Pariser Bilder und Geschichten/Eine Stunde auf der Börse

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Eine Stunde auf der Börse
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 205–207
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die Börse in Paris
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Pariser Bilder und Geschichten.
Eine Stunde auf der Börse.
Anfang der Börse. – Das Chaos. – Baron von Rothschild. – Was man sich von ihm erzählt. – Der Crédit mobilier und die Gebrüder Pereire. – Beranger und die Gebrüder Pereire. – Herr Mires, die dritte Großmacht. – Die Geschichte dieses Mannes. – Wie man in Paris dritte Großmacht wird.

Die Börse fängt um ein Uhr Nachmittags an und endet um drei Uhr. Schon vor dem Beginn derselben sammeln sich die Leute in dem großen prächtigen Säulentempel der Place de la Bourse, welcher in einem nicht unbeträchtlichen Umkreis mit einem [206] Gitter umgeben ist, wodurch die Seite des Platzes zu einer Art Vorhof gebildet wird, wo sich die Haufen spielender Frauen aufhalten, denen ihres Geschlechtes wegen der Eintritt in den Raum, wo die Geschäfte gemacht werden, untersagt ist, die durch ab- und zugehende Börsenmakler (Courtiers) mit dem Geldmarkt in Verbindung gesetzt, ihre Geschäfte besorgen lassen. Werfen wir, bevor wir in das Innere des Heiligthums treten, einen Blick auf diese Schaar, die der zarteren Hälfte des Menschengeschlechtes angehört. Die Einleitung zu dem weitumfassenden Staatsspielhause kann unmöglich passender sein. Alles an diesen Weibern ist widrig, ihr Anzug ist schmutzig und vernachlässigt, die Gesichter, unschön und von der niedrigsten Leidenschaft, der Habsucht, entstellt. Nirgends eine Spur von Jugend, von Gefühl, von einer besseren Regung. Man möchte, Gott weiß, was darum geben, daß diese Geschöpfe nicht auch wie die anderen, die man bewundert oder verehrt, Frauen genannt würden. Sie sind den untern Volksklassen angehörig, gewesene Köchinnen, die gut einzukaufen verstanden, Wirthschafterinnen bei Junggesellen, die für sich gewirthschaftet oder Frauenzimmer, die ein noch viel schlimmeres Gewerbe getrieben[WS 1]. Nur hier und da sieht man auch eine elegante Frau, die in irgend einem abgelegenen Winkel verborgen lauert. Doch gehört diese Erscheinung zu den Seltenheiten; denn die Frauen in Paris, welche in höhern gesellschaftlichen Sphären sich bewegen, spielen wohl auch sehr häufig auf der Börse, allein sie vermeiden zum Mindesten die unsaubere Berührung mit diesen Kameradinnen und halten ihre Leiber, wenn schon nicht ihre Seelen, von dem unpoetischen entwürdigenden Schauplatz der Spekulation fern.

Nun steigen wir über fünfzehn Stufen einer Treppe, welche die ganze Breite der Vorderseite einnimmt, empor und gelangen an einen prachtvollen Portikus, von dem aus zwei Haupteingänge in die innere Halle führen. Wir treten in diese ein und sind überrascht von dem, was da zu hören und zu sehen ist, ob wir gleich schon zum dreißigsten oder gar fünfzigsten Mal das furchtbare Haus besuchen; wir können uns, das fühlen wir, an diese Scene unmöglich gewöhnen. Man denke sich Hunderte von Stimmen, die durcheinander brüllen und einander zu übertönen suchen, ohne daß ein Wort oder auch nur ein artikulirter Laut zu unterscheiden ist; dann Hunderte von Menschen, die umherrennen, jeden Augenblick erschüttert oder einer Erschütterung gewärtig, fortwährend gespannt und erwartungsvoll die Augen weit aufgerissen, schreiend und überschrieen, bald in Verzweiflung, bald in Siegesrausch, ohne Rücksicht für Anstand und Ziemlichkeit aller Würde, aller Gemessenheit entäußert, ohne andere Eingebung als der brutalen Leidenschaft, die losgebunden umherragt, man denke sich einen Sumpf voll Stürme und man hat eine leise Vorstellung von diesem Schauspiel.

Doch auch über dieses Chaos gibt es eine Herrschaft, auch dieser Wildheit läßt sich gebieten. Diese babylonische Verwirrung wird, wie einst die venetianische Republik von Dreien regiert. Gegen zwei Uhr sah ich einen hochgewachsenen Mann in der Halle erscheinen, seine Haare sind bereits grau und mit röthlichblonden untermischt, welche die ursprüngliche Farbe derselben anzeigen; an den Augenbrauen hat die Zeit noch nicht so arg gebleicht, als ob sie dächte: mit diesem dürftig vorhandenen Vorrath werde ich in einem Nu fertig. Unter diesem röthlichblonden Schatten zwinkern zwei verloschene in die Runde gezogene Augen von unbestimmter Farbe, die Einen so seltsam anblicken, ohne daß man in ihnen etwas gewahrt. Die Nase, von beträchtlichem Umfange, scheint im Herabfallen wie zufällig an dem Gesichte von hellem Teint hängen geblieben zu sein, und unter derselben zieht sich ein Mund mit wulstig aufgeworfenen Lippen fast durch die ganze Breite des Gesichtes. Der Kopf sitzt etwas tief in den Schultern; die Haltung des ganzen Körpers ist voller Zwang, unfrei. Der Gang nachlässig unsicher, es sind die Schritte sich selbst überlassen. Kaum war der Mann eingetreten, so wendeten sich alle Blicke nach ihm; die große wilde Bewegung gerieth auf einen Augenblick in’s Stocken. So mag der erste Eindruck gewesen sein, als Napoleon I. am 18. Brumaire in die Nationalversammlung trat; und doch wiederholt sich der Besuch des röthlich-grauen Mannes häufig. Herr Rothschild, Herr James Rothschild, der Baron Rothschild! hörte man von allen Seiten mehr oder weniger laut ausrufen. Die sich nähern Umgangs mit der Finanzhoheit erfreuen, umringten ihn rücksichtsvoll, die Anderen machten ehrerbietig Platz. Nun sprach der Börsenfürst mit seinen Vertrauten und jeder lauschte, ob ihm nicht ein Wörtchen aus seinem Munde zu hören vergönnt wäre. Einer frug den Andern, was er denn gesprochen, der Ueberlegene. Die Papierkäufer zitterten, bei dem Gedanken, daß er verkaufen, die Verkäufer, daß er kaufen, würde. Einige stellten sich in die Nähe des Barons und stierten ihn an, als wollten sie aus seinen Zügen herauslesen, ob er das Drücken oder Heben der Actien beabsichtige. Allein wie alle Gottheiten hüllt sich der Baron Rothschild in Geheimniß. Andere Spekulanten haben ihre bestimmten Agents de Changes und Courtiers (offiziell beglaubigte und unbeglaubigte Mäkler), Herr von Rothschild wechselt fortwährend die Instrumente seiner Operationen, so daß Niemand zu errathen vermag, was er ausführt und wohin er zielt; selbst vor den von ihm Beauftragten sucht er seine Absicht so gut es geht zu verbergen. Eines Tages ließ er zwei Courtiers, die Herren Paton und Dreyfuß, zu sich bestellen; sie kamen die Befehle entgegen zu nehmen. Der große Baron fragt sie, ob sie sich auf Bilder verstehen; die überraschten Mäkler erklären, daß ihnen schöne Bilder gefallen. Der Baron laßt ein prächtiges Oelgemälde in einem goldenen Rahmen herbeibringen und vor den Berufenen aufstellen. „Wie gefällt Ihnen dieses Werk, meine Herren?“ fragte er die Berufenen, die auf Alles eher, denn eine ästhetische Berathung gefaßt waren und die einander verwundert und verlegen anblicken. Sie loben, in der Voraussetzung, daß es der Mächtige so haben will. „Es werden dreißig tausend Franken dafür verlangt. Sie müssen mir helfen das Geld gewinnen, gehen Sie, und kaufen Sie ein Jeder achtzigtausend Franken Rente.“ Sie gestehen Beide, daß sie die Art und Weise der Auftragertheilung irre geführt, daß sie nicht wüßten, was sie von dem Allen denken sollten und daß sie einen so großen Auftrag nach dieser seltsamen Einleitung nicht erwartet hätten. An dergleichen diplomatischen Streichen ist das Geschäftsleben des Herrn James von Rothschild überaus reich.

Herr von Rothschild blieb, bis die Glocke das Ende der Börse ankündigte; dann verließ er mit einem Gefolge, das sich ihm freiwillig anschloß, das große Staatsspielhaus, Gruppen zurücklassend, die alle Möglichkeiten besprachen, welche den Baron hierher geführt haben konnten, obgleich dergleichen Besuche sehr häufig vorkommen. Sie unterhielten sich ferner von seinem Aussehen, von den Falten, die sich auf seinem Gesichte neu gebildet, sie zählten die Jahre seines Alters nach, zergliederten seinen Charakter und sein Wesen, sie schätzten sein Vermögen, wobei ihre Blicke von der unheimlichen Glut der Habsucht und des Neides erglänzten.

„Hundert Millionen Franken und mehr hat der eine Mann für sich allein im Vermögen,“ sagte ein alter Courtier in einer Art Begeisterung. „Mir schwindelt bei dem Gedanken, und doch geht und trägt sich der außerordentliche Mann wie andere Menschenkinder; er ist nicht stolz, er spricht mit Unsereinem, wie mit seines Gleichen und mit deutschem Accent. Das finde ich wunderschön, das finde ich erhaben.“

„Ich danke ihm nicht dafür, daß er mit Unsereinem spricht,“ sagte ein Jüngerer, mit vollem schwarzen Bart, „es ist auch keine gar so große Ehre; außerdem thut er es nur, weil es ihm Geld einträgt. Alles zielt auf Gewinn bei dem Manne, darum ist er auch so reich; er handelt, ich selbst habe die Erfahrung gemacht im sans Courtage, und wenn er einen Abzug machen kann, unterläßt er es gewiß nicht.“

„Die Laune eines großen Herrn,“ versetzte der alte Courtier; er konnte sich nun einmal nicht überreden, daß an dem Besitzer so großen Reichthums etwas zu tadeln sei. Bis vor einigen Jahren war Herr von Rothschild Alleinherrscher der pariser Börse; er glich dem alten Jupiter; wenn er die Locken seines Hauptes schüttelte, dann erbebte die Finanzwelt in ihren Grundfesten. Seither aber hat er in der französischen Kreditanstalt (Credit mobilier) eine mächtige Rivalin erhalten; ihr stehen die Brüder Emil und Isaak Pereire vor, gleichen Stammes wie Herr von Rothschild; während dieser blos der Erbe und Vermehrer des großen Reichthums ist, sind sie die Gründer des ihrigen. Die Gebrüder Pereire zeigen sich nie auf der Börse, sie sind dafür zu gebildet, zu anständig; sie haben ihre Agenten, welche auf dem Aktientummelplatz ihre Geschäfte oder vielmehr die Geschäfte der Anstalt ausführen. Sie sind Beide Anhänger des Simonismus, und als [207] solche haben sie die Geldfrage, welche doch so tief in die gesellschaftlichen Zustände eingreift, zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht. Emil Pereire schrieb seiner Zeit finanzielle Artikel, die große Beachtung fanden; so ward er bekannt, so kam er in Berührung mit Geldleuten, so kam er empor. Ein eigenthümlicher Zug dieser großen Unternehmer ist es, daß sie sich mit der literarischen und Kunstwelt im Zusammenhang erhalten. Besonders befreundet sind sie mit dem Dichter Beranger.

Bei Gelegenheit einer großen Aktienunternehmung schickten sie dem greisen Sänger hundert Stück Aktien zu, die einen reinen Gewinn von fünfzigtausend Franken bereits abwarfen. Der Poet kam athemlos mit der Sendung gelaufen und frug, gänzlich unerfahren in solchen Dingen, was denn die Papiere zu bedeuten hätten. Herr Isaak Pereire erklärte, daß, da doch die Aktien für das Publikum bestimmt seien, man ihm auch einige zugeschickt hätte. Damit war aber die Sache noch nicht abgemacht. Herr Beranger verlangte nähere Erklärung über die Vortheile, welche man ihm durch die Betheiligung zukommen ließ, und als er von fünfzigtausend Franken Gewinn hörte, erschrak er beinahe und rief: „Was soll ich mit so viel Geld anfangen?“ Er bestand darauf, daß die Aktien zurückgenommen würden. Herr Isaak widersetzte sich dem Ansinnen, bis durch eine Ausgleichung dem Streit ein Ende gemacht wurde, die darin bestand, daß sich Herr Beranger entschloß, zehn der angebotenen Aktien anzunehmen.

Während Baron Rothschild, umgeben von seinen Getreuen, in der Halle dastand, und den Blick weithin schweifen ließ über das Gewühl, ungefähr wie ein Feldherr, der dem Gewürge einer Schlacht zusieht, bemerkte man in einem andern Theile des Saales einen Mann von kleiner Gestalt, schwarzen Haaren und Augen derselben Farbe, über die sich dunkle und dicke Brauen wölben und die klug und durchdringend blicken. Sein Anzug ist auffallend elegant, aber der Haltung fehlt die Feinheit, den Bewegungen Freiheit und Anmuth. Auch um diesen Mann war ein Häuflein gesammelt, aber freilich nicht zu vergleichen mit der Schaar um den Baron. Alle Augenblicke näherten sich ihm Courtiers mit den weißen Täfelchen, auf denen alle Schwankungen der Course verzeichnet stehen, und welche er einer raschen Uebersicht würdigte. Als nun der Ausruf: „der Baron Rothschild ist da!“ rasch sich verbreitend bis hierher dringt, verfärbt sich der kleine Mann ein wenig und beißt unmerklich in die Unterlippe, ohne ein Wort zu sagen. - Dieser Mann ist Herr Mires, die dritte Macht, oder besser gesagt, die Macht dritten Ranges auf der Börse. Ob er gleich, wie aus dieser Bezeichnung hervorgeht, keineswegs mit den beiden andern zu vergleichen ist, so bleibt doch sein maßgebender Einfluß außer allem Zweifel, und es giebt eine ganze Masse von Spekulanten, die sich nach ihm richten und die, um mich eines hier seit der letzten politischen Umwälzung sehr in Gebrauch gekommenen Ausdrucks zu bedienen, seinem Sterne folgen.

Herr Mires ist ein Parvenue im ganzen Umfang der Bedeutung des Wortes; aber gerade durch sein rasches Emporkommen steht er der Masse von Börsenspielern am nächsten, sie sieht in ihm ihre Hoffnungen verkörpert. Die Herren Pereire wurden von Talenten getragen, Herr von Rothschild hat schon auf der Höhe das Licht der Welt erblickt; aber Herr Mires ist reich geworden durch die Gunst des Zufalls, des Glückes, durch Mittel, auf die zu zählen Jeder die gleiche Berechtigung hat. Noch vor wenig Jahren redigirte Herr Mires ein unansehnliches Blättchen des Namens „l’Audience“, das die Verhandlungen in den Gerichtssälen wiedergab. Der Redakteur bot nichts dem Blatte und das Blatt nichts dem Redakteur. Für Beide war die Verbindung zu unersprießlich, als daß sie sich nicht hätten scheiden sollen. Im Jahre 1848 gelang es Herrn Mires, sich zum Bevollmächtigten mehrerer Eisenbahnaktionäre zu machen, und er wurde mit der Aufgabe betraut, die Interessen derselben gegenüber den Unternehmern zu vertreten, da die Stürme des verhängnißvollen Jahres die Aktien tief unter Pari gedrückt. Was that Herr Mires, wie erfüllte er seine Sendung? Weit mehr seinen eigenen Vortheil, als den seiner Clienten im Auge, kaufte er die fast werthlos gewordenen Papiere um niedern Preis, und verlangte von den Unternehmern die Pariauszahlung derselben; er rechnete nämlich auf den Druck, welchen seine drohende Stellung als Bevollmächtigter der Aktionäre auf die Beutel der Unternehmer ausüben würde. Er mißbrauchte mit andern Worten die ihm von den Aktionären übertragene Gewalt. Indeß erwies sich diese Quelle, mit wie viel Gewandtheit sie auch ausgebeutet wurde, nicht sehr ergiebig, und Herr Mires blieb mit seiner zahlreichen Familie in so bedrängter Lage, daß er von Manchem seiner Bekannten ein Fünffrankenstück zu borgen sich gezwungen sah, um nur dem dringendsten Bedürfniß für den Augenblick[WS 2] abzuhelfen. Erst unter der Präsidentschaft Louis Napoleon’s ward Herr Mires nach mehreren vergeblichen Versuchen, nach langem Umhertappen von einem glücklichen Gedanken auf den rechten Weg zum Glück gebracht.

In Verbindung mit Herrn Miot kaufte er ein kleinen Zeitungsblatt, das „Journal de Chemin de fer“ an sich, und aus diesem unscheinbaren, theils industriellen, theils literarischen Gebiete, das allerdings mit Umsicht bebaut wurde, schossen in wenig Jahren Millionen, viele Millionen auf. Herr Mires gehört heut zu Tage zu den reichsten, unternehmensten Leuten nicht nur von Frankreich, sondern von ganz Europa. Doch glaube man nicht etwa, daß es die Abonnentenzahl gewesen, welche das Zeitungsunternehmen in so hohem Grade gefördert; es war der gewonnene Einfluß, der sich so furchtbar an Erfolgen zeigte. Abgesehen davon, daß jede Eisenbahngesellschaft die Leiter der Eisenbahnzeitung mit gewinnbringenden Aktien bedachte, vermochten diese durch ihr Organ auf den Gang dieses Aktiengeschäftes selbst einzuwirken, eine Gewalt, die sie gehörig zu benutzen verstanden. Herr Mires ist ein Spekulant, der in Allem macht, also auch in Journalistik, die ihm als Leiter zur Höhe des Glückes gedient. Seine Eisenbahnzeitung besitzt er noch immer, außerdem aber ist er Eigenthümer der beiden bonapartistischen Organe „Pays“ und „Constitutionel“. Auch er hat mäcenatische Anwandlungen, und erweist sich unterstützend und hülfreich gegen Künstler und Literaten. So kaufte er z. B. Herrn von Lamartine, der immerfort mit Geldnoth kämpft, den „Civilisateur“, eine Vierzehntagsschrift, für 100,000 Franken ab, ob sie gleich kaum die Hälfte werth ist. Ueberhaupt thun die Geldleute in Paris gern dadurch aristokratisch, daß sie sich Künstlern und Schriftstellern gefällig zeigen. Die Mode bringt es so mit sich, und es ist zudem ein erprobtes Mittel, sich populär zu machen. Auch brauchen sie Leute von Geist und Bildung für ihre Salons, welche sonst gar zu langweilig und wahrscheinlich verödet blieben. Selbst Herr von Rothschild, der für gar nichts Sinn hat, als für Geld und Gewinn, giebt sich gern als Beschützer der Künste und Wissenschaften kund. Wie manches Tausendfrankenbillet wanderte aus dem Hotel Rothschild, Rue Lafitte, in die Tasche des kürzlich dahingeschiedenen Dichters Heinrich Heine. Doch wissen Eingeweihte, daß diese Großmuth keineswegs aus einem freien Gefühle des Herzens, sondern aus der Furcht vor dem schonungslosen beißenden Witze des berühmten Schriftstellers entsprang. Denn Herr von Rothschild ist gegen Angriffe der Presse sehr empfindlich.

Der Einfluß dieser Börsenmatadore beschränkt sich nicht nur auf die Geschäftswelt, sondern greift tief in alle Verhältnisse des gesellschaftlichen Lebens ein, und die Gunst dieser Herren verhilft zu Stellen und Aemtern. Wer Paris und seine Zustände kennt, wird begreifen, was hier Menschen vermögen, die Einem hunderttausend Franken durch ein Wort gewinnen machen können. Welcher Franzose widersteht einer durch solche Mittel unterstützten Fürsprache!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gegetrieben
  2. Vorlage: Aublick