Textdaten
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Autor: Karl Schütze
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Titel: Neue Beobachtungen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 312
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[312] Neue Beobachtungen, welche uns zur Bestätigung der unter der Ueberschrift „Seltsames Phänomen aus dem Leben der Wandervögel“ in Nr. 42 des vor. Jahrgangs mitgeteilten Vermuthung zugingen, daß kleinere Vögel den Rücken ihrer großen Verwandten zur Erleichterung ihrer Wanderflüge benutzen, wollen wir unseren Lesern bei dem allseitigen Interesse, welches der Gegenstand gefunden, nicht vorenthalten. Der zweite der Berichte gehört freilich nur indirect hierher.

„Gegen Ende März dieses Jahres“ – so heißt es in der ersten Zuschrift – „war ich auf entlegener Feldmark mit der Bestellung beschäftigt. Von jeher wird diese Flur, wohl wegen ihrer von Wohnorten und Straßen entfernten Lage, von Kranichen und Wildgänsen als bevorzugter Rast- und Sammelplatz benutzt. Es zeigte sich denn auch ein starker Zug Kraniche; es können deren bis 150 gewesen sein, nicht wie gewöhnlich keilförmig geordnet, sondern in langer Linie formirt und sehr niedrig dahinstreichend, offenbar in der Absicht, an altgewohntem Platze zu rasten. Wiederholt zogen sie in langen Bogen hin und her, den passenden Platz zum Niederlassen auszusuchen. Bei diesem Hin- und Herziehen passirte nun die ganze Truppe höchstens acht bis zehn Meter hoch über mir hin. Kaum waren die ersten vorbei, als plötzlich unmittelbar über mir an der Stelle, wo sich etwa der achte Vogel im Zuge befand, der laute eigenthümliche Ton, welchen die Lerche beim Ziehen hören läßt, deutlich und wiederholt sich vernehmen ließ.

Die Luft war klar und ruhig, und ich hatte vorher die Schaar der Kraniche aufmerksam beobachtet; eine Lerche war weit und breit weder zu sehen noch zu hören. Man denke sich daher mein Erstaunen, so greifbar nahe in der Luft eine Lerche zu hören, ohne auch nur eine Spur von ihr wahrnehmen zu können. Meine Vermuthung, die Lerche müsse sich auf dem Rücken eines Kranichs befinden, wurde aber zur Gewißheit, und mein Erstaunen wuchs, als vor- und rückwärts im Zuge von den Rücken der Kraniche hell und deutlich aus einem Dutzend Lerchenkehlen die Antwort auf den ersten Ruf herniederscholl, und so weiter den ganzen Zug entlang. Es wurde mir so die volle Gewißheit, daß die Lerche auf ihren Zügen ihren großen Reisegefährten gleichsam als Lastschiff benutzt, zum mindesten für ihre Touren auf dem Lande, doch wird sie sich auch diese Schiffsgelegenheit bei ihren großen Meerfahrten gewiß nicht entgehen lassen.

Sollte vielleicht der Einwurf gemacht werden, daß doch auf irgend eine Weise eine Täuschung untergelaufen, so müßte ich mich hiergegen entschieden verwahren. Durch den von Ihnen gebrachten Artikel angeregt, habe ich mit besonderem Interesse beobachtet; war ich doch bei dem auffallend niedrigen Streichen der Kraniche im Stande, gegen Ende des Zuges mit Sicherheit die einzelnen Kraniche zu bezeichnen, auf welchen eine Lerche ihren Ruf erschallen ließ. Bemerkenswerth und bestätigend für die Sache dürfte es sein, daß mein Knecht, der aus einer Wachtelfänger- und Vogelstellerfamilie stammt, mir beim Hinweisen auf das Mitbringen der Lerchen durch Kraniche dies als etwas ihm längst Bekanntes mit den Worten erklärte. ,Sie (die Kraniche nämlich) bringen die Lerchen und nehmen sie auch wieder mit.’

Friedberg in Hessen, Ostern 1879.
Georg Falck.