Textdaten
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Autor: Władysław Tarnowski
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Titel: Verneyaz
Untertitel:
aus: Schweizer-Skizzen (in: Polnische Dichtung in deutschem Gewande, Seite 31–32
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1865
Erscheinungsdatum: 1891
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Erscheinungsort:
Übersetzer: Albert Weiß
Originaltitel: Wodospad w Verneyaz
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
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V. Verneyaz.


     Wie auf dem Teppich ruht’ ich weich im Gras,
     Vor mir den Riesenfels von Verneyaz,
Umbraust vom Wasserfall, wie Schnee so weiß,
Als schweb’ herab auf Jakobs Leiter leis,

5
     Ob brüllend auch mit ihm der Satan ringt,

     Bei froher Hymnen Schalle, leichtbeschwingt,
Mit Schaum beperlt, von steiler Felsenwand,
Ein Engelchor in schneeigem Gewand:
     So paarst du Majestät mit Anmut nur,

10
     Du jungfräuliche Priesterin, Natur!


     Dicht, wie in Nebelschleier sonder Zahl,
     Verhüllt die Epheuranken rings im Thal
Der Schaum, der höher als vom Kölner Dom,
Vom Fels herniederwallt im breiten Strom,

15
     Bis drunten er millionenfach zerstob

     Zur Wolke, die die Blumenwelt umwob,
Sich dann erhob, und wieder ward zu Schaum‚
So leis und flüchtig wie der Zukunft Traum.
     Vor mir dies Alpenthal, ich sinnend lag

20
     Und lauscht’ entzückt der letzten Lerche Schlag:


     Bei Herdenläuten und bei Glockenschall
     Benetzte mich mit Schaum der Wasserfall,
Als küsse mir die Stirn in sel’ger Stund’
Ein seelenvoller Hauch, ein holder Mund,

25
     Als flüstre rings Erinnrung sanft und mild

     Und zaubre mir der Heimat trautes Bild.
O Thal von Verneyaz, wie bist du schön,
Umweht vom Sehnsuchtshauch der blauen Höhn

[32]
     Mir ist, als bettest du mich lind und weich
30
     Im Lenz der Jugend, in des Traums Bereich;


     Als hör’ ich einer Engelsstimme Klang
     Von fern herüberschallen wie Gesang:
O, brause nicht so laut, du wilder Schaum,
Laß mir dies Lied, verscheuche nicht den Traum!

35
     Umsonst! Die Stimme schweigt, das Lied verklingt,

     Wie ich auch lausche, nur der Sturzbach singt –
In meines Herzens Schacht es nur erklang,
Wie Quellgemurmel leis und sehnsuchtsbang:
     Erinn’rung schweift mir in der Seel’ umher,

40
     Der Möve gleich auf uferlosem Meer.