Oberappellationsgericht München – Handel mit Zitronen

Textdaten
Autor: Oberappellationsgericht München
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
Untertitel:
aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1877, Nr. 35, Seite 328–335
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung: Zitronen als Südfrüchte genießen nicht die gleichen Begünstigungen wie das einheimische Obst
Die Überschrift wird in der Transkription aus Gründen der Einheitlichkeit weggelassen.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[328]

Der oberste Gerichtshof des Königreichs erkannte am 6. August 1877 in der Sache des N. N. von Tirol wegen unbefugten Hausirens zu Recht:

Das Urtheil des kgl. Bezirksgerichts T. vom 13. Juni 1877 wird vernichtet und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Aburtheilung an einen anderen Senat dieses Gerichtes verwiesen.
Zugleich wird die Eintragung dieses Erkenntnisses in das Urtheilsbuch des genannten Bezirksgerichts verordnet.
Gründe.

Der 19 Jahre alte Maurergeselle N. N. und der 13jährige Obsthändlerssohn N. N., beide von Tirol, wurden am 6. Mai l. Js. im Orte E. im Stadt- und Landgerichtsbezirke T. auf Hausirhandel mit Citronen betroffen, und weil sie nicht mit Nachweisen für den Hausirhandel versehen waren, arretirt und dem genannten Gerichte zur Aburtheilung vorgeführt. [329]

Sie wurden jedoch durch Urtheil dieses Gerichts vom 7. Mai freigesprochen, weil nach § 55 der Gewerbeordnung für das deutsche Reich vom 21. Juni 1869 ein Legitimationsschein zum Verkaufe roher Erzeugnisse des Garten- und Obstbaues, zu welchen auch die Citronen zu rechnen wären, nicht erforderlich sei, und demgemäß die Bestimmungen des § 148 Ziff. 7 der Gewerbeordnung nicht zur Anwendung kommen können.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft ergriff mit Beschränkung auf den älteren der beiden Angeschuldigten gegen diese Entscheidung die Berufung, welche indessen durch Erkenntniß des kgl. Bezirksgerichts T. vom 13. Juni unter Ueberbürdung der Kosten auf die Staatskasse verworfen wurde.

Hiegegen hat der Staatsanwalt an diesem Gerichte am nämlichen Tage die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, als deren Grund er Verletzung des § 55 Absatz 2, § 146 Ziff. 7 der Gewerbeordnung und § 2 Ziff. 4 des Reichsgesetzes vom 12. Juni 1872, die Einführung der Gewerbeordnung in Bayern betreffend, bezeichnete.

Nachdem die Sache zum Aufrufe gelangt war, wurde von dem Referenten Vortrag erstattet, worauf der k. Staatsanwalt den Antrag stellte, das Urtheil des k. Bezirksgerichts T. vom 13. Juni zu vernichten, die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Aburtheilung an einen anderen Senat dieses Gerichts zu verweisen und den Eintrag des zu erlassenden Erkenntnisses in das Urtheilsbuch des genannten Bezirksgerichts anzuordnen.

Dieser Antrag stellt sich auch nach der hierauf gepflogenen Prüfung der Sache als begründet dar.

Die Entscheidungsgründe des zweitrichterlichen Urtheils ruhen in den zwei Sätzen, daß das Gesetz keinen Unterschied zwischen einheimischen und ausländischen Produkten mache, und die fragliche Gesetzesbestimmung, wenn sie auch zunächst nur den Schutz der einheimischen Erzeugnisse des Garten- und Obstbaues im Auge habe, doch auch im Interesse der Consumenten geschaffen worden sei, um diesen die zum täglichen Bedürfnisse gewordenen Genußmittel in bequemerer und billigerer Weise zuzuführen.

Beide Gründe können aber nicht für richtig oder doch nicht für durchschlagend erachtet werden.

Ueber die Frage, daß Citronen eine Frucht des Obstbaues seien, kann vom Standpunkte der Obstkultur aus kein Zweifel bestehen.

Ob aber der Gesetzgeber diese Obstart auch zu den im Abs. 2 des § 55 genannten Erzeugnissen des Obstbaues gezählt wissen [330] wollte, ist nicht allein im hohen Grade zu bezweifeln, sondern es führt die grammatikalische und doktrinelle Auslegung der betreffenden Gesetzesbestimmung ohne Zwang zur Verneinung dieser Frage.

Daraus, daß im einschlägigen Gesetzes-Paragraphen kein Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Boden-Erzeugnissen gemacht ist, läßt sich keineswegs die Schlußfolgerung ziehen, daß die deutsche Gewerbeordnung für Boden-Erzeugnisse einen Unterschied nicht treffen wollte.

Schon die Gesetzesworte, daß zum Verkauf oder Ankauf roher Boden-Erzeugnisse kein Legitimationsschein erforderlich ist, bestimmen zur Annahme, daß der Gesetzgeber bei Erlassung dieser Norm nur an die Erzeugnisse der einheimischen Bodenkultur gedacht hat.

Nach dem Territorial-Principe beschränkt sich die Geltung der deutschen Reichsgesetze auf das Gebiet des deutschen Reiches. Da aber eine vom Gesetze gewährte Befugniß oder ein in ihm statuirtes Verbot also auch nur für dieses nämliche Bereich wirksam ist, so konnte der Gesetzgeber durch fragliche Bestimmung auch nur für das Rechtsgebiet des deutschen Reichs den Handel mit Bodenprodukten regeln wollen. Der Ankauf roher Bodenerzeugnisse ist aber nur da möglich, wo sie wachsen; sohin können unter den anzukaufenden rohen Erzeugnissen nur die einheimischen verstanden sein, und aus der Verbindung der Worte „Verkauf oder Ankauf“ mit den Worten „roher Erzeugnisse“ ist zu folgern, daß die zu verkaufenden Erzeugnisse keine anderen sind, als die anzukaufenden.

Es bringt dieß auch schon der allgemeine Sprachgebrauch mit sich, daß, wenn ein in Deutschland geschaffenes Gesetz von rohen Erzeugnissen der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues spricht, Niemand Südfrüchte und Kolonialwaaren darunter verstehen wird.

Einen Beleg hiefür liefert folgendes Citat.

Die in den Erläuterungen zur Gewerbegesetzgebung im deutschen Reiche von Jacobi S. 101 in einer Note zu § 66 der Gewerbeordnung, welcher von den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs handelt, vorgetragene und dieses Kapitel berührende k. preuß. Verordnung vom Jahre 1847 führt die Gegenstände des allgemeinen Wochenmarktverkehrs in zwei getrennten Abtheilungen auf, nämlich I. Erzeugnisse des Bodens, der Land- und Forstwirthschaft, der Jagd und Fischerei, welche dem Genusse dienen, und II. andere Erzeugnisse der Natur und der mit dem Landbau und mit der Forstwirthschaft verbundenen gewerblichen Thätigkeit.

In die erste Abtheilung sind zunächst als Erzeugnisse des Bodens alle eßbaren Garten-, Wald- und Feldfrüchte eingestellt [331] und unter diesen u. a. Obst, Citronen, Pomeranzen und Apfelsinen etc. genannt.

Aus dem Umstände nun, daß diese drei doch auch zur Obstkultur gehörigen Früchte nebst dem generellen Ausdrucke „Obst“ noch speziell benannt und als Wochenmarktsartikel zugelassen sind, geht deutlich hervor, daß man sie vom Obste unterschieden und nicht als Erzeugnisse der einheimischen Bodenkultur, sondern als fremdländische Produkte betrachtet hat.

Betreffende Marktverkehrsverordnung steht eben im Zusammenhange mit der im Schlußsatze des § 66 der Gewerbeordnung den Verwaltungsbehörden eingeräumten Befugniß, die Wochenmarktartikel nach Ortsgewohnheit und Bedürfniß eines Bezirks oder Ortes zu erweitern. Der Marktverkehr und der Gewerbsbetrieb im Umherziehen müssen aber in gewerbspolizeilicher Beziehung von einander getrennt gehalten und beurtheilt worden. Der Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmärkte gehört im Sinne der Gewerbeordnung nicht zum Gewerbebetrieb im Umherziehen und ist nicht an den Besitz eines Legitimationsscheines gebunden.

Anders verhält es sich aber bei dem Hausirhandel mit diesen Früchten, weil dieselben eben nicht zu den im § 55 erwähnten Roherzeugnissen des Garten- und Obstbaues gezählt, sondern als besondere nicht auf inländischem Boden gewachsene Früchte behandelt werden.

Zu gleichem Ergebnisse gelangt man durch die doktrinelle Auslegung.

Der Zweck der Gewerbeordnung ist die gemeinsame Ordnung der gesetzlichen Bestimmungen über die Befugniß zum Gewerbebetrieb auf der Grundlage der Entfesselung der wirthschaftlichen Kräfte und der Durchführung der gewerblichen Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes.

Es wollte nicht sowohl im Allgemeinen die nothwendige Uebereinstimmung zwischen der geltenden Gewerbegesetzgebung und dem wirthschaftlichen Bewußtsein des Volkes, in welch’ letzterem sich der Grundsatz der Gewerbefreiheit durchgekämpft hatte, geschaffen, sondern insbesondere auch die Aufhebung der Beschränkung gewisser Gewerbe auf die Städte und ein möglichst ungehinderter Verkehr zwischen Stadt und Land erstrebt werden.

cf. Motive zum Entwurfe v. J. 1868, Verh. des norddeutsch. Reichst. v. 1868 Bd. II. S. 125.
u. zum Entw. v. J. 1869, Verh. v. 1869 Bd. III. S. 106.

Hiebei ist die Systematisirung der Grundsätze zu beachten. [332]

Der Entwurf ging davon aus, daß das Gesetz die Ausübung gewerblicher Funktionen außerhalb des Wohnortes des Gewerbetreibenden als einen Ausfluß der Berechtigung des stehenden Gewerbebetriebes betrachtet und den Bestimmungen über den Gewerbebetrieb im Umherziehen nur diejenigen Betriebsformen unterwirft, welche ausdrücklich als Gewerbebetrieb im Umherziehen im Entwürfe bezeichnet sind.

Die Ausübung der stehenden Gewerbe ist, von einzelnen Ausnahmen abgesehen (Tit. II § 16 ff, § 29 ff.) nur durch eine Anzeige an die zuständige Behörde bedingt.

Die Ausübung des Gewerbebetriebes im Umherziehen wurde dagegen theils um das Publikum vor Schaden zu wahren, theils aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Sittlichkeit in mehrfacher Hinsicht beschränkt, indem gewisse Waarengattungen vom Umsatze im Umherziehen ausgeschlossen, für alle Fälle von der Erlangung eines Legitimationsscheines abhängig gemacht und dessen Ertheilung für gewisse Personenkategorien dem Ermessen der Polizeibehörden anheimgegeben, in gewissen Fällen theils erleichtert, theils dessen Wirkung noch von besonderer Erlaubniß abhängig gemacht, und die Berechtigung nach Zeit und Ort enge begrenzt wurde.

§ 56, 57, 58 Ziff. 1 u. 2 § 59 u. § 60.
Verh. 1869 Bd. III S. 121.

Wenn nun im § 55 Abs. 1 für denjenigen, welcher außerhalb seines Wohnortes ohne Begründung gewerblicher Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung entweder Waaren feilbietet, oder Waaren bei Nichtkaufleuten ankauft, Waarenbestellungen aufsucht und gewerbliche oder künstlerische Leistungen niederer Art anbietet, ein Legitimationsschein gefordert und sofort anreihend an dieses Erforderniß im Abs. 2 eine Vergünstigung bezüglich des Verkaufes der rohen Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues festgesetzt wird, so stellt sich diese letztere Bestimmung als eine Ausnahme dar, die nach bekanntem Rechtsgrundsatze strenge zu interpretiren ist.

Der Grund dieser Annahme ruht nur im Interesse der Aufrechthaltung möglichst ungehinderten Verkehres zwischen Stadt und Land.

cf. Koch Erl. zur Gew.-O. S. 95.

Mit diesen Motiven und der weiters zu findenden Bemerkung, daß diese Ausnahme in der Mehrzahl der bezüglichen Landesgesetze vorkomme, ist aber klar gezeigt, daß der Gesetzgeber nur den Verkehr [333] zwischen Konsumenten und Produzenten, nur zwischen den Städten und ihrer Umgebung, sicher also nicht mit entfernten südlichen Ländern im Auge hatte.

In dem bayer. Polizeistrafgesetzbuche vom Jahre 1861 sowohl (Art. 209 Abs. 2), als in jenem von 1871 (Art. 154 Abs. 2) ist die Freigabe des Handels bezüglich der Bodenerzeugnisse und Rohstoffe ausdrücklich auch auf inländische beschränkt.

Diese Beschränkung mag allerdings das Interesse mancher Konsumenten, namentlich solcher, welche den Städten mit Marktverkehr ferner wohnen, beeinträchtigen, insoferne sie einer bequemeren und billigeren Zuführung dieser Genußmittel entbehren, und insoweit ist der betreffende Entscheidungsgrund des Zweitrichters auch nicht unbeachtenswerth, zumal auch in den Motiven zum Entwürfe vom Jahre 1868 unter der für den Gewerbsbetrieb im Umherziehen sprechenden Gründen seiner Wichtigkeit für die Verbraucher gedacht wurde. (Bd. II S. 126.)

Allein diese Erwägung ist nicht durchschlagend, weil sie fast bei allen Verbrauchsgegenständen, welche der Einzelne nicht selbst erzeugt, zutrifft, sohin nur für die Zulässigkeit des Hausirhandels im Allgemeinen, aber nicht für die spezielle Frage Werth hat.

In den Motiven des Entwurfs von 1869 ist zu § 53, an dessen Stelle jetzt § 55 getreten ist, bemerkt, daß als Gewerbsbetrieb im Umherziehen unter Anderem nicht angesehen wird der Verkauf oder Ankauf roher Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues.

Die Berücksichtigung eines solchen Prinzips ist aber doch nur möglich, soweit es sich um den unmittelbaren Verkehr zwischen Konsumenten und Produzenten handelt. Denn der gewerbsmäßige Verkauf von Südfrüchten durch Ausländer in Deutschland kann wohl nur als Gewerbe aufgefaßt werden. Ein noch triftigerer Interpretationsbehelf dafür, daß man fragliche Früchte nicht zu den im § 55 Abs. 2 aufgeführten Erzeugnissen rechnen wollte, ergibt sich aus den Beratungen des Reichstages über diesen Titel der Gewerbeordnung i. e. über den Hausirhandel.

Der Entwurf hatte nämlich auch die Verzehrungsgegenstände, soweit sie nicht zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs gehören, vom Gewerbebetriebe im Umherziehen ausgeschlossen. Es wurde aber diese Ausnahme nach dem Antrage der Kommission abgelehnt. Aus den betreffenden Aeußerungen ist zu entnehmen, daß in diese Kategorie weniger die Gegenstände der gemeinen Konsumtion, als die feineren Waaren, namentlich die [334] s. g. Colonialwaaren, welche in rohem Zustande in Handel kommen, und meistens mit hohen Eingangszöllen belastet sind, gerechnet wurden. Die Kommission war bereit, eine formulirte Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, welche der Bundesbehörde die Lizenz einräumte, für Grenzbezirke solche Verzehrungsgegenstände, soferne sie mit einem hohen Zolle belastet sind, von dem Gewerbebetriebe im Umherziehen auszunehmen. Es stellte sich aber heraus, daß diese Ausnahme durch die bestehende Zollgesetzgebung ohnehin schon herbeigeführt wird.

cf. Reichstagsverh. – stenogr. Bericht 1869 Bd. II, 697.

Im Zusammenhange hiemit steht daher § 5 der Gew.-O. und der hiezu einschlagende § 124 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869, wonach Hausirgewerbe im Grenzbezirke nur mit besonderer Erlaubniß und unter den zum Zwecke des Zollschutzes erforderlichen Beschränkungen betrieben werden.

Siehe Koch l. c. S. 101 Note 3 mit 7, und
Jacobi l. c. S. 91 Note 2 u. S. 24 zu § 5. 1 A.

Schließlich kann nicht unberührt bleiben, daß die zweitrichterliche Auslegung auch ganz unannehmbare Konsequenzen erzeugt. Wenn nämlich Citronen als rohe Erzeugnisse des Obst- und Gartenbaues ohne jede Legitimation im Hausiren verkauft werden dürften, müßte das Gleiche von allen Südfrüchten, also z. B. von Orangen, Mandeln, Datteln, Maronen, Feigen u. dgl., ja von einer Menge eigentlicher Kolonialwaaren, die in rohem Zustande in Handel kommen, wie namentlich Kaffee, Reis, Kakao und fast alle Gewürze, als Pfeffer, Nelken, Muskatnuß u. dgl., ebenfalls auf den gleichen Titel hin als vollkommen freigegeben erscheinen, was nach der Natur der Sache, den das Gewerbebetriebe im Umherziehen beschränkenden Rücksichten auf die gemeine Wohlfahrt und nach den oben angeführten Verhandlungen des Reichstags unmöglich die Absicht der Gesetzgebung gewesen sein kann.

Es beruht sohin die Entscheidung des k. Bezirksgerichts T. auf einer unrichtigen Gesetzesauslegung.

Was die weitere Frage anbelangt, ob selbst bei der Annahme, daß der Handel mit Citronen im Sinne des § 55 Abs. 2 der Gew.-O. freigegeben wäre, der Zweitrichter nicht veranlaßt gewesen wäre, zu untersuchen, ob der Beschuldigte rücksichtlich seines Alters (19 Jahre) und seiner Eigenschaft als Ausländer, gemäß § 57 Alin. 1 u. 3 der Gew.-O., § 25 der V.-O. vom 4. Dez. 1872, den Vollzug der Gew.-O. betr., ferner im Hinblicke auf die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. Januar 1873, die Ausstellung [335] von Legitimationsscheinen zum Gewerbebetrieb im Umherziehen für Ausländer betr. (Amtsbl. des Minist. des Innern, S. 287), und auf die Minist.-Entschließung vom 25. Juni 1873, 2. Juli 1873 (Kreisamtsbl. für Oberb. S. 887) und vom 14. November 1873 (Amtsbl. des Min. des I. S. 559), nicht gleichwohl eines Legitimationsscheines bedurft hätte, und jedenfalls zu untersuchen, ob den zollgesetzlichen Vorschriften Genüge geleistet sei, so findet sich der oberste Gerichtshof nach Maßgabe der Art. 236 u. 245 Abs. 1 des St.-P.-G. vom 10. November 1848 nicht in der Lage, eine weitere Prüfung der Sache vorzunehmen.

Nachdem übrigens die staatsanwaltschaftliche Beschwerde bezüglich der als verletzt bezeichneten Gesetzesstellen als begründet erachtet wurde, war im Hinblicke auf Art. 139 des Einf.-Ges. v. 10. Nov. 1861 wie geschehen zu erkennen.