Noch einmal die französischen Pendulen und die deutschen Soldaten

Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Noch einmal die französischen Pendulen und die deutschen Soldaten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 575–576
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[575] Noch einmal die französischen Pendulen und die deutschen Soldaten. Von dem Herrn Stabsarzt Dr. Leopold Glaser in Mönchberg geht uns die nachfolgende Mittheilung zu. „Die Gartenlaube“ berichtete vor einiger Zeit (vergl. Nr. 40 von 1879 unter ‚Blätter und Blüthen‘!) zur Rettung deutscher Soldatenehre über eine von der Pariser Zeitung ‚Soleil‘ mitgetheilte Gerichtsverhandlung. Am Schlusse des Berichts, welcher über die Unschuld der fälschlich großer Rohheit bezichtigten deutschen Soldaten keine Zweifel läßt, heißt es sodann: ‚Wie manche der angeblich von diesen „Prussiens“ verübten Unthaten mögen auf solche Weise ihre Erklärung finden!‘ Bei diesem Ausrufe fiel mir Folgendes ein.

Das baierische Regiment Prinz Otto-Chevauxlegers, bei welchem ich im französischen Feldzug 1870 und 1871 diente, lag vom 19. September ab in Villegénis, einem einzeln stehenden Schlosse zwischen Verrières und Longjumeau, das der alte König ‚Luschtik‘ erbaut und der folgende Besitzer, der weltbekannte Spielwaaren- und Phantasie-Artikel-Fabrikant Alphons Giroux mit wahrhaft feenhaftem Luxus ausgesattet hatte. Am 13. December erhielten wir plötzlich Befehl zum Abmarsche nach Orleans, um dort ein anderes baierisches Reiterregiment zu ersetzen, das schwer gelitten hatte. Der Aufbruch sollte möglichst schnell erfolgen. Als aber unsere Schwadronen auf dem Sammelplatze erschienen, verkündete uns der Regiments-Commandeur die inzwischen erfolgte Gegenordre, worauf wir in die Quartiere zurückkehrten.

Am nächsten Morgen hörte ich lautes Schelten auf dem Corridor und erfuhr, daß die Zeit unserer Abwesenheit dazu benützt worden sei, aus dem Zimmer des Rittmeisters K. eine Pendule zu entfernen, die durch ihre Größe und Schönheit die Bewunderung aller unserer Gäste auf sich gezogen hatte. Daß sie Niemand von der Mannschaft zum Andenken mitgenommen hatte, war sofort uns Allen klar. Was sollte er damit auf dem Pferde? Zum Schutze der gesammten Schloßräumlichkeiten war von der Herrschaft eine Anzahl Dienstpersonen zurückgelassen worden. Auf sie fiel selbstverständlich unser erster Verdacht. Mit der Inquirirung dieser Personen wurde denn auch sogleich begonnen; sie betheuerten jedoch allesammt ihre Unschuld mit so beredten Worten in Französisch, Deutsch und Halbfranzösisch – Einige von ihnen waren von der französisch-schweizerischen Grenze – daß wir die hartgesottenen Bösewichter Freund W., dem Langen, zum Inquiriren übergaben, und ihm gestanden die Schelme, daß sie die werthvolle Uhr entwendet hatten.

Ganz richtig hatten sie angenommen, daß der Verdacht des Diebstahls auf die abziehenden deutschen Soldaten fallen würde, und es läßt sich nicht bezweifeln, daß sie, wenn sie Zeit gehabt hätten – Alles in Allem gerechnet betrug unsere Abwesenheit etwa eine und eine halbe Stunde – auch noch die anderen Werthgegenstände, eine Anzahl von Uhren, an sich genommen hätten. Unser definitiver Abzug vom Schlosse ging am 18. März vor sich. Sollte nach demselben nicht eine Wiederholung des Vorganges vom 13. December stattgefunden haben?

Zum Schlusse möge noch ein anderer Vorfall Erwähnung finden, [576] der sich auf dem Hinmarsche nach Paris zutrug. Nach dem Uebergange bei Corbeil über die Seine waren wir in Ris Orangis einquartiert. Ein Officier unseres Regimentes hatte sein Quartier in einem niedlichen Landhause erhalten. Das Haus war vollständig möblirt, den sonstigen Hausrath aber hatte der Besitzer mitgenommen. Wie erstaunte nun Rittmeister K. – derselbe, aus dessen Wohnung in Villegénis die Uhr entwendet worden war – als er eine Commode zum Einlegen seines Revolvers öffnete und dieselbe mit den werthvollsten Schmuckgegenständen angefüllt sah! Die Sachen waren jedenfalls in der Hast der Flucht vergessen worden. Der Rittmeister erstattete sofort Anzeige bei dem Oberst, der in Abwesenheit des gleichfalls davongelaufenen Maire nichts Anderes thun konnte, als den reichen Fund dem im Hause wohnenden Gärtner zur Aufbewahrung zu übergeben. Ob dieser nun den Schatz bis zur Rückkehr der Herrschaft treulich gehütet und ungeschmälert zurückgegeben, oder ob nicht auch die ‚Prussiens‘ als Diebe herhalten mußten? Wer weiß es?“