Orpheus
Auch Orpheus, der sonst 360 Götter aufführt,
mag uns in seinem Buch „Testamente“
für Gottes Einheit zeugen.
Nach dem zu schließen, was er in diesem Buche schreibt,
scheint er den früheren Irrtum zu bereuen.
Ihr Ungeweihten alle, schließt die Tore!
du Enkel des Lichtbringers Menes!
des ewigen Lebens dich berauben!
und bleib bei ihm!
Schau einzig auf den Weltenherrscher!
von Einem stammen alle ab.
doch sieht ihn nie ein Sterblicher.
dem großen Herrscher.
hüllt er sich doch in Wolken.
nur sterbliche Augensterne.
um Zeus, den Allverwalter, zu erblicken.
Ihr Ungeweihten alle, schließt die Tore!
du Enkel des Lichtbringers Menes!
des ewigen Lebens dich berauben!
und bleib bei ihm!
Schau einzig auf den Weltenschöpfer,
den Unsterblichen!
Ein alter Spruch lehrt so von ihm:
von ihm hängt alles ab.
doch ihn schaut keine sterbliche Seele.
kein Leiden über Sterbliche.
Und Krieg und Pest
schauen tränenreiche Leiden.
Du aber schauest alles sonder Mühe,
wenn du ihn siehst.
Zuvor will ich dir hier auf Erden,
mein Kind, vermelden,
wann ich des starken Gottes Tritte
und seine starke Hand bemerke.
hüllt er sich doch in Wolken.
Erläuterungen
Es ist ein angebliches Vermächtnis des alten berühmten Sängers Orpheus an seinen Sohn Musäus. Darin widerruft er am Ende seines Lebens alle seine übrigen Gedichte, die der polytheistischen Gotteslehre gewidmet sind, und verkündet den allein wahren Gott. Das Ganze ist jüdischen Ursprungs. Bei Justin Coh. ad Gentes 15 liegt eine kürzere Rezension (a) vor; eine längere (b) wird von Aristobul bei Euseb Praep. ev. XIII 12, 5 mitgeteilt. Justin geht auf Ps. Hekatäus um 200 v. Chr. zurück, Aristobul auf jüdische Quellen (Le Muséon 37, 1924 S. 36).
16 Zeus. Dieser Name könnte dafür angeführt werden, daß in dieser justinischen Rezension nicht ein jüdisches Werk, sondern ein echt „orphisches“ Stück vorliegt; dann wären die Rezensionen bei Clemens Alex. und Aristobul christlich interpoliert.
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch folgende Artikel aus Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft zu dem hier dargebotenen Text: