacht gelassen werden, Dessen Ohnmacht sie erworben und an Ihn gefesselt hat. Wer dem Ärgernis in Jesu und der verachteten Torheit von Ihm Treue hält, den sollen Seine Weisheit und Herrlichkeit überreich beschämen. Geliebte, ist die Mission Jesu in Herrlichkeit vollbracht, so wird jeder Auftrag von Ihm zur Herrlichkeit führen, so unansehnlich und ungeeignet er sich anläßt.


II.
Denn statt das Weh der Verlassenen zu trösten oder gar zu teilen, gibt der Herr ihnen Arbeit, weiß Er doch, daß in der Arbeit für Ihn der beste Beweis Seiner persönlichen Bedeutung und Seiner stärkenden Nähe liegt. Er sieht unter den Betern die Zweifler und hält daran fest, daß nicht nur aus Zweiflern Beter, sondern auch Beter zu Zweiflern werden können, Er kennt die Untreue und Unbeständigkeit seiner Jünger und wagt es doch ohne weiteres ihnen zuzumuten: Geht hin! Wie wundersam ist des Erhöhten Armut, der Sich und Sein Werk von Menschen, deren Er nicht bedürfen mußte, aber will, abhängig bekennt. Was Er getan hat, sollen Menschen fortsetzen: welch rätselhafte Demütigung an der Schwelle des Thrones! Wiederum wie großartig ist| Jesu Vertrauen auf und in eine aufrichtige Seele! Zweifler erwählt Er zu Herolden und Unklare zu Verkündigern Seiner Klarheit. Gnadenvoll und weisheitsgroß überwindet Er den Zweifel, Er erläutert ihn nicht, noch zergliedert Er ihn, geschweige denn, daß Er auf einzelnes sich einließe und Stück um Stück der Fragen beantwortete, Er stellt sich, als wollte Er fürdergehen! – Ja es gibt für Trennungsschmerz und Zweifelsangst nur ein Heilmittel: Die Arbeit im Namen Jesu! Er hat doch im Zweifel das Unvermögen des Glaubens, nicht seine Ablehnung und Verwerfung erkannt. Wenn sie arbeiten, wird das Unvermögen schwinden. Die Last trägt, die Mühe stärkt sie, hinter ihnen steht dann die Kraft dessen, der in der Schwachheit Sich und das Seine vollendet. Geht hin! Der Heiland gibt den Aposteln so wenig Ausrüstung als Er sie den Jüngern gab, weder Beutel noch Tasche, weder langgedehnte Instruktion noch tönende Programme. Doch im Befehl liegt die ganze Rüstung, den Er gibt, was Er befiehlt. Es ist das unbedingte Vertrauen auf die Wunderkraft Seiner Worte, auf die Unmittelbarkeit Seines Einflusses, das Ihn so gar nichts weiter darreichen läßt. Auch das Ziel ihrer Wanderung wird nicht weiter angegeben, nur das Nächste – Unabsehbares und Unübersehbares schließt es in sich – das vor den Füßen liegt, die kleinen Bezirke des engern Lebens werden zuerst angewiesen. Wer darf Pflichten an die Weite haben, der die im engsten Umkreise nicht kennt und wer kann ins Große Treue halten, der im Kleinen nicht treu ist? Es ist beschämend klein, ganz unansehnlich und unbeträchtlich, was Jesus allererst verlangt. Aber Tiefe der Lebensaufassung und Arbeitsanschauung ersetzt die Ausdehnung. Mission ist zunächst Sache der Innerlichkeit und Weisung an diese. Geh hinab in die ungeheiligte Gedankenwelt, arbeite an ihr mit Gebet und Fasten, im Ernst der Scheidung und in der Sorge vor Entscheidung, heilige dein Einbildungsvermögen, stärke dein Gefühlsleben, adle deine Willenskraft! Treibe Mission im engsten Kreise, damit du nicht zu Kampf und Sieg rufest, selbst aber jenen meidest, diesen verscherzest. Abenteuersucht in Christi Namen hat nie Verheißung. „Haben wir nicht in Deinem Namen Dämonen der Heidenwelt gebannt, gelehrt, Großes gewirkt? – Ich kenne euch nicht!“ – Ein Paulus muß Jahre in Gebundenheit der Einsamkeit an sich arbeiten, ehe er an der Welt arbeiten darf und Petrus, dessen Sehnen über das Weltmeer geht, muß in der Enge bleiben, bis die Zeit zur Weiterfahrt erfüllt ist. Man muß es in unsere erweckten Kreise, in die zur Allerweltsseelsorge allzugeneigten vordringlichen Christen hineinrufen: Was hülfe dir, wenn du eine| ganze Welt für Jesum gewönnest und nähmest Schaden an deiner Seele!
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 Jede innerste Mission, die Sandkörner und Splitter, Berge und Balken im Eigenen sieht, wirkt über den Umkreis hinaus, an dem sie geschah. Das Licht leuchtet allen, die im Hause sind, und die Stadt auf dem Berge kann nicht verborgen sein. Sünden dagegen in der Christengemeinde der Heimat halten das Missionswerk draußen auf, um ihretwillen wird sein Name unter den Heiden gelästert. Wir müssen darum lernen, daß alle Reichsarbeit aus der Tiefe der Buße und Selbstzucht anhebt, wir wollen es geloben, gegen uns streng zu sein, lieber enge an sich und für sich, um weit gegen andere werden zu können, lieber jetzt mit ätzendem Salz der Selbstkritik gesalzen, als einst mit Feuer verbrannt! – Und wen unter uns in dieser Stunde unstillbare, ungestüme Zweifel an Jesu Wort und Werk und Art umtreiben, der lerne im Stillen ein Wort um das andere erfassen, erleben, erleiden. In solcher Arbeit schwindet das Bedenken. „Im Hingehen“ sind die Emmausjünger mit brennendem Herzen des Zweifels ledig geworden, „im Hingehen“ finden sich Freunde und Bekannte bei Jesu zusammen, lutherische Art ist es, im Hingehen, in der schlichten, schmucklosen Art zu missionieren. Gott erhalte diese tiefe, reine Art und mehre sie! – In Stille und Hoffnung liegt Stärke! – Es hat mir immer etwas Großes und Rührendes gehabt, wie ein Justinianus von Weltz, wie unser Mönchsrother Landsmann hinauszogen, nur weiter, der Heidenwelt entgegen, ohne irgend andere Instruktion als den Herrenbefehl, mit der vor hundertzwanzig Jahren jener großer Schotte die Spötter und allzu Sorglichen besiegte... „Er hat gewollt, Er hats gesagt.“ Viel Taubeneinfalt auch ohne Schlangenklugheit. – Ohne viel Kenntnis und Erfahrung hat unsere Kirche die Weltmission begonnen, langsam, zögernd, aber dem Gebote im Gebete getreu, nicht praktisch, aber innerlich, nicht weltklug, aber weltoffen! – Im Hingehen macht zu Jüngern! Jesus erwartet viel von der heiligen Anziehungskraft persönlicher Berührung. Sein Märtyrer hat einen Paulus, Sein Paulus viele Schüler gewonnen, im Leben übermächtig, im Lehren triumphierend, in beidem sich getreu, im Leiden freudevoll, im Sterben getrost. Er ist hingegangen und war doch gesetzt, daß er viel Frucht bringe, sein Name ist jetzt noch Werbekraft. – Im Hingehen hat Luther seinen Katechismus geschaffen, aus dem so viele Heiden Trost im Leben und Leiden holen: So redet er, obgleich er gestorben ist durch Glauben zum Glauben, so macht er Jünger! – Missionare müssen Persönlichkeiten| sein, denen Jesus ihr Alles geworden ist, weil er in ihnen Gestalt und Wesen gewonnen hat. Wo sie einkehren, da soll der Widerspruch der Heidenwelt aufflammen, Spott und Hohn ihnen entgegentreten, zugleich aber die überwindende Siegeskraft des Glaubens, der sich Niemand entziehen kann, offenbar werden. Das Licht entzündet sich am Lichte, am Jünger wächst der Schüler heran, hinauf. – Mission ist der Gang im Gehorsam, in den Fußstapfen nach der Weise, zu dem Ziele Jesu.

 Erwartet von mir nicht, was mir nicht zusteht noch möglich ist. Weder Missionstheorien noch Ratschläge für die vielgestaltigen Fragen darf und kann ich geben, wenn nun der Fanatismus des Islam in blutiger Glut aufflammt, um das Kreuz zu zerstören, wenn falsche Kühnheit und schreckhafte Gebundenheit um die Heidenwelt in heillosem Wetteifer werben, ja wenn solche, denen mit uns Heilandsgeheiß und Jesu Verheißung gelten, wider uns arbeiten und reden. Laßt mich aber auf die letzten Zeiten hinweisen, auf die unser Sonntagsevangelium, das Ende des Kirchenjahres zeigen. Je intensiver Weltmission betrieben wird, die allem Volk Ihn bieten soll und muß und wird, und je mehr die Christenheit um Jüngerschaft und Jüngerscharen betet, desto näher tritt der Tag der Vollendung, man hört das Rauschen Seiner Füße nicht als eines harten Boten, sondern als eines lieblichen, der Frieden predigt und Heil verkündigt. Freilich gehen Seine Füße über viel welkes Laub und schreiten durch dürres Land, die Ungerechtigkeit nimmt überhand, die Liebe erkaltet, – aber eine missionierende Gemeinde geht Ihm lobsagend entgegen: Herr, es ist geschehen, was Du befohlen hast. – In unsere abendliche Feierstille tritt Jesus, um zu werben und zu gebieten. Keiner bleibe zurück, niemand schließe sich, nichts den treuen Willen aus! Den Weggehenden sieht Er mit Leid nach, sie haben viele Güter, kein Gut für Sein Reich, den am Wege müßig Stehenden Uninteressierten blickt Er ins Antlitz: so lange bin Ich bei euch und ihr kennt Mich nicht – den Zaudernden wehrt Er in der Furche stehen zu bleiben, den Willigen verheißt Er einen Sieg um den andern. So mache Er uns bereit und geschickt! –

 Was reden wir von geringen Erfolgen? Die einzige Ähre, das samaritische Weib, läßt deinen Heiland aus ein zur Ernte reifes Feld hinblicken. Was sorgen wir um das endliche Ergehen? Wo Widerwärtige sind und je mehr sie sind, desto offenere Tore für Jesum und Sein Wort! Alle Völker sind eins in der Sehnsucht, alle Menschen schauen aus nach Ihm. Die Kultur macht die Seele nicht still noch| stark. Geschmückte Gräber sind auch Gräber und Schminke und Zier können ein weinendes Antlitz nur verbergen, nicht trösten. Die hochgebildeten Hindus sind ebenso ohne Hoffnung wie die tiefstehenden Negerstämme. Aber wem Heil und Licht in Christo aufgegangen ist, der hat Frieden, allem Volk zu widerfahren gebracht. An alten Missionsstätten stehend, da vor zwölfhundert Jahren Licht und Leben verkündet ward, geloben wir Eifer, Treue, Ernst und Willen zur Mission. Sie ist von Ihm durchlebt, den der Vater sandte, von Ihm geboten. Gleich wie Mich der Vater sendet, also sende Ich euch auch. In Seinem Vorgang hat sie ihr Recht, in Seiner Nachfolge ihre Kraft, in Seiner Verklärung ihren Lohn.

 O Herr Jesu, der du heimatlos zu den Verlassenen kamst und ferne vom Heile für sie littest und starbst, um es ihnen zu bringen, der Du jetzt machtvoll erhöht Geschick und Geschichte der Deinen in Deinen Händen trägst, erwecke in uns den Dank für Deine teure Erlösung zu allem guten Werk, segne werbende und zeugende Tätigkeit, heilige suchende und sammelnde Arbeit, tue selbst die Tore weit auf, mache hoch die Türen in der Welt, daß du auf den Lobgesängen der Deinen von nah und fern Einzug haltest. Komm bald, Herr Jesu, vollende die Not, vollführe den Sieg, geleite uns heim und lasse jede Seele unter uns die Siegesbeute in heiligem Schmucke bringen um Deiner Liebe willen Amen.





Karl Döres, Erlangen