Textdaten
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Autor: Hans Arnold i.e. Babette von Bülow
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Titel: Onkel Karls Verlobung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 195–199
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[195]
Onkel Karls Verlobung.
Humoreske von Hans Arnold. Illustriert von Fritz Bergen.

Der Onkel Oberst hatte zu Ehren des neuverlobten Paares seinen altbewährten Punsch gebraut, der duftend und dampfend auf dem Tische stand und nach Versicherung des Spenders mindestens ebenso notwendig zu einem Verlobungsfest gehörte wie Braut und Bräutigam.

Die Familie – die beiderzeitigen Brauteltern und Geschwister nebst einem kleinen Freundeskreise – saß um den runden Tisch, und die Unterhaltung, ganz begreiflicherweise, drehte sich um Brautpaare – um solche, die es einmal gewesen waren, die es augenblicklich waren, die es noch einmal werden wollten.

Da an der gegenwärtigen Tafelrunde alle diese drei Klassen vertreten waren, so fand das Thema lebhaften Anklang, und schließlich kam es darauf hinaus, daß man sich allgemein von diesem wichtigsten Ereignis im Leben unterhielt, wie es gewesen war oder wie man es sich ausmalte.

„Wenn ich mich ’mal verlobe,“ sagte Gertrud, ein niedlicher naseweiser Backfisch, zu der neuesten Braut, „da soll es viel poetischer hergehen als bei Dir, Lisa! Der Vollmond muß scheinen und auf die Knie muß ‚er‘ auch fallen – darunter thue ich’s nicht!“

„Na,“ meinte der Vater, „dann bestelle Dir dies alles nur rechtzeitig und sieh auch im Kalender nach, ob es mit dem Vollmond stimmt!“

„Jawohl!“ rief der Bräutigam, „und wenn das nicht der Fall ist, dann sage: ‚Bitte, bemühen Sie sich in acht Tagen noch einmal her!‘“

„Aber sei auch sicher, daß er es thut!“ warf der Onkel Oberst ein, „man hat Beispiele von Exempeln, daß sich jemand anders besonnen hat – acht Tage sind eine lange Zeit, um zur Vernunft zu kommen!“

„Als ob es mit Vernunft nicht auch möglich wäre, sich zu verloben!“ rief Lisa empört.

Ihr Schwiegervater zuckte die Achseln.

„Erleichternd ist es jedenfalls, wenn die Vernunft nicht dabei ist,“ sagte er, „ich für meine Person habe mir zur Erklärung erst einen kleinen Spitz antrinken müssen, daß weiß ich noch ganz genau.“

„Und ich habe es zu Deinem Glück nicht gemerkt,“ ergänzte seine Frau, „sonst hätte ich wohl gedankt!“

„Um so nüchterner waren wir,“ nahm die Frau Amtmann das Wort. „Mein Mann sagte nur. ‚Na, Fräulein Hannchen, wir wissen wohl beide ganz genau, wie wir miteinander dran sind – soll ich anbauen oder nicht?‘“

„Und sie flüsterte errötend. ‚Anbauen‘, und ich bestellte die Maurer,“ sagte der Amtmann, „das war unsere Poesie, Trudchen, und es ist auch ganz gut ausgeschlagen! Machen Sie’s ’mal ebenso!“

Gertrud erhob die Augen zum Himmel. „Ich danke!“ sagte sie nachdrücklich.

„Nun haben aber beinahe alle gebeichtet!“ rief der neugebackene Bräutigam, „nur meine verehrten Schwiegereltern noch nicht! Und deren Verlobungsgeschichte interessiert uns doch am allermeisten – nach unserer eigenen, versteht sich!“

Die Eltern sahen erst sich und dann den Onkel Oberst an, dann lächelten sie alle drei etwas verlegen und sehr vergnügt – aber keiner sprach.

„Na!“ sagte der Onkel Oberst und strich sich mit einem pfiffigen Schmunzeln den langen grauen Schnurrbart, „mir scheint, unser lieber Wirt und seine Frau wollen ihre Verlobungsgeschichte nicht zum besten geben – da will ich für sie einspringen und einmal die meinige erzählen, falls niemand etwas dagegen hat!“

„Die Deinige, Onkel Karl?“ rief Gertrud lebhaft, „Deine Verlobungsgeschichte? Aber wo hast Du denn Deine Braut hingethan?“

„Das wirst Du gleich hören!“ sagte der Onkel. „Bring ’mal erst eine neue Pfeife und einen Aschenbecher – und dann schenk’ mir noch einmal ein! So! Nun bitte ich mir aber aus, daß mich keiner unterbricht – das muß ich vorher zugesichert bekommen, sonst fange ich nicht an! Sowie ich ‚Schluß‘ gesagt habe, könnt Ihr alle Euch verwundern und schreien, soviel Ihr Lust habt, aber solange ich erzähle, antworte ich auf keine Frage – ‚oho!‘ und ‚o weh!‘ und ‚aber nein!‘ mit eingeschlossen. Punktum!

Also – meine Verlobungsgeschichte! Dazu gehört vor allem, daß ich eine allgemeine Bemerkung vorausschicke. Ebenso wie es Leute giebt, die in den Augen ihrer Mitmenschen nie für ‚voll‘ gelten und bis in ihr Greisenalter der ‚kleine Töffel‘ bleiben, ebenso giebt es auch Menschenexemplare, die nie zu den ‚jungen Leuten‘ gerechnet werden, die gewissermaßen die Onkelrolle schon im Steckkissen eingebunden tragen und, nicht immer zu ihrem Vergnügen, von aller Welt frischweg ‚geonkelt‘ werden. Zu denen gehöre ich. Daß mich, einen alten Junggesellen, der die Fünfzig schon ein ganzes Weilchen hinter sich hat, jetzt jedermann Onkel Oberst nennt, dagegen läßt sich ja gar nichts einwenden. Ich habe dafür auch eine ganze Menge von Rechten und Pflichten, die mir [196] behagen – ich kann einem leichtsinnigen Schlingel von Neffen die Leviten lesen und brauche ihm doch nicht die Schulden zu bezahlen, ich kann mir von einer niedlichen Nichte Herzenserlebnisse anvertrauen lassen und brauche sie dann doch nicht auszustatten – kurz, die Sache läßt sich hören!

In den zwanziger Jahren aber, wo man doch auch für sich selber Ansprüche macht, und keine kleinen, wo man ein ganz schmucker stattlicher Kerl ist, der sich im Ballsaal so gut zu drehen weiß wie ein anderer und besser als mancher andere – da ist es doch eine fatale Sache, wenn man da schon der Allerweltsonkel sein soll, und wenn da die jungen Damen schon mit einem so sehr schweichelhaften und ungefährlichen Vertrauen kommen: ‚Onkel, tanzen Sie doch den Kotillon mit mir – ich bin nicht engagiert‘ oder ‚Onkel, nicht wahr, Sie treten dem und jenem den Walzer ab, Ihnen ist es ja gleich!‘ – Na, die Zeit, in der man sich über dergleichen ärgert, ging auch hin, ich war so unversehens mitten in die Dreißig hineingeraten und fing schon an, mir in meiner Rolle ganz gut zu gefallen, um so mehr, da ich das Heiraten eigentlich von jeher verschworen hatte. Ich war als junger Dachs von neunzehn Jahren zu G .... in mein Regiment eingetreten und da geblieben – vom Sekonde- zum Premierlieutenant und jetzt schon zum Rittmeister aufgerückt – da kann man sich wohl denken, daß ich in der Stadt und den Familien der Gesellschaft bekannt war ‚wie ein bunter Hund‘, wie man zu sagen pflegt.

Namentlich in einem Hause ging ich aus und ein, als gehörte ich dazu; es war eine feine, behagliche Familie, meine Kameraden fanden sich dort auch gern und häufig ein. Der Hausherr war – na, sagen wir Präsident!

Die älteste Tochter dieses Hauses hatte ich schon, als sie noch Schulmädel war, an ihren dicken blonden Zöpfen gezogen, wenn sie ihre Weisheit im Ranzen nach Hause schleppte – und war ich damals für sie der ‚Onkel Karl‘ gewesen, so blieb ich’s nicht minder, als sie inzwischen vom Schulkind zum Backfischchen und vom Backfischchen zu einem allerliebsten Mädchen herangewachsen war. Ein bildhübsches Ding war es geworden und ein munteres dazu – ich hatte meine väterliche Freude daran, als es nun in die Gesellschaft eingeführt wurde und ich zusah, wie so manche meiner Kameraden sich die Flügel an diesen funkelnden dunkelblauen Augen verbrannten, wie aber das Persönchen so sicher, so unangefochten und triumphierend mit seiner hochgehaltenen kleinen Stumpfnase da hindurchschritt und gar nicht that, als merke sie das Unheil, das sie anrichtete.

Unter den Verehrern, die dies niedliche Mädel umschwärmten, war auch ein guter Freund von mir – wollen ihn Franz nennen! Ein netter Bursche, mit einem Schnurrbart wie ein ungarischer Reitersmann, und ein guter Kerl. Er hatte nur den einen Fehler – er konnte nie zu einem Entschluß kommen.

Na, daß einer beim Pferdekauf sich zwanzigmal besinnt und wieder besinnt und sich den Gaul immer noch ein letztes Mal ansieht und vorreiten läßt, das ist ja ganz gut und verständig. Denn so ein Pferdekauf ist doch immer eine wichtige Sache. Aber daß einer ein Jahr und darüber herumgehen läßt, ohne zu wissen, ob er ein Mädchen lieb genug hat, um sie zur Frau zu begehren – das ist mir doch unbegreiflich. Seht Ihr, wie gut es ist, daß ich mir das Unterbrechen von vornherein verbeten habe? Sonst wären jetzt schon alle Frauen und Mädchen mit Zetergeschrei über mich hergefallen – ob denn ein Pferdekauf wichtiger sei als eine Herzenssache – und ich hätte mich wenigstens zehn Minuten lang entschuldigen müssen: so hätte ich’s ja nicht gemeint, und dergleichen mehr, ehe ich mit meiner Geschichte weiter gekommen wäre.

Also kurz und gut – mein Franz war in dem Fall. Als wir beide nun wieder einmal so abends, in unsere Reitermäntel gehüllt bis an die Nasenspitzen, vom Ball nach Hause gingen, da seufzte er so erbärmlich, daß es einem Stein leid thun konnte. Ich hätte ja nun fragen können. ‚Was ist Dir denn?‘ hütete mich aber wohl, denn erstens wußte ich’s ganz genau und zweitens hab’ ich aus Grundsatz nie einen Verliebten um seinen Herzenskummer befragt. Die Sorte ist zum Sterben langweilig, wenn sie auf ihr Thema kommt, und hört nie wieder auf. Ich habe ’mal das Vergnügen gehabt, mit einem, der sich in diesem Fall befand, bis morgens um halb Fünf in den Straßen auf und ab zu gehen und mir von seiner Angebeteten vorschwärmen zu lassen – immer, wenn ich abschwenken und nach Hause gehen wollte, packte er mich am Rockknopf und drehte mich wieder um: ‚Ach, wenn Du sie so kenntest wie ich!‘ – Wie gesagt, bis um halb Fünf des Morgens, und um Sieben hatte ich Instruktion! Nein, darauf fiel ich nicht zum zweitenmal ’rein! Ich sagte also nichts – aber, o Schreck, er fing von selber an!

‚Karl!‘ seufzte er, ‚kannst Du Dir vorstellen, wie einem Menschen zu Mute ist, der nicht weiß, was er will?‘

‚Nein!‘ sagte ich – weiter nichts. Ich dachte, bin ich kurz, ist er’s am Ende auch.

Aber Gott bewähre! Er redete mindestens zwanzig Minuten lang auf mich ein, die – na, nennen wir sie Lisa! – wäre ja so reizend und er könnte kein lieberes und netteres Mädchen finden; aber ob sie auch wirklich so ganz zusammenstimmten und zusammenpaßten und ob sie nicht etwa bei näherer Bekanntschaft herausfänden, daß es nicht so wäre, und wenn man sich dann nun einmal gebunden hätte – und was weiß ich!

Zum Glücke hatte ich ihn, wie er so lebhaft wurde, schlau und unmerklich in meine Straße gebracht, und nun standen wir an meiner Hausthür. Ich steckte rasch den Schlüssel ins Schloß: ‚Franz,‘ sagte ich, ‚wenn Du jetzt in der Nacht um drei Uhr noch nicht weißt, was Du willst, so ist anzunehmen, daß Du es um vier Uhr auch noch nicht weißt – da werde ich inzwischen schlafen gehen!‘

Und weg war ich!

Aber die Geschichte ging mir doch im Kopf herum, um so mehr, als ich zu bemerken geglaubt hatte, daß Franz meiner kleinen Lisel nicht so ganz gleichgültig – zum mindesten derjenige aus ihrer Verehrerschar sei, der ihr am wenigsten gleichgültig wäre. Und noch etwas kam dazu. Seit einiger Zeit verkehrte ein sehr wohlhabender Gutsbesitzer mit unverkennbaren Absichten im Hause von Lisas Eltern. Ein greulich langweiliger Kerl, langsam und gemächlich in Gang und Sprache, dick und fett wie sein bestgenährter Preisochse – mich brachte er zur Verzweiflung. Wenn er in die Thür trat und mit seinem näselnden Organ anfing: ‚Einen schönen guten Morgen, meine Herrschaften, allerseits wohl?‘ so brauchte er zu dem Satze ungefähr soviel Zeit wie ein anderer, um ein Märchen aus ‚Tausend und eine Nacht‘ von Anfang bis zu Ende zu erzählen.

So urteilte ich und so urteilten die jungen Männer und jungen Mädchen seiner Bekanntschaft. Aber die Eltern der heiratsfähigen Töchter urteilten anders und thaten recht daran. Sie sahen in dem Langweiler den guten, anständigen Mann in glänzender Lage, und er hätte wohl überall anklopfen können, bei den Eltern und bei den meisten Töchtern, ohne einen Korb gewärtigen zu müssen. Bei den meisten Töchtern, – aber nicht bei allen – davon sollt’ ich mich überzeugen.

Es war kurz nach Weihnachten, ein klarer bissig kalter Wintertag – Schlittenbahn, wie sie nicht schöner sein kann – da fuhr ich mit meinem feinen Schlitten vor das Haus des Präsidenten und bat mir die Kinder, Fräulein Lisa eingeschlossen, zu einer Spazierfahrt aus. Das war wieder einmal ein Augenblick, wo mir meine Onkelrolle sehr zu statten kam, denn mir wurde unbedenklich zugestanden, was jedem anderen verweigert worden wäre.

[197] Dauerte gar nicht lange, so traf meine Gesellschaft ein. Die beiden Jungen saßen hinten auf, und mein Fräulein Lisa kam zu mir auf den Vordersitz – ich kutschierte selber.

‚Donnerwetter!‘ dacht’ ich, als sie in ihrem Husarenjäckchen und ihrer jungenhaften Pelzmütze so neben mir saß und die Winterluft das allerliebste Gesichtchen unter dem Schleier anmalte wie ein Aepfelchen, ‚Donnerwetter – es ist doch ein niedliches Ding! Ich sollte ’mal an Franzens Stelle sein – ich wüßte wohl, was ich thäte!‘ So dachte ich, und sie mochte auch wohl allerlei denken, denn sie sprach gar nicht. Wir sausten schon aus der Stadt hinaus, über flaches freies schneeflimmerndes Feld, da fiel mir erst ihre ungewohnte Schweigsamkeit auf.

‚Nun, Lisa,‘ sagte ich – wieder ein Vorrecht meiner Onkelschaft! – ‚Sie sind ja heute sehr nächdenklich!‘

‚Hab’ auch alle Ursache!‘ erwiderte sie kurz – und was sah ich? Eine Thräne rollte ihr die Wangen herunter!

‚Potz Blitz!‘ rufe ich, ‚was ist denn das? Wer hat Ihnen etwas zuleide gethan?‘

Sie sah sich ängstlich nach den beiden Buben um, die hinter uns saßen. ‚Pst!‘ machte sie und legte den Finger auf den Mund.

Mir kam ein Gedanke. ‚Jungen!‘ rief ich die beiden an, ‚der Schnee backt heute famos – wie wär’s, Ihr machtet Euch hier einen Schneemann, und wir fahren immer rund’ um das Feld und holen Euch in einer halben Stunde wieder ab!‘

Die beiden Buben, denen es nicht ums Stillsitzen zu thun sein mochte und die es wohl schon innerlich danach verlangt hatte, sich in den Schneehaufen da drüben tüchtig abzubalgen, waren es wohl zufrieden. Sie stiegen ab, und ich ließ meine Pferde Schritt gehen.

‚So,‘ sagte ich, ‚nun losgeschossen, Liselchen! Wozu hat man Kummer und wozu hat man einen alten Onkel, wenn man den einen nicht auf den andern abladen will!‘

Sie lächelte mich dankbar an. aber gar nicht so fidel wie sonst. ‚Sie sind so gut, Onkel Karl,‘ sagte sie.

‚So, und wer ist denn nicht so gut?‘ fragte ich weiter.

‚Ach!‘ seufzte sie, ‚die Eltern! Sie wollen durchaus, ich soll den Schröder‘ – so hieß der dicke Gutsbesitzer – ‚heiraten, und ich mag ihn nicht!‘

‚Dann thun Sie’s lieber nicht!‘ riet ich, ganz verständig, wie mir schien.

‚Ja, das ist schlimm!‘ fuhr sie fort. ‚Er hat gestern abend geschrieben und sich Bescheid erbeten, und der Papa sagt, wenn ich keine andere Neigung hätte, dann gebe es gar keinen triftigen Grund, ihn abzuweisen – das sei das Einzige, was er gelten lasse!‘

‚Und Sie haben keine andere Neigung?‘ fragte ich und bückte mich, um ihr ins Gesicht zu sehen.

Sie wurde feuerrot. ‚Nein!‘ sagte sie hart, ‚nein – ich habe keine!‘

‚Armer Franz!‘ dachte ich bei mir.

‚Denn ich werde doch keinen gern haben,‘ fuhr sie fort, ‚von dem ich nicht genau weiß, ob er mich gern hat – – ja, der es am Ende selber nicht weiß!‘ ‚‘ Das ‚armer Franz!‘ kam mir nach der letzten Bemerkung etwas voreilig vor – aber das war eine dumme Geschichte – er wußte es ja wirklich nicht! Und ihm so die Pistole auf die Brust setzen, das ging doch auch nicht an. Dazu war mir das liebe Mädchen doch zu schade, denn zuzutrauen war’s dem unentschlossenen Peter, daß er auch dann noch mit allerlei eingebildeten Bedenken und Bedenklichkeiten kommen werde – und dann?

‚Sie kamen mir heute wie vom Himmel gesandt, Onkel Karl!‘ sagte meine kleine Freundin und trocknete sich die Augen, ‚denn gegen Abend will Papa schreiben, und ich hatte zu Hause keine Viertelstunde Ruhe, – immerfort redeten sie auf mich ein.‘

‚Da wundert es mich, daß Sie überhaupt mitfahren durften!‘

‚Ja – ich sagte, ich führe so schrecklich gern Schlitten, und wenn sie mich nicht mit ließen; dann sagte ich ganz gewiß Nein!‘ antwortete sie mit einem so niedlichen Eigensinn in Miene und Ton, daß ich wirklich beinahe dachte: ‚Wenn Franz nicht wäre –‘

‚Und wie soll es nun werden?‘ fuhr sie nach einem kurzen Stillschweigen fort; ‚komm’ ich jetzt nach Hause, so muß ich mich entscheiden, und ich kann nicht sagen, daß ich eine andere Neigung habe – ich kann nicht!‘ Sie brach in lautes Schluchzen aus. ‚Ich habe auch keine!‘ stieß sie trotzig zwischen den Zähnen hervor, ‚ich kann niemand leiden – niemand!‘

Ich zog ihr sanft die Hände vom Gesicht. ‚Auch mich nicht?‘

Sie lachte mich durch ihre Thränen an. ‚Ach – Sie!‘ ‚Sie sind mein alter guter Onkel Karl, Sie meine ich gar nicht mit, wenn ich an – so etwas denke!‘

Recht schmeichelhaft, was?

Na, mir kam aber ein Gedanke, und ich war großmütig genug, ihn auszuführen. ‚Hören Sie mich einmal an, Liselchen,‘ sagte ich, als sie sich etwas beruhigt hatte, ‚ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Zeit gewonnen, alles gewonnen – mir scheint, es kommt im Augenblick hauptsächlich darauf an, den Schröder wegzugraulen!‘ Sie nickte eifrig.

‚Deshalb schlag’ ich vor –‘ Hier schnappte ich ab. Donnerwetter, es sagte sich doch nicht so leicht, wie ich gedacht hatte!

‚Nun?‘ meinte sie und sah mich erwartungsvoll an.

‚Daß – aber Sie dürfen nicht Zeter schreien – können Sie sich’s gar nicht denken?‘

‚Nein!‘ sagte sie mit dem ehrlichsten Erstaunen von der Welt.

‚Na – daß Sie sich mit mir verloben!‘ stieß ich hervor, und dann sah ich rasch zu der anderen Seite des Schlittens hinaus – ich mochte nicht sehem was sie für ein Gesicht machte.

‚Unsinn!‘ rief sie rasch.

‚Natürlich Unsinn!‘ erwiderte ich, ‚aber der Zweck heiligt die Mittel! Wir verloben uns heute abend, diese Nachricht wirkt auf den braven Schröder wie Petersilie auf die Katzen – er schwebt ab, und morgen früh haben Sie sich’s anders überlegt, haben Ihr Herz nicht gekannt, oder – das ist das Wahrscheinlichste – Ihre Eltern finden, daß ich eine zu schlechte Partie für Sie sei … ich habe meine Schuldigkeit gethan und kann gehen! Nun, wie ist’s? Wollen Sie, Lisa? Es wird Zeit, daß wir uns entscheiden – die Jungen sind schon mit ihrem Schneemann fertig!‘

Sie atmete ein paarmal tief auf und sah mich dann plötzlich ganz treuherzig an. ‚Ja, ich will!‘ sagte sie. ‚Aber, Onkel Karl, Sie dürfen mir dann nicht böse sein, daß ich Sie nicht mag!‘

‚I bewahre!‘ sagte ich, ‚das ist ja alles Verabredung – keine Spur von böse!‘

‚Und –‘ Sie stockte.

‚Na?‘ ermunterte ich.

‚Sie dürfen mir natürlich keinen Kuß geben!‘ brachte sie mühsam hervor.

‚Darüber können wir ja noch reden,‘ sagte ich, denn das sah ich eigentlich gar nicht ein. Aber schließlich – na, ich gestand auch das zu. Wir fuhren als neuverlobtes Brautpaar übers Feld, bewunderten den Schneemann, luden uns die Buben wieder in den Schlitten und sausten, beiderseits etwas still und bedrückt, der Stadt entgegen.

Je näher wir der Straße kamen, wo ich meine Ladung abliefern sollte, um so langsamer fuhr ich – es war doch eine verdammte Lage! Bei Vater und Mutter um die Hand der Tochter anhalten, ist schon unter gewöhnlichen Verhältnissen eine Verlegenheit, wie ich mir habe sagen lassen, und nun erst mit dem Bewußtsein dieser Komödie auf der Seele!

‚Liselchen,‘ begann ich nach einer Weile – halblaut, wegen der [198] Buben – ‚haben Sie eine Ahnung, was man so sagt – ich meine, was ich in diesem besonderen Falle sagen werde?‘

‚Nein,‘ erwiderte sie, ebenfalls halblaut und bedrückt.

Ich seufzte. ‚Ich auch nicht!‘ sagte ich.

‚Ach lassen wir’s am Ende ganz!‘ fängt sie an. Da, wie wir eben um die Ecke biegen, kommt uns Franz entgegen. Er sieht uns so im halben Dämmerlicht im Schlitten nebeneinander sitzen, stutzt, greift an die Mütze mit einem finsteren Gesicht und geht weitere ohne, wie es bei der sehr langsamen Gangart unseres Gefährtes ganz gut möglich und angebracht gewesen wäre – ohne stehen zu bleiben und uns ‚Guten Abend!‘ zu sagen.

Ich griff in die Zügel, und wir waren vorbei.

‚Also lassen wir’s mit unserem Plane?‘ fragte ich Lisa im Weiterfahren, offen gesagt, ganz erleichtert, erschrak aber, als ich ihr finsteres Gesichtchen sah.

‚Nein!‘ sagte sie und stampfte mit dem kleinen Fuße zornig und fest auf, ‚nein, es bleibt dabei, und wenn ich Sie heiraten soll – mir ist jetzt schon alles ganz egal!‘

Wieder recht schmeichelhaft!

Aber sie war jetzt in der richtigen Stimmung – erregt, gekränkt, wütend über den Philister von Franz, ganz geneigt, ihm zu zeigen, daß ein anderer davontrage, was er verschmähe, und als wir die Klingel zogen, wendete sie ihr von Winterluft und Aufregung glühendes Gesicht entschlossen nach mir herum: ‚Sagen Sie gar nichts, Onkel Karl, gar nichts! Ich werde alles sagen, ich ganz allein!‘ Und sie stürzt vor mir her in die Stube und der Mutter um den Hals. ‚Liebe Mama, ich habe es nicht gewußt – ich habe doch eine andere Neigung – ich habe mich mit Onkel Karl verlobt – und nun schreibt es Herrn Schröder!‘

Tableau!

Mutter und Vater standen da, als wenn der Blitz vor ihnen eingeschlagen hätte – das war das Letzte, was sie sich von der Schlittenfahrt versprochen hatten! Aber was war zu machen? Die Tochter hatte den verlangten Gegenstand der ‚andern Neigung‘ pünktlich zur Stelle geliefert – was derselbige Gegenstand in dem Augenblick für ein schafsdämliches Gesicht gemacht haben mag, das kann ich nicht sagen, sintemal ich keinen Spiegel mir gegenüber hatte.

Ich bekam nicht, wie ich im stillen noch immer hoffte, einen Korb, im Gegenteil – die Mama Präsidentin streckte mir mit Rührungsthränen die Hand hin. ‚Sie sind ja ein lieber braver Mensch, Onkel Karl – wenn Lisel denn will – machen Sie das Kind nur recht glücklich!‘

Alle Wetter – so hatte ich mir die Sache nicht gedacht! Ich fühlte, wie mir ein Würgen, halb Angst, halb Gemütsbewegung, im Halse saß – ich küßte der Schwiegermama, zu der ich auf so überraschende Weise gelangt war, stumm die Hand, der Papa kam auch dazu – beide machten gute Miene zum bösen Spiel!

‚Aber daß Ihr nie ’was habt merken lassen,‘ meinte der Präsident kopfschüttelnd.

‚Ja eben!‘ sagte ich.

Lisa sagte gar nichts... Sie stand am Fenster und sah trotzig in den Abend hinaus, auf die aufflammenden Laternen.

‚Hört, Kinder,‘ begann der Papa nach einer Weile, ‚Ihr seid ein sonderbares Brautpaar, nehmt mir’s nicht übel! Eins steht hier, das andere dort – so gebt Euch wenigstens einen Kuß, damit man die Sache glauben lernt!‘

Ich, eingedenk unserer Abmachung, begab mich denn etwas zögernd ans Fenster zu meiner Auserwählten – aber da war diese auch schon an der andern Seite des Zimmers. ‚Nein, nein, das haben Sie mir versprochen, Onkel Karl!‘ rief sie überlaut, und die Eltern sahen wie die Mutter vom Zappelphilipp ‚stumm auf dem ganzen Tisch herum‘ – das war ihnen doch sehr sonderbar, was jeder begreifen wird!

Der Abend verging äußerst peinlich. Die Eltern bemühten sich vergeblich, dieses absonderliche neugebackene Brautpaar zur Fröhlichkeit zu bringen – ich wenigstens kam nicht damit zustande.

Offen gesagt: so niedlich und allerliebst meine kleine Freundin war – die Sache schien mir doch bedenklicher, als ich mir vorgestellt hatte. Erstens war ich überhaupt der geborene und geschworene Junggesell, und die gerührte Schwiegermutter, die das Rauchen nicht vertrug, stand mir schon in den zwei ersten Stunden als bedenklicher Umstand vor der Seele. Und dann – auf Lisas Gesicht stand denn doch zu deutlich zu lesen ‚Aus Aerger‘, und das hat für einen Bräutigam, selbst wenn er bloß ein Scheinbräutigam ist, seine zwei, wo nicht gar drei Seiten.

Als ich mich nun spät abends von den Schwiegereltern verabschiedete – man hatte in Anbetracht unserer stillen und ernsten Stimmung von jeder festlichen Begehung des Ereignisses abgesehen, sogar von der Bowle, die mir nicht unerwünscht gewesen wäre als einzige greifbare Annehmlichkeit meiner neugeknüpften Bande – nachdem ich also meinen Kratzfuß gemacht hatte, begleitete mich mein finsterblickendes Bräutchen auf einen Wink der Mutter noch in den Flur hinaus. Da standen wir und sahen uns eine ganze Weile stumm an.

‚Na, Lisa,‘ fing ich endlich an, ‚soll ich morgen die Ringe bestellen?‘

‚Meinen Sie ’s denn im Ernst?‘ fragte sie rasch und ängstlich.

‚Ja – ich sehe nicht recht, wie wir herauskommen werden,‘ sagte ich verlegen und niedergeschlagen.

Sie stand und biß sich mit ihren kleinen weißen Zähnchen auf die Unterlippe – sehr niedlich, das war nicht zu leugnen aber – aber! Dann warf sie den Kopf zurück. ‚Nun, wenn es nicht anders geht, zanke ich mich morgen fürchterlich mit Ihnen,‘ sagte sie entschlossen. ‚Aber eines müssen Sie mir noch versprechen, nur eines ...‘

Ich stellte mich in Positur – ich dachte, nun käme doch mindestens als Belohnung für meine Dienste ein verheißungsvolles ‚daß wir trotz alledem gute Freunde bleiben‘, oder ‚daß Sie mich trotzdem lieb behalten‘, und ich war schon ganz gerührt. Ja, prosit Mahlzeit ... ‚daß Sie es Ihrem Freunde Franz erzählen, bald – heute noch, jetzt gleich! Das will ich wenigstens davon haben. Schwören Sie, daß Sie’s ihm sagen – heute abend noch!‘

Ich schwur – und ging.

Das war der Schluß meines Verlobungstages, und als ich auf der Straße stand, sagte ich zu mir: ‚Du hast heute eine recht dankbare Rolle gehabt, alter Freund! Ein andermal wirst Du wohl nicht so rasch bereit sein, den Sebaldus Notanker zu spielen!‘

Ein andermal! Ja, vorläufig saß ich mit dem einen Male hübsch drin! Und alle Bedenken, die ich vorher hätte haben müssen und haben sollen und nicht gehabt hatte, kamen jetzt – es war in jedem Falle eine tolle Geschichte! Mußte ich heiraten – ein so junges unfertiges. wenn auch noch so niedliches Kind, halb so alt wie ich selber – so war meine Ruhe, meine Bequemlichkeit, mein Hund, meine gemütlichen vier Pfähle, meine Pfeife ... alles übern Haufen geworfen! Und ging die Sache nach drei Tagen wieder auseinander – wie peinlich für beide Teile ... für uns beide, die wir in der kleinen Stadt, in der untereinander so genau bekannten Gesellschaft nicht zwei Schritte thun konnten, ohne uns in den Weg zu laufen; und vorteilhaft ist es doch für ein junges Mädchen nie, wenn sie einmal drei Tage lang verlobt gewesen ist, besonders, da man doch nicht öffentlich anschlagen lassen kann, daß die ganze Sache keinem der Beteiligten Ernst war.

In diesen Gedanken, Selbstbeschuldigungen und Ueberlegungen fiel mir Franz und mein Schwur ein. Das mußte zu allererst besorgt werden.

Ich ging denn in das ‚Bräu‘, in dem wir uns gewöhnlich alle trafen – er war nicht da. Also zu ihm nach Hause!

Es war zwar schon elf Uhr vorbei, indessen Schwur bleibt [199] Schwur. Die finstere Treppe hinauf und oben an seine Thür geklopft!

‚Der Herr Lieutenant will eben schlafen gehen,‘ sagte der Bursche auf meine Frage, ob sein Herr daheim sei.

‚Na, dann schläft er wenigstens noch nicht,‘ sagte ich und trat ein. Da saß das Wurm in einem Räubercivil schönster Sorte am Tisch und hatte eine Menge Bücher vor sich aufgestapelt, was sonst nie sein Fall war.

‚Guten Abend!‘ sage ich und setze mich. ‚Da Du mich so freundlich zum Platznehmen aufforderst!‘ füge ich hinzu.

Dann schweigen wir eine ganze Weile – auf die Art konnte es ein recht unterhaltender Abend werden!

Ich zünde mir eine Cigarre an.

Dann zeige ich auf seine Bücher. ‚Was machst Du denn mit dem Haufen Gelehrsamkeit?‘

‚Ich will mich zur Kriegsakademie vorbereiten,‘ sagt er – und hatte noch nie davon gesprochen oder daran gedacht!

‚Heute abend noch?‘ frage ich.

‚Ja!‘ schnaubt er mich an.

‚Und wovon hast Du diesen plötzlichen Ehrgeiz bekommen?‘ fang’ ich wieder an.

‚Weil ich hier nicht länger bleiben mag,‘ sagt er, ‚und Du wirst wohl wissen, warum!‘

‚Kann sein!‘ sag’ ich, und mir wird so recht wohl und leicht ums Herz – auf diesem Haupte seh’ ich neue Freiheit grünen, ‚aber da Du mir eine Neuigkeit erzählt hast, will ich Dir doch auch eine erzählen – ich habe mich verlobt!‘

Er schickt mir einen wilden Blick zu.

‚Gratuliere!‘ wirft er mir so hin.

‚Danke!‘ sag’ ich.

‚Aber willst Du gar nicht wissen, mit wem?‘

Er nimmt sich ein Buch vor die Nase und liest. ‚Nein!‘ sagt er.

‚Ich will Dir’s aber erzählen,‘ fahr’ ich fort, so recht liebenswürdig. ‚Mit Fräulein Lisa! Was sagst Tu nun?‘

Da steht er auf, ist ganz kreideweiß und sagt nur: ‚Gute Nacht!‘

‚Was?‘ sag’ ich.

‚Gute Nacht!‘ wiederholt er nochmals.

Ich stemme die Hände auf meinen Säbelgriff. ‚Was heißt denn das?‘

‚Du sollst nach Hanse gehen, heißt das!‘ antwortet er, und ich merke, daß er kaum noch sprechen kann; die Thränen kommen ihm in die Augen, und er beißt sich auf den Schnurrbart und stampft mit dem Fuße.

Da fängt der arme Kerl an mich zu jammern. ‚Aber Franz,‘ sage ich, ‚wie kann Dich das so alterieren? Du hättest sie ja lange haben können, wenn Du sie gewollt hättest!‘

‚Woher willst Du das wissen?‘ fragt er und rollt die Augen.

‚Das habe ich ihr angemerkt, schon lange, aber noch nie so deutlich wie heute abend.‘

‚Wo Du Dich mit ihr verlobt hast!‘ entgegnet er schneidend.

‚Ja, wo ich mich mit ihr verlobt habe! Hast Du noch nie davon gehört, daß sich ein Mädchen aus Aerger verlobt? Bist Du so alt geworden und weißt noch nicht, daß ein Mädchen – ein richtiges stolzes Mädchen – alles lieber thut als sich sagen: da sitz’ ich nun und warte, ob der brave Herr – Franz meinethalben – die Gnade haben wird, mir zu sagen, daß er mich lieb hat – denn das hast Du sie doch!‘

‚Das weiß Gott!‘ ruft er aus tiefstem Herzen; und das behagt mir an ihm, nun weiß er doch, was er will.

‚Na,‘ sage ich und gefalle mir so recht in meiner väterlichen Weisheit, ‚da will ich Dir einen Vorschlag machen: ich trete zurück‘ – das klang furchtbar großmütig – ‚und Du kannst morgen früh hingehen –‘

‚Morgen früh?‘ schreit er und fährt schon in den Waffenrock, ‚heute abend, jetzt gleich!‘

‚Hör’ ’mal, lieber Sohn!‘ nehm’ ich jetzt wieder das Wort, ‚das thu’ Du doch lieber nicht! Unangenehmer könntest Du Dich, glaub’ ich, beim Präsidenten nicht leicht machen, als wenn Du ihn um Mitternacht aus dem Schlafe trommeltest, um ihm zu sagen, Du hättest anderthalb Jahre gebraucht, um zu wissen, ob Du seine Tochter heiraten möchtest – und nun könntest Du nicht einmal bis zum nächsten Vormittag warten, um ihm das mitzuteilen!‘

‚Vielleicht hast Du recht!‘ antwortete er. ‚Aber Du, alter Freund, Du opferst Dich für mich – kann ich das annehmen?‘

Ich langte meinen Mantel vom Stuhle und hing ihn um. ‚Du kannst’s!‘ sagte ich und that, als sei ich von Rührung überwältigt, denn ich war inzwischen nichtswürdig müde geworden. ‚Ich bin zum Onkel geboren und will’s bleiben. Die Bräutigams- und Ehemannsrolle überlasse ich anderen – in diesem Falle Dir!‘ Damit ging ich meiner Wege und legte mich sehr zufrieden schlafen. Die Sache war kurz, aber heftig aufgetreten und demgemäß verlaufen.

Und das Ende der ganzen Geschichte? Ich bin so glücklich, dasselbe meinen geduldigen Zuhörern hier persönlich vorstellen zu können – denn Franz und Liselchen sind keine anderen als unsere verehrten Brauteltern von heute abend, die es vielleicht nie geworden wären, wenn ich nicht den schlauen Einfall gehabt hätte, zwei Stunden lang den Bräutigam zu spielen.

Und nun – Schluß! Und wer noch ’was zu bemerken oder zu fragen hat, den bitte ich, jetzt damit loszuschießen. Keiner? Na, dann trinken wir noch eins auf alle glücklichen Brautpaare und Ehepaare und auf alle, die es werden wollen – und dann noch eins auf die alten Junggesellen … die sind auch nicht zu verachten!“