Melpomene/Band 1/057 Bei dem Grabe eines Mannes, der bei einem Diebstahl ums Leben kam

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 194–200
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[194]

57. Bei dem Grabe eines Mannes, der bei einem Diebstahl ums Leben kam.

Melod. I.

1. Hier hat ein junger Bösewicht
Sein frühes Grab gefunden;
Denn ach! es ist sein Lebenslicht
Bei einer That verschwunden,
Die durch das siebente Geboth
Der heilige, gerechte Gott
Bei Strafe streng verbothen.
[195]
2. Er hatte früh das Stehlen schon
Gelernt von seinen Eltern,
Und nahm sich selbsten seinen Lohn
Aus seiner Herren Behältern,
Wo er als Bub in Diensten stand,
Und wußte mit geschickter Hand
Schon Schlösser aufzumachen.

3. Und wenn er dann nach Hause kam
Mit den gestohlnen Sachen,
So strafte man ihn nicht und nahm
Dieselben an mit Lachen,
Und sagte: Büble! bring nur mehr,
Und pflantzte so die böse Lehr
Schon früh in seinen Busen.

4. Auch war er bei der größten Kraft
Dem Müsiggang ergeben,
Genoß dabei den edlen Saft
Der Gerste und der Reben
In einem großen Übermaaß;
Es war daher kein Wunder, daß
Hiezu das Geld ihm fehlte.

5. Er sah daher mit steter Lust
Nach anderer Vermögen,
Und ließ umsonst in seiner Brust
Sich das Gewissen regen,
Das ihm das fremde Gut verboth,
Und mit gerechter Strafe droht,
Wenn ers entwenden sollte.
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6. So konnte er den starken Trieb
Zum Stehlen nicht bezähmen,
Und ward ein abgerichter Dieb,
Und ließ nicht ab vom Nehmen,
Wenn er dazu Gelegenheit,
Und zum Verborgenseyn die Zeit
Ausfindig machen konnte.

7. Zu diesem End benutzte er
Den Tag zum Spioniren,
Und schlich dann bei der Nacht umher
Die Plane auszuführen,
Die er am Tage ausgedacht,
Und suchte weislich den Verdacht
Auf andere zu lenken.

8. Doch wollte seine Dieberei
Bei weitem nicht erklecken
Die Schulden seiner Schwelgerei
Und Spielesucht zu decken;
Er schlug daher geheim ins Ohr
Dem Wirth ein Zahlungsmittel vor,
Und ihm ein Schwein zu liefern.

9. Er kannte nemlich seinen Mann
Im hehlerischen Wirthe,
Und wußte, daß mit diesem Plan
Er sich bey ihm nicht irrte;
Der Wirth nahm diesen Vorschlag an,
Und dieser Bösewicht began
Denselben auszuführen.
[197]
10. Er gieng daher bei schwarzer Nacht
Zu dem bekannten Stalle;
Der Thüre Schloß ward aufgemacht;
Und im Entdeckungsfalle
War er schon auf die Flucht bereit,
Wo ihn die große Dunkelheit
Vor dem Erkennen schützte.

11. Er passte auf: da rührte sich
Kein Mäuschen auf die Weite;
Er faßte also Muth und schlich
Sich näher seiner Beute,
Kroch langsam in den Stall hinein,
Und tappte nach dem zahmen Schwein,
Um es beim Kopf zu fühlen.

12. Er suchte also nach dem Ohr,
Und schmeichelte dem Schweine,
Dann zog er einen Stein hervor,
Und schlug mit diesem Steine
Das Schwein so heftig ins Genick,
Daß es im ersten Augenblick
Sich nicht mehr regen konnte.

13. Er nahm die hintern Füß’ und band
Zusamen sie mit Stricken,
Wodurch ein großes Loch entstand,
Und schwang es auf den Rücken
Und stekte seinen Kopf hinein,
Um so das zentnerschwere Schwein
Bequemer fortzutragen.

14. Er kam, mit seinem Raub beschwert,
Zum Zaun von einem Garten,
[198] Der ihm den Übergang verwehrt;
Doch, ohne lang zu warten,
Erstieg er schnell des Zaunes Höh.
Auf einmal glitschte er, o weh!
Und blieb am Zaune hangen.

15. Die Last des Schweines blieb zurück,
Bei dem Hinüberstürzen;
Da würgte ihn am Hals der Strick,
Sein Leben abzukürzen,
Und schnürte seine Kehle zu;
So ward sein Athemzug im Nu
Gehemmt in seinem Halse.

16. Er hatte zwar sich aufgerafft,
Fiel aber wieder nieder;
Denn itzt verschwand die Lebenskraft.
Durch alle seine Glieder:
Er fieng am Strick zu zappeln an,
Und ach! es war um ihn gethan
In wenigen Minuten.

17. So fand man ihn am Tag erstickt
An seinem Raube hangen;
Die Kehle war ihm zugestrickt,
Und so der Dieb gefangen.
Dem ist, so sagte Jedermann,
Wie man auch wahrlich sagen kann,
Dem ist sein Recht geschehen.

18. So geht es, wenn die Eltern schon
Die Kinder stehlen lehren,
Und ihrem lüderlichen Sohn
Dasselbe nicht verwehren,
[199] Und ihn bei seinem Müssiggang
Zum Schwelgen und zum Diebeshang
Von Kindheit an erziehen.

19. Allein es sind ja noch vielmehr
Am Stehlen Schuld die Hehler,
Denn sicher, wenn kein Hehler wär,
So wäre auch kein Stehler,
Und wer den Dieben Unterschlauf
Gewährt, ist schuld, wenn ihren Lauf
Am Galgen sie beschliessen.

20. Hier hat der Zufall selbst gethan,
Was sonst geschehen wäre,
Weil ja doch Niemand sagen kann;
Daß sich ein Dieb bekehre:
Er stiehlt, und stiehlt, und stiehlt so lang,
Bis er zuletzt an einem Strang
Sein Diebesleben endet.

21. Und wenn auch dieses nicht geschieht,
Was hat er dann gewonnen,
Wenn ihm der Tod ins Auge sieht?
Sein Leben ist zerronnen,
Sein Herz beschwert mit fremdem Gut;
Und wenn er auch noch Buße thut,
So wird es nicht viel nützen.

22. Er muß den letzten Heller dort
In jener Welt bezahlen;
Nur dieß befreit ihn aus dem Ort
Der namenlosen Qualen;
Und so wird Mancher lange Zeit,
Vielleicht in alle Ewigkeit,
Dort in der Hölle büssen.
[200]
23. Laßt uns daher das fremde Gut
Ja nicht einmal begehren;
Denn sicherlich, wer dieses thut,
Wird nur sein Herz beschweren,
Und wenn im Tod sein Auge bricht,
So wird er als ein Bösewicht
Von Gott verstossen werden.

24. Wer aber treu und redlich ist,
Und ehrlich sich ernähret,
Und hier für seine Sünden büßt,
Und wahrhaft sich bekehret,
Der hat getilget seine Schuld,
Und wird am Ende Gottes Huld
Und Seligkeit erlangen.

25. Doch dürfen wir den Bruder nicht
Verdammen hier im Grabe;
Wer weißt, ob er bei dem Gericht
Nicht Gnad gefunden habe,
Weil ihm vielleicht von Jugend auf
Zu einem frommen Lebenslauf
Schon die Erziehung fehlte.

26. Noch wollen wir zu Gott um Huld
Und Gnade für ihn bethen,
Er möchte ihn für seine Schuld
Von dem Verderben retten,
Und durch das Feur der Reinigung
Ihn endlich doch Begnadigung
Auf ewig finden lassen.

Anmerkungen (Wikisource)

Jungs Errata (Bd. 2, S. 294) wurden in den Text eingearbeitet.