Melpomene/Band 2/092 Bei dem Grabe eines armen mit seinem Stande zufriedenen Mannes

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aus: Melpomene
Seite: Band 2, S. 240–242
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92. Bei dem Grabe eines armen mit seinem Stande zufriedenen Mannes.

Melod. VI.

1. Nun endlich ruht von seinen schweren Leiden
Der arme stille Dulder hier im Grab;
Er mußte hier entbehren viele Freuden
An seines Lebens knottenvollem Stab.
Er war jedoch mit seinem Stand zufrieden,
Und sehnte sich nach keinem Erdengut,
Und brachte doch sein Lebensglück hienieden
Auf achtzig Jahr bei seinem frohen Muth.
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2. Er hatte manche Woche, manche Tage,
Kein Stäubchen Mehl, und keinen Bissen Brod,
Und fühlte oft des Hungers harte Plage,
Und Niemand half ihm in der größten Noth;
Allein er fiel Niemanden doch beschwerlich,
Und klagte nur sein Leiden Gott allein,
Und eh er es zu betteln wagen würde,
So würd er eher hungerstorben seyn.

3. Er suchte vielmehr durch ein frommes Leben
Sich Schätze für das Reich der Ewigkeit,
Und seinen Geist zum Himmel zu erheben,
Voll Sehnsucht nach der grenzenlosen Freud.
Er strebte nach dem Wohlgefallen Gottes,
Und that Verzicht auf allen Erdentand,
Um auf der Bahn des göttlichen Gebothes
Zu kommen dort ins wahre Vaterland.

4. Am Ende kam die heiß ersehnte Stunde,
Die ihn von jeder Erdenqual befreyt,
Er blieb mit Gott im ungetheilten Bunde,
Und machte sich zum guten Tod bereit.
Jedoch er hatte namenlos zu leiden,
Bis Gottes Liebe sprach: es ist genug,
Und, voll der Sehnsucht nach den Himmelsfreuden,
Sein armes Herz zum letztenmale schlug.
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5. So starb er, Gottes Willen ganz ergeben,
Bereute seine große Sündenschuld,
Und immer gieng sein einziges Bestreben
Nach Gottes grenzenloser Vaterhuld.
Wir können nun die süsse Hoffnung nähren:
Gott werde seiner Seele gnädig seyn,
Und sein inbrünstiges Gebeth erhören,
Und ihm die ewig wahre Ruh verleihn.

6. Lasst uns daher auf alle Erdenfreuden
Verzichten, eh sie uns der Tod entreisst,
Und stets geduldig tragen alle Leiden,
Die uns die Liebe Gottes tragen heißt:
Dann möge später, oder bald, erscheinen
Die Todesstunde nach des Höchsten Wort;
Sie wird auf ewig uns mit Gott vereinen,
Und allen Seligen im Himmel dort. –