Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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lästigen Lehrers zu fassen, und 2–3 Stunden nach dem Mittagessen in einem solchen Dampfbade auszuhalten, muß gewiß den Körper aller hier versammelten Kinder sehr erschlappen, und die Säfte zur Fäulniß neigen machen. Eben diese Einrichtung ließe sich auch zum Theil auf die lateinische Schule ausdehnen, in welcher überhaupt sehr wenig in den heißen Monaten gethan werden kann. Die Bauernkinder sind hierinn zwar besser daran, und vor diesen Nachtheil geschützt, da auf dem Lande um diese Zeit gewöhnlich seltner oder keine Schule gehalten wird; sie sind denn freylich gesünder und kräftiger, dagegen aber sind jene gescheuter, und wenn auch nicht frömmer und besser, doch vielwissender. Die Lehrgegenstände sind Lesen, Schreiben, Rechnen, biblische Geschichte, Natur- und Vaterlandsgeschichte, Geographie und Religionsunterricht, welcher letztere, das Erste und Nothwendigste für den Menschen, den Schulkindern von den Pfarr-Corperatoren zweymal in der Woche eine Stunde, außer den gewöhnlichen nachmittägigen Katechesen an Sonn- und Feyertagen, ertheilt wird. Aber Mütter sollten wohl bedenken, daß damit ihren Kindern Religion, wie sie in den Schulen gelehrt wird, wo mehr die Begriffe der Religionswahrheiten, als das Gefühl für dieselben gegeben, geweckt und belebt werden, noch nicht gegeben ist. Das Kind muß sie mitbringen aus dem älterlichen Hause, vom Herzen seiner Mutter. Wo der fromme, einfältige Sinn fehlt, und das Herz voll Liebe und Vertrauen, da vermag keine Kunst und keine Wissenschaft zu helfen. Aber nicht nur den gewöhnlichen Unterricht in den Wahrheiten der Religion

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sind Aeltern ihren Kindern schuldig, sondern auch das Beyspiel einer wahren, herzlichen in Reden und Thaten sich äußernden Frömmigkeit. Ohne dieß werden die Lehrstunden ihr Gedächtniß ausfüllen, aber schwerlich mit Kraft auf ihren Willen wirken. Umsonst werden die Kinder von der Flüchtigkeit irdischer Freuden reden hören, wenn die Aeltern selbst, durch zerstreutes Leben, in welches sie wohl gar die Kinder mit hineinreißen, die Salbung der Lehre wie einen Dunst verflüchtigen. Umsonst wird man die Kinder von der Bestimmung der Menschen, von der Ewigkeit, von Gott unterhalten, wenn die Kinder es inne werden – und die Gesinnungen der Personen, welche sie umgeben, entgehen den Kindern nicht – wenn sie inne werden, wie wenig den Aeltern das Ewige, wie wichtig dagegen das Zeitliche, Vermögen, Ehre, Vergnügen sey; wenn Gottes im Hause vergessen wird; wenn ein auf ihn und die Ewigkeit sich beziehendes Wort befremdet, wie ein ungebetner unwillkommner Gast; wenn in täglichen Unterredungen und Bestrebungen, in Handlungen dem Geist der Welt gehuldiget wird, und die Scham und Scheu, welche man vorzüglich den Kindern schuldig ist, aus den Augen gesetzt wird. Sie wird aber aus den Augen gesetzt, nicht nur durch Zulassung unzüchtiger Ideen, sondern auch durch Herbeybringung jeder Idee, die sich auf Werthschätzung des Vermögens, oder auf Eitelkeit, oder auf falsche Ehre bezieht. Wenn Kinder hören, daß mit Wohlgefallen von Buhlschaften geredet wird, oder von mörderischen Selbstrache; wenn ihrer Eitelkeit durch Vorzeigung erworbener Fertigkeiten geschmeichelt, und entweder diesen nach falschen Zeitgebrauch