Noch einmal „An der Schwelle des Winters“

Textdaten
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Autor: E. K.
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Titel: Noch einmal „An der Schwelle des Winters“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 819–820
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[819] Noch einmal „An der Schwelle des Winters“. Die Nr. 45 der „Gartenlaube“ bringt unter „Blätter und Blüthen“ eine nur zu sehr berechtigte Mahnung, welcher wir noch Einiges hinzufügen möchten. Der Verfasser des Mahnrufs „An der Schwelle des Winters“ erinnert daran, daß gerade unter der ärmeren Bevölkerung von Stadt und Land die Unsitte verbreitet ist, den Hals zur Unzeit mit dicken Shawls und Tüchern zu umhüllen. Weit entfernt davon, mit einzustimmen in den Chor derer, welche die Schule für alle kleine und große Gebrechen der Menschheit verantwortlich machen, können wir nach Lage der Verhältnisse doch nicht umhin, der Schule einen nicht geringen Theil der Schuld an der Verweichlichung des Volkes in dieser Beziehung beizumessen. Das Sprüchwort: „Jung gewohnt, alt gethan,“ findet hier seine volle Anwendung. Das, was die Eltern aus Unwissenheit oder aus falscher Liebe zu ihren Kindern zu verderben drohen, muß die Schule mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln bestrebt sein, zum Guten zu wenden.

[820] Verfolgen wir ein Kind auf dem Wege zur Schule, der in manchen Gegenden unseres Vaterlandes bis vier Kilometer lang ist! Der Körper ist so viel als möglich gegen die Unbilden der rauhen Witterung geschützt, und namentlich ist bei den Knaben der Hals nicht eben am schlechtesten fortgekommen. So eingehüllt sitzt alsdann das Kind in der warmen Schulstube, deren Temperatur sich in Folge der starken Ausdünstungen mit jeder Minute steigert. In den von feuchter Wärme durchtränkten Kleidern oft schwitzend, verläßt das Kind dann Abends die Schule, um bei Frost bis zu 18 und 20 Grad den weiten Heimweg anzutreten. Die Folgen bleiben natürlich nicht aus. Man trete nur in eine Dorfschule zur Zeit der rauhen Witterung, und man wird nur zu häufig finden, daß sämmtliche Schüler mehr oder weniger den Husten haben, sodaß der Lehrer oft sein eigenes Wort kaum verstehen kann.

Sind die Verhältnisse auf dem platten Lande auch vielfach noch so trauriger Art, daß den Kindern Ueberziehkleider fehlen, so kann ein Lehrer, der nicht blos auf die Entwickelung des Geistes seiner Schüler ein wachsames Auge hat, sondern auch der Pflege des Körpers derselben eine nicht geringe Aufmerksamkeit schenkt, doch zur Erzielung einer Art von Ueberzeugung sehr viel thun.

Vor allen Dingen sind beim Eintritt in die erwärmte Schule die dicken Halstücher der Knaben zu entfernen, ferner die Röcke sofort zu öffnen; ganz schlimm ist’s, wenn in einer Schule noch geduldet wird, daß die Mädchen mit Kopftüchern ummummt dasitzen. Daß durch consequentes Achtgeben auf solche Uebelstände nicht allein den häufigen Erkältungen etc., sondern auch der leider so häufig sich findenden Unsauberkeit entgegengearbeitet wird, muß Jeder bemerkt haben, dem der Unterschied im Aussehen der Leibwäsche von damals, als zum ersten Male die so liebgewordenen, Alles so schön bedeckenden Tücher abgebunden wurden, und der in der Folge sich zeigenden aufgefallen ist.

Auf eine Unsitte wollen wir noch hinweisen, weil sie auch in das beregte Feld eingreift, nämlich daß in den Häusern der ärmeren Volksclassen die Knaben vielfach die Mützen auf den Köpfen haben. Freilich: Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen – und andrerseits: Jung gewöhnt, alt gethan.

E. K.