Organisation, Stärke und Vertheilung der persischen Armee

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Titel: Organisation, Stärke und Vertheilung der persischen Armee
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aus: Das Ausland, Nr. 23–24, S. 89, 96.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Organisation, Stärke und Vertheilung der persischen Armee.


Man ist im Allgemeinen über die Einrichtung und Stärke der Militärmacht Persiens noch so wenig unterrichtet, daß eine kurze Zusammenstellung der neuesten hierüber bekannt gewordenen Angaben wohl dazu beitragen möchte, über so manche Fragen von dem höchsten politischen Interesse, die sich an diesen Gegenstand knüpfen, einiges Licht zu verbreiten. Auf der einen Seite ist Persien die bedeutendste Macht, die zwischen Rußland und dem brittischen Ostindien liegt; auf der andern Seite bedingt es, besonders in diesem Augenblicke, die Stellung Rußlands zu dem ottomanischen Reiche. Der persische Thronerbe sagte bei seinem letzten Besuche im Lager seiner Feinde, als diese in kriegsgewandter Haltung an ihm vorüberzogen, zu General Benkendorf; „Es bedarf für jede Nation vieler Zeit, um sie zum Kriege zu bilden. Wir haben erst begonnen, auch ihr hattet eure Prüfungszeit, ehe ihr zu der Stufe gelangtet, auf der ihr jetzt steht.“

Die Militärmacht Persiens besteht aus regulären und irregulären Truppen. Die letztern werden, so wie ein Krieg zu Ende ist, aufgelöst, und erst wenn ein neuer droht, wieder zusammen berufen.

In dem letzten russischen Kriege hatte Persien eine Armee von 50,000 Mann im Feld, welche jedoch, ohne große Anstrengung, auf 200,000 Mann, gröstentheils Kavallerie, gebracht werden könnte. Ja, im Verhältnisse zu seiner Bevölkerung etc. sollte das persische Reich eigentlich 600,000 Mann (?) ins Feld stellen können, ungerechnet 30,000 leichte Kurdische Reiter, in der Art der ehemaligen Mamelucken.

Schon im Jahr 1813 bestand das reguläre Heer aus 23 Regimentern oder 50 Bataillons Infanterie, aus 30 Schwadronen Kavallerie, und 2 Schwadronen Artillerie.

Die zwölf ersten Regimenter der persischen Infanterie wurden von französischen Offizieren organisirt; die übrigen zehn von Engländern, welche jenen in der Gunst am persischen Hofe folgten. Das 23te Regiment ist aus russischen Ueberläufern zusammengesetzt. Bei den neun ersten Regimentern bestehen die Ober- und Unteroffiziere blos aus eingebornen Persern; die dreizehn übrigen aber werden meistens von Europäern befehligt. Ihre Uniform ist ein blauer Rock mit scharlachrothen Aufschlägen, zitzene Pantalons, und Halbstiefel. Den Kopf bedeckt eine persische Mütze. Ihre Waffen bestehen aus einer Muskete und einem Bayonet, die Wehrgehänge aus weißem Leder.

Die Kavallerie, welche von Oberst Drouville organisirt wurde, besteht meist aus Lanciers, auf Pferden von türkischer und arabischer Zucht. Die Uniform erinnert an die des französischen Militärs: es ist eine kurze hellblaue Jacke, ebenfalls mit scharlachrothen Aufschlägen und einer persischen Mütze. Ihre Bewaffnung bildet ein krummer Säbel, von englischer Arbeit, ein in einem ledernen Gürtel hängendes Pistol, nebst einer Lanze aus dem härtesten Holz, und viel länger als man sie in Europa gewöhnt ist. Ihr Reitzeug ist halb persisch, halb europäisch. Sie haben den persischen Sattel beibehalten, aber die bei unserer leichten Reiterei gewöhnlichen Steigbügel angenommen.

Die Artillerie, völlig nach dem Muster der französischen eingerichtet, ist wie die obengeannten Waffengattungen gekleidet. Die Kanonen sind meistens Sechspfünder und achtzöllige Mörser. Das Kriegszeug ist englische Arbeit. Bis in die letzten Jahre hatten die Perser noch keine Munitionswägen, wodurch ihre Operationen sehr erschwert wurden, indem sie genöthigt waren, jedesmal erst auf die Ankunft der mit Munition beladenen Kamele zu warten, wenn der Vorrath, welchen sie bei sich führten, verbraucht war.

[96] Die irregulären Truppen sind in zwei Infanteriedivisionen und fünf Kavalleriekorps eingetheilt. Das Geschütz wird durch Kamele transportirt.

Die erste Infanterie-Division, Djambas genannt, ist 12,000 Mann stark, und bildet die königliche Garde. Ihre Uniform ist eine kurze rothe Tunika: ihre einzige Waffe eine lange Muskete ohne Bayonet. Jeder Soldat erhält jährlich zwölf Tomans (etwa 130 Gulden) und einiges Getreide.

Die zweite Infanterie-Division, die Schahitufangis, (königl. Füseliere,) gehört ebenfalls zu der Garde des Fürsten. Sie ist 30,000 Mann stark, und in der Umgegend von Teheran gelagert. Sie sind wie die Djambas bewaffnet, tragen aber keine regelmäßige Uniform. In Friedenszeiten empfangen sie die gleiche Bezahlung wie jene; im Kriege aber erhalten sie nur den halben Sold, da alsdann der Staat für die meisten Bedürfnisse ihrer Unterhaltung sorgt.

Das erste Korps der irregulären Kavallerie, aus gepanzerten Reitern bestehend, zählt gegen 40,000 Pferde, von denen 4000 zu der Garde des Thronerben bestimmt sind. Diese Reiter tragen krumme Säbel und vierzehn Fuß lange Lanzen. Den Kopf bedeckt ein Helm, von welchem eine Art stählernen Netzes herabhängt, die die Schultern schützt. Auch der Arm ist, von dem Handgelenke bis zum Ellenbogen, von einem ähnlichen Netze bedeckt. Ferner tragen sie am linken Arme einen runden Schild, und am rechten ein Armband so wie einen mit Pelz gefütterten Handschuh. Die Pferde sind von türkischer und arabischer Race. Dieses Korps hat sich, namentlich gegen die Türken, stets ausgezeichnet. Ihre Lanzen gebrauchen sie mit großer Gewandheit. Beim Eintritt in das Korps erhält jeder Reiter eine vollständige Uniform und Bewaffnung, dann aber wird ihm, so lange er im Dienste bleibt, kein Stück dieser Ausrüstung neu angeschafft, außer wenn er es auf dem Schlachtfelde verliert. Jeder erhält einen jährl. Sold von 24 Tomans (ungefähr 260 fl.) und drei oder vier Scheffel Getreide.

Das zweite Kavalleriekorps, die Golams (wörtlich Sklaven), ist von unbestimmter Zahl. Die Golams sind trefflich beritten, und führen alle Arten von Waffen, im Handgemenge mit dem Feinde jedoch meistens den Karabiner, den Säbel und die Pistolen. Ihr Sold beträgt 20 bis 26 Tomans jährlich, und außerdem erhalten sie Futter für ihre Pferde.

Das dritte Kavalleriekorps, Golam–Tufangi genannt, kämpft sowohl zu Pferd als zu Fuß, Jeder Soldat ist mit einer langen Muskete bewaffnet und führt eine Art Gabel mit sich, auf welche er, wenn er zu Fuße ficht, das Gewehr auflegt, um desto sicherer zielen zu können.

Das vierte Reiterkorps bildet die Kavallerie der Provinzen, Hathy genannt. Jede Provinz liefert die nöthigen Waffen nach eigener Wahl, daher einige mit Piken, andere mit Karabinern, wieder andere mit Bogen und Pfeilen etc. bewaffnet sind. Die Pferde dieses Korps sind nicht so gut als die der andern, aber, da die verschiedenen Provinzen sie liefern müssen, außerordentlich zahlreich.

Das fünfte irreguläre Kavalleriekorps endlich führt den Namen Azarij. Es wird ganz auf Kosten des Staats bewaffnet und ausgerüstet, besteht aber aus lauter bejahrten Männern, welche zum strengen Kriegsdienste nicht geeignet sind. Sie erhalten keinen Sold, sondern blos Nahrung für sich und ihre Pferde.

Der letzte, so unglücklich geführte Krieg wird den Schah von Persien und seinen Thronerben aufs Neue von der Nothwendigkeit eines möglichst großen und disciplinirten Heeres überzeugt haben, und es ist zu erwarten, daß besonders auch die Engländer, die in den Journalen aller Parteien ihre Wünsche aussprechen, am Hofe von Teheran alles aufbieten werden, um zu bewirken, daß nichts vernachlässigt werde, was Persien eine Achtung gebietende Stellung geben kann.