Noch ein Zug aus dem Leben des General-Feldmarschalls Graf von Wrangel

Textdaten
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Autor: F. L G.
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Titel: Noch ein Zug aus dem Leben des General-Feldmarschalls Graf von Wrangel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 847–848
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[847] Noch ein Zug aus dem Leben des General-Feldmarschalls Graf von Wrangel. Es war Anfang der fünfziger Jahre, als der General-Feldmarschall von Wrangel in seiner Eigenschaft als Gouverneur der Marken dem Cadettencorps in der neuen Friedrichsstraße zu Berlin einen Besuch abstattete, dem Unterricht in mehreren Classen inspicirend beiwohnte und bei dieser Gelegenheit sich von den betreffenden Lehrern den fleißigsten und tüchtigsten Schüler der Classe vorstellen ließ. An dem nächstfolgenden Sonntag gab der General-Feldmarschall ein größeres Diner, zu welchem auch die von ihm inspicirten Lehrer des Cadettencorps und die vorgestellten fleißigsten Schüler der betreffenden Classen mit Einladungen beehrt wurden. Nach der üblichen Musterung wanderten die Cadetten, begleitet von ihren Lehrern, nach dem von Wrangel’schen Palais und betraten im Gefühl eines gewissen Stolzes die gastlich geöffneten Salons. – Es ging zur Tafel, an deren unterem Ende die geladenen Cadetten ihren Platz angewiesen erhalten hatten und einnahmen. Aber auf den bisher freudestrahlenden jugendlichen Gesichtern zeigte sich plötzlich Unmuth und Verstimmung. Die Cadetten bemerkten nämlich zu ihrem höchsten Befremden, daß vor ihren Gedecken keine Weingläser aufgetragen worden waren. Eine Zurücksetzung konnte darin unmöglich liegen. Traute man ihnen aber vielleicht nicht zu, ein Glas Wein vertragen zu können?! – Nach der eingenommenen Suppe erhob sich der Feldmarschall, um in gewohnter Weise den ersten Toast auf Seine Majestät den König und das Königliche Haus auszubringen. Ehe er denselben aber anstimmte, brach er in die Worte aus: „Aber was is mich des? Die Junkers haben ja keene Gläser nich. Was is mich des?“ Sogleich eilte einer der Tafeldiener in ein Nebenzimmer, um mit einem Präsentirbrett wiederzuerscheinen, auf welchem kleine im Innern vergoldete silberne Becher aufgestellt worden waren, die sofort nach dem eingravirten Namen unter die jugendlichen Söhne des Mars vertheilt und mit funkelndem Wein gefüllt wurden.

Freude strahlten jetzt die Mienen der jungen Gäste, und der hohe [848] Gastgeber, dessen Aug' und Herz dies nicht entgangen sein mochte, rief befriedigt über die Tafel:

„So! Nun haben die Junkers auch ihr Trinkgefäß und den Vortheil, dasselbe nach aufgehobener Tafel in die Tasche stecken zu dürfen, was meine übrigen Gäste nicht thun werden. Junkers! Nehmt diese Becher als ein Zeichen der Anerkennung für belobigten Fleiß und als ein Andenken an – mir!“

Hierauf brachte der liebenswürdige Gastgeber ein dreimaliges Hoch aus auf Seine Majestät den König, „seinem“ Herrn und das Königliche Haus. Die eingeladenen Gäste stimmten kräftig ein; auch die jugendlichen Söhne des Mars blieben nicht zurück und leerten enthusiastisch den credenzten silbernen Becher. Diese sinnige und zarte Weise, jugendlichem Fleiß eine Anerkennung zu zollen, hatte unter allen Gästen eine höchst wohlthuende Stimmung erzeugt, die so recht geeignet war, den Genuß der Tafelfreude noch um ein Bedeutendes zu erhöhen. Gewiß werden noch heute die kleinen silbernen Becher von den betreffenden Familien in hohen Ehren gehalten als ein werthes Andenken an froh verlebte Jugendtage und an den um Vaterland und Armee so hoch verdienten Feldmarschall von Wrangel.
F. L G.