Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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und moralischen Ursachen in Verbindung mit der treuen und scharfsinnigen Beobachtung und Vergleichung des Ganges der Krankheiten überhaupt, der Wiederkehr derselben, der am öftersten herrschenden einheimischen und durch Ansteckung sich verbreitenden Seuchen die Volkskrankheiten, ihren Gang, ihre Stufenfolge und deren Heilmethode richtig zu erkennen und zu bestimmen in Stande gesetzt wird.

Das Klima um Gmünd ist im Thale mild und sanft, vor dem rauhen Nordwind durch eine bergigte Schutzwehre, den sogenannten Lindenfirst, mehr geschützt, gedeihen Pflanzen und Thiere, leben Menschen ziemlich gesund. Auf den nördlichen Anhöhen und Gegenden aber, auf dem sogenannten Walde, wo dichte Tannenwälder größtentheils die Erde decken, so wie auch noch auf dem mehr östlich gelegenen hohen Albuch, ist es mehr rauh, und karger das Wachsthum, und auch etwas rauher der Wäldler. Da übrigens die Stadt überhaupt mehr den südöstlichen und feuchten Westwinden ausgesetzt ist, so findet man auch die Natur der Einwohner im Allgemeinen mehr feucht als trocken, weniger zur Galle als zum Schleim geneigt, woran aber natürlich die Lebensweise, die Lage, der Boden und manches andere mehr oder weniger Antheil haben.

Die Jahreszeiten sind sich, wie aller Orten, auch hier nicht immer gleich; in jedem Jahre fast findet sich mehr oder weniger Verschiedenheit in Hinsicht der Kälte und Wärme, Feuchte und Tröckne, jedoch nicht so bedeutend, daß nicht im Allgemeinen eine gewiße Regelmäßigkeit angenommen werden kann, zumal in dem Wechsel und Uebergang der verschiedenen Jahrszeiten.

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Unsre Winter sind gewöhnlich mehr durch längere Andauer einer meist rauhen, oft mehr naßkalten Witterung, als durch strenge anhaltende Kälte lästig; denn meistens erst gegen Ende des Decemb. bis in die Mitte des Febr. fällt anhaltende Kälte mit bleibendem Schnee ein. Aber ungewöhnlich streng und langdauernd war der Winter 1812–1813; denn schon Anfangs Novemb. trat strenge Kälte mit bald folgenden und bleibenden vielen Schnee ein, und dauerte so bis in die Hälfte des Febr., wo wieder gelindes Thauwetter folgte. Noch strenger und länger dauernd war der Winter 1614–1615, der von Martini anfieng und bis in May anhielt, worauf in nämlichem Jahr große Theurung folgte. Ferner hatten wir in den Jahren 1407, 1408, 1590, 1595, 1608, 1784, und 1788 ungewöhnlich lange und strenge Winter, und im letztern sind die meiste Fruchtbäume in den Umgebungen der Stadt erfroren. Dagegen hatten wir auch schon ungewöhnlich warme Winter, wie in den Jahren 1168, 1186, 1269 und 1596, so daß in solchen die Bäume blüheten, und um Weihnachten die Mädchen Kränze aus Veilchen und Schlüsselblumen flochten, und die Knaben badeten; aber die Jahre waren allzeit sehr fruchtbar. Auch der Winter und Frühling 1602 waren sehr warm; aber in der Nacht um Philippi und Jakobi trat noch eine solche Kälte ein, daß alles Gewächs in den Gärten und die Blüthen auf den Bäumen erfroren, dergleichen Spätfröste übrigens in unserm Thale nicht gar ungewöhnlich sind. Der Winter 1613 brachte uns gar keinen Schnee. Unser Januar hat in gewöhnlichen Jahren mehr heitre Tage mit strenger Kälte, als trübe mit Schnee