Militairische Tracht und Strategie in China

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Militairische Tracht und Strategie in China
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 177–178
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[177]
Militairische Tracht und Strategie in China.

Nach Cobden, der das moderne England öffentlich im Parlamente der Feigheit und Liebedienerei gegen starke und der Renommisterei und Grausamkeit gegen schwache Völker beschuldigte, ohne daß ihm Palmerston, dem dies persönlich galt, die Beschuldigung widerlegen konnte, nach Cobden und andern Engländern hat die Palmerstonsche Politik nur deshalb so tollkühn und unconstitutionell gegen China gehandelt, weil man wußte, daß sie keine Kriegsschiffe, keine Rifles, keine Bombenmörser zu fürchten habe. Die Chinesen gelten als feig. Sie sind mindestens unkriegerisch. Ihr großes Land ist ein Garten. Jedes Fleckchen Erde, wenn auch von Natur noch so ärmlich, wird dahin gebracht, daß es seine Familie nähre, und sei es auch nicht größer, als bei uns eine große Stube. Alles treibt Acker- und Gartenbau. Dabei hat jedes Dorf seine Bibliothek, seine Zeitschrift, ja sogar seine Druckerei, wie der Engländer Martin aus eigener Anschauung schilderte. Dabei können sie nicht große Krieger sein. Sie sind zu civilisirt dazu. Sie waren zu anständig, zu gebildet, zu civilisirt, um sich im Schießen, im Hauen und Bombardiren zu üben. Sie hatten auch keine Feinde in ihrem großen himmlischen Reiche. Seitdem aber die „rothborstigen Barbaren,“ wie die Engländer von ihnen genannt werden, durch den „Opiumkrieg“ sich Eingang, mindestens in fünf Häfen, und die Colonie Hongkong erzwungen haben (seit 1843) gab’s viel Feindschaft und Kampf und Aerger und seitdem sollen sie auch bessere Soldaten geworden sein. Wenigstens kamen bei und nach dem Bombardement Cantons Beweise ihrer Tapferkeit, ihrer bis zum höchsten Grade gesteigerten Wuth vor. Sie führen einzeln und in Massen einen förmlichen Vertilgungskrieg gegen alle Fremden, welche Lüge, Betrug, Opium Gift und Bomben importirten, statt der versprochenen Freundschaft und „westlichen Civilisation.“ Dabei sind sie militärisch freilich der europäischen Kriegskunst nicht gewachsen, so daß sie den Engländern bei fortgesetztem Kampfe wohl wieder unterliegen werden, wenn Wuth und grimmig beleidigte Nationalität nicht diese Kunst ersetzen.

Chinesische Officiere.

Interessant ist’s unter diesen Umständen, etwas von der chinesischen Militärdisciplin zu erfahren. Die Soldaten sehen in [178] unsern Augen lächerlich aus. Sie haben zu viel flatteriges, burlesk zugeschnittenes und besetztes Zeug um sich, gefranzte Umschlagetücher um den Leib gewickelt, hinten einen Panzer auf dem Allerwerthesten, dann wieder oben um die Schultern eine Art von Umschlagetuch, darunter lederne und bei Officieren reich gestickte Panzer an Brust und Leib und mancherlei seltsame Kopfbedeckungen, darunter auch eine Art von Helm mit Federbusch, der an den preußischen erinnern würde, wenn er nicht kleiner, kappenartiger und geschmackvoller wäre. Andere Kopfbedeckungen gleichen der Nachtmütze unserer guten Tante, nur daß sie von Leder sind, andere nehmen die Figuren von Drachen und andern Ungeheuern an, die über den Gesichtern der Soldaten gar gräßliche Fratzen in die Luft hineinschneiden und den Feind schon in der Ferne zu fürchten machen sollen.

Unsere Abbildung, Copie einer Zeichnung von einem chinesischen Maler, die Martin mitbrachte, gibt eine Anschauung von diesem Militärcostüm, wenigstens der Officiere. Sämmtliche Figuren stellen Uniformen verschiedener Officiergattungen dar und sind, nach Martin’s Zeugniß, getreu nach der Wirklichkeit. Die üblichsten Waffen sind Lanzen, Bogen, Schwerter, sensenartige, aber gerade aufstehende und in der Scheide fünffach gebugte und gespitzte Lanzensäbel (wie die der mittelsten Figur im Vordergrunde) und Luntenflinten, die wie Kanonen mit der Lunte abgefeuert werden. Letztere finden wir mit unserer hohen Mordgewehrcultur lächerlich. Aber auf dem Standpunkte der Leben begünstigenden und erfreuenden, statt en gros mörderischen Civilisation müßte dies just bei dem Volke, welches das Pulver, wie die Buchdruckerkunst u. s. w. ein Paar Jahrtausende früher erfand, wie wir, als Ruhm gelten. Dabei sind sie besonders geübt und gefürchtet mit dem kurzen Schwerte und der Tartsche, dem alten Schilde, so daß sie wie Homerische Helden und wie Männer fechten. Ein Gewehr kann jeder Feigling losschießen und Männer damit durchlöchern aus weiterer, sicherer Ferne. Sie stehen also, nach dem Handschwert und der Tartsche, als ihren Hauptwaffen, zu schließen, moralisch höher als Krieger, wie wir mit unsern weithintragenden Mordgewehren. Auch in der Taktik und Strategie sind sie nicht zu verachten. In ihren Ein- und Abtheilungen herrscht die Zahl Fünf, wie in ihrer Philosophie und Mythologie (der chinesische Maler hat auch fünf Figuren gezeichnet, wie dies auch sonst Styl sein soll). Die Soldaten gruppiren sich in je fünf. Zweimal fünf solcher Fünfen sind, was wir eine Compagnie nennen würden. Dreimal fünf Compagnieen heißen eine „Chin“ (Bataillon). Die Officiere vertheilen sich ebenfalls in Gruppen und Rangstufen zu fünf. Ein Bataillon besteht mit Officieren aus 450 Mann. Im Felde und beim Manövriren gehören je dreißig Compagnien zusammen, die in bestimmten Figuren sich aufstellen und bewegen. Diese Figuren haben einen gemeinschaftlichen Namen „fliegender Drache,“ „zerstörende Wolke“ u. s. w. Jede solche Figur hat acht Spitzen, entsprechend den acht „Kwa“ ihrer Philosophie, den Grundstoffen der Elemente (unser Militär frägt nicht nach Philosophie). Acht Bataillone bilden für Schlachten ein solides Carré mit den commandirenden Officieren in der Mitte. Dreimal acht Bataillone mit der Hälfte disciplinarisch ausgebildeter Soldaten formiren sich vor diesem lebendigen Quadrat und der Basis zu zwei halbcirkelförmigen Linien. Die erste hat in der Schlacht den ersten Angriff zu machen oder dem Feinde Trotz zu bieten, während die zweite Linie und das Quadrat der Basis ruhig stehen bleiben. Zwölf Bataillone greifen an oder halten dem Feinde Stand. So wie eine der zwölf zurückgetrieben oder kampfunfähig wird, rückt ein frisches aus dem zweiten Halbkreise hervor. Es wurde der alten römischen Strategie nachgerühmt, daß sie jeden Feind drei Mal mit frischen Truppen angriff. Die Chinesen greifen aber, nach obigen Aufstellungen zu schließen, vierundzwanzig Mal mit ganz frischen Truppen an, ehe es dem Feinde gelingen kann, den Kern, das Carré, selbst zu attakiren.

Die Engländer werden trotz des Tadelvotums gegen Palmerston den Kampf gegen China fortsetzen oder erneuern. Mit Bomben aus den schwimmenden Kriegspalästen ist’s weder eine Kunst, noch eine Ehre. Wir wollen sehen, wie sich Engländer und Chinesen auf festem Boden und in ordentlicher Schlacht einander gegenüber bewähren werden.