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Titel: Pietro Mascagni
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 705
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[705] Pietro Mascagni. (Mit Bildniß.) In den letzten Wochen war Wien von einem musikalischer Begeisterungstaumel erfaßt, der selbst im reichen Musikleben der Donaustadt seinesgleichen sucht. Pietro Mascagni, der mit einem Schlage berühmt gewordene italienische Komponist, war gekommen, um im Wiener Ausstellungstheater die Aufführung seiner Opern durch eine italienische Truppe selbst zu dirigieren. —

Pietro Mascagni.
Nach einer Photographie von Montabone in Rom.

Es ist ein eigenartiges Schauspiel – das plötzliche elementare Aufsteigen dieses Talents. Mit dem Altwerden Verdis betrachtete man die klassische Zeit der italienischen Opernkompositionen gewissermaßen als abgeschlossen, mit dem „Othello“ schien der Altmeister vor drei Jahren seinen letzten Trumpf ausgespielt zu haben. Da mit einem Male ging in dem bisher selbst in seinem engeren Vaterland so gut wie unbekannten jugendlichen Pietro Mascagni ein neuer Stern auf, und das ewige Einerlei des italienischen Opernrepertoires hat eine Aufbesserung erfahren, die zweifellos aufs angenehmste empfunden wird. Die „Sicilianische Bauernehre“ Mascagnis hat einen fast unerhörten Siegeszug durch alle Lande vollendet, und sein „Freund Fritz“, obwohl offenbar von weniger elementarer Wirkung, scheint im ganzen kein unebenbürtiger Genosse der „Bauernehre“ zu sein.

Wer ist nun dieser bis dahin ungekannte Meister der Töne?

Mascagni lebt in dem kleinen Städtchen Cerignola bei Foggia in Unteritalien, berühmt durch die Niederlage der Franzosen am 28. April 1503 unter Ludwig, Herzog von Nemours, Vicekönig von Neapel, der in dieser Schlacht gegen die Spanier unter Gonsalvo da Cordova seinen Tod fand. Mascagnis Geburtsort dagegen ist San Miniato al Tedesco im Toskanischen, sein Alter 27 Jahre. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Livorno und Mailand. Praktisch erprobte er sich als Kapellmeister bei der Operettengesellschaft Sconamiglio, dann wurde er als Organist und Kapellmeister der Philharmonie nach Cerignola berufen. Der junge Maestro muß, nach seinen vielen Kompositionen zu urtheilen, einen grossen Drang zu musikalischer Gestaltung seiner Gedanken in sich spüren. Vorwiegend beschäftigte er sich mit kirchlicher Musik und Liederkompositionen. Uns Deutsche wird es besonders interessieren, daß er unter anderm auch Schillers „Lied an die Freude“ in Töne gesetzt hat und daß gerade die Aufführung dieses vierstimmigen Chors mit Orchesterbegleitung zum ersten Male auf den begabten Musiker aufmerksam machte, der so etwas mit 17 Jahren zustande gebracht hatte. Mit der Kirchenmusik scheint Mascagni weniger Glück gehabt zu haben, denn trotz seines jetzigen Weltrufes ist die große Messe, welche er zur Säkularfeier des Domes von Orvieto geschrieben hat, ohne Umschweife gesagt, glänzend durchgefallen. Von fast fertigen Opern liegen in seinem Pulte: „Guglielmo Ratcliff“ und die „Rantzau“, nach Erckmann-Chatriau.

Die sogenannte „Spieloper“ galt bis daher – leider – längst als begraben. Hoffen wir, daß in Pietro Mascagni ihr ein lebenskräftiger Erwecker erstanden sei. Alfred Ruhemann.