Muth und Geistesgegenwart leiten den tapfern Mann in Gefahren

Textdaten
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Muth und Geistesgegenwart leiten den tapfern Mann in Gefahren
Untertitel:
aus: Clausthalischer allgemeiner Harz-Berg-Calender auf das Jahr 1805
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1804
Verlag:
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Clausthal
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[36]
Muth und Geistesgegenwart leiten den tapfern Mann in Gefahren.


     Der Capitain von W.., ein Mann der großmüthig und herzensgut war, zog sich gegen den Abend seines Lebens aus dem Geräusche der Waffen und dem Getümmel der Welt in die Einsamkeit seines Landguths zurück. Seine Beschäftigung war hier, seiner Wirthschaft wahrzunehmen, sich um das Anliegen seiner Unterthanen zu bekümmern, und die Jagd, die er von jeher geliebt hatte, auszuüben. Wenn er von dem einen oder andern des Abends heimkehrte, und der Gesellschaft seines Brudersohns, eines Husarenlieutnants aus der benachbarten Garnison, entbehrte, pflegte er in dem Saale des zweiten Stockwerks seines Hauses ein Paar Lichter anzünden zu lassen, und sich mit dem Gesichte gegen den Saal gekehrt, in dem anstoßenden Kabinet, das keine andere Auszierung als ein Feldbett, die Plane von neun durchfochtenen Schlachten, drey Flinten, ein Paar Pistolen, und zwey Windbüchsen hatte, in seinen Lehnstuhl zu werfen, um über merkwürdige Vorfälle, die er erlebt, Erfahrungen die er gesammelt, Menschen die er gekannt hatte, auch oft über sich selbst und sein Schicksal nachzudenken. Ein Abendzeitvertreib, von dem sich wenige einen Begriff, und noch wenigere Gebrauch machen können. – Im späten Herbste des Jahrs 1770 hatte unser Capitain eine Räuberbande in dem nahgelegenen Walde ausgehoben, und an das Justizcollegium abgeliefert. Sechs von diesen Bösewichtern zu brechen, und man kann denken, daß sie nicht ohne Vorsatz zur Rache waren. Es war in der Christnacht, als der Capitain länger als gewöhnlich seinen Betrachtungen nachgieng, und wie er hernach zu erzählen pflegte, eine [37] Ahnung von nahen Unglück empfand. Alles war still, und die Bedienten schliefen bereits. Plötzlich ließ sich unten im Hause ein schreckliches Getöse und ein verwirrtes Geschrey hören: „Mord! Mord!“ – Man setze sich in den Fall unseres Capitains! Muth ohne Urtheilungskraft und ohne Geistesgegenwart würde ihn verleitet haben die Treppe hinunter zu stürzen, um zu Hülfe, eigentlich aber ins Verderben zu eilen. Der Capitain aber, was that er? – Nachdem er den Kronleuchter im Saale mit brennenden Lichtern besteckt, und dadurch das Cabinet auf seinen Lehnstuhl zurück, eine Windbüchse in der Hand, und die andre an den Stuhl gelehnt. Noch vernahm er den Jammer, der von unten herauf erscholl. Endlcih ward es still, die Thüre des Saals öffnet sich, ein Mörder mit blutiger Keule tritt herein. Das unvermuthete Schauspiel so vieler Lichter, die Stille, das Menschenleere, macht ihn stutzen; doch setzt er seinen Schritt fort. In der Mitte des Saals faßt ihn aber der Capitain aufs Korn – hin stürzt er. Ein zweyter erscheint. Das blendende Licht, der getödtete Vorgänger – er fährt zurück, allein ehe er noch aus der Thür ist, liegt er ebenfalls hingestreckt. Nun eine Flinte, mit Wolfshagel geladen, zu Hand genommen, und abgewartet – Aber der Anblick des zweyten Räubers, dessen Frau die Thüre geöffnet hatte, mochte die übrigen schon von ferne zurückgeschreckt haben. Als der Tag dämmerte, gieng unser W... hinunter. Welch ein Auftritt! Seines Neffen Reitknecht; der mit Briefen hergesandt war, drey weibliche Domestiken, ein Lakay, und neben einen gerödeten Mörder sein [..] der Korporal, ein zweyter Trim; der in allen Schlachten ihn zur Seite gewesen war, und einmal den Säbelhieb eines ungarischen Husaren von seinem Scheitel abgehalten hatte, lagen in ihrem Blute.

     Was die gute Seele unsers W... bey diesem Anblicke gefühlt habe, können nur ihm ähnliche Seelen ganz empfinden. Die nächsten Verwandten der Ermordeten erhielten von ihm eine [lebenswierige] Pension, und den Korporal ließ er mit militärischen Ehrenzeichen beerdigen und eine Freundesthräne auf seinen Sarg fallen.