Mietschulden, Urteil und Widerspruch
Einleitung
BearbeitenDas vorliegende handschriftlich angefertigte Dokument beinhaltet den Urteilsspruch gegen Freiherr Georg von Uslar, welcher von der Kriegs- und Domänenwitwe Schantz 1771 auf ausstehende Miete verklagt wurde und den Widerspruch des Georg von Uslars gegen das Urteil. Das Urteil besagt, dass der Student der Witwe Schantz die Hausmiete für ein dreiviertel Jahr schuldig sei. Woraufhin Georg von Uslar, ein Jurastudent, Widerspruch einlegt.
Im 18. Und 19. Jahrhunderten machten Klagen wegen nicht beglichener Forderungen bis zu 50 Prozent der Verfahren vor dem akademischen Gericht aus[1], auch der vorliegende Fall gliedert sich hier ein.
Das vorliegende Dokument gibt auch Einblicke in die im 18. Jahrhundert gängigen ‚Gewohnheiten‘ zur Vermietung von Studentenzimmern. Wie von Uslar in seinem Widerspruch anführt war es gewöhnlich Zimmer für ein halbes Jahr zu vermieten: „daß auf Universitaeten ein Student nicht auf ein gantzes Jahr ein Logis miethet, sondern von Halb Jahr zu Halb Jahr.“ Dies bezieht sich auf die Aufteilung des Jahres in zwei Semester an der Universität. Die Witwe Schantz forderte jedoch die Miete für ein dreiviertel Jahr ein.
Die Witwe des Kriegs- und Domänenrats Schantz und Freiherr Georg von Uslar
BearbeitenAnna Christine Schantz (geborene Rückersfeld), die Witwe des Kriegs- und Domänenrat Gideon Schantz, vermietet ab September 1769 mehrere Zimmer in ihrem Haus. Anna Christine Schantz wird namentlich nicht in den vorliegenden Dokumenten erwähnt, sie wird nur als Witwe des Kriegs- und Domänenrats Schantz bezeichnet. Jedoch lässt sich anhand des Marburger Sippenbuches[2] einiges über sie und ihren Mann erschließen. Nachdem ihr Ehemann im Januar 1769 verstarb, vermietete die Witwe mehrere Zimmer in ihrem Haus. Darunter auch an Freiherr Georg von Uslar gegen den sie Klage wegen ausstehender Mietschulden einreicht. 1772 ist im Sippenbuch angegeben, dass die Witwe „ihr Haus und den Garten am Biegen freiwillig verkaufen“ will.[3] Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei dem Haus am Biegen um das Haus handelt, in dem auch Georg von Uslar ein Zimmer mietete.
Anna Christine Rückersfeld wurde vermutlich 1710 in Frankenberg/Eder geboren, wo sie auch 1729 Gideon Schantz heiratete. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor. Sie starb 1782 in Kassel.
Ihr Ehemann Gideon Schantz wurde 1701 in Morschen geboren und heiratete 1729 Anna Christine Rückersfeld. Ab 1741 kann er als Amtmann zu Frankenberg nachgewiesen werden[4], zuvor war er Rentmeister zu Frankenberg[5].
Über Georg Friedrich Leo von Uslar ist weniger bekannt. Er wurde 1750 in Bodenfelde, einer Gemeinde in Niedersachsen, geboren, heiratete 1778 Luise Eleonore Christiane von Münchhausen und starb 1812 in Scharnebeck, einer weiteren Gemeinde in Niedersachsen. Er entstammt einem alten niedersächsischen Adelsgeschlecht – Uslar-Gleichen.In der Matrikel von 1770 findet sich ein Georgius Fridericus Leo ab Uslar, Hannoveranus, der sich im April eingeschrieben hat.[6] Aus dem gegen ihn ergangenem Urteil wird ersichtlich, dass es sich bei ihm um einen studiosus iuris handelt, einen Jurastudenten. Seinem Studium entsprechend legt er Widerspruch gegen das Urteil ein und führt verschiedene Gründe an, warum er die Hausmiete nicht vollständig schuldig sei.
Editionsrichtlinien
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[1]
- Bescheid
- In Sachen
- des Kriegs- und Domainen-Rath Schantz nachgelassenen Witwe Klägerin
- wider
- den Studiosum iuris George von Uslar aus dem Hanöverischen, jetzo alh[ier] Beklagten
schuldige Haußmiethe
betreffend.
Wird diese Sache, nach ihrer Beschaf- /
fenheit ex officio dahin abgethan, /
daß Beklagter schuldig seyn, der /
Klägerin die Haußmiethe quaest[ionis] /
von Drey Viertel Jahren zu bezah- /
len, und ist demselben zu deren /
abtrag, jedoch nach abzug, der ab- /
schläglich bezahlten einen Louisd’or /
à sechs R[eic]h[s]t[a]l[e]r, eine Frist von acht //
[2] Tagen bey Vermeidung Ordnungs- /
mäßiger Zwangs-Mittel hiermit /
bestimmt. V[on] R[echts] W[egen].
In vim publ. jeden Theil behändiget /
Marburg d. 14ten Januar 1771
Joh. Gottl. Waldin[7]
p. A.[vermutlich 'pro anno'] Pro-Rector
[3] Magnifice Domine Pro-Rector
Magnifice Domine Cancellarie
Hochwürdige, wohl[edle] und gestrenge Fest / und Hochgelahrte zur Hochlöblichen Universitaet Hochverordnete Herrn Decani Doctores / und Professores
- Insonders Hochzuverehrende Herrn
Nachdem d. 14ten dieses a[nni] c[urrentis] von Sr. Magnificenz /
ein Bescheid zwischen mir Provocanten /
an einem entgegen des Kriegs- und Domainen /
Rath Schantz nachgelassene Wittib alhier /
Provocatin am anderntheil schuldigen //
[4] Haußmiethe betreffend, dahin ist ertheilt worden /
in Beylage sub [Verweiszeichen auf Anlage] zeigt, wodurch ich mich aber /
beschwerd befinde deshalber ich Provocant da- /
wider die Provocation ad Senatum d[en] 27ten huj[us anni] /
erhoben und die Beschwerde einreichen auch solche /
rechtfertigen wollen, und mir alle zustatten /
kommende Rechts-Wohlthaten vorbehalten. /
Da ich nun durch ertheilte Bescheid sehr /
gravirt[8] worden bin, und zwar
Grav[amen] I | daß S[eine]r Magnificenz unerhebl. auch irrige /
anbringungen von Seiten der Fr. Provocatin / zugelaßen, und selbige als War und erwiesen angenommen habe, da derselbe doch / sothaner Hülfe ohngeacht Fr. Provocantin / sofort vertheilen und auf den Sträcklichste / Hülfe vollstreckung hätte antragen sollen // |
Grav II | daß ich Fr. Provocatin von dreyvierthel Jahre /
die Haußmiethe quaes[tionis] bezahlen soll da ich nicht vor / mich, sondern auf Befehl meines Vaters das Logis / verlaßen mußte, mithin dann es mir nicht imputirt / werden und gezwungen werden eine 3/4 jährige Hauß / Miethe zu zahlen da ich verbunden bin dem Befehl / meines Vaters zu gehorchen, sodann militirt / |
Grav III | / vor mich daß auf Universitaeten ein Student nicht auf /
ein gantzes Jahr ein Logis miethet, sondern von / Halb Jahr zu Halb Jahr; ferner bin 4 Wochen vor / |
Grav IV | / Michaeli[9] ausgezogen, folgl[ich] das halbe Jahr das Logis
quaes[tionis] nicht gebraucht habe, auch das Logis sogleich / wieder vermiethet werden können. Als ergehet an / Ew. Magnificenz , Hochwürdige, Wohl- und Gestrenge Fest- / und Hochgelahrte zur Hochlöbl. Universitaet Hochver- / ordnete Herrn, Decani Doctores und Professores meine Unterthänige Bitte sententia a qua dahin zu reformiren |
- Daß Fr Provocatin mehr nicht denn die halb- /
- jährige Miethe zu zahlen schuldig sey, nach abzug /
- der schon vorausbezahlten Louis d'or cum refusione /
- expensarum[10].
Desuper gg.
Ew. Magnificenz
Unterthänigster
Diener
Georg Fr. v. Uslar.
Marburg d 29ten Janr.
d. a. 1771
- conc[eptum] Fr. U. Pfau.
- Adv[ocatus] immatr[iculatus]
[5] Georg Fr. v. Uslar, Studiosus
iuris alhier Provocant
C[on]tra
des H[er]r[n] Kriegs- und Domainen Rath
Schantz hinterlassene Wittib
Provocatin
P[unc]to Haußmiethe
betreffend
Bittet ut intus
- ↑ Vgl. Woeste 1986: 59
- ↑ Marburger Sippenbuch
- ↑ Marburger Sippenbuch 18/185
- ↑ HStAM, 40 a Rubr. 04, 4775. Verabfolgung der Bestallungshammel an den Amtmann Gideon Schantz zu Frankenberg
- ↑ HStAM, 40 a Rubr. 04, 4756. Bewerbungen um die vakante Rentmeisterstelle zu Frankenberg und deren Wiederbesetzung mit Gideon Schantz aus Morschen
- ↑ Marburger Matrikel 1760-1778.
- ↑ * 28.10.1728 Gera, † 13.7.1795 Marburg Prof. Dr. phil. – Hochschullehrer, Mathematiker. Prorektor des Jahres 1771.
- ↑ 'graviren': von lat. gravare. In juristischer Terminologie allg. 'belasten', mit einem Gerichtsurteil, einer Schuld oder Verdacht. Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, https://www.woerterbuchnetz.de/DWB, abgerufen am 22.02.2021.
- ↑ 29. September
- ↑ 'refusio expensarum': von refundere. Wörtlich "Rückfluss", "Rückübertragung". Vgl. Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover 81918 (Nachdruck Darmstadt 1998), Band 2, Sp. 2275. Im Kontext: Ein Angebot zur Zahlung der halbjährichen Miete unter Abzug der angefallenen Prozesskosten.
Anmerkungen (Wikisource)
Literatur
BearbeitenWoeste, Peter (1986) Akademische Väter als Richter. Zur Geschichte der akademischen Gerichtsbarkeit der Philipps-Universität unter besonderer Berücksichtigung von Gerichtsverfahren des 18. und 19. Jahrhunderts (Marburg).