Noch einmal der Meister des „Freischütz“

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Noch einmal der Meister des „Freischütz“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 204–206
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[203]
Noch einmal der Meister des „Freischütz“.

Als Carl Maria von Weber durch seinen „Freischütz“ sich schon längst den glänzendsten Ruhm, die Verehrung und Liebe der ganzen deutschen Nation erworben hatte und in Berlin eben seine „Euryanthe“ einstudirte, kam sein damaliger Chef, der Intendant und Kammerherr von Lüttichau, daselbst an und wohnte mehreren Proben bei. Der Cavalier war im höchsten Grade befremdet von der allgemein offen und laut Weber entgegengebrachten Verehrung, der wahrhaften Huldigung, mit der sich ihm nicht allein geistige, sondern auch höchste Vornehmheiten der Geburt näherten. Als er mit Weber und Lichtenstein das Theater nach der zweiten Generalprobe verließ und sah, daß nicht allein das Personal allenthalben vor dem Meister ehrerbietig den Hut zog, sondern sogar das Publicum, das sich, um Weber zu sehen, vor dem Ausgange versammelt hatte, das Haupt entblößte, rief er aus: „Weber, sind Sie denn wirklich ein berühmter Mann?!! – –“

Und doch verwendeten sich Männer, die den Genius zu schätzen wußten, für die Verleihung des Civil-Verdienst-Ordens an Weber bei dem damaligen Minister von Einsiedel zwei Mal vergeblich. Dieser Minister, Graf Detlev von Einsiedel, hatte überhaupt ganz eigene Begriffe von dem, was des Menschen Würde bestimmt. Als es sich am sächsischen Hofe darum handelte, dem nach Kopenhagen zurückgekehrten Thorwaldsen einen Orden zu verleihen, wurde auf Einsiedel’s Betrieb die Classe desselben lediglich nach des unsterblichen Meisters Rang als dänischer Staatsrath bestimmt, und als Grund für die Verleihung des Ordens bezeichnete man nicht den Wunsch, dem der Welt leuchtenden großen Kunstverdienste zu huldigen, sondern des Meisters Verdienst und Bemühung – beim Unterricht zweier junger Sachsen!!!

Wenn aber seltsamer Weise ein Theil des Hofs und Adels in Dresden – denn schöne Ausnahmen gab es auch da – die Ehre, welche ihnen der Besitz eines solchen Genius verschaffte, nicht zu würdigen verstand, so wurde der Meister reichlich für die Nichtbeachtung entschädigt durch die Liebe und Verehrung, welche ihm von Hoch und Gering gezollt wurde, sobald er außerhalb des Weichbildes von Elb-Athen sich blicken ließ.

Als der Maestro auf seiner Reise nach Bad Ems in Wiesbaden bei Tafel saß, begegnete ihm folgendes anmuthige Abenteuer, das er seiner Gattin berichtet:

„Es saß ein Dr. Horn neben mir, ein höchst gebildeter Mann und großer Musikfreund. Nachdem wir über Literatur und viele Dinge recht interessante Gespräche geführt hatten und er bemerkte, daß ich aus Sachsen sei und daß er früher in Leipzig studirt hatte, so frug er mich nach tausend Dingen. Die Tafelmusik brachte dann endlich das Gespräch auch auf den Freischütz etc. Ich wich auf’s Künstlichste allen Fragen aus, die mich hätten verrathen können, bis denn endlich der Mann ganz erstaunt, mich in Allem so zu Hause zu wissen, nach meinem Namen frug; nun, das ist ein ehrlicher Name, und ich konnte also nicht verschweigen, daß ich Weber heiße. ,Weber?’ rief er ganz gespannt, ‚Gottfried Weber?’ ‚Nein,’ sagte ich. – ‚Also aus Berlin?’ – ‚Der ist lange todt.’ – ,Also –’, mit einer Pause, wie Jemand, dem ein freudiger Schreck den Athem verhält, ,doch nicht –’ – ‚Carl Maria von Weber,’ sagte ich ganz ruhig, indem ich mir einschenkte. – Da hättest Du sehen sollen, wie der Mann, wie vom Donner gerührt, fünf Minuten unbeweglich still und starr saß und endlich, indem ihm die Augen feucht wurden, ganz andächtig still sprach: ,Was hat mich Gott für ein Glück erleben lassen!’ – Du weißt, liebe Lina, daß die größten, dicksten Weihrauchwolken weder meine Nase kitzeln, noch meinen Sinn afficiren. Aber hier, ich gestehe es, mußte ich dem Schöpfer innig ergeben danken, daß er mir Macht gegeben, so tief eines guten Menschen Herz zu ergreifen, und daß wohl kein besserer Lohn mir je wieder geboten werden wird.“

„Weber, sind Sie denn wirklich ein berühmter Mann?!“ Nun, so fragte schon zu jener Zeit außer Dresden wenigstens kein gebildeter Mensch deutscher Nation mehr. Hat doch nach Mozart kein Operncomponist die allgemeine Gunst der musikalischen Welt in vollerem Maße gewonnen, als unser Meister. Seine Werke sind bekannt und leben fort auf den Bühnen, im Concertsaale, im Haus und in den Herzen aller echten Musikfreunde.

Von seinem äußeren Leben hingegen und von dem inneren Getriebe seines Geistes, von den Leiden und Freuden seines Herzens, von dem Menschen Carl Maria von Weber, wußte man bisher so gut wie nichts. Die mitgetheilten wenigen Züge werden das dem Leser schon gezeigt haben.

Die Erscheinung der von seinem Sohne geschriebenen Biographie des Meisters[1] mußte daher seinen zahlreichen Verehrern höchst willkommen sein. Nun kommt mir aber bei allen Memoiren und Lebensbeschreibungen jedesmal gleich die fatale Frage: wird darin die unbedingte Wahrheit zu vernehmen sein? Von einem Autobiographen wenigstens, das steht fest, ist sie nicht ohne mannigfache Modifikationen zu erwarten. Es giebt keinen Menschen ohne Schwächen und Fehler, und keinen, der sich durch das ungeschminkte Geständniß derselben in den Augen seiner Zeitgenossen oder der Nachwelt wirklich herabsetzen möchte. Dergleichen wird daher entweder verschwiegen, oder wenn es bekannt und nicht zu leugnen ist, in einer Weise dargestellt, daß es nicht als freie That des Charakters, sondern als Nöthigung unbesiegbarer Umstände und damit entschuldbar erscheint. Glaubwürdiger kann eine Lebensbeschreibung durch einen Andern gerathen, vorausgesetzt, daß dieser im Besitz aller Materialien dazu ist, Geist genug hat, um in alle Tiefen seines Objects einzudringen. und Muth genug, alles Gesehene rücksichtslos darzustellen. Dürfen wir aber eine solche Biographie von Max Maria von Weber, dem Sohne des Meisters, erwarten? Leichter gesteht ein edler Mensch seine eigenen Schwächen ein, als daß er die Schwächen seiner Angehörigen der Welt preisgäbe. Es war aber schon a priori anzunehmen, daß auch das Leben unseres Meisters nicht lauter Licht sein werde. Denn wie es überhaupt keinen vollkommenen Menschen giebt, so ist ein solches Exemplar auch unter den Künstlern nicht und um so weniger zu finden, als die unerläßlichen Eigenschaften des Genius zur Hervorbringung echter Kunstwerke, glühende Einbildungskraft, reizbares Gefühl, starke Sinnlichkeit, zugleich gefährliche Eigenschaften für das sittliche Leben sind und die Künstler überdies gern die Meinung hegen, ihnen sei etwas mehr nachzusehen, als andern Menschenkindern.

[205] Unser Biograph hat sich indeß entschlossen, die reine, blanke, ungeschminkte Wahrheit überall zu geben, und dies ist der problematischste Punkt seines Buches, über den sich auch die Kritik, soviel uns bekannt geworden, einstimmig tadelnd ausgesprochen hat. Und doch gerade hierin ist sie, unserer Meinung nach, vollständig irre gegangen, was nicht unschwer zu beweisen sein wird. Carl Maria von Weber hat nämlich in Stuttgart eine etwas leichtfertige Jugendperiode gehabt und dem Vater desselben sind zu dieser Zeit einige Handlungen passirt, welche vor einer strengen Moral wohl die Augen niederschlagen mußten. Diese Punkte hat der berühmte Meister niemals, weder mündlich noch schriftlich, selbst seiner Familie gegenüber nicht berührt, er hat sie absichtlich der Vergessenheit überliefern wollen, und da sie auch bis zur Erscheinung der Biographie völlig unbekannt waren, so haben nun Manche aus der Enthüllung derselben dem Sohne den Vorwurf der Impietät gemacht und gemeint, auch er hätte sie in ihrem Dunkel ruhen lassen sollen.

Mir scheint im Gegentheil gerade in dieser Offenherzigkeit ein großer Vortheil für das ganze Buch zu liegen, ein großer Nutzen zugleich für viele Menschen überhaupt und Künstler insbesondere, und endlich eine wahrhafte Verherrlichung Carl Maria von Weber’s selbst. Die Fatalitäten, in welche der Meister in Stuttgart gerieth, konnten künftigen Forschern kein Geheimniß bleiben, denn es liegen Acten, Rescripte und dergleichen darüber in den Archiven vor, die ja, wie der Sohn sie gefunden hat, auch von Andern hätten gefunden werden können. In solchem Falle wäre aber dann dem Sohne die unterlassene Bekanntmachung solcher Umstände sicherlich als eine größere Sünde angerechnet worden, als jetzt deren Mittheilung, und sein Buch hätte den unschätzbaren Hauptvortheil seines Werthes unfehlbar eingebüßt: den der Treue und Glaubwürdigkeit. Denn wer einmal die Wahrheit verschweigt oder bemäntelt, dem kann man überall mißtrauen. Bei der Lectüre dieses Buches gewinnt man aber bald die Ueberzeugung, daß es keine Seite enthält, wo man zwischen die Zeilen lugen müßte, um die Wahrheit erst herauszuconjecturiren. Außerdem spricht sich der Autor mit einer solchen kühnen Freimüthigkeit über alle in dieser Biographie auftretenden Personen bis zu den höchsten hinauf aus, über Adel und Fürsten und über alle die faulen Zustände jener Zeit, – wo wäre ihm das Recht dazu hergekommen, wenn er seine eigenen Angehörigen hätte schonen und ihre Schwächen verschweigen oder in’s Schöne hätte malen wollen? Wie hätte er seines Vaters Schwächen in Stuttgart übergehen dürfen, wenn er über den regierenden Fürsten und den Adel daselbst Stellen hinschreibt, wie, um nur ein Beispiel anzuführen, die folgende?

„Zu gleicher Zeit fraßen des Herzogs (Carl v. Würtemberg) unsinnige Feldzüge, die rasende Verschwendung, mit der er seiner Leidenschaft für Jagd und Theater fröhnte, die Einkünfte des Landes, die zum großen Theil für diese Zwecke designirt, in einem außerordentlich starken Procentsatze, auf Seitencanälen von ihren Zwecken abgelenkt, in die Hände gemeiner Günstlinge flossen, welche sich nicht schämten, die Früchte eines schamlosen Drucks zu genießen, und jüdelnd den Ertrag des Judashandels mit dem Marke des Landes einstrichen. Die Uebertreibungen in des Herzogs Gelüsten; die Seen mit gewärmtem Wasser zu seinen Wintersumpfjagden; die wochenlang dauernden, halbe Quadratmeilen Ackerland verwüstenden, Krankheit und Elend über die Tausende armer, zum Treiben gepreßter Bauern verbreitenden Sauhetzen; die selbst Kaiser Joseph’s Staunen erregenden Aufführungen auf seinen Theatern zu Ludwigsburg und Stuttgart; das luxuriöse Ballet; die ungeheuern Gagen der Tänzer und Sänger; der unsinnige Hofstaat, in dem zwanzig fremde Fürsten und Grafen, ein Heer von adligen Damen diente und in den prächtigsten Hofanzügen und Livreen glänzte; die Orangengärten zu Ludwigsburg; die Tonnen Goldes kostenden Feuerwerke des Italieners Veronese etc. wären sämmtlich den Lüsten des Herzogs schmeichelnde Ausgeburten ihrer Speichelleckergehirne. – In den Sphären eines solchen Regiments war das grausame Schicksal Moser’s, Huber’s, Lenz’s und Schubart’s eine natürliche Pilzvegetation der allgemeinen Fäulniß.“

Außer dem angegebenen Grunde für das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit des Autors, verwandelt sich aber bei näherer Prüfung die sogenannte Impietät des Sohnes in eine wahre Verherrlichung des großen Vaters.

In Verirrungen zu gerathen ist bei einer heißblütigen Jugend und genialen Natur, sowie bei der Neigung der Menschen überhaupt, ihren Trieben und Leidenschaften die Zügel schießen zu lassen, eine alltägliche Erscheinung. In sich zu blicken dagegen, sein Thun, und wohin es führen könne, zu prüfen, die gefährliche Bahn zu erkennen, den Entschluß zu fassen dieselbe zu verlassen, diesen Entschluß gegen alle dawider streitenden reizenden Verlockungen konsequent durchzusetzen – dazu vermögen sich nur wenige Menschen zu erheben. Carl Maria von Weber kam bald zur Erkenntniß seiner jugendlichen Thorheiten und überwand sie vollständig. Diese schöne Peripetie in dem Leben des Meisters stellt nun seinen Charakter nur um so höher. Und gerade diese große sittliche That wäre durch Vertuschung seiner Jugendschwächen nicht zur Kenntniß der Welt gekommen. Es ist aber für den Menschenfreund nicht gleichgültig, ob solche seltene Erscheinungen am Künstler übergangen oder an’s Licht gezogen werden. Individuen, die Großes vollbracht, sind für Andere Autoritäten, die zur Nachahmung reizen, und was ist der Nachahmung würdiger und das Glück der Menschheit fördernder und sichernder, als die Bezwingung seiner selbst?

Und eine weitere Lehre predigt dieser Fall speciell für die Künstler noch, die nämlich: daß man ein Genie sein und ein großer Künstler werden kann, ohne sich der Widerlichkeit und Sittenlosigkeit zu überlassen. Carl Maria von Weber hat seine schönsten, größten und genialsten Werke in der Periode seines Lebens geschaffen, in welcher er auch das Muster eines rechtschaffenen, sittenreinen, normal vernünftigen Menschen war, in den Augen der Ueberschwänglichen freilich ein wahrer Philister, der [206] z. B. seine Einnahmen und Ausgaben – gleich Schiller, wie dessen jetzt veröffentlichte Kalender beweisen – bis zu Heller und Pfennig regelmäßig aufschrieb, seine früher contrahirten Schulden bezahlte, und was dergleichen gemeine Verrichtungen mehr sein mögen, die manche große Geister mit Verachtung betrachten.

Das Leben Carl Maria von Webers von seiner Geburt bis zu dem Punkte, mit welchem der erste Band schließt, war ein Leben voller Unruhe, Mühen, Sorgen, Irrfahrten, Kränkungen, leidenschaftlicher Erregungen und – was nicht zu den geringsten Leiden der echten Künstler zählt – öfterer Zweifel an seinem Talent. Sie gehen in Folge der überaus lebendigen und anschaulichen Darstellung in den Leser über: er muß Alles mit durchleben, Alles mitempfinden. Der Autor hat aber mit weiser Absicht und großem Geschick den Stoff so geführt und geordnet, daß die Erzählung im ersten Bande mit zwei höchst erfreulichen Ereignissen schließt, mit der Lösung zweier Knoten, die, wie des Meisters bisheriges Dasein, so den theilnehmenden Leser spannten und beunruhigten. Die Verbindung mit seiner Auserwählten, der sich vielfache äußere und innere Hindernisse entgegenstellten, entscheidet sich, und seine bisher ungewisse und meist sorgenvolle Existenz wird durch die ehrenvolle Berufung zum königlich sächsischen Capellmeisier in Dresden für die ganze Zukunft gesichert. Dabei wird nun dem Leser so wohlig zu Muthe, als hätte er mit einem geliebten Freunde eine lange, gefahrvolle Fahrt auf stürmischem Meere bestanden und als wäre er nun mit ihm in den ruhigen Hafen eingelaufen, wo eine sichere Heimath und eine holde Gattin den Künstler-Odysseus empfangen und beglücken.

Wie aber in einem guten Roman der Eintritt einer glücklichen Schicksalswendung des Helden sich im Verfolg der Erzählung bald als eine trügerische erweist, ihm neue, stärkere Hindernisse und Gefahren entgegentreten, schwerere Verwickelungen ihn umschlingen, so auch stellt sich das Leben unseres Meisters im zweiten Bande keineswegs als ein ruhig behagliches heraus, empfingen ihn vielmehr fast vom ersten Tage seiner Ankunft in Dresden doch Kämpfe aller Art. Seine Anstellung war vielen höheren und geringeren Personen mißliebig. Die Kabale begrüßte ihn gleich bei seinem Eintritt in die Residenz und enthüllte dem ehrlichen Manne die ganze Schlüpfrigkeit des Bodens, auf den er hier trat, das häßlich Irisirende der Charaktere höchst einflußreicher Persönlichkeiten und die Natur der Mittel, die man anzuwenden entschlossen schien, um sein Wirken möglichst „unschädlich“ zu machen, in fast erschreckender Weise. Als „Capellmeister“ war er berufen worden; das Anstellungsrescript gab ihm nur den Titel „Musikdirector“. Man wollte ihn dem intricaten Italiener Morlachi unterordnen. Sie hatten sich indessen getäuscht. In dem kleinen, schwächlichen, unansehnlichen Körper wohnte ein starker Geist, und sie sollten bald sehen, daß sie es mit einem Manne zu thun hatten, mit dem man nicht spielen und spaßen konnte. Er wollte nach dieser Perfidie sogleich wieder abreisen. Durch den damaligen Intendanten Vitzthum, einen edlen Cavalier und wahren Freund Weber’s, wurde die Sache vermittelt, ihm der gebührende Titel und lebenslängliches Engagement zugesichert.

Wenn man daran denkt, wie der große, edle, geistvolle Carl August von Weimar seine Dichter ehrte, seinen Goethe wahrhaft brüderlich liebte und seinem stolzen hochadeligen Hofgesinde den Respect für jene gottbegabten Geister beizubringen verstand, und wenn man damit die Behandlung Webers seiten vieler hohen und höchsten Personen in Dresden vergleicht: so läßt sich kaum begreifen, wie so durchaus verschiedene Ansichten über Künstlerwerth zu derselben Zeit zwischen zwei Höfen, die so nahe Nachbarn waren, herrschen konnten.

Haben die wenigen Züge, welche wir aus dem Buche mitgetheilt, den Leser sicherlich schon nicht wenig interessirt, so dürfen wir nun mit vollster Ueberzeugung aussprechen, daß in den beiden sehr umfangreichen Bänden keine Seite vorkommt, über welche man mit einer gleichgültigen Empfindung hinüberschlüpfen könnte. Diese überall aushaltende, ja sich immer steigernde Anziehungskraft liegt aber einmal in der außerordentlichen Mannigfaltigkeit der vorüberziehenden Momente, sodann in der im Allgemeinen so lebendigen, geistreichen und anschaulichen Darstellung derselben. Jedenfalls bietet das Werk eine Lectüre, die nicht allein höchst interessant und belehrend für den Kunstjünger, den Kenner, den Musikfreund, sondern dies alles auch für jeden Gebildeten überhaupt ist.



  1. Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild von Max Maria von Weber. Leipzig, Ernst Keil, 1864.