Textdaten
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Autor: Ludwig Beckmann
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Titel: Meine Eisvögel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 388–391
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Meine Eisvögel.
Von Ludwig Beckmann.


Gewiß hat schon Mancher unserer freundlichen Leser den schönen blaugrünen Eisvogel oder Halcyon im Freien erblickt und sich an dem reizenden Anblick erfreut, allein nur Wenige werden Gelegenheit gehabt haben, das eigenthümliche Wesen und Treiben des scheuen Vogels in unmittelbarer Nähe zu beobachten. Nachstehende Mittheilungen dürften daher einiges Interesse für Freunde der Thierwelt haben, umsomehr, als unser Eisvogel in den Volièren der zoologischen Gärten (mit Ausnahme des Regent-Park) unseres Wissens bis jetzt nicht dauernd gehalten wurde.

Der Eisvogel (Alcedo ispida) ist der einzige europäische Vertreter der so viele Mitglieder zählenden Familie der Alcedinen unter den Leichtschnäblern, welche größtentheils die heißere Zone bewohnen. – Auch unser Eisvogel ist keineswegs ein Freund eisiger Regionen und geht über einen gewissen nördlichen Breitegrad wohl nur als Strichvogel hinaus. An Deutschlands Gewässern ist er fast überall zu finden, indeß immer nur vereinzelt vorkommend, mit Ausnahme der Paarungszeit. Die gestreckte Länge des ausgewachsenen Männchens beträgt selten über neunzehn Centimeter, wovon allein auf Kopf und Schnabel sieben Centimeter gehen. Daher das Groteske, Zwerghafte seiner Erscheinung. Die ziemlich schwach gebauten, rundlichen Flügel erreichen zusammengelegt just den Anfang des kurzen, zwölffederigen Schwänzchens, die winzig kleinen, weich behäuteten Füßchen haben drei Vorder- und eine Hinterzehe. Die äußere Vorderzehe ist fast ebenso lang als die große Mittelzehe und mit dieser bis zum zweiten Gelenk dicht verwachsen. Auch die weit kürzere dritte oder Innenzehe ist nicht völlig frei, sondern bis zum ersten Gelenk mit der Mittelzehe verbunden. Der Fuß des Eisvogels ist daher weder zum Gehen noch Klettern, Schwimmen oder Scharren, sondern vorzugsweise zum ruhigen Sitz auf Zweigen geeignet, und in der That macht der Vogel fast keinen andern Gebrauch von seinem Pedal.

Der lange, scharfgespitzte Schnabel ist nach innen scharfkantig aufgezogen und für das Festhalten der glatten Fische vortrefflich geeignet. Das große Auge mit brauner Iris ist weit nach vorn gerückt und wirkt beim lebenden Vogel tiefschwarz glänzend. Der Rachen ist auffallend weit, die kurze Zunge hat die Form einer stumpfen Pfeilspitze. Dem Schlunde fehlt der Kropf, der ganze Verdauungsapparat ist überhaupt sehr einfach, wie bei den meisten Fischfressern.

Betrachten wir nun die Lebensweise unseres Eisvogels im freien Zustande. – Er ist ein einsam lebender, mißtrauischer und vorsichtiger Vogel, so daß es – namentlich zur Sommerzeit – meistens schwer hält, sich ihm selbst auf Schußweite zu nähern. Indeß scheint er den Menschen vorzugsweise nur an seinen Bewegungen zu erkennen, denn er erscheint oft ganz unerwartet dicht neben einem Fischer, welcher ruhig am Ufer hockt, und setzt sich wohl gar für Augenblicke auf die eingesteckten Angelruthen.

Seine Nahrung besteht fast ausschließlich aus kleinen Fischen von der Größe einer Stecknadel bis zur Länge eines Zeigefingers, bei anhaltendem Regenwetter und trübem Hochwasser sucht er kleine Schalthiere, Wasserinsecten und Libellen, welche auch beim Auffüttern seiner gefräßigen Jungen mit aushelfen müssen. Der Fischfang bleibt indeß die Hauptsache und wird vom frühen Morgen bis zum Abend geübt, indem der Vogel unbeweglich auf einem überhängenden Zweig oder Stein am Ufer hockend auf die vorüberziehenden Fischchen lauert und im Moment ihres Erscheinens blitzschnell mit angezogenen Flügeln auf sie hinunterstürzt. Oft verschwindet der Vogel beim Stoß völlig unter der Wasserfläche, arbeitet sich aber sofort wieder empor und flattert nun, den erbeuteten Fisch quer im Schnabel haltend, auf seinen [389] Platz zurück. Der Raub wird ohne jede weitere culinarische Vorbereitung, roh und unzerstückelt hinuntergeschluckt. Oft würgt er Fische hinunter, welche fast so lang als der ganze Vogel sind, so daß der Schwanz des Fisches noch aus dem Schnabel hervorsteht, während der Kopf bereits vom scharfen Magensaft des Vogels aufgelöst wird.


Eisvögel.
Nach der Natur aufgenommen von Ludwig Beckmann.


Nicht selten wird er ein Opfer seiner Gefräßigkeit, man hat mehrfach Eisvögel beobachtet, welche mit einem halbverschluckten Fisch im Schnabel hülflos im Strome trieben und schließlich untersanken oder von einem Hecht weggeschnappt wurden. Die hervorstechendsten Eigenschaften unseres Eisvogels sind überhaupt sein enormer Appetit und eine dem entsprechende rasche Verdauung. Je nach dem Quantum der Mahlzeit genügen zur letzteren fünfzehn bis zwanzig Minuten, der Vogel würgt dann die unverdauten Gräten und Schuppen, zu einer kleinen Kugel zusammengeballt, aus dem Schnabel und – sieht sich nach weiterer Atzung um. Die Ballen des Eisvogels sind selten größer, als auf der beifolgenden Zeichnung angegeben; sie sind von weißgelblicher Farbe, trocknen an der Luft rasch auf und werden dann nur noch durch den glasartig aufgetrockneten dünnen Schleimüberzug zusammengehalten. Bei geringem Fingerdruck zerfallen sie schon [390] in Staub und flimmernde Splitterchen, zwischen denen wir bei näherer Betrachtung die haarfeinen Grätenreste erkennen. Diese geringe Haltbarkeit der „Gegräte“ mag Ursache sein, daß man dieselben so selten im Freien findet. Scheint dem Vogel der Platz unergiebig, so streicht er plötzlich – meistens einen schrillen Pfiff ausstoßend – davon und seinem nächsten Fischplatze zu, denn jeder Vogel hat in seinem Reviere, welches er hartnäckig gegen alle Concurrenz behauptet, eine ganze Anzahl bestimmter Fangorte, welche er regelmäßig besucht. Er fliegt meistens[WS 1] in einem kleinen aufwärts gehenden Bogen ab, streicht dann aber gerade aus, in geringer Höhe über dem Wasserspiegel und dem Ufer folgend. Starke Krümmungen des Wassers, sowie bewohnte Uferstrecken, sucht er abzuschneiden, indem er auf bestimmten Linien – oft zwischen Gehöften und Wirthschaftsgärten hindurch – quer über Land in reißender Schnelle hinstreicht.

Der weithin hörbare schrillende Laut des Eisvogels klingt etwa „Tsiet!“ und wird meistens zwei, selten drei Mal hintereinander wiederholt. Er ist in geringer Aenderung zugleich Lock- und Angstruf und erinnert an den metallischen Laut der Spechte. Es ist eine jener eigenthümlichen Vogelstimmen, welche, einmal gehört, nie wieder mit anderen, wenn auch nahe verwandten Tönen verwechselt werden, vorausgesetzt, daß der Hörer überhaupt ein Gedächtniß für Vogelstimmen hat, was bekanntlich mit dem „musikalischen Gehör“ gar nichts zu thun hat.

Früh im Jahre beginnt die Paarungszeit des Eisvogels, und wir sehen unseren Einsiedler nun in Begleitung seines Weibchens am Ufer auf und ab streichen, um einen geeigneten Nistplatz ausfindig zu machen. Für letztern Zweck dient eine enge, anderthalb bis drei Fuß lange einfache Erdröhre, an deren etwas erweitertem Ende im Mai oder Juni sechs bis zehn weiße Eier gefunden werden. Meistens ist die Röhre an abschüssigen, glatten Ufern einige Fuß über dem Wasserspiegel gelegen, so daß sie weder durch Hochwasser, noch durch Raubzeug erreicht werden kann.

In Betreff des eigentlichen „Nestes“ herrschen verschiedene Ansichten, was bei der ziemlichen Seltenheit des Gegenstandes und in Betracht der örtlichen Schwierigkeiten, welche sich dem Ausgraben meist entgegenstellen, eben nicht zu verwundern ist. – Meistens verhindert der Oberwuchs (Weidengebüsch) das Durchgraben von der Landseite, während die Röhre zu hoch über dem Wasser belegen ist, um vom Kahn aus bequem erreicht zu werden. Wo aber keine derartigen Hindernisse vorliegen, wird die enge Röhre zu Zeiten leicht beim Ausgraben verschüttet und derartig verunstaltet, daß es schwer hält, ihre frühere Beschaffenheit zu erkennen. Um Letzteres zu vermeiden, ließ der berühmte Ornithologe Gould zuvor einen Haufen Baumwolle von der Eingangsröhre aus auf und über das Nest stopfen und dann vorsichtig von oben bis zur Baumwolle durchgraben. In dieser Weise ward ein vollkommenes Nest mit acht Eiern unbeschädigt an’s Tageslicht befördert, welches dem Britischen Museum überliefert wurde. Die Wände (walls) dieses Restes sollen aus Fischgräten bestehen und einen halben Zoll englisch im Durchmesser halten. – Fischer von Profession behaupten in der Regel, der Eisvogel baue ein förmliches Nest aus Fischgräten. Dagegen haben unsere tüchtigsten deutschen Vogelkenner, Naumann und der alte Brehm, nur eine Unterlage von Gräten gefunden, und wir können uns vorläufig dabei beruhigen. Wahrscheinlich werden die Eier zuerst auf den bloßen Sand gelegt; da ein solcher Nistplatz aber oft viele Jahre hintereinander benutzt wird, so werden die Reste der eingeschleppten und vertrockneten Fische, sowie die ausgeworfenen Grätenballen und sonstiger Unrath im Laufe der Zeit eine krustenförmige Unterlage bilden, welche, den Wänden der Höhlung entsprechend, zuletzt eine Nestform annehmen muß.

Mit Eintritt der kalten Jahreszeit, namentlich bei anhaltendem Regen, mag es unserm Eisvogel bereits sauer genug werden, seinen Appetit in gewohnter Weise zu stillen, da der Fisch jetzt schon, um der Kälte zu entgehen, tiefer am Grunde des Wassers geht. Wir sehen unsern Vogel deshalb um diese Zeit schon häufiger an den Fischweihern und Setzteichen erscheinen; sobald aber diese gefrieren, kehrt er wieder zum fließenden Wasser zurück. – Anhaltender Frost, welcher einen Eisrand am ganzen Flußufer entlang erzeugt, bringt unserm Eisvogel bittre Noth, denn sein eigentliches Fischterrain ist nun völlig geschlossen. Was nützt dem armen Schelm das breite offene Fahrwasser des Stromes? Um hier zu fischen, reicht weder seine Flugkraft, noch sein geringes Tauchertalent und Schwimmvermögen aus. Die kleinen Fischchen, welche er überhaupt bewältigen kann, meiden die Strömung und das tiefere Wasser, und halten sich schon aus Furcht vor den größeren Raubfischen in der Nähe des Ufers. Die Noth steigt mit jedem Tage, und bald sehen wir den sonst so menschenscheuen Vogel, von Hunger und Kälte getrieben, mitten in bewohnten Orten unter dem Gewühl der Brücken und am Ausfluß der Canäle erscheinen, und in den Sicherheitshäfen zwischen eingefrorenen Dampfern und Schleppkähnen jede freie Wasserstelle aufsuchen, wo nur Menschenthätigkeit das Eis durchbrochen. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß in strengen, anhaltenden Wintern mindestens zwei Drittel der schönen Vögel elend zu Grunde gehen. Andererseits müßte ihre Anzahl Legion sein, denn der Eisvogel vermehrt sich sehr stark und hat in Folge seiner Lebensweise keinen einzigen Feind, der ihm sonderlich schaden könnte.

Wir kommen nun zu dem Benehmen unseres Vogels in der Gefangenschaft. Einsender hat schon früher, namentlich aber im letztverflossenen Winter, wiederholt Versuche gemacht, lebend eingefangene Eisvögel an die Gefangenschaft zu gewöhnen, um sie näher beobachten und später einem zoologischen Garten übergeben zu können, denn als Zimmergäste sind sie für die Dauer durchaus nicht zu empfehlen. – Durch frühere Erfahrung belehrt, hatte ich dieses Mal bei Zeiten ein geräumiges Gebauer mit Netzwänden, Wasserbassin und einem Hintergrunde von Schilf und Gezweige herrichten lassen, auch für eine ausreichende Quantität lebender Fischchen schon im Herbste gesorgt. Es hing also nur von den Eisvögeln ab, sich in einem kleinen Fischerparadiese zu denken. – Anfänglich glaubte ich, den wild eingefangenen Vogel wenigstens am ersten Tage „stopfen“ (d. h. Fische mit der Hand in den Schlund des Vogels bringen) zu müssen, indeß ist dies ganz überflüssig, besonders, wenn bereits ein eingewöhnter Vogel im Käfig befindlich.

Der neue Ankömmling stürmt zunächst pfeifend gegen die Netzwand, flattert einen Augenblick hin und her, ohne einen Anhaltepunkt zu finden, und läßt sich dann irgendwo im Gezweige nieder. Er sitzt nun hoch aufgerichtet, mit Hals und Kopf in eigenthümlicher Weise fortwährend auf und nieder ruckend, während das kurze Schwänzchen in entsprechendem Tempo aufwärts wippt. Nach einer Weile scheint er sich etwas zu beruhigen und eine seitliche Richtung des langen Schnabels läßt schließen, daß er die Fischchen im Bassin beobachtet. Er scheint nur der Umgebung nicht zu trauen und wir ziehen uns vorsichtig zurück. Nach längerer oder kürzerer Pause erschallt plötzlich ein lauter Platsch! – Der Vogel hat sich in’s Bassin gestürzt, und wie wir den Kopf wenden, sitzt er bereits wieder auf dem Rande des Bassins, stolz aufgerichtet, den gefangenen, silberglänzenden, zappelnden Fisch quer im Schnabel haltend – ein reizender Anblick! – Der Vogel verharrt unbeweglich, wie ausgestopft, in seiner Stellung, und wir glauben schon, daß er sich fürchtet, in unserer Gegenwart den Fisch zu verzehren. Allein diese Pause wiederholt sich, namentlich bei größeren Fischen, nach jedem Fange und hat augenscheinlich nur den Zweck, das Mattwerden und Absterben des Fischchens an der Luft abzuwarten. Bei dem weichen Leben dieser kleinen Geschöpfe ist dies schon nach einigen Augenblicken der Fall, und der Vogel läßt nun, ohne sich irgendwie zu rühren, den glatten Fisch langsam seitwärts durch den Schnabel gleiten. Wir fürchten, sein Raub müsse ihm im nächsten Augenblicke entfallen, da wirft er den Fisch plötzlich durch eine geschickte Bewegung herum, so daß er nicht mehr quer, sondern der Länge nach im Schnabel ruht, und schluckt ihn dann, den Kopf voran, eiligst hinunter. Macht der Fisch während des Herumschwenkens noch eine Bewegung, so geräth unser Vogel plötzlich in heftige Aufregung und schleudert den unglücklichen Fisch so heftig links und rechts an die Sitzstange oder den Rand des Bassins, daß es laut klatscht.

Hat der Eisvogel endlich den Fisch hinuntergewürgt und nach kurzer Zeit der Ruhe den Ballen, von dem wir oben sprachen, wieder von sich gegeben, so schüttelt er wiederholt und rasch Kopf und Schnabel, unter eigenthümlich schnabberndem Geräusch der zusammentreffenden Schnabelhälften, wahrscheinlich um diese von anhängenden Schuppen und Fischschleim zu reinigen. Dann zeigt der lange Schnabel wieder langsam seitwärts oder abwärts und im nächsten Moment plumpt er bereits wieder hinunter auf einen andern Fisch. Dies Abwärtssteigen geschieht so rasch, daß schwer [391] zu sagen, wie es eigentlich geschieht. Oft lüftet er einen Augenblick zuvor die Flügel, namentlich wenn er seitwärts stoßen muß oder der flache Wasserstand des Bassins ein Aufstoßen auf den Boden unvermeidlich macht; unter günstigen Verhältnissen plumpt er einfach senkrecht kopfüber oft mehrere Fuß tief hinunter. Der Fisch wird immer quer über dem Rücken und zwar in seinem Schwerpunkt ergriffen. Fehlstöße habe ich nie bemerkt. Ein Exemplar, dessen Unterschnabel etwas abnorm gebaut und fast drei Achtel Zoll kürzer als der Oberschnabel war, fing Fischchen von Stecknadelgröße mit Sicherheit. Dieser Vogel blieb nach dem ersten Stoß meistens auf einer flachen Stelle des Bassins bis zum Rande im Wasser sitzen und schnappte Alles, was in den Bereich seines Schnabels kam blitzschnell weg.

Ist das Bassin leer, so wird der Vogel unruhig, erinnert sich seiner Gefangenschaft und stürmt plötzlich unter schrillem Pfeifen vorwärts gegen die Netzwand. Sehr hübsch sieht es aus, wenn zwei Vögel während des Fliegens oder beim Niederlassen auf den Sitzstangen unverhofft zusammentreffen. Sie fallen dann meist beide senkrecht zu Boden und sitzen nun eine ganze Weile platt auf dem Steiß ruhend, den Körper gerade aufgerichtet, die Flügel ausgebreitet und den Schnabel weit aufgesperrt, wie ein paar Wasservögel einander gegenüber. Von Zeit zu Zeit lassen sie bei dieser Gelegenheit ein zorniges, heiseres „Järrrt järrr!“ hören, der einzige Laut, welchen ich bis jetzt außerdem bekannten Pfiff von unserm Eisvogel gehört. Vor ihren spitzen Schnäbeln haben sie gegenseitig gewaltigen Respect; indeß erinnere ich mich nicht, gerade gesehen zu haben, daß sie von dieser gefährlichen Waffe unter sich Gebrauch machten.

Auf dem platten Boden ist der Vogel höchst ungeschickt; er sitzt dann meist mit vorgestreckten Füßen und aufliegendem Steiß, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Am liebsten sitzt er auf weichen, glatten Zweigen von Fingersdicke, auf denen er oft eine ganze Strecke blitzschnell seitwärts trippelt, um einem andern Vogel Platz zu machen.

Beim Hin- und Herflattern der Eisvögel im Käfig fällt der fortwährende Farbenwechsel ihres Rückengefieders dem Beobachter auf. Bald sehen wir dasselbe einförmig graublau mit einem hellen, kalten, lasurblauen Streif – bald wieder tief warm olivengrünlich mit leuchtend spangrünem Streif. Im Halbdunkel des Gezweiges erscheint er fast bräunlich mit schwachem weißgrünem Schimmer, als ob dem Gefieder ein eigenes, schwaches Phosphorleuchten innewohnte. Diese Erscheinung ist deshalb merkwürdig, weil dem weichen, zerschlissenen Rückengefieder unsers Vogels jener metallische Spiegelglanz, welchen wir an vielen Tropenvögeln (auch an unserer Saatkrähe und Stockente) bewundern, gänzlich fehlt. Man kann dies hübsche Variiren der Farbe auch an ausgestopften Exemplaren beobachten, wenn man z. B. am Fenster stehend, den Vogel gegen das helle Tageslicht und dann, sich herumwendend, in’s Dunkel des Zimmers hineinhält.

Zwei Hauptzierden des lebenden Vogels gehen beim Ausstopfen unwiederbringlich verloren. Zunächst der wunderbar feine Atlasglanz des weißen Kehlfleckes, ebenso verlieren die weichen, schön mennigerothten Füßchen beim Austrocknen alles Ansehen und schrumpfen schwarz und drahtähnlich zusammen. Auch das durch- scheinende Lack- oder Braunroth des Schnabels verschwindet völlig.

Leider ist es dem Einsender bis jetzt nicht gelungen, alte Eisvögel am Leben zu erhalten, und er möchte daher auch keine weiteren Versuche in dieser Hinsicht machen. Die übliche Phrase vom „Todtgrämen“ oder „Trauern um den Verlust der Freiheit“ dürfte auf meine Eisvögel nicht passen, man müßte denn annehmen, daß sie wie die Eltern des „Peter in der Fremde“ ihren Gram im Essen erstickt hätten. Wahrscheinlich ist der zarte Respirationsapparat dieser Vögel nicht im Stande, die Folgen der Aufregung zu überstehen, welche das Einfangen, der Transport und das Einsetzen in die Volière unvermeidlich mit sich bringt. Der Vogel gewöhnt sich allerdings rasch in die neuen Verhältnisse, allein das Uebel ist einmal vorhanden. Eines Tags glauben wir ein etwas beschleunigtes Athemholen und nachlässigere Haltung der Flügel zu bemerken, am nächsten Morgen sitzt er platt auf dem Boden, macht noch einen vergeblichen Versuch zum Fressen, fällt um und ist todt. In ganz ähnlicher Weise verenden die meisten einsam lebenden und zart gebauten Vögel in der Gefangenschaft, z. B. Waldschnepfen, seltener die Rallen und Hühner oder die mit derberen Lungen ausgestatteten kleinen Säugethierarten.

Jung aus dem Neste genommene Eisvögel sollen dagegen ohne große Schwierigkeiten selbst bei Fleischfütterung (am besten wohl Rinderherz in Streifen geschnitten) aufzuziehen sein. Wie schon erwähnt, ist die Lebensweise des schönen Vogels indeß nicht geeignet, ihn als Zimmergast zu empfehlen. Dagegen würde er in den großen Flugvolièren unserer zoologischen Gärten bei durchfließendem Wasser sich vortrefflich halten und in Gesellschaft der seltenen Wasserstaare und einiger feinen Strandläuferarten gewiß fortwährende Anziehungskraft auf die Besucher ausüben.

Es würde zu weit führen, alle wundersamen Eigenheiten, welche Poesie und Aberglauben unserm Eisvogel angedichtet haben, hier anzuführen. In Brehm’s trefflichem Werke „Illustrirtes Thierleben“ finden wir (Band IV., Seite 160) eine höchst ergötzliche Sammlung. Wir vermissen darunter nur die altenglische Sitte, einen todten Eisvogel als Wetterprophet oder Windzeiger zu benutzen. Der Vogel ward zu diesem Zweck nicht ausgestopft, sondern nur seiner Eingeweide beraubt, mit gewissen Specereien einbalsamirt und dann an einen Faden an der Decke aufgehängt. Seine Drehungen wurden bei geschlossenen Thüren und Fenstern aufmerksam beobachtet, bis der Schnabel anhaltend nach einer Richtung zeigte. Aus dieser Himmelsgegend mußte unfehlbar demnächst der – Wind kommen.

Noch heutzutage pflegen Freunde altenglischer Sitte in ihren Landhäusern am See einen Eisvogel unter der Decke, wenn auch nur als Curiosität, aufzuhängen. – Den Einsender erinnert diese angebliche Eigenschaft eines getrockneten Vogels immer an den empfindlichen Seehundskoffer jenes quiescirten Schiffscapitäns, welcher (der Koffer nämlich) bei eintretender Fluth regelmäßig sein Haar aufsträubte, gegen Eintritt der Ebbe aber wieder spiegelblank niederlegte.

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