Neujahrsgebet (Die Gartenlaube 1864)
Neujahrsgebet.
Wir hofften es mit Schwertern einzuläuten,
Mit deutschen Schwertern dieses neue Jahr,
Kein Kampfruf aber sammelt die Zerstreuten,
Noch harrt des Führers eine bange Schaar,
Ein großes Volk, wie ward es schwach und klein,
So höre Du denn der Verzweiflung Beten:
Herr Gott im Himmel, laß uns Männer sein!
Verlassen noch hast Du der Deutschen keinen;
Dem Muth’gen nur willst hülfreich Du erscheinen:
Wer selbst sich hilft, dem hilft der liebe Gott!
Das Thier des Waldes wehrt sein Nest der Meute,
Und schlaffen Armes schauen wir darein,
Herr Gott im Himmel, laß uns Männer sein!
Wir dankten Dir den Sieg vor funfzig Jahren
Mit einem Fest, deß Jubel kaum verhallt,
Und nun das Schlimmste wieder wir erfahren,
Die Freudenfeuer, die empor Dir lohten,
Der Wange Scham ist heut’ ihr Wiederschein,
Meineid schon ist der Schwur bei unsern Todten –
Herr Gott im Himmel, laß uns Männer sein!
Ihr starres Herz von Dir hinweg gewandt,
Du hast zum Kampfe für Dein heilig Zeichen
Die Armen stets und Niedern ausgesandt;
So rufe Du das deutsche Volk zusammen,
Erschein’ uns in der deutschen Eichen Flammen –
Herr Gott im Himmel, laß uns Männer sein!
Das deutsche Volk, es ist ein Volk von Armen,
Gefesselt noch mit schweren Druck und Band,
Den Traum vom ein’gen freien Vaterland;
Ist’s auch ein Land voll Mühe und Beschwerde,
Soll doch kein fremd Gelüst danach gedeih’n,
Dem Feinde keinen Fußbreit deutscher Erde –
So höre Du denn der Verzweiflung Beten,
Dein heil’ges Feuer stähle Schwert und Muth,
Laß uns den Morgen schau’n, den lang erflehten,
Und sei auch seine erste Röthe Blut;
Zum Kampf, zum Kampf in todesmuth’gen Reih’n,
Nur Männer dürfen um die Freiheit werben –
Herr Gott im Himmel, laß uns Männer sein!
Albert Traeger.