Textdaten
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Autor: K. G. Lutz
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Titel: Mein Feuersalamander
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 332–334
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Mein Feuersalamander.

Von Dr. K. G. Lutz.0 Mit Illustration von A. Kull.

Tiere, die der Mehrzahl der Menschen unsympathisch sind, dürfen, wenn immer möglich, auf meine Teilnahme an ihrem oft recht traurigen Geschick rechnen, und wenn ich ihnen einen Stein aus ihrem Lebenswege räumen kann, so thue ich dies mit wirklichem Vergnügen.

Zu diesen Verachteten, Verfemten, unter Umständen Verfolgten gehört mein Feuersalamander, der sein Dasein in einer kleinen Höhle unter einer Baumwurzel in der Nähe Stuttgarts fristete, bis er an einem regnerischen Apriltage des vorigen Jahres, als er eben nach Regenwürmern Umschau hielt, von mir entdeckt und sorgsam nach meiner Wohnung transportiert wurde. Es war ein Prachtexemplar, etwas über 18 cm lang. Tiefschwarz glänzte die Haut, und im schönsten Goldgelb prangten die großen Flecken, welche in zwei Reihen auf der Oberseite des Körpers und dem rundlichen Schwanze angeordnet waren. Der Feuersalamander fühlt sich allem Anscheine nach auch „unter dem Schutze der schwarz-gelben Flagge“ der Stadt Stuttgart ganz wohl, denn er ist in der Umgebung der letzteren, namentlich in den bewaldeten Schluchten, keine Seltenheit.

Ein prüfender Blick auf den Salamander und ich wußte, daß ich eine Vertreterin des schönen Geschlechts der Species Salamandra maculosa Laur. vor mir hatte, und diese Entdeckung veranlaßte mich zur Gefangennahme des hübschen Tieres. Ich hatte mir nämlich schon längst vorgenommen, die Entwicklung desselben einmal mit eigenen Augen zu verfolgen. Also richtete ich der Salamandra eine ihr, wie ich glaube, durchaus behagliche Wohnung zurecht: den Boden eines leeren Kastenaquariums belegte ich zur Hälfte mit Tuffsteinstücken, welche hierauf mit einer stets feucht gehaltenen Moosschicht bedeckt wurden; die andere Hälfte des Behälters erhielt ein ziemlich großes flaches Wassergefäß.

Hier ließ sich’s die Salamandra wohl sein. Den Tag über lag sie ruhig in ihrem Versteck unter dem Moos; mit Einbruch der Dämmerung kam sie hervor und verzehrte Regenwürmer, Nacktschnecken, Raupen und ähnliche kleine Tiere mit sichtlichem Wohlbehagen. Dieses Wohlbehagen wäre wahrscheinlich noch erhöht worden, wenn sie ihre Beute hätte zunächst etwas zerkleinern und dann fein kauen können. Allein hierzu sind Zähne von einiger Größe erforderlich und gerade an solchen fehlt es dem Feuersalamander. Er hat zwar in jedem Oberkiefer mehrere Reihen zweizinkiger Zähnchen und auch am Gaumen stehen Zähne in zwei s-förmig gebogenen Streifen; aber sie sind so klein, daß mit ihnen nichts anzufangen ist. Der Salamander muß seine Nahrung so gut es geht hinunterwürgen. Daß er aber im Verschlingen Großes leistet, davon konnte ich mich oft überzeugen: Regenwürmer, fast so lang wie er selbst, verschwanden ruckweise in kurzer Zeit zwischen den Kiefern des breiten Kopfes.

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Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0333.jpg

Der Feuersalamander und seine Entwicklungsstufen.
Nach einer Originalzeichnung von Albert Kull.

[334] Von besonderer Intelligenz konnte ich an dem plumpen und langsamen Tiere nichts entdecken. Doch nahm ich ihm das nicht übel, wußte ich doch, daß man an diejenigen Geschöpfe, welche von der Natur mit einem recht kleinen Gehirn ausgestattet wurden, eben keine großen Anforderungen in dieser Richtung stellen darf.

Eines Tages platzte der Salamandra die Haut rings um die Mundöffnung, löste sich immer weiter ab und stülpte sich nach rückwärts um. Nach weniger als einer halben Stunde war das Tier thatsächlich „aus der Haut gefahren“, und was geschah nun? Nachdem es das abgeworfene Kleid einige Augenblicke mit seinen dunkelglänzenden Augen betrachtet hatte, verzehrte es dasselbe ohne alle Umstände.

So ein Feuersalamander sei, behaupten viele, sehr giftig; es sei deshalb nicht ratsam, mit ihm vertrauteren Umgang zu pflegen. Wahr ist es: die Haut des Salamanders ist mit vielen Drüsen bedeckt, ja die Wülste derselben sind ganze Drüsenhaufen, von denen insbesondere derjenige in der Ohrgegend viel Sekret absondert. Wahr ist ferner, daß dieses dem Saft der Wolfsmilch ähnliche, klebrige Sekret, auf eine Schleimhaut (etwa in das Auge) gebracht, Entzündungen hervorruft. Aber die Absonderung dieses Giftstoffes (auch Salamandrin genannt) erfolgt eben nur, wenn der Salamander angegriffen, wenn er gestoßen, geschlagen, gebissen wird. Derartige Prozeduren, an anderen Tieren vorgenommen, sind auch nicht immer ganz ungefährlich. Läßt man den Salamander schön in Ruhe und quält man ihn nicht, so thut er niemand etwas zuleide.

Auf kleinere Tiere wirkt das Drüsensekret allerdings unter Umständen tödlich. So berichtet Dürigen in seinem Buche „Deutschlands Amphibien und Reptilien“, daß eine Eidechse, die sich an einem Salamander verbiß, binnen kurzem starb, und daß Fische eines Aquariums eingingen, nachdem ein Salamander in demselben gestorben war und im Todeskampf sein Drüsensekret ins Wasser abgegeben hatte. Das Salamandrin, das zur Fortpflanzungszeit und abends am reichlichsten abgesondert wird, ist also nichts anderes als ein Verteidigungsmittel, eine Waffe, die dem harmlosen Tiere im Kampf ums Dasein unter Umständen gute Dienste leistet. Gönnen wir ihm diese Waffe!

Anfangs Mai wurde meine Salamandra unruhig und am 10. des Monats brachte sie nicht weniger als 25 prächtige Junge zur Welt in einer Länge von 28 bis 32 mm.

Ich setzte dieselben in ein mit Wassergewächsen bepflanztes Aquarium, in dem sie sich außerordentlich wohl fühlten. In einem Alter von 11/2 Tagen glichen sie genau den beiden kleinen Figuren auf unserem Bilde unten rechts. Die ganze Gesellschaft war auf der Oberseite dunkelgrau, am Bauche heller, „fast farblos“; bei etwa 1 Monat alten Tieren zeigte sich an den quergefurchten Seiten und am Schwanz ein leichter Goldschimmer. Im Gegensatz zu jungen Tritonenlarven sind bei den Salamanderlarven schon bei der Geburt alle 4 Beine gut ausgebildet. Der Kopf ist ziemlich breit, und der Flossensaum des Schwanzes reicht nur bis zur Rückenmitte. Die Haut der Jungen ist noch so durchsichtig, daß man an der Unterseite die inneren Organe leicht sehen kann; zu beiden Seiten des Kopfes stehen je 3, etwa 4 mm lange Kiemenbüschel.

Nun mußte die hungrige Schar aber auch ernährt werden. In Tümpeln, namentlich solchen, auf deren Grund Pflanzenblätter verfaulen, leben zahllose kleine Krebse: Daphnien (Wasserflöhe), Cypris- (Hüpferlinge) und Cyclops-Arten (Muschelkrebse). Mit Hilfe eines kleinen Netzchens kann man ohne alle Schwierigkeiten Tausende dieser für die Fischzucht so wichtigen Tiere erbeuten. Solche Krebschen brachte ich nun in großer Zahl ins Aquarium zu den Salamanderlarven. Was das nun für ein Rennen und Jagen absetzte! Mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, die man den Abkömmlingen des trägen Feuersalamanders nicht zutraut, waren sie hinter den Krebschen her, warfen aber anfangs die wie eine Muschel mit zwei Schalen versehenen Cypris stets wieder aus; sie waren ihnen noch zu hart.

So wuchsen sie heran, verzehrten bald auch größere Tiere und kleine Fleischstückchen und hatten, 7 bis 8 Wochen alt, die Größe der auf unserem Bild unten links dargestellten Larven. Von jetzt an änderten sie sich in Färbung und Gestalt: der Goldschimmer verschwand, die Oberseite wurde schwarzbraun, die Unterseite ebenfalls dunkel, gelbe Flecken kamen zum Vorschein, und zwar zunächst am Grunde der Gliedmaßen, auf den Augenhügeln und den Ohrdrüsen; der Flossensaum verlor sich; der Körper rundete sich mehr und mehr und die Kiemenbüschel schrumpften. Dabei kamen die Larven fortwährend an die Oberfläche des Wassers und schnappten Luft, woraus ersichtlich war, daß die Lungen sich nun entwickelt hatten. Noch einige Tage, und von den Bewohnern des Aquariums stieg einer nach dem andern ans Land – auf den Felsen, von wo aus sie in das Terrarium versetzt wurden.

Sie glichen jetzt dem kleinen der beiden jungen Salamander, rechts auf unserem Bilde und waren von dem erwachsenen Tiere weder an Gestalt noch Farbe wesentlich verschieden. Dagegen hatten sie ihre frühere Beweglichkeit verloren und waren nun ebenso langsam wie die Alte: lagen meist in ihrem Versteck und wurden nur dann munter, wenn es etwas zu fressen gab; Fleischstückchen, Insekten, Würmer etc., vor ihren Augen hin und her bewegt, nahmen sie gerne an; doch wurden auch diese jungen Salamander bald ins Freie gebracht, damit sie sich vor Einbruch des Winters noch so reichlich mit Nahrung versorgen konnten, daß sie den Winterschlaf zu überdauern imstande waren.

Am 10. August entdeckte ich in einer 2 m langen und ebenso breiten, etwa 1 m tiefen, mit Wasser gefüllten Grube eine größere Anzahl Salamanderlarven, die häufig an den Wasserspiegel kamen, also die Verwandlung nahezu beendet hatten. In der Wassergrube mußte Kleingetier in großer Menge gelebt haben, denn diese Larven waren viel größer als die meinigen. Sie hatten eine Länge von 6,5 cm; ihre Haut war dunkelbraun und hell graugelb gefleckt, und die Kiemenbüschel waren auffallend groß und rostrot von Farbe. Zwei von ihnen sind auf unserem Bilde in der Mitte, rechts und links, dargestellt, und der größere der beiden jungen Salamander entspricht einem Exemplar, das sich nach wenigen Tagen aus einer solch großen Larve entwickelt hatte.

Die jungen Salamander bekommt man im Freien selten zu sehen; sie sollen sich am Tage im Boden versteckt halten und nur des Nachts ihrer Nahrung nachgehen. Sie wachsen langsam; es vergehen deshalb mehrere Jahre, ehe sie fortpflanzungsfähig werden. Seinen Namen verdankt der Feuersalamander einem Aberglauben, dem schon die alten Römer huldigten; er sollte, ins Feuer geworfen, dasselbe auslöschen. Früher sagte man dem harmlosen Tiere auch allerlei andere zauberkräftige Eigenschaften nach und die Alchimisten suchten sogar aus seinem verkohlten Körper – Gold zu gewinnen.