Med. Topographie Gmuend:044
Franz Joseph Werfer Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd | |
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[84] weitgetriebene Liebhaberey. Der geringe und mittellose Mann lebt mit seiner ganzen Familie, die bey dieser Klasse auch meistens zahlreich ist, gewöhnlich in einer kleinen und noch dazu unreinlichen Stube; und hat er auch ein besonderes Gemach zum schlafen, so ist dasselbe nur klein, dumpf und finster, und wenn es, wie häufig, zu ebner Erde ist, oft auch feucht und ungesund; besonders sieht man die Folgen dieses Mangels recht sehr an dem blassen Aussehen und der steten Kränklichkeit solcher Kinder. Der Hauptnahrungszweig hiesiger Stadt ist der Handel nach Aussen mit allen Gattungen von Bijouterie und Filigranartikeln aus Gold, Silber, Semilor[1], Tomback[2] und Messing, welche von unsern Manufakturisten mit vielen Fleiß und mancher Zierlichkeit verfertiget werden; mit Baumwollengarn und den daraus verfertigten Strümpfen, Mützen u. s. w. was mehrern Menschen in der Stadt und auf dem Lande durch Spinnen und Striken Arbeit und Verdienst verschafft. Auch die hölzerne Tobackspfeifenköpfe, welche in mehrern benachbarten Ortschaften, besonders in Waldstetten, Rechberg u. a. gearbeitet und von hiesigen Silberarbeitern schön beschlagen werden, machen einen nicht unbedeutenden Handelszweig aus. Die Lebensweise richten sich gewöhnlich nach dem jeweiligen Stand des Handels und dem daraus entspringenden Verdienst unsrer Arbeiter. Sie ist jetzt im allgemeinen ziemlich frugal; aber in Zeiten besserer Einnahme, denen man sehnend entgegen sieht, lebt man gerne auch besser, und man ist gewohnt wohl und gut zu essen und zu trinken, wenn es nicht selten auch mit Aufopferung mancher häuslicher Bequemlichkeiten [85] geschehen muß. Die gewöhnliche Nahrungsmittel bestehen in Fleisch, Gemüße und Mehlspeisen, und letztere werden nebst dem Brod am häufigsten genossen. Man ißt des Tags außer dem Frühstück gewöhnlich zweymal ordentlich, und bey den Goldarbeitern, die Gesellen halten, war es in bessern Zeiten eingeführt, daß man denselben auch am Abend zwey bis dreymal in der Woche Fleisch aufsetzte. Unmittelbare und geringe Leute geniesen gewöhnlich nur einmal des Tags etwas Warmes, wenn man nicht das Kaffeetrinken als solches annimmt, und ihre gewöhnliche Kost machen nebst dem Brod meistens Erdbirn aus, welche durchgehens gern und häufig genossen werden, und nur selten kommt Fleisch an sie; viele begnügen sich auch mit einem schlechten und unschmackhaften Kaffee zwey bis dreymal des Tags getrunken, anstatt der gewöhnlichen Mahlzeit, indem derselbe wegen den dazu genommenen Surrogaten und leichterer Bereitung theils wohlfeiler kommt, theils auch weil viele bey ihrer sitzenden Lebensart die Erdbirnkost ohne Nachtheil ihrer Gesundheit nicht immer vertragen können. Die Qualität der Nahrungsmittel ist im Ganzen genommen gut. Man zieht sie zum Theil aus der Stadt, größtentheils aber nimmt man sie aus den umliegenden Ortschaften. Obst und Gemüße jeder Art liefern unsre viele Gärten und die benachbarten Dörfer und Weiler, deren Einwohner dieselben, so wie auch Butter, Schmalz, Eier und Geflügel zweymal in der Woche an den gewöhnlichen Wochenmärkten zum Verkauf in die Stadt bringen, hinlänglich, und spät im Winter kann man sie oft gut und frisch behalten
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