Oberappellationsgericht München – Vieheinfuhr in Zeiten der Rinderpest

Textdaten
Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1879, Nr. 8, Seite 106–111
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Kurzbeschreibung: Verbotene Einfuhr von Vieh in Tateinheit Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und Beleidigung von Grenzaufsehern
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[106]

Der oberste Gerichtshof des Königreichs erkannte am 1. Februar 1879 in Sachen des N. N. von Sch. und Compl. wegen Zuwiderhandlung gegen Einfuhrverbote u. s. w. zu Recht:

Die vom N. N. und dessen Sohn gegen das Urtheil des k. Appell.-Gericht in B. vom 18. Dezember v. Js. eingelegten Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen und wird Jeder derselben in die durch seine Beschwerde veranlaßten [107] Kosten und außerdem in eine Geldstrafe von 75 verurtheilt, an deren Stelle für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Haft von fünfzehn Tagen zu treten hat.
Gründe.

Durch Urtheil des k. Bezirksgerichts H. vom 31. Okt. v. Js. wurden der Bauer N. N. von Sch. und sein Sohn eines Verbrechens der eigennützigen Zuwiderhandlung gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Einfuhrverbote, dann eines Vergehens der gefährlichen Körperverletzung und zugleich des Widerstands gegen die Staatsgewalt, ferner N. N. eines Vergehens der Beleidigung an Grenzaufseher R. schuldig erkannt und wurden verurtheilt N. N. zu 10 monatlichem Gefängnisse und sein Sohn unter Annahme mildernder Umstände hinsichtlich des Vergehens der Körperverletzung zur Gefängnißstrafe von 9 Monaten und einer Woche. Außerdem wurden Beide solidarisch verurtheilt, einen Betrag von 720 zu bezahlen sowie die Kosten des Verfahrens, und zwar gleichfalls solidarisch, soweit sie bei derselben That betheiligt sind, ferner jeder die ihn treffenden Strafvollzugskosten.

Gegen dieses Urtheil hat zunächst der k. Staatsanwalt an diesem Gerichte die Berufung angemeldet, weil beide Beschuldigte nicht auf den Grund des § 2 des Ges. betreffend die Zuwiderhandlung gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Vieheinfuhr-Verbote vom 21. Mai 1878 und § 155 des Ver.-Zoll-Ges. von 1869 zu einer höheren, insbesondere einer Zuchthausstrafe, ferner zu einer höheren Geldsumme als 720 an Stelle des Werthes der zu konfiszirenden 7 – nicht bloß 4 – Stück Vieh verurtheilt worden sind.

Auch die beiden Beschuldigten haben rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung gegen dieses Urtheil ergriffen.

Durch Urtheil des k. Appell.-Gerichts in B. vom 18. Dez. v. Js. wurden N. N. und dessen Sohn schuldig erkannt:

a) eines gemeingefährlichen Vergehens nach § 328 des R.-St.-G.-B. in ideellem Zusammenfluße mit einem Vergehen der Kontrebande,

b) eines Vergehens der schweren Körperverletzung in idealem Zusammenfluße mit einem Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt, begangen an dem k. Grenzaufseher R.; dann N. N. überdieß eines Vergehens der Berufsbeleidigung und eines Vergehens der falschen Anschuldigung, beide begangen an dem genannten Grenzaufseher; und wurde deßhalb N. N. in eine Gesammtgefängnißstrafe von 8 Monaten und dessen Sohn in eine solche von 6 Monaten und 15 Tagen verurtheilt. Ferner wurde erkannt, daß Beide an Stelle der Confiscation der 4 Stücke Rindvieh, in [108] Bezug auf welche die Kontrebande verübt wurde, unter solidarischer Verbindlichkeit eine Geldsumme von 1417 zu bezahlen haben.

Beide Beschuldigte wurden endlich in die Kosten des Verfahrens I. Instanz verurtheilt und zwar sammtverbindlich bezüglich der gemeinsam verübten Vergehen, dann jeder in die des Strafvollzuges.

Gegen dieses Urtheil haben die beiden Beschuldigten die Nichtigkeitsbeschwerde zum obersten Gerichtshofe des Königreiches angemeldet.

In einer am 1. Januar d. Js. in den Einlauf des Berufungsgerichtes gelangten Denkschrift wird die von den beiden Beschuldigten eingelegte Beschwerde auf unrichtige Anwendung des Gesetzes gestützt, und werden als verletzt bezeichnet die §§ 134 und 136 des Ver.-Zollg. von 1869 dadurch, daß die Beschuldigten neben dem Vergehen nach § 328 des R.-St.-G.-B. noch weiter eines Vergehens der Kontrebande schuldig erkannt und deßhalb neben der einmonatlichen Gefängnißstrafe noch zu einer Geldstrafe von 1417 verurtheilt wurden.

Es wird gebeten, das Urtheil des k. Appell.-Gerichtes in B. vom 18. Dez. 1878 zu vernichten und die Sache zur neuerlichen Aburtheilung an einen anderen Senat dieses Gerichtshofes zu verweisen.

Die gemäß Art. 245 Abs. 2 Ziff. II des St.-P.-G. vom 10. Nov. 1848 auf die in der Denkschrift des bevollmächtigten Vertreters der Beschwerdeführer aufgestellten Beschwerdepunkte beschränkte Prüfung der Sache hat Folgendes ergeben:

Durch die Bekanntmachung des k. Staatsministeriums des Innern vom 23. April 1878 – G.- und V.-Bl. S. 249 – wurde auf Grund des § 328 des R.-St.-G.-B. und Art. 2 Ziff. 1 des P.-St.-G.-B. für Bayern vom 26. Dez. 1871 verfügt, daß die bis dahin durch Bekanntmachung vom 13. Okt. 1877 gegen die damals seuchefreien Kronländer von Oesterreich-Ungarn angeordneten Verkehrsbeschränkungen, sonach insbesondere das Verbot der Ein- und Durchfuhr von Wiederkäuern fortan bis auf Weiteres gegen Böhmen gleichmäßig in Anwendung zu kommen haben.

In der hier in Bezug genommenen Bekanntmachung vom 13. Okt. 1877 – G.- und V.-O.-Bl. Nr. 45 – ist in Ziff. 1 übereinstimmend die Einfuhr von Wiederkäuern aus ganz Oesterreich-Ungarn nach Bayern unbedingt verboten.

In dem angefochtenen Urtheil ist nun thatsächlich festgestellt, daß N. N. und dessen Sohn am 24. Juli 1878 vorsätzlich es unternahmen, mindestens 4 Stücke Rindvieh, trotzdem daß deren Einfuhr durch die angeführten Bekanntmachungen des k. Staatsministeriums des Innern in Bayern verboten ist, in gemeinschaftlicher [109] Ausführung mit Umgehung der vorgeschriebenen Zollstraße aus Böhmen in Bayern über die österreichisch-bayerische Grenze einzuführen, sowie daß beide von diesem bestehenden Verbote auch Kenntniß hatten.

Diese festgestellten Thathandlungen bilden zunächst ein von beiden Beschuldigten gemeinschaftlich verübtes gemeingefährliches Vergehen im Sinne des § 328 des R.-St.-G.-B., welcher denjenigen mit Gefängniß bis zu einem Jahre bedroht, welcher Einfuhrverbote wissentlich verletzt, die von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen angeordnet worden sind.

Die festgestellten Thathandlungen erschöpfen aber auch den Thatbestand des Vergehens der Kontrebande gemäß § 134 und 136 Ziff. 5 lit. b des Ver.-Zollges., welches durch königliche Deklaration vom 26. Sept. 1869 - G.-Bl. S. 1381 – in Bayern in Kraft und Geltung getreten und gemäß § 2 Abs. 2 des Einf.-Ges. zum St.-G.-B. für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 und Art. 3 Ziff. 13 des b. Einf.-Ges. vom 26. Dez 1871 neben dem Reichsstrafgesetze in Geltung geblieben ist.

Nach § 134 a. a. O. macht sich derjenige, welcher es unternimmt, Gegenstände, deren Ein-, Aus- oder Durchfuhr verboten ist, diesem Verbote zuwider ein-, aus- oder durchzuführen, einer Kontrebande schuldig und hat die Konfiskation der Gegenstände, in Bezug auf welche die Kontrebande verübt worden ist, und insofern nicht in besonderen Gesetzen eine höhere Strafe festgesetzt ist, zugleich eine Geldstrafe verwirkt, welche dem doppeltem Werthe jener Gegenstände gleichkommen und jedenfalls nicht weniger als 10 Thaler betragen soll.

Nach § 136 Ziff. 5 lit. b wird die Kontrebande insbesondere dann als vollbracht angenommen, wenn beim Transporte verbotener Gegenstände im Grenzbezirke die vorgeschriebene Zollstraße nicht innegehalten wird.

Wird nun die Bestimmung des § 328 des R.-St.-G.-B. zusammengehalten mit jener des § 134 des neben dem Strafgesetzbuche für das deutsche Reich in Kraft gebliebenen Vereinszollgesetzes, so ergibt sich, daß in allen Fällen, in welchen der Thatbestand einer Kontrebande im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen gegeben ist – der Thäter die Konfiskation der Gegenstände, in Bezug auf welche die Kontrebande verübt worden ist, verwirkt hat, an deren Stelle für den Fall, daß die Konfiskation nicht vollzogen werden kann, nach § 155 a. a. O. auf Erlegung des Werthes der Gegenstände, und wenn dieser nicht zu ermitteln ist, auf Zahlung einer Geldsumme von 75 bis 3000 zu erkennen ist.[110]

Der Umstand, daß § 328 des R.-St.-G.-B. eine schwerere Strafbestimmung enthält, hat nach dem Wortlaute des § 134 cit. lediglich die Wirkung, daß neben der Konfiskation nunmehr diese höhere Strafe statt der in § 134 außerdem angedrohten Geldbuße erkannt werden muß.

In der Nichtigkeitsbeschwerde-Ausführung wird zwar geltend gemacht, daß die Anwendung der Bestimmung des § 134 des Zoll-Ver.-Ges. deßhalb hier ausgeschlossen sei, weil der Begriff der Kontrebande voraussetze, daß das fiskalische Interresse betheiliget sei, während hier das Verbot der Einfuhr auf polizeilichen Rücksichten beruhe und die Einfuhr von Rindvieh überhaupt einer Zollpflicht nicht unterliege.

Allein der Wortlaut des § 134 schließt bei der Allgemeinheit der Strafandrohung jede Untersuchung des Grundes, welcher ein Einfuhrverbot veranlaßt hat, aus, während § 2 dieses Gesetzes den Beweis liefert, daß Einfuhr-Verbote nach dem Zollvereinsgesetze auch aus anderen als fiskalischen Interressen erlassen werden können und zwar insbesondere zur Abwehr gefährlicher ansteckender Krankheiten oder aus sonstigen gesundheitspolizeilichen Rücksichten.

Die Nichtachtung dieses Verbotes soll durch die Konfiskation getroffen und nicht, wie Beschwerdeführer annimmt, die Schadloshaltung des Zollfiskus bewirkt werden.

Auch kann die diesen Einfuhrverboten zu Grunde liegende Absicht, die Einbringung gewisser Gegenstände in das Land, gleichviel aus welchen Rücksichten, zu verhindern, nur durch deren Wegnahme, soferne solche doch unternommen wird, wirksam erreicht werden; und ist diese in noch viel höherem Grade dann geboten, wenn es sich um Abhaltung der Gefahr der Einschleppung ansteckender Krankheiten handelt, als wenn lediglich ein fiskalisches Interesse im Frage steht.

Die in der Beschwerdeschrift allegirte Ministerial-Entschließung vom 20. Mai 1864 ist zur Rechtfertigung der entgegengesetzten Anschauung unbehelflich, da sie unter der Geltung einer andern Gesetzgebung erlassen und durch die Bestimmung des § 166 des V.-Z.-G. vom 1. Januar 1870 an außer Kraft gesetzt ist.

Daß die im Falle einer Kontrebande durch § 134 cit. angedrohte Konfiskation der gegen ein bestehendes Einfuhrverbot eingeführten Gegenstände neben der Strafe des § 328 R.-St.-G.-B. zu erkennen ist, wird in Theorie und Praxis gleichmäßig anerkannt.

Vgl. Rüdorff 2. Aufl. zu § 327 Note 4 und die dort angeführten Entscheidungen.
Oppenhoff VI. Aufl. S. 666 Note 10.

Das k. Appell.-Gericht hat demgemäß die §§ 134 und 136 des [111] V.-Z.-G. u. J. 1869, welche die Beschwerde als verletzt anführt, richtig in Anwendung gebracht.

Ebenso ist mit Recht die Sammtverbindlichkeit der beiden Beschuldigten zur Zahlung des nach § 155 des V.-Z.-G. an Stelle der nicht ausführbaren Konfiskation der eingeführten Viehstücke festgesetzten Werthsersatzes derselben ausgesprochen worden, da gegen Jeden von ihnen als Mitthäter die Konfiskation der Waare gleichmäßig durch die nämliche strafbare Handlung verwirkt worden ist.