Neuestes zur altamerikanischen Kultur
[839] Neuestes zur altamerikanischen Kultur. Für die Leser des ersten Artikels „Altamerikanische Kulturbilder“ in Halbheft 22 der „Gartenlaube“ wird es von Interesse sein, zu erfahren, daß der in demselben mehrfach erwähnte Dresdener Mayaforscher, Professor Förstemann, gerade in den Tagen, als unser Artikel erschien, eine Entdeckung gemacht hat, die uns die höchste Bewunderung für die wissenschaftlichen Leistungen jenes merkwürdigen alten Kulturvolkes in Centralamerika abnöthigt. Professor Förstemann fand nämlich in der Dresdener Mayahandschrift derselben, aus der wir eine Seite abbildeten, Zahlenzusammenstellungen, die erkennen lassen, daß die Mayas wechselnde Monate von je 29 und 30 Tagen (wie auch die alten Griechen) hatten, und zwar neben den anscheinend älteren und mehr für den Götterkultus bedeutsamen Zeiträumen von 20 Tagen, die wir in dem zweiten Artikel „Altamerikanische Kulturbilder“ ebenfalls als „Monate“ bezeichnet haben, obgleich sie mit dem Mondumlauf nichts zu thun haben.
Nun findet sich ferner unter diesen Zahlenzusammenstellungen eine jener in dem ersten Artikel erwähnten Zahlenreihen, die einen Zeitraum von 11958 Tagen in 198 Monate zu 29 Tagen, 207 Monate zu 30 Tagen und 6 Schalttage zerlegt. Berechnet man danach die genaue Dauer eines Monats, so kommt man zu dem staunenswerthen Ergebniß, daß die Mayas den Monat zu 29,526 Tagen angenommen haben, also, da der wirkliche synodliche Mondumlauf 29,53 Tage dauert, nur um vier Tausendstel eines Tages zu klein! Es muß uns in der That die größte Bewunderung vor der Höhe jener alten Kultur erfüllen, wenn wir sehen, wie dieses Volk ohne die uns zu Gebote stehenden kunstvollen astronomischen Apparate so genaue Ergebnisse erzielte und dieselben, ohne die uns geläufigen rechnerischen Hilfsmittel der Bruchrechnung, in so wahrhaft genialer Weise in ganzen Zahlen zum Ausdruck zu bringen verstand. Dr. P. Schellhas.