Prag. Auf dem alten jüdischen Friedhofe
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Prag.
Auf dem alten jüdischen Friedhofe.
Sinnend stand ich bei dem Grabe
Rabby Löv’s, des jüd’schen Weisen,
Hörte wie im Traum den Führer
Seine todten Ahnherrn preisen.
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Und warum, so frug ich staunend, All’ die Juden, groß und kleine,
Auf das Grab mit leisem Murmeln
Werfen bunte Kieselsteine?
Und es wurde mir die Antwort:
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„Um zu ehren, ist geboten, Daß wir Blumen streu’n Lebend’gen,
Steine auf das Grab der Todten.“
Von solch’ heidnischem Gebrauche
Sind wir Christen längst gereinigt:
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Wir bekränzen stets die Gräber Jener, welche wir gesteinigt.