Textdaten
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Autor: Hugo von Koppenfels
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Titel: Meine Jagden auf Gorillas
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 416–420
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[416]
Meine Jagden auf Gorillas.
Von Hugo von Koppenfels.[1]

Der Gorilla, welcher seines überaus scheuen Naturells, seines verborgenen mysteriösen Lebens wegen, das er in unzugänglichen Dschungeln inmitten sumpfiger Urwaldungen führt, nur wenig bekannt ist, hat neuerdings in wissenschaftlichen und gebildeten Kreisen durch Streitfragen, sowie wegen der Ueberführung eines lebenden Jungen durch die deutsche Loango-Expedition, wiederholt reges Interesse hervorgerufen. So unglaublich es auch klingen mag, so kann ich doch versichern, daß selbst unter den

[417] 

Ein Gorilla in Wuth.
Originalzeichnung von H. Leutemann.

[418] jagdliebenden Buschbewohnern kaum ein Drittel der Bevölkerung jemals einen Gorilla in der Wildniß zu Gesicht bekommen hat. Der in jüngster Zeit leider im Duell gefallene Marquis Compiègne, ein sehr geübter und couragirter Jäger, versicherte mir, als wir uns nahe dem Einfluß des Rembo Ngunie in den Ogowe trafen, daß er nur einmal in der Entfernung einen Gorilla zu Gesicht bekommen habe, obgleich er längere Zeit in den von ihm besuchten Revieren darnach gepirscht. Der verstorbene Professor Buchholz hat die Bevölkerung ganzer Gebiete in Bewegung gesetzt und für ein getödtetes Exemplar erst fünfzig, dann hundert Dollars vergeblich geboten.

Um den Gorilla zu jagen, muß man eben gewisse Eigenschaften besitzen: Naturanlagen zum Jäger, eine bis zum tollsten Sport herangebildete Passion, eine eiserne Gesundheit zum Ertragen von Strapazen und Entbehrungen, die Sinne und die Orientirungsgabe eines Wilden, sowie etwas Courage. Die geographische Verbreitung des Gorilla beschränkt sich auf das Gebiet von der Muni-Mündung bis zu der des Congo, also von ein Grad nördlicher bis sechs Grad südlicher Breite. Wie weit er nach dem Innern zu vorkommt, ist, wie dieses selbst, unbekannt. Er lebt, bis auf die alten hypochondrischen Gorillamänner, im engern Familienkreise und treibt sich des großen Verbrauchs an Nahrung wegen nomadisirend herum, indem er da nächtigt, wo er sich kurz vor der Dunkelheit gerade befindet; er baut also jeden Abend ein neues Nest und errichtet dies auf gesunden, schlankgewachsenen, nicht viel über 0,30 Meter starken Bäumen in einer Höhe von fünf bis sechs Meter. Dasselbe ist storchartig in der ersten Abzweigung stärkerer Aeste aus grünen Reisern angelegt.

Die Jungen und, wenn dieselben noch der Wärme bedürfen, auch die Mutter, pflegen darauf der nächtlichen Ruhe, wogegen der Vater zusammengekauert am Fuße des Stammes, mit dem Rücken daran gelehnt, die Nacht verbringt und so die Seinigen vor dem Ueberfall des Leoparden schützt. In der trockenen Jahreszeit, wenn ihm Wasser und Nahrung im tiefen Innern der Wälder knapp zu werden beginnen, bricht er in die primitiven Anpflanzungen der Eingeborenen ein, dort nach Affenart große Verwüstungen anrichtend. Die Eigenthümer stellen dann Wachen aus, und es gelingt in den meisten Fällen, ihn durch wiederholtes Abfeuern der bis zum Bersten überladenen Flinten zu verscheuchen. Zuweilen kommt es jedoch vor, daß alte Gorillamänner im Bewußtsein ihrer herculischen Kraft, im Vertrauen auf ihre äußerst scharfen Sinne, vom Hunger getrieben, sich dadurch nicht stören lassen, sondern nächtlicher Weile ihre Verwüstungen fortsetzen. Die Geschädigten sehen sich dann wohl oder übel genöthigt, dem Nimmersatt aufzulauern oder nachzustellen, um ihn ein für alle Mal unschädlich zu machen. In den seltensten Fällen gelingt ihnen dies, da der schlaue Bursche die ernste Absicht seiner Verfolger bald herauswittert und sich, ohne Dank noch Adieu gesagt zu haben, auf einige Zeit empfiehlt.

Sofern er unbehelligt bleibt, greift der Gorilla den Menschen nicht an, meidet vielmehr dessen Begegnung. Wird er jedoch überrascht, so richtet er sich auf, stößt aus tiefer Brust ein nicht wiederzugebendes, kurz abgebrochenes, bald rollendes, bald grunzendes Gebrüll aus und bearbeitet mit seinen Riesenfäusten die gigantische Brust, wobei unter Zähnefletschen und einem unsäglich boshaften Ausdrucke des Gesichtes, sowie der kleinen Augen, welche tief in ihren Höhlen liegen und einen grünlich-rothen Glanz haben, sich seine Haare auf Kopf und Nacken vibrirend sträuben. Ein wüthender alter Gorilla bietet einen Furcht erweckenden Anblick. Reizt man ihn nicht und zieht sich bei guter Zeit allmählich zurück, noch bevor seine Wuth ihren Höhepunkt erreicht, so glaube ich, daß er nicht zum Angriffe schreiten würde. Sollte man aber das Unglück haben, ihn nur leicht zu verwunden, dann freilich bin ich, ohne es selbst erlebt zu haben, fest überzeugt, daß er den Schützen annimmt, und wehe demselben, wenn ihm nicht sofort eine zweite Kugel zu Gebote steht! Ein Fliehen ihm gegenüber ist unmöglich, eine Vertheidigung mit andern als Schußwaffen ein Unding. Vermöge seiner langen überaus muskulösen Arme würde er die Geschicklichkeit auch des besten Fechters zu Schanden machen.

So viel ich zu beobachten Gelegenheit fand, lebt derselbe von Vegetabilien. Die Jungen in der Gefangenschaft zeigen aber eine ganz besondere Vorliebe für animalische Kost, und es läßt sich daraus schließen, daß sie auch in der Wildniß Fleisch, sowie Eier nicht verschmähen. Der Gorilla ist mit dem Chimpanse, sofern man ihn nur einmal gesehen, nicht gut zu verwechseln. Abgesehen von der weit überragenden Größe, der robusteren Gestalt, hat er eine im Alter zunehmende graue Haarfärbung. Seine Gesichtsfarbe jedoch ist von der Jugend bis zum Alter bleibend schwarz, beim Chimpanse variirt diese mit den Spielarten und dem Alter. Er besitzt eine kurze, breite, starkknochige und fleischige Hand, die geballt wie zu Faustkämpfen geschaffen scheint, eine vom Chimpanse abweichende Schädel- und Gesichtsbildung mit höher vorstehendem Knochenbogen über den Augen und eine kleine zierliche Ohrmuschel. Im Leben charakterisirt ihn noch die mehr hervorstehende nüsterartig aufgeblähte Nase, was ihm nebst dem breiten Maule, den scharf geschnittenen Lippen, tiefliegenden, blitzenden Augen und struppigen Haaren einen boshaften und grimmigen Ausdruck verleiht. Die Chimpansen hingegen unterscheiden sich von ihm durch geringere Größe, zierlicheren Wuchs und lange schmale Kletterhände. Auch besitzen sie einen gutmüthigeren Blick, glätter liegende Haare, unschön abstehende Ohren und lange Lippen. Zum Zeichen des Wohlbehagens oder auch bei geringem Verdrusse pflegen sie das Maul drollig zuzuspitzen.

Die gesammte Muskulatur des überaus massigen Körpers des Gorilla ist, bis auf die bei allen Affen fehlenden Waden, zur Unförmlichkeit ausgebildet, und sofern ich mir eine solche Kraftvergleichung erlauben darf, würde ich, seine zwar unbeholfen erscheinende, in der That aber große Gewandtheit mit in Anschlag bringend, auf ihn gegen einen starken Bären wetten. Die Eingeborenen benennen ihn, je nach ihrer Sprache, verschieden: Die Mpongwe (Gabunesen), die Orunku, Kama, Galloa: Ndschina; die Mpangwe (Fan oder Pan, wie sie selbst sich nennen) geben ihm den Namen Nguyala. In Loango heißt er: Teufel (Mpungu).

Vom Gorilla sind bis jetzt keine Spielarten bekannt, wohl aber vom Chimpansen. Du Chaillu hat sich dadurch verzeihlicher Weise verleiten lassen, solche von Letzterem mit Kulu Hamba und Nschiego Mbuve als neue Arten zu bezeichnen. So ist der Kulu Hamba weiter nichts als ein großer Chimpanse, den die Aschira-Leute nach ihrer Sprache verschieden bezeichnen. Die Malimbas benennen ihn Kulu, die Mpongwe, Galloa, Kama, Orunku mit Nschiego. Einige dieser Stämme, ich glaube die Kama, setzen zur näheren Bezeichnung noch Mbuve hinzu, welches so viel heißt wie „nestbauender Affe“.

Gleich dem Gorilla baut der Chimpanse für seine Jungen ein storchartiges Nest, nur mit dem Unterschied, daß er dasselbe in der Regel auf stärkeren Bäumen, in größerer Höhe und etwas kleiner anlegt. Der männliche Gorilla, als mehr auf der Erde lebend, verbringt, wie schon bemerkt, die Nächte am Fuße des das Nest tragenden Stammes, der Chimpanse hingegen auf dem Baume selbst, in einer Vergabelung von Zweigen, hart unter dem Neste seiner Familie. Du Chaillu konnte also leicht zu dem Glauben gelangen, daß dieses nur für seine Jungen hergerichtete Nest ein Schutzdach sei. Warum aber sollte er sich ein Schutzdach bauen? Bietet ihm der für Sonnenstrahlen undurchdringliche und selbst gegen Regen nahezu dichte Blätterschmuck tropischer Urwaldungen nicht etwa Schutz genug?

Als ich jenseits der Aschangolo Berge in der Nähe des Aschira-Landes ein überaus starkes männliches Thier aus einem großen Trupp von Chimpansen schoß, die wohl zufällig gemeinschaftlich mit einer Gorilla-Familie Colanüsse schmausten, da ließ ich mich gleichfalls verleiten, privatim die Vermuthung auszusprechen, den von Du Chaillu entdeckten Kulu Hamba geschossen zu haben, und erwähnte weiter auch die Möglichkeit, da die beiden Troglodyten-Arten friedlich zusammen angetroffen wurden, so könne hier eine Bastardirung zu Grunde liegen. –

Was die Jagd auf Gorillas anbetrifft, so mögen einige meiner Erlebnisse dieselbe veranschaulichen. Nachdem ich ein ganzes Jahr, ich möchte sagen ausschließlich, aber vergeblich, dieser Jagd obgelegen, war der 24. December 1874 angebrochen. Es war das erste Weihnachtsfest, welches ich, fern von der Heimath, im Urwalde verlebte. Die von jeglichem Comfort entblößte Lage, die tiefe Einsamkeit, nur umgeben von Wesen, denen ich mich nicht mittheilen konnte, wirkte niederdrückend auf meine Gemüthsstimmung, sodaß ich zum ersten Mal ein tiefes Heimweh empfand.

Um demselben zu entgehen, beschloß ich schon spät im [419] Mittag auf’s Gerathewohl eine Jagdexcursion zu unternehmen und fuhr demzufolge in einem Canoe, in Begleitung von sechs meiner Leute, über den Eliva-See, nach einer entfernten, tief in den Urwald eingeschnittenen Bucht. Da auf einer Entfernung von mehreren hundert Schritten Schilf und Wurzelbäume vom festen Lande in den See hinausgewuchert waren, so mußten wir uns durch diese undurchdringlich scheinende Dickung einen Weg bahnen.

In Begleitung eines jungen Galloa-Neger, der mir ein zweites Gewehr nebst Munition nachtrug, verließ ich das Boot mit der Weisung, am Schilfrande meiner zu warten. Unweit der Stelle, an der ich das Land bestieg, am Rande einer ausgedehnten Dickung, stand ein Ibabaum (wilde Mangopflaume), auf welchen ich durch meinen schwarzen Begleiter aufmerksam gemacht wurde, indem er sich von ihm, trotz wiederholter leiser Rufe meinerseits, der heruntergefallenen Früchte wegen nicht trennen konnte. In der Absicht, ihm seines Ungehorsams halber eine gelinde Züchtigung zukommen zu lassen, ging ich zu dem Baume hin und fand dort an den heruntergefallenen Früchten frische und ältere Zahneindrücke, welche nur von Gorillas herrühren konnten. Da ich nun wußte, daß sich in der That eine Gorilla-Familie in der Gegend herumtrieb und der Wind in günstiger Weise vom Busche aus nach dem See zuwehte, so beschloß ich, mich in einer Entfernung von circa achtzig Schritt hinter die Nischen bildenden Wurzelausläufer eines starken Bombaxstammes (Baumwollenbaumes) anzustellen.

Eine Stunde wohl mochte ich vergeblich gewartet haben; die Schatten der hereinbrechenden Nacht wurden bemerkbar; die Moskiten fingen an mich empfindlich zu peinigen, und ich stand bereits im Begriffe, den Platz zu verlassen, als ein leichtes Brechen in der Gegend des Ibabaumes vernehmbar wurde. Hinter dem Stamm hervorlugend, gewahrte ich dort eine Gorillafamilie, welche sorglos mit den Früchten beschäftigt war. Dieselbe bestand aus den beiden Eltern und zwei im Alter verschiedenen Jungen; das menschliche Alter zum Maßstab genommen, konnte das ältere sechs Jahre, das jüngere ein Jahr alt sein. Obgleich die Thiere im Bereiche meiner Doppelbüchse waren, so beschloß ich doch, da ich ihnen gegenüber vollständig gedeckt war und sie unbemerkt beobachten konnte, ihr Gebahren eine Zeit lang zu belauschen. Es war rührend anzusehen, mit welcher Mutterliebe das Gorillaweibchen um das Jüngste besorgt war. Der Vater hingegen kümmerte sich um nichts, als um die Stillung seines eigenen Hungers. Die besseren Früchte mochten wohl aufgezehrt sein, als das Gorillaweibchen mit außerordentlicher Behendigkeit den Stamm erklomm und die reifen Früchte herunterschüttelte.

Der männliche Gorilla begab sich nun kauend zum nahen Wasser, um zu trinken. Ihn hatte ich keinen Augenblick aus den Augen gelassen. Die Erzählung du Chaillu’s, die märchenhaft übertriebenen Mittheilungen der Eingeborenen hatten in mir beim Erscheinen der Thiere eine große Erregung hervorgerufen. Dieselbe verschwand indeß, als der Gorilla nahe am Rande des Wassers mit einem Male eine Unruhe zu erkennen gab und in niedergeduckter Stellung nach dem Baume blickte, der mich verbarg. Zu spät jedoch witterte er in mir den nahen Feind, denn bereits seit einiger Zeit verfolgte ich jede seiner Bewegungen mit der Büchse im Anschlage. Wenige Augenblicke genügten mir, das mich unbeweglich anäugende Wild sicher auf das Korn zu nehmen. Wohl war ich mir bewußt, welcher Gefahr ich ausgesetzt war, sofern die Kugel nur verwundete und nicht tödtete, auch hatte ich bereits ein Jahr voll Strapazen und Entbehrungen durchkämpft, bevor ich dieses seltene mysteriöse Thier zu Schuß bekam. Jeder Nerv, jede Muskel war bis zum Aeußersten gespannt, meine Beklemmung sowie das sehr verzeihliche Jagdfieber zu bemeistern. Der Schuß krachte. Noch bevor der Pulverrauch meine Blicke frei ließ, hatte ich eine neue Patrone in den abgeschossenen Lauf geführt, so den vermutheten Angriff der übrigen Thiere erwartend. Mein schwarzer Begleiter stand zitternd hinter mir, ein zweites Gewehr in der Hand. Es erfolgte jedoch kein Angriff. Der männliche Gorilla war tödtlich getroffen sofort auf das Gesicht gestürzt; die Jungen flüchteten, einmal kurz aufschreiend, in das schützende Dickicht. Das Gorillaweibchen sprang aus einer beträchtlichen Höhe vom Baume zur Erde nieder, ihren Jungen nacheilend. Wohl hätte ich dem letzteren noch den Garaus machen können, vergaß dies aber in der Aufregung.

Nachdem alle Gefahr beseitigt, bekam auch mein kleiner Galloa wieder Leben; er sprang vor Freude herum, lief nach unserm Landungsplatze und schrie aus voller Brust mit gedehnter Stimme: „Galloa, Galloa hoi hoi! Tanganie jonie nbolu Ndschina, nbolu Ndschina.“ („Der Weiße schoß einen großen Gorilla.“) Ich selber ließ ein kräftiges deutsches Hurrah durch den darob wohl verwunderten Urwald erschallen.

Somit hatte mir das Jagdglück zur Zeit, in welcher man bei uns die Weihnachtsbäume anzündete, ein prächtiges Christgeschenk zu Theil werden lassen.

Diesem ersten Erfolge reihten sich mehrere an und setzten mich bei den Eingeborenen in ein gewisses Ansehen. Folgende Affaire möge beweisen, daß man mich als Gorillajäger bereits anerkannt hatte.

Es war Ende der trockenen Jahreszeit, als mir von der Beherrscherin der Bakailai-Ortschaft Busu, welche Niederlassung, reizend am Eliva-Sanka gelegen, nach Südosten von den Aschangolo-Bergen und ausgedehnten Urwaldungen begrenzt ist, Boten mit der Aufforderung zugesandt wurden: ich möge ja bald kommen; die Gorillas richteten in den Plantagen arge Verwüstungen an. Zugleich ließ man mir sagen, doch recht viel Rum, Tabak, Perlen, Messer etc. und vor Allem der Königin ein schönes Geschenk an baumwollenen Zeugen mitzubringen. Durch diese Nachricht sehr erfreut, im Vorgefühle einer guten Jagd, beschenkte ich die Boten reichlich und entließ sie mit dem Versprechen, mich sofort zur Reise rüsten sowie ihren Wünschen nachkommen zu wollen.

Schon nach einigen Tagen langte ich in Busu an, stattete der schwarzen „Dorfkönigin“ meinen Besuch ab und begab mich dann sofort nach der nahe gelegenen Plantage, um durch Spüren für den andern Tag die Richtung meiner Streifereien festzustellen.

Mehrere Tage hatte ich nun schon vergeblich weite Strecken abgesucht, als eines Morgens das dumpfe Grollen eines Gorilla an mein Ohr schlug, gleich darauf der laute gellende Schrei eines jungen Thieres. Als Begleiter hatte ich nur einen Ischogo-Sclaven bei mir. Sofort entledigte ich mich aller überflüssigen Gegenstände, bedeutete dem zitternden Jungen, zurück zu bleiben und schlich mich leise und vorsichtig heran. Nach einiger Zeit höre ich Zweige rascheln; das Geräusch nimmt zu, und ich sehe einen großen Trupp Chimpansen auf hohen Colanußbäumen die Früchte pflücken. Näher heran kommend, bemerke ich etwas entfernter ein Gorillaweibchen; zugleich ertönt das dumpfe Grollen aus einem dichten Unterholze abermals. Nunmehr war ich schon so nahe, daß ich leicht bemerkt werden konnte, und das geringste Geräusch mußte mich verrathen. Ich legte mich daher flach auf die Erde und kroch wie eine Schlange, jeden trockenen Zweig bei Seite legend, immer Deckung suchend, vorwärts.

Endlich hatte ich ganz erschöpft ein verbergendes Farngestrüpp erreicht. Dort kauerte ich mich nieder, um auszuruhen; waren doch die nächsten Chimpansen im Bereich meiner Büchse. Auf sie indeß hatte ich es nicht abgesehen, sondern auf den alten mir noch unsichtbaren männlichen Gorilla. Wie dies aber bewerkstelligen? Schräg über mir hatte ich die scharfäugenden Chimpansen, und nur auf einem Umwege konnte ich zu dem Versteck des verborgenen Thieres kommen.

Es ist sehr bedauerlich, daß man im Eifer der Jagd oft vergißt, die Thiere in ihrem Gebahren zu beobachten, und nicht bedenkt, daß die Kenntniß davon oft wichtiger ist, als der Besitz des Thieres selbst. In diesem Falle war eine solche für mich schwierig, da ich flach auf der Erde lag, im dichtesten Gebüsch vorwärts kroch und dabei die volle Aufmerksamkeit auf Vermeidung des geringsten Geräusches zu verwenden hatte. Während der kurzen Frist, welche ich mir in den Farnen zur Beobachtung gönnte, fiel mir die gemessene Vorsicht auf, mit welcher diese Affen auf die äußersten Enden der langen Zweige auf allen Vieren hinausliefen, um Nüsse zu pflücken. Wurden die Aeste dünner, so hingen sie sich, den Rücken der Erde zugekehrt, daran, hatten mit jeder Hand einen andern Zweig erfaßt und behielten beim Fortbewegen jedesmal drei sichere Haltepunkte, bevor sie mit der freien Hand nach den Früchten griffen, die sie dann auf weniger halsbrechenden Plätzen verzehrten, um ihr Schwindel erregendes Klettern immer wieder von Neuem zu beginnen.

Kaum war ich jedoch etwas weiter gekrochen, als ich mich mit einmal über und über von den fürchterlichsten der Ameisen, [420] den sogenannten „Treibern“, bedeckt fühlte. Da war kein Besinnen möglich. Blitzschnell hatte ich die Doppelbüchse auf den größten mir erreichbaren Affen in Anschlag gebracht und mit Erfolg gefeuert. Der vermeinte Kulu Hamba stürzte, durch das Unterholz vor dem Zerschmettern geschützt, zur Erde nieder.

Aber auch ich sprang nach abgegebenem Schusse, toller als von Taranteln gestochen, von Schmerzen gepeinigt, aus der gefährlichen Nähe dieser überaus schrecklichen Ameisen, blos mit dem Abwehren derselben beschäftigt. Das jämmerliche Geschrei eines jungen Chimpanse, dem der Vater geraubt, erinnerte mich an den alten Gorilla, der, wie ich mir dachte, nun sicherlich, durch das Klagen herbeigelockt, zum Angriff auf mich schreiten würde.

Meine Situation erschien bedenklich genug, denn obschon ich bereits einen Gorilla geschossen hatte, so war ich doch noch in dem Wahne befangen, den du Chaillu’s Erzählungen in mir erzeugt hatten. Statt des Gorilla erschien indeß mein Begleiter, der, einen Zweig abbrechend, mir wenigstens äußerlich die kleinen Bestien vom Körper peitschte. Nunmehr schoß ich den kleinen Schreihals herunter, welcher allein von der ganzen Gesellschaft zurückgeblieben war und sich in seiner Angst nicht zu helfen wußte. Dies war, so grausam es scheinen mag, ein Act der Nothwendigkeit, da es nicht unmöglich war, daß der alte Gorilla, durch diese Hülferufe in Wuth gesetzt, mich dennoch annehmen konnte. Nach einer Weile war nichts mehr zu befürchten und ich konnte mich von den Hunderten der Ameisen, die sich in mein Fleisch verbissen hatten, reinigen; worauf ich den Jungen, mit der strengen Weisung sich möglichst zu beeilen, nach meinen Leuten sandte. Dieselben harrten meiner mit dem Canoe an einem Bache, der sich lagunenartig tief in den Urwald hinein erstreckte.

Endlich, nach langen martervollen Stunden erschienen, durch mehrfache Rufe herbeigelockt, sechs meiner Galloa-Neger, beluden sich mit den erlegten Thieren und traten nun mit mir den weiten, sehr beschwerlichen Heimweg an. Im Dorfe bei voller Dunkelheit angelangt, wusch ich mir sofort meinen übelzugerichteten Körper mit Wasser, dem ich Salmiakgeist zugesetzt hatte.

Noch war ich damit beschäftigt, als sich vor meiner Hütte ein ganz ausgelassenes Gelächter erhob. Neugierig sehe ich durch die Ritzen und gewahre den Bengel, meinen Begleiter, wie er im Scheine eines großen Feuers vor versammelten Ortsbewohnern mein tolles Gebahren in höchst origineller Weise carikirte, wie ich, den Angriff des Gorilla erwartend, mir die Ameisen abschüttelte und vor Schmerzen herumtanzte. Die Vorstellung war so komisch, daß ich beim Anblicke dieser Scene selbst in Gelächter ausbrach. Natürlich vermehrte dies die Heiterkeit dieser urwüchsigen Naturkinder bis zur Ausgelassenheit, und oft genug noch mußte ich mir selbst von den Kindern durch Pantomimen diese Affaire vergegenwärtigen lassen.

Während eines mehrwöchentlichen Streifzuges in die Aschangolo-Berge, bog ich von einem alten Elephantenpfade, welcher mich zu weit von der Richtung führte, nach Südost in einen schmalen Wildwechsel ein.

Ich mochte denselben wohl eine halbe Stunde verfolgt haben, als ich aus verschiedenen Anzeichen merkte, daß ein Gorilla in der Nähe sein mußte. Meinen nur aus drei Galloa bestehenden Begleitern dies mittheilend, ging ich geräuschlos weiter. Von Zeit zu Zeit blieben wir stehen, um auf das leiseste Geräusch zu hören – da, mit einem Male ertönte hinter mir ein Schrei des mir zunächst gehenden Galloa, und unter dem Zuruf: „Master, look out nbolu Ndsohina!“ (Gieb Acht, Herr, ein großer Gorilla!) warfen die feigen Burschen ihre Lasten fort und ergriffen das Hasenpanier.

Indeß war auch ich durch den Ruf bestürzt und gewahrte erst, nachdem seitwärts ein dumpfes Grollen hörbar wurde, eine dunkle Masse in kaum fünfzehn Schritt Entfernung von mir, sich riesenhaft aufrichten.

Es war der größte Gorilla, den ich je gesehen, der erste, welcher, ohne anzugreifen, Stand hielt. Hätte diese fürchterliche Bestie meine Bestürzung benutzt, ich wäre verloren gewesen. Auf eine Probe, wie lange dieses gegenseitige Anschauen wohl dauern würde, wagte ich es nicht ankommen zu lassen. Als ich die Doppelbüchse zur Schulter erhob, wurde das rollende Gebrüll bellender; das Trommeln auf die Brust erfolgte in schnellerem Tempo; die struppigen Haare auf dem Kopfe sträubten sich vibrirend, und es schien, als wollte mein schreckliches Gegenüber zum Angriffe übergehen. Hätte ich mich bei guter Zeit vorsichtig zurückgezogen, so bin ich überzeugt, daß der Gorilla mich nicht angenommen haben würde. Es lag dies indeß keineswegs in meiner Absicht, und so zielte ich, meiner Aufregung vollständig Herr geworden, ruhig und sicher nach dem Herzen. Nach abgegebenem Schusse schnellte das Thier, die Arme ausbreitend, als suche es nach einem Stützpunkte, in die Höhe und fiel, sich drehend, auf das Gesicht. Hierbei hatte es eine fünf Centimeter starke Liane erfaßt, und so mächtig war seine Kraft, daß es mit ihr dürre, auch grüne Aeste zur Erde riß.

Sein Gewicht taxirte ich auf über vierhundert Pfund; die Länge betrug 1,90 Meter, die Breite einen Meter. Leider verdarb mir die Haut des Thieres wegen Mangels an conservirenden Mitteln. Holzasche genügt in diesem rasch zersetzenden Klima nicht. Vom Skelete konnte ich nur den Schädel mitführen, da meine drei Leute schon über die Maßen bepackt waren. Ferner waren wir volle fünf Tagemärsche von unserm Bivouak entfernt, und noch hatte ich den eigentlichen Zweck meiner Reise, den südöstlichen und südlichen Lauf des Rembo Ngunie unterhalb der Eugenie-Fälle (der bedeutendste Nebenfluß des Ogowe), nicht erreicht. Wie sollten wir, da blos Sonne und Compas als Wegweiser dienten, den Ort wiederfinden, auf dem der Gorilla gefallen war?

Beigegebenes, von dem Thiermaler Herrn Leutemann nach meiner Angabe gefertigtes, sehr gelungenes Bild stellt diesen gewaltigen Gorilla in Wuth dar, wie er, von mir überrascht, sich zur Wehre setzt und unter fürchterlichem Gebrüll mit den Fäusten auf die mächtige Brust schlägt.

Während meiner zweiten Reise hoffe ich über das Leben und Treiben dieses menschenartigen Affen weitere Erfahrungen zu sammeln.

  1. Der Verfasser ist der in den Gabun- und Ogowe-Ländern Westafrikas wohlbekannte Reisende, der einzige weiße Mann, welcher nachweislich das Glück hatte, eigenhändig Gorillas zu erlegen. Der kühne Waidmann ist schon vor einigen Monaten wieder nach Westafrika auf seine Jagdgründe zurückgegangen  D. Red.