Mondnacht am Volta
[387] Mondnacht am Volta. (Zu dem Bilde S. 376 und 377.) Wir haben schon einmal unsere Leser in das Hinterland des deutschen westafrikanischen Schutzgebietes Togo, nach der Bismarckburg im Adeliland, geführt. Nachdem wir den Küstenstrich durchwandert hatten, rasteten wir in der Gebirgslandschaft, mitten unter einer im Fetischglauben versunkenen Bevölkerung. Dringen wir von dort noch weiter in das Innere vor, so gelangen wir auf einen Theil der Hochebene des Westsudan, einen weitausgedehnten Kessel, dessen Gewässer in dem Voltaflusse abströmen.
In diesem Gebiete überwiegt die Savanne mit niedrigem starren Grase; Affenbrotbäume sind häufig im Busch vertreten; hier wächst der Schibutterbaum, und die Tamarinde und der Wollbaum spenden in den Ortschaften den Schatten. Je weiter nach Norden man vordringt, desto mehr nimmt die Fruchtbarkeit ab, und in den Landschaften Grussi und Muschi ist es schon schwer, dem Boden etwas abzuringen.
In den letzten Jahren durchzogen deutsche Forscher jene Gebiete und François lernte auch hier den schlimmen Einfluß des Islam kennen. Aufgehetzt durch die Mohammedaner, setzten ihm die Grussi alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg, rüsteten sich zum Angriff und hatten sich schon in seine Sachen getheilt, bevor sie dieselben hatten. „Bei dem achtzehntägigen Marsch durch ihr Gebiet,“ heißt es in dem Berichte des Reisenden, „konnte ich nur mit dem Gewehr im Arme gehen und schlafen, jeden Augenblick eines Ueberfalls gewärtig. Das Schlimmste war, daß sie uns keine Lebensmittel verkauften und wir, zu Skeletten abgemagert, matt und schwach wurden.“
Auf dieser Hochebene betrug die höchste gemessene Temperatur 37°, die geringste 21° C. Die Abkühlung in der Nacht war viel unbedeutender als an der Küste. Das Wasser der Flüsse wie das Cisternenwasser war daher lau, der Dakafluß z. B. hatte im Juni 1888 eine Temperatur von 28° C. Auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft wird immer geringer, je weiter man nach Norden vordringt. Hier versagte die Spencerjagdflinte François’ ihren Dienst, weil das Oel durch die trockene Luft aufgesogen war. Aus demselben Grunde blieb in Gambaga seine Spieluhr stehen. Eine Tafel Chokolade, die er bis dorthin gebracht, hatte wohl ihre Form behalten, doch war alle Feuchtigkeit derart herausgesogen, daß sie beim Anfassen zu Mehl zerfiel.
Der Volta, der etwas weiter nördlich entspringt, ist hier bereits ein 150 bis 200 Meter breiter Fluß, der aber während der Trockenzeit stellenweise ganz wasserlos ist. Fälle und Stromschnellen machen ihn auf dieser Strecke unschiffbar. Bis dahin heißt er auch der „Weiße Volta“, der sich in seinem weiteren Laufe mit dem „Rothen Volta“ zu dem Amu oder dem Volta vereinigt. Wenige Meilen unterhalb der Vereinigung dieser beiden Arme liegt die Stadt Salaga mit etwa 10 000 Einwohnern. Sie besteht aus einer Ansammlung meist kreisrunder Gehöfte, mit unregelmäßigen Straßen und großen Marktplätzen. Die Straßen werden nie gereinigt, obwohl aller Unrath auf sie geworfen wird, und der Schmutz ist hier so gräßlich, daß selbst der einheimische Sultan vor ihm floh und seine Residenz in Pembi, eine Stunde südöstlich von Salaga, baute. Trotzdem ist Salaga unstreitig der bedeutendste Ort der Gegend, der Knotenpunkt für den Handel des oberen Volta, ja des ganzen Nigergebietes. Salaga liegt etwa 30 Kilometer von dem Flusse entfernt, der von hier ab schiffbar wird, aber nur auf eine kurze Strecke bis zu der Ortschaft Kratschi, wo ihn ein Wasserfall unterbricht.
Von Kratschi bis zur Mündung, die im englischen Schutzgebiete liegt, kann der Fluß von flachgehenden Fahrzeugen befahren werden, er hat bereits eine Breite von 250 Metern, aber immerhin ist es wegen der Stromschnellen und Sandbänke schwierig, Boote oder gar kleine Dampfer glücklich hindurchzubringen. Kratschi ist gleichfalls eine Handelsstadt, mit etwa 5000 Einwohnern, die zumeist vom Stamme der Ashanti sind.
Die Scenerie der Uferlandschaft wird jetzt anmuthiger. Unser Bild zeigt uns die Aussicht auf den Volta von einem kleinen, zwei Stunden südlich von Kratschi gelegenen Dorfe. Fr. Leuschner, der Maler unseres Bildes, schildert nach eigener Anschauung den Blick von einer nahen Hügelkette: „Es ist dieses Panorama zu vergleichen mit der Aussicht, die man vom Brauhausberge in Potsdam über die Havelseen hat, auch eine andere Stelle am Volta erinnert an unsere Mark, so daß man glauben könnte, man stände auf den Müggelbergen und schaute hinab auf die dortige Seenplatte.“ Die Ostseite des Flusses ist hier mit einem Galeriewald eingesäumt, im Westen dehnt sich eine weite Baumsavanne aus, eine parkartige Landschaft, in welcher zahlreiches Wild umherschweift, Antilopen, Büffel, Elefanten, und in welcher sogar Leoparden und Löwen hausen. Auch das Leben im Flusse ist ein reges; schon die Flußpferdschädel, die in den Dörfern als Sitze benutzt werden, weisen darauf hin, daß dort jene Dickhäuter nicht selten sind.
Fr. Leuschner führt uns sein Landschaftsbild am Volta in der magischen Beleuchtung einer Vollmondnacht vor. „Die Hitze des Tages,“ schreibt er selbst, „hat einer angenehmen Kühle, die sich allerdings noch immer auf 25° C. stellt, Platz gemacht. Die Ruhe und Stille der Natur ringsherum wird nur selten durch den Schrei eines Nachtvogels oder eines Affen unterbrochen – aus der Ferne klingt der melodische Gesang einer Karawane herüber. Sobald ein leiser Luftzug weht, rauschen die mächtigen Palmen auf, und wie ein Flüstern und Erzählen von den Wundern der Schöpfung geht es durch die Stille der Nacht. Magisch spielt das Mondlicht auf den Palmen und den breiten Blättern der Bananen, dazu der südliche Sternenhimmel! – wahrlich, es ist eine so feierliche und ernste Stimmung, die den Europäer inmitten der schönen Wildniß beschleicht, daß er sich schwer loszureißen vermag, um sein Zelt aufzusuchen, während die Schwarzen noch die halbe Nacht hindurch bei einem Schoppen Palmwein plaudern.“ *