Otto Rüger, Sobrigau im Lockwitzgrunde bei Dresden, Schokolade-, Kakao-, Zuckerwaren-, englische Biskuits- und Pfefferkuchenfabrik

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Titel: Otto Rüger, Sobrigau im Lockwitzgrunde bei Dresden, Schokolade-, Kakao-, Zuckerwaren-, englische Biskuits- und Pfefferkuchenfabrik
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Otto Rüger, Sobrigau im Lockwitzgrunde bei Dresden
Schokolade-, Kakao-, Zuckerwaren-, englische Biskuits­ und Pfefferkuchenfabrik.


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Otto Rüger, Sobrigau
im Lockwitzgrunde bei Dresden
Schokolade-, Kakao-, Zuckerwaren-, englische Biskuits­- und Pfefferkuchenfabrik.

Der Gründer der Firma und deren derzeitiger Senior, Otto Rüger, übernahm im Jahre 1858 ein kleines, nur mit Wasserkraft arbeitendes Etablissement, welches sich auf Schokolade- und Kakaofabrikate beschränkte. Derselbe leitet noch jetzt, 1893, den Betrieb in Gemeinschaft mit seinen drei Söhnen: Konrad, Max und Georg, welche nach und nach in den Jahren 1887, 1891 und 1892 als Teilhaber aufgenommen wurden, nachdem sie vorher im Geschäfte als Prokuristen thätig gewesen waren.

1860 wurde die Fabrikation von englischen Biskuits als erstes derartiges Unternehmen in Sachsen, sowie die von Zuckerwaren und Pfefferkuchen aufgenommen. Der Konsum in all diesen Fabrikaten war damals ein beschränkter. In Deutschland galt noch in den sechziger bis in die zweite Hälfte der siebziger Jahre Schokolade mehr als ein Luxusartikel, welchen man sich nur zu besonderen Festtagen gönnte. Selbst in dem Kriege 1870/71 fand Schokolade als Ernährungsmittel für die Armee geringe Beachtung, nur das in der Form von Liebesgaben nach Frankreich Versandte fand willige Nehmer. Außerdem wirkten die zollpolitischen Verhältnisse jeder Entwicklung der Schokoladen-Industrie lähmend entgegen. Namentlich verhängnisvoll wirkte der Handelsvertrag mit Österreich vom 9. März 1868, welcher dem außerdeutschen Fabrikanten für fertige Fabrikate billigere Zölle gewährte, als dem heimischen bei Verarbeitung der Rohmaterialien. Österreich selbst zog hiervon, weil es gar keine entwickelte Schokolade-Industrie hat, keinen Vorteil, dagegen umsomehr infolge der Meistbegünstigungs-Klausel die Schweiz, Frankreich und später auch Holland. Der Kampf gegen diesen zollpolitischen Mißstand führte 1877 zur Gründung des Verbandes deutscher Schokolade-Fabrikanten, dessen Vorsitzender der Senior der Firma seit 1881 ist. – Erst den im Kampfe gegen dieses unheilsame Zollsystem vereinigten Kräften des Verbandes gelang es in dem Tarife von 1879 einen höheren, wenn auch keinen Schutzzoll zu erlangen. Nicht lange jedoch sollte sich die Schokolade-Industrie dieser Zollerhöhung in ungeschmälerter Weise erfreuen, denn durch den Handelsvertrag mit Spanien vom 12. Juli 1883 wurde der Schokoladezoll von Mark 60,– auf Mark 50,– herabgesetzt. Abermals jedoch kam die Wirkung der Herabsetzung nicht dem vertragschließenden Staate Spanien, welcher während der Vertragsdauer nie mehr als 100 Kilo Schokolade nach Deutschland einführte, sondern den meistbegünstigten Nationen zu gute. Erst nach Kündigung dieses Vertrages im Jahre 1892 trat die Wirkung des höheren Zollsatzes von Mark 80,– aus dem Tarife von 1885 in Kraft. Trotzdem die im Jahre 1879 veränderte Zollpolitik, wie vorstehend erwähnt, nur zum Teil der Entwicklung der deutschen Schokolade-Industrie günstig war, ja sie sogar zeitweise wieder lahm zu legen drohte, fand doch seitdem ein kräftiger Aufschwung statt, welcher sich am besten in den Ziffern der Einfuhrstatistik wiederspiegelt. Es betrug die [Ξ] Einfuhr von Rohkakao nach dem deutschen Zollgebiete im Jahre 1877 nur 38 000, dagegen 1892 185 000 Centner. Die Hauptveranlassung dieses erfreulichen Aufschwunges liegt zum Teil in der erhöhten Kaufkraft der deutschen Nation, zum Teil in der Erkenntnis, daß Schokolade und Kakao ein nicht zu unterschätzendes Nahrungs- und Genußmittel ist, endlich in den Bestrebungen des Verbandes deutscher Schokolade-Fabrikanten, dem Publikum reines und unverfälschtes Fabrikat zuzuführen und dadurch die Auslandskonkurrenz wirksam zu bekämpfen.

Auch auf die Firma Otto Rüger blieb die Entwicklung der Gesamtindustrie nicht ohne wirksamen Einfluß. Während sich bis zum Jahre 1883 öftere, aber kleinere Bauten notwendig gemacht hatten, fand seitdem eine vollständige Umgestaltung des Etablissements statt. Jahr für Jahr mußten umfassende Neubauten aufgeführt und mit neuen Maschinen besetzt werden, welche kaum aufgestellt, sich immer wieder als unzureichend erwiesen, so daß die Erweiterung des Etablissements ununterbrochen bis in die neueste Zeit fortdauerte. Außerdem wurde auf Lockwitzer Flur ein Mühlen­-Grundstück angekauft, um daselbst mittels Wasserkraft Kakao zu mahlen, gleichzeitig aber auch, um Bauland für Arbeiterwohnungen zu gewinnen, mit deren Errichtung ein Anfang gemacht wurde. Unmittelbar nach Einführung der Gesetze betreffs Rückvergütung des Zolles auf Kakao und Zucker bei der Ausfuhr nach dem Auslande, wurde eine Export-Fabrik errichtet, in welcher unter zollamtlicher Aufsicht gearbeitet wird. – Der Vertrieb der Fabrikate erstreckt sich zunächst über ganz Deutschland und sind wenige größere oder kleinere Städte, in welchen sich nicht Verkaufsstellen finden; ein ganz bedeutender Abzug findet nach der Reichshauptstadt statt. Die Einrichtung der Export-Fabrik gestattet nicht allein den Absatz nach außerdeutschen, sondern auch nach außereuropäischen Ländern. Eigene Verkaufsstellen besitzt die Firma zwei in Dresden und eine in Wien am Stephansplatz.

In den siebziger Jahren wurde zuerst von Holland aus ein lösliches Kakao-Pulver in den Handel gebracht. Die Firma, die Wichtigkeit dieses Fabrikates als Konsum-Artikel erkennend, bemühte sich sofort, dieses holländische Verfahren nicht allein zu erreichen, sondern thunlichst noch zu verbessern und fand nach wenigen Jahren die Mühe reichlich belohnt, da das von ihr erzeugte Kakao-Pulver sich zu dem Range der gesuchtesten deutschen Marken aufgeschwungen hat.

An Gewerbe- und Industrie-Ausstellungen hat sich die Firma nur in bescheidenster Weise beteiligt, teils aus Abneigung gegen das Ausstellungswesen im allgemeinen, teils weil nach ihrer Ansicht die Fabrikate der Nahrungsmittel-Branche wenig geeignete Ausstellungs-Objekte liefern, teils wegen des bestehenden ungeregelten und unkontrollierten, mit vielem Unwesen verbundenen Prämiierungssystems.

Beim Beginn der Vorarbeiten für die Ausführung des Unfall-Versicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 war es hauptsächlich der Verband deutscher Schokolade-Fabrikanten, welcher die Bildung einer Berufsgenossenschaft in die Hand nahm und die dann als „Nahrungsmittel-Industrie-Berufsgenossenschaft“ unter Erstreckung über das Gebiet des ganzen Deutschen Reiches und unter Heranziehung der Gruppen: Bäckerei und Konditorei, Nudelfabriken, Kaffeesurrogatfabriken, Kaffee-Brennerei und Zuckerschneiderei, Konservenfabriken, Fleischerei, Fischsalzerei, Eisbereitung, Schaum­- und Obstweinfabriken, Badeanstalten und Mineralquellen etc. konstituiert wurde. – Die Eigenschaft des Seniors der Firma als Vorsitzender des Schokolade-Verbandes wurde Veranlassung, daß sich die Wahl auf seine Person als Vorsitzenden des Vorstandes der neu gebildeten Berufsgenossenschaft lenkte, und hat derselbe dieses Amt seit dem Oktober 1885 bekleidet.

Demselben wurde am 14. April 1890 der Titel als Kommerzienrat verliehen.

Die Firma hat ihre eigene Betriebs-Krankenkasse, welche bei Erhebung des gesetzlich niedrigsten Beitragssatzes in die Lage gekommen ist, ihre Leistungen bis zu 26 Wochen auszudehnen.

Bei der Feier des 30-jährigen Geschäfts-Jubiläums ist für Beamte und Arbeiter eine Alters- und Invaliditäts-Stiftung mit einem Grundkapital von 18 000 Mark errichtet worden.

Für den Aufenthalt der Arbeiter während der Frühstücks- und Mittagspausen ist ein besonderes Kantinenhaus, mit Garderoben, Küche und Vorratsräumen, sowie Wärmapparaten gebaut, sowie zur regelmäßigen unentgeltlichen Abgabe von Douchebädern ein Badehaus.

Eine Fabrikbibliothek sorgt für geistige Nahrung.

Am 19. Juni 1883 wurde dem Etablissement die Gnade zu teil, von Sr. Majestät dem Könige besucht zu werden, während es ferner am 21. März 1892 durch eine Besichtigung von Sr. Königl. Hoheit Prinz Friedrich August beehrt wurde.