Textdaten
Autor: Anton Birlinger
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Titel: Michael Richard Buck †
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aus: Alemannia, Band XVI, S. 281–285
Herausgeber: Anton Birlinger
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Peter Hanstein
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Erscheinungsort: Bonn
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Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung: Nachruf auf Michel Buck
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MICHAEL RICHARD BUCK †

Am 15. September dises Jares starb zu Ehingen a. D. in Wirtemberg unser alter Freund und Mitarbeiter in dem besten Mannesalter. Er zälte erst 56 Jare! Vil zu früh der leidenden Menschheit seines Berufskreises, der Wißenschaft, den lieben Freunden und vor Allem den Seinigen! Die Trauer war eine allgemeine. Von Nah und Fern kamen die Leidtragenden, sie die jezt in hohen Würden stehen, wie die Bürger und Bauern um Buck das lezte Geleite zu geben. Ein hartes Geschick ließ in mermаls ins Grab seiner Kinder schauen, deren bester liebevollster Vater er war, wie alle Welt weiß. Er sah die Zal der Tübinger Commilitonen, jene berümte Tafelrunde urgermanischer oberschwaebischer Gestalten nach und nach hinsinken: nun muß er die Reihe schließen! Dise Schicksalsschläge ließen tiefe Furchen in dem einst so fröhlichen humoristischen Freunde zurück; dazu kamen noch körperliche Leiden, die sich bald mer bald weniger peinlich gebärdeten. – Bucks ganzes Leben war nur eine Kette von Arbeiten. Was Zeit er seinem Berufe abgeizen konnte, verwendete er auf Volkskunde, Sprachforschung und [282] zwar nach streng wißenschaftlicher Methode. Und wenn er auch einmal dagegen verstieß, so war nur die Ueberfülle den gesammelten Stoffes, der sich vor im auftürmte, schuld. Ein Son aus dem Volke (Ertingen b. Riedlingen ist sein Heimatort) war er dichterisch angelegt: er sah in Sage, Sitte, Sprache, Rechtsgebräuchen nichts als Poesie und hatte darum auch mer denn einer Geschick im Auffaßen, Niderschreiben des Volkstuemlichen. Er hatte sich so eingetaucht in dise Studien, daß es im in Fleisch und Blut übergieng. Seine Begeisterung erstreckte sich dermaßen weit, daß er sogar seinen Kindern altdeutsche Namen gab, änlich dem unvergeßlichen † von Schönwerth in München. Also den Anfang seiner Studien machte Buck mit Sagen, Sitten und Gebräuchen, eigentlich die einzig richtige Türe um in das Heiligtum des altdeutschen Lebens und Treibens zu gelangen. Des sind uns lebendige Vorbilder die Schepfer der germanischen Wißenschaft: die Brüder Grimm. Nur wer disen Weg gegangen, wird sich wol und warm in jener einleben können. Das sagte mir Jakob Grimm mer denn einmal selbst. Und so fanden wir uns denn zusammen, vereinigten unsere schon als Studenten aufgeschribenen Sagen, Sitten, Aberglauben. Herder in Freiburg i. B. erbot sich als Verleger. Das Werk ward in 2 Bänden ausgegeben; beim ersten war Buck reichlich beteiligt, beim zweiten weniger. Seine Aufname gestaltete sich zu einer äußerst glänzenden und für uns ungemein schmeichelhaften. Wir sammelten weiter, jeder unabhängig vom andern. Meine Uebersidelung nach München, Breslau, Berlin, Bonn hinderte den persönlichen Verker. Briefe liefen natürlich zeitweilig hin und her. In meinem „Aus Schwaben“ sten noch Beiträge Bucks (1874), die aber alle in die frühere Zeit zurückreichen. Desgleichen die Alemannia XI 101 ff. mitgeteilten Hexensachen: Malefizgericht und Ordnung, was nach Ausspruch von Kennern der Sparte Sittengeschichte zu dem besten zält; angereiht sind S 108 ff die Hexenproceße aus Oberschwaben. B. wollte aber bei all disen Artikeln die Jareszal der Abfaßung bemerkt wißen. Im Jare 1865 schon fand er sich, scheint es, mit dem Aberglauben, besonders in mediz. Hinsicht, ein für allemal ab. Andere sittengeschichtliche Arbeiten holte er für die Verhandlungen des Vereins für Kunst- und Wißenschaft in Ulm und Oberschwaben aus seiner Mappe hervor. Ich meine die schöne Arbeit „das freie Handwerk der Keßler in Oberschwaben“ 1872. 4. Heft S 9–20; ferner „über die Judenschaft in Aulendorf“ 7. Heft S 30. Die Geschichte der Fischerei oder Buchauer Seebriefe 6. Heft S 10, sind sprachlich und sittengeschichtlich ser wichtig und müßen ein Lieblingsthema gewesen sein, denn s. jüngste Schrift „auf d. Bussen“ kommt mit sichtlicher Lust wider darauf zurück, wie denn auch die Sagenbilder alter Tage da nochmal aus dem Nebeldunste aufsteigen.

Eine diser schwankenden Gestalten heftete er besonders [283] fest, weil es im seine liebe Mutter erzälte: es ist St. Luib, dem er den andern Volksheiligen St. Habnitle auf der Waldburg beigab. Alemannia VIII 278. Die Gegend von Königseggwald, Hohentengen war für Volksüberliferungen günstiger Boden. Als Buck aber nach Aulendorf kam (1866), da zeigten im die Heinzelmännchen ganz andere Schazbehälter und zeigtens im ganz one Rückhalt, weil die alten Geister zum Voraus wißen konnten, er werde keinen Misbrauch davon machen, er werde den Schäzen ir Gewand laßen und nichts ändern und verschlechtern, was sie nicht leiden mögen. Nachdem Buck noch der Herkunft der 7 Schwaben nachgeforscht hatte, und auf Grund einer Laßbergischen Notiz zu sichern Resultaten gelangt zu sein schin (Pfeiffer-Bartschs Germania), was ich in m. Alemannisch. Sprache 1868 (Berlin) übrigens merere Jare vorher auf derselben Grundlage bewis und Buck entgangen sein muß, forschte er in Sagen nicht mer weiter nach. In Aulendorf und villeicht noch vorher kam Buck hinter die alten Mediziner und Botaniker. Theophrast Раrac. ward nach allen Seiten besonders sprachlicher ausgebeutet. Ich erhielt manche Zettel daraus. Er hatte sich sogar dessen Sprache angeeignet, was seinen Reden, die ser gesucht waren, seinen Festspeisezetteln, auch Recensionen einen eigenen Reiz verlih. Paullinis Dreckapotheke, und ein altes nach Basel gewandertes mediz. Curiosum, einst Dr. Fischers in Weingarten Eigentum, figurieren in seinen mir gegebenen Excerpten immer wider. In wie weit er sich praktisch in dise höchst merkwürdige Litteratur einließ, mag er allein am besten gewußt haben.

Neben disem Schepfen von Sprachschäzen gieng das Studium der deutschen Grammatik her, besonders des altdeutschen Sprachschazes. Durch das Aulendorfer Manuskript von Richentals Concil von Konstanz ward Buck auch auf ältere deutsche Texte gefürt. Mit warer Freude sehen wir in schon damals mit dem Plane einer Ausgabe, die heutigen Anforderungen entspricht, sich tragen, die denn auch, aber erst nach 10 Jaren im Litterarischen Verein zu Stuttgart-Tübingen erschinen ist. Schon Anfang der 70ger Jare schrib Buck in die Ulmer Verhandlungen (3. Heft S 1 ff.) über Richentals Kronik, desgleichen nach dem Erscheinen des Werkes in die Zeitschrift für Geschichte des Oberrheines. Wir sehen hieraus, daß er sein Lieblingswerk immer und immer wider hegte und pflegte, durch Nachträge vervollkommnete.

Wichtiger ist der Anfang der Flur- Orts- und Personennamen-Studien, der in Aulendorf gemacht ward. Ob schon in Hohentengen vil geschehen, weiß ich nicht. Für das große Publikum erschinen in dem Stuttgarter Blatte, wenn ich nicht irre, trug es den Namen „Volkszeitung“ eine Anzal Artikel über unsere Flurnamen с. 1866. Eine Ueberfülle von Belegen und von kundiger Deutung. Nun gieng es Schlag auf Schlag; beinahe jedes Jar brachte einschlägige Aufsäze. [284] In den Ulmer Verhandlungen Heft 5 S 46 ff. stet eine Abhandlung über Oberschwaebische Orts- und Familiennamen. In Pfeiffer-Bartschs Germania eine über die Ortsnamen auf – losen 16, 294; über Teck, Aalbuch, Aaldorf, Aulendorf; über die ON auf – ern, – arn; Zusammensezungen Hummel, Hungerbühl, Dürbheim, Faudach, Federbach, Federsee 17, 449. Geschlechtsnamen auf – eisen 19, 62 fl. In den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung finden wir Abhandlungen über den Namen Ueberlingen (deutsch, nicht keltisch) 11, 111; Lindau 4, 99 ff; Namen des Bodensees, Bedeutung 2, 82 ff. Zur Ethnologie der Bodenseegegend 3, 18 ff. Die Württemb. Vierteljareshefte enthalten beinahe in jeder Nummer Beiträge dises Inhaltes. Die Mitteilungen für Geschichte Hohenzollerns brachten seiner Zeit lange Abschnitte über die hohenzoll. Orts- u. Flurnamen, wo Buck so recht sein Füllhorn auszuschütten Gelegenheit hatte. Er zieht aus seinem reichen Schaze vil Material herbei.

Langer Jare der Mitarbeiterschaft hatte sich die Alemannia zu erfreuen. Der 2. Jargang S 65 ff brachte eine kulturhistorische Partie, den wichtigen „Werggliachet z’ Aittinga“ in gebundener Rede. Bd. 7 enthält Mitteilungen aus dem Ertinger Dorfbuch. Wichtig ist Bd. 8 mit dem gelerten auch weit über die vaterländischen Grenzen hinaus bewunderten Aufsaze über unsere „Flußnamen“. Wir sehen wie unsere ältesten derartigen Namen nach Italien und Frankreich hineinragen, früher also Gemeingut hüben und drüben waren. „Eine Vergleichung, heißt es S 115, unserer alten Flußnamen mit den Namen der Flüße des alten Galliens, Britaniens, Spaniens, Italiens fürt zu der überraschenden Warnemung, daß sie alle, nicht nur in irem Gefüge, sondern häufig in irem Wortlaut genau übereinstimmen. Nachdem Bd. 9 u. 10 noch gelerte Artikel über oberdeutsche Familiennamen, oberdeutsche personifizierte Lokalnamen auf -ler, über Kunkel (Grenzmarken) Troje, Traje, Tobel brachten; Bd. 13 altburgundische, elsaßische, welsche Ortsnamen usw. enthält, kommen wir zur Krone von Bucks Forschungen, zu den Rätischen Ortsnamen 12, 209 ff. Biß dahin hatte Buck meist nur mit deutschen Flur- und Ortsnamen operiert, wie sein Namenbuch (1880) zeigt; sind im aber längst darunter fremde Gäste unheimlich gewesen und um ire Herkunft zu erspüren, bereicherte Buck sein umfaßendes altdeutsches Wißen noch mit den romanischen Sprachen nach irer ältesten Entwicklung und vor allem mit einer gründlichen wißenschaftlichen Aneignung der keltischen Grammatik. Anfangs ob der neukeltischen Bestrebungen behufs Erklärung unserer ältesten Ortsnamen ärgerlich, wandte er sich davon ab, biß die Notwendigkeit an in herantrat, doch daran zu glauben und zu bekennen, aber nur an das älteste erreichbare Keltisch. So kommt es, daß Buck uns einerseits durchs Keltische und anderseits durch das sog. Etruskische, [285] Rätische, Rasenische sicher hindurchfürt. Die Steubschen Träume[WS 1] sollten zuerst fallen, an denen unsere Gelerten seit Langem wie an einem Osterknochen zerten.

Die „Rätischen Ortsnamen“ haben mit Recht großes Aufsehen gemacht. Dise Namen standen lange Zeit im Rufe gänzlicher Unverständlichkeit. Sie sind aber, sagt Buck, weniger deshalb unverstanden gebliben, weil sie etwa einer unbekannten Sprache angehören, als vilmer darum, weil sie, obwol gröstenteils Kinder der lateinischen, beziehungsweise romanischen Mutter, von romanischen Völklein, die alles Schrifttums entberen, die die Formen irer Mundarten früher niemals fixierten und ire Muttersprache durch alle möglichen Sprachbequemlichkeiten verunstalteten, schon ser früh in irem ursprünglichen und klaren Wortgefüge, unkenntlich gemacht worden sind. Ich finde, sagt Buck weiter, daß in Rätien die Zal der vorromanischen Namen nicht größer ist als die der vordeutschen Ortsnamen in Schwaben und Baiern. Seit die Romanisten die rätoromanischen Dialekte genau durchforschen, stellt sich heraus daß diser Sprachschaz zu 60–65% aus der lateinischen, 30% etwa aus der deutschen Sprache stammt.

Steub sah ein, daß sein Gebäude nun nicht mer dem heutigen Stande der Wißenschaft entspreche, wollte einen Neubau auffüren auf Grund von Bucks Forschungen, allein auch in hat der Tod hinweggerafft.

Wir nemen Abschid von dem Freunde, dem Gelerten, dem Arzte, ja auch von dem Dichter, worüber ein andermal. Buck wird mit jedem Jare mer Anerkennung in der Gelerten Welt finden.

ABIRLINGER     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Traüme