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Autor: Wilhelm Jordan
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Titel: Marine-Erinnerungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 464–467
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Marine-Erinnerungen.

Von Willhelm Jordan.[1]

Als mir ein Marineamt zugefallen war, stichelte Karl Vogt „als langen Hering habe man mich reichseinmariniert“ und Detmold, der kleine Satyr der Paulskirche, fand Beifall für seinen Witz: „ich hätte meinen Beruf zur Marine frühzeitig bewährt, indem ich einen Pudel meines Vaters gerettet, als er ins Wasser gefallen“.

Im Parlament bestand in der That bedauerlicher Mangel an besser Berufenen. Von den fünfzehn durch die Abteilungen in den Flottenausschuß Gewählten waren vier mit dem Seewesen vertraut: der sogleich einstimmig zum Vorsitzenden ernannte Direktor des österreichischen Lloyd, v. Bruck, der österreichische Marine-Ingenieur Möring, ein eifriger Befürworter der jetzt für Seedampfer allgemeinen, damals nur in der Adria mit noch zweifelhaftem Erfolg versuchten Schraube, dort Propeller genannt; dann zwei Reeder aus Bremen und Ems, Gevekoht und Brons. Gleichwohl versuchten auch die meisten andern, als eine erste Umfrage gehalten wurde, ob und inwieweit sich jeder schon früher mit einschlägigen Dingen befaßt habe, sich um das Eingeständnis ihres Laientums herumzureden. Nur der preußische Artilleriemajor Teichert und ich bekannten gänzliche Unwissenheit in nautischen Fragen, er mit dem Hinzufügen, daß man seine Erfahrung im Geschützwesen vielleicht brauchbar finden werde, ich ohne Anspruch auf mildernde Umstände. Dennoch ward ich, als jüngstes Mitglied, sogleich zum Schriftführer ernannt.

Mit wenigen Kriegsfahrzeugen dritten und vierten Ranges vermochte damals Dänemark unseren Seehandel empfindlich zu schädigen, Weser und Elbe völlig zu sperren. Das fühlte die erwachte Nation als unerträgliche Schmach. Man entsann sich der einst meergewaltigen Hansa. Die Unentbehrlichkeit einer Flotte ward jedem einleuchtend. Eine solche so rasch als möglich zu schaffen, regte sich allerorten opferwilliger Eifer. Dringliche Petitionen bestürmten das Parlament. Gesammelte Gelder, Anerbietungen im Bau begriffener Kanonenboote begannen einzulaufen. Schleswig-Holstein arbeitete nicht erfolglos an der Schaffung einer eigenen Marine. Der Hamburger Flottenverein baute Kanonenboote und versuchte, zwei alte Kauffahrteischiffe in Kriegsfahrzeuge umzuwandeln und zu bestücken. Behufs Angliederung an die von Frankfurt aus zu schaffende Flotte trat man in Verbindung mit unserem Ausschuß, der schon bei seiner Einsetzung auf den Antrag Heckschers ermächtigt worden war, mit den Marinekomitees der deutschen Seehäfen direkt zu verkehren und die Materialien zur Vorlage an die Nationalversammlung vom In- und Auslande einzuholen.

Mir lag es ob, über die Einläufe zu berichten, die Antworten zur Genehmigung vorzuschlagen und nach Unterzeichnung durch unseren Präsidenten abzuschicken. In den meisten Fällen kürzte sich dies Verfahren dahin ab, daß ich nicht erst auf eine Sitzung zu warten, sondern mich nur der Zustimmung des Herrn v. Bruck zu versichern hatte. Diesen überlastete schon die Korrespondenz seines Triester Amts. Nach kurzer Probezeit gab er mir Vollmacht, unseren sehr umfangreichen aber selten wichtigen Schriftwechsel allein zu besorgen und ohne seine Begutachtung als Sekretär des Ausschusses zu zeichnen. Sechs Wochen nach unserer Konstituierung galt ich im Parlament für den Geschäftsführer des Ausschusses, draußen sogar für den künftigen Chef des Marineamts.

Ein junger Schiffszimmermeister aus Stettin, Zweitinger, begrüßte mich sogar als voraussichtlichen Marineminister mit dem Ersuchen, ihm, wenn ich demnächst ernannt würde, eine Anstellung zu verschaffen. Ich mußte lachen, antwortete aber mit dem Gegenvorschlag, er möge mir theoretischen Unterricht geben im Schiffsbau. Dabei würde ich ein Urteil gewinnen über seine Befähigung. Sei das ein günstiges und erfülle sich seine Vermutung auch nur annähernd, so wolle ich ihm das gewünschte Amt verschaffen. Bereitwillig ging er darauf ein. Viele Wochen hindurch, jeden Morgen von 7 bis 9 Uhr bauten wir Schiffe auf dem Papier, von der kleinsten Jolle bis zum Dreimaster und Linienschiff. Ich besitze noch dicke Rollen von Zeichnungen, an denen er mir vom Kiel bis zur obersten Stenge jeden Bestandteil benannte und erklärte. Gleichzeitig studierte ich die Navy Estimates des englischen Parlaments und was ich mir von französischen und englischen technischen Werken über Dampfmaschinen, Schiffsartillerie und Organisation des Flottendienstes irgend verschaffen konnte.

Als im Ausschuß über die nächsterforderlichen Anschaffungen verhandelt, die Kosten geschätzt und daraufhin als erste Rate zur Flottengründung sieben Millionen Gulden im Plenum beantragt wurden, da konnte ich schon mit einiger Fachkenntnis, und nicht selten entscheidend, mitreden.

Die der Initiative des Parlaments zustehenden Vorbereitungen lagen überwiegend in meiner Hand, als nach Bewilligung jener Summe der Bremer Senator und Bürgermeister Duckwitz den Auftrag erhielt, ein Centralamt für die Marine als Abteilung des Reichshandelsministeriums einzurichten. So wurde ich als Rat in diese Abteilung berufen.

Zum Amtslokal angewiesen wurde mir der zweite Stock des Dietz’schen Hauses in der Eschenheimergasse, gegenüber dem Palais Mühlens, das heute dem Bürgerverein gehört, damals dem Reichsverweser Erzherzog Johann als Residenz diente; eine lange Flucht leerstehender Säle und Zimmer. In der Ecke des einen lag ein ellenhoher Stoß Akten des Bundestages in Marineangelegenheiten, obenauf die jüngsten noch unerledigten Zuschriften aus Schleswig-Holstein, Hamburg und von den zahlreichen Sammelvereinen.

„Raum haben Sie da wohl genug; nun legen Sie los mit der Flottengründung,“ sagte Duckwitz, als er mich am 15. November 1848 in diese wenig ermutigende Oede einführte.

Meine Thätigkeit begann damit, daß ich etliche Tische und Stühle vorläufig mieten, Aktenschränke, besser geeignete Schrei- bund Zeichentische bestellen, Papier, Tinte und Federn selbst einkaufen ging, einige Kopisten anwarb, den Schiffszimmermeister Zweitinger als Zeichner und als Sekretär Herrn Ebeling anstellte, der sich in diesem Amt vorzüglich bewähren sollte.

Mit dem Minister und meinem einige Tage später ernannten Kollegen, dem Abgeordneten Kerst, hatte ich zugleich den Sitzungen der technischen Kommission beizuwohnen, die unter Vorsitz des Prinzen Adalbert von Preußen den Flottenplan für eine Reihe von Jahren ausarbeitete. Uns unter Duckwitz aber verpflichtete der dringliche Auftrag des Parlaments, der Schande der Blockierung der Weser und Elbe baldmöglichst ein Ende zu machen. Was wir dazu an Dampfern teils ausrüstbar kauften, teils auf englischen Werften bauen ließen, stimmte wenig zu den von der Kommission geplanten, aber für unsere Ausgabe jedenfalls viel zu spät kommenden Fahrzeugen. So hatten wir denn unsere liebe Not, die resolut ohne Anfrage zur Begutachtung erworbenen oder bestellten Schiffe als den Forderungen der Techniker einigermaßen entsprechend zu verteidigen. Mir zumeist fiel diese heikle Pflicht zu, da ich zwei- bis dreimal wöchentlich zur Arbeit mit dem Prinzen im „Russischen Hof“ zu erscheinen hatte. Ich entsinne mich, daß ich im Gespräch mit ihm über eine Stunde im Zimmer auf und nieder laufen mußte, und immer desto schneller, je erregter sein Widerspruch wurde, bevor es gelang, Verzeihung unseres „kecken Vorgriffs“ und endliche Zustimmung auszuwirken zur Einstellung des in Amerika gekauften Dampfers „Hansa“.

Erfolglos dagegen blieben unsere Proteste gegen die Ruderkanonenboote. [466] Diese, behaupteten wir, seien eine gleich antiquierte Vergeudung von Geld und Menschenkraft, wie Spinnrocken und Handwebestuhl, seit der hundertfach ergiebigere Dampf die Sträflingsarbeit in Galeeren abgelöst. Dawider berief man sich auf Dänemarks immer noch zahlreichen Besitz an Fahrzeugen dieser Gattung, nicht minder auf die Dienste, welche die skandinavische Schärenflottille in klippenreichem Strandgewässer zuweilen geleistet hatte – gegen Segelschiffe. Die verführerische Thatsache, daß eine Ruderjolle mit zwei Geschützen für etwa 6000 Thaler in kurzer Zeit fertig zu stellen war, machte den Improvisationseifer der Flottenvereine, ja, der Staatsbehörden und selbst unserer Techniker blind dafür, daß die Quälerei zur Leistung eines kläglichen Bruchteils der Maschinenkraft nur eins erzielen könne: unseren Matrosen den Flottendienst gründlich zu verleiden. So wurden denn auch uns von diesem verderblichen Spielzeug 27 Stück aufgehalst, um, wie vorausgesagt, nach wenigen Exerzierversuchen von trostlosem Ergebnis zu verrotten und schließlich zum Brennholzwert verkauft zu werden.

Abgesehen vom verdrießlichen Zwang zu diesem nach unserer Ueberzeugung verfehlten Unternehmen, fühlten wir uns hoch gestimmt und zu atemlosem Fleiß gespornt von dem Bewußtsein, Handgreifliches und Ersprießliches zu schaffen, während die Versammlung in der Paulskirche das glühende Eisen ungeschmiedet kalten ließ und Monate zur juristisch ausgespitzten Beratung der Grundrechte verbrauchte.

Im Frühjahr 1849 hatten wir auf der Weser bei Brake und Bremerhaven sechs wohlbewaffnete Dampfer liegen. Für das Oberkommando war der griechische Fregattenkapitän, jetzt Seezeugmeister, nachmals Admiral, Rudolf Brommy gewonnen, der sich als eifriger und umsichtiger Organisator ausgezeichnet bewährte. Auch das Offizierskorps vervollständigte sich allmählich, besonders durch Eintritt belgischer, wegen Verminderung ihrer Marine außer Dienst gestellter Offiziere, und die auf der „Deutschland“, einem anderweit nicht verwendbaren Slomannschen Kauffahrteischiff, eingerichtete Schule für die Kadetten, von uns Seejunker genannt, verhieß leistungsfähigen Nachwuchs.

Desto mehr gebrach es an Matrosen. Trotz der Unterbindung unseres Seehandels blieben die Werbeversuche fast erfolglos. Von einigen zwanzig aus Mecklenburg geholten Matrosen mußten die meisten als untauglich entlassen werden.

Ich hatte damals mit dem schon ernannten Marine-Stabsarzt Dr. Rudolf Heins dem Examen beizuwohnen, dem sich die zum Dienst in der Flotte angemeldeten Mediziner in dem dazu vom Senat bereitwillig zur Verfügung gestellten Hamburger Krankenhause unterziehen mußten. Dort erhielt ich von Duckwitz Auftrag, zu ermitteln, warum keine Matrosen zu erheuern seien, da deren doch eine Menge müßig sein müßte. So war es. Aber sie lebten auf Kredit bei den Schlafbaasen, und diese ließen ihre lebendigen Unterpfänder nur los gegen Zahlung ihrer Schulden.

Ich erklärte mich bereit, für jeden an Bord gelieferten Mann die quittierte Baasrechnung zu zahlen, bot in Plakaten angemessene Löhne und mietete zur Musterung einen Saal in St. Pauli. Da strömten denn Matrosen zu Hunderten zusammen, um sich messen und ausgekleidet von den eben ernannten und sogleich uniformierten Marineärzten auf ihre Gesundheit untersuchen zu lassen. In kurzer Frist waren gegen anderthalbhundert angeworben.

Nun aber fragte sich’s, wie dieser Trupp nach der Weser zu bringen sei. Sehr zu paß daher kamen mir zwei schon in Frankfurt als Offiziersaspiranten eingetragene junge Männer, die das Steuermannsexamen rühmlich bestanden hatten. Auf ihre Anfrage, warum sie noch keinen Bescheid auf ihre Meldung erhalten, versprach ich, ihnen definitive Patente auszuwirken, wenn sie, als provisorische Deckoffiziere uniformiert, die Matrosen auf gemietetem Dampfer nach Stade, von dort, da die Mündungen der Elbe und Weser von den Dänen blockiert waren, auf Leiterwagen nach Bremerhaven brächten. Das gelang ihnen bestens. Den richtigen Empfang der Mannschaften quittierend, begrüßte mich Freund Brommy als einen Hexenmeister. Die beiden jungen Steuermänner hatten mein auf den ersten Blick gefaßtes Vertrauen gerechtfertigt und rechtfertigten es in der Folge noch glänzender. Denn in ihnen hatte ich den nachmaligen Admiralen Kinderling und Werner auf die erste Stufe ihrer Laufbahn hinaufgeholfen.

Am 5. April 1849 hatten zwei schleswig-holsteinische Strandbatterien und eine von Herzog Ernst von Koburg-Gotha rechtzeitig herangezogene nassauische Feldbatterie das dänische Linienschiff „Christian VIII“ in die Luft gesprengt, die als Schnellsegler berühmte Fregatte „Gefion“ gezwungen, die Flagge zu streichen. Sofort nach Eingang der Siegesdepesche ward ich hingeschickt, diesen so unerwarteten als erwünschten Zuwachs unserer Flotte zu übernehmen.

Von einigen dreißig Vollkugeln war das Heck der „Gefion“ zum Siebe geschossen. Das Schiff der Länge nach durchschlagend, hatten sie bis zu elf Mann auf einen Schuß niedergestreckt, im Innern eine grausige Verwüstung angerichtet. Das Eichenholz der Deckbalken sah man zu Strohbüscheln zerfasert, dazwischen Skalpfetzen und den Brei zerschmetterter Gehirne. Das Gestade rings um die Bucht lag bedeckt von den Leichen der mit in die Luft geflogenen Dänen.

Gegen achtzehn Landgeschütze war eine fast zehnmal so zahlreiche Schiffsartillerie ohnmächtig unterlegen. So hat dies denkwürdige Treffen den Hauptanstoß gegeben, das dem präciseren Feuer der Küstenkanone gegenüber fast wehrlos gewordene Holzschiff abzuschaffen und durch die schwimmende Festung von Stahl zu ersetzen.

Einige Verse aus der Zueignung meines „Demiurgos“ veranschaulichen mit photographisch treuen Einzelzügen die Walstatt dieses Kampfes, wie sie 24 Stunden nach demselben aussah:

Ich sah das Ufer tief durchwühlt
Von Dänmarks Zweiunddreißigpfündern,
Besät mit Splittern, Bombenscherben,
Kartätschen und Granatenzündern,
Umsonst verschwendetem Verderben.
Ich trat auf einen Riesenspan
Vom Mittelmast des Christian.
Ein glühender Kanonenball
War mitten in das Holz geschlagen
Um ellentief in leisem Fall
Wie’n Feuerwurm sich fortzunagen.
Ich sah das Wrack mit schwarzgebrannten
Vom Pulver kraus verschrägten Spanten
Noch klafterhoch der Flut enttauchen
Und hier und da noch leise rauchen.
Es schien ein Vorweltungeheuer
Gestrandet an verborgner Klippe,
Ein Wal, dem hier ein mächtig Feuer
Das Fleisch gefressen vom Gerippe.
Dann war es mir ein Freudenschreck,
Der Gefion zerschoss’ne Bohlen
Nunmehr als deutsches Kriegsverdeck
Zu fühlen unter meinen Sohlen.“

Ich besitze noch zwei Andenken aus jenen Tagen: einen Eichenklotz vom Kiel der nun längst zerschlagenen „Gefion“ und ein halb verbranntes Signalbuch der dänischen Ruderflotte (Roflotillen). Dies war vom „Christian“ in die Luft geflogen und nahezu eine Viertelmeile landein niedergefallen auf einem Feldstück des Grafen Reventlow-Altenhof, bei dem ich im Hauptquartier des Herzogs von Koburg-Gotha einen Tag zubrachte.

Erwähnt sei noch, daß ich damals bei Eckernförde dem ersten Schießversuch mit birnförmigen, an der Spitze mit einem Zündhütchen versehenen Granaten beiwohnte. Leider platzten mehrere schon im Rohr. Von den übrigen fehlte keine das Ziel, so daß die Treffsicherheit durch die neue Geschoßform gesteigert schien. Die Sprengwirkung der im Augenblick des Einschlagens erfolgenden Explosion war eine so furchtbare, daß ein so in der Wasserlinie getroffenes Schiff unrettbar verloren sein mußte.

Panzerschiffe gab es noch keine, aber die Idee derselben war doch schon aufgetaucht und wir hätten die ersten sein können, sie zu verwirklichen. Schon im Ausschuß nämlich, und mehr noch in der Abteilung waren wir förmlich überschwemmt worden mit Erfindungen. Die meisten waren grotesk, ungeheuerlich, selbst blödsinnig; die tollste z. B. ein Prahm, bewaffnet mit einer dampfgetriebenen Zange, gigantisch und stark genug, um ein Linienschiff, das so gut sein wollte, sich einkneifen zu lassen, masthoch aufzuheben, umzudrehen, Geschütz und Bemannung [467] herauszuschütteln und es dann zerknackt wie eine Nuß ins Meer plumpsen zu lassen.

Aber auch verheißungsvolle Anerbietungen mußten wir, wegen Mangels an Zeit und Geld zu Experimenten, ablehnen. So den wohl motivierten, von sauberen Zeichnungen begleiteten Vorschlag gezogener Kanonen für konische Geschosse, der wenige Jahre später von Napoleon III ausgeführt wurde; so den eines gepanzerten Dampfkanonenbootes mit beigegebenen Tabellen über Schießversuche zur Erprobung der Widerstände verschieden dicker Eisenplatten. Bekanntlich fand auch diese Idee ihre erste Nutzanwendung in Frankreich beim Bau schwimmender Batterien für den Krimkrieg.

Sechs Monate nach Einsetzung der Marineabteilung konnte ein Geschwader kampfbereit von der Weser auslaufen. Am 4. Juni 1849 kam es zum Seegefecht bei Helgoland. Die Berichte über dasselbe lauten sehr widersprechend. Am vollständigsten zusammengefaßt hat sie Vizeadmiral Batsch in seiner Schrift „Deutsch Seegras“, Berlin, Gebr. Paetel 1892. Das scheint sicher, daß die schwer beschädigte Korvette „Valkyren“ der Enterung und Vernichtung durch unsern Dampfer „Hamburg“ unter Kapitän Reichert nur entgangen ist, weil auf die Warnschüsse der englischen Batterie auf Helgoland das Flaggschiff Brommys, „Barbarossa“, Befehl zur Umkehr signalisierte. Wie die Korvette mußte auch der Dampfer „Geyser“ zur Reparatur nach Kopenhagen zurück. Da die dänischen 18- und kurzen 32-Pfünder, von nur einem Treffer in unsere Takelage abgesehen, durchweg zu kurz geschossen, scheuten die Blockadeschiffe wohl einen zweiten Angriff aus unsern achtzölligen Bombenkanonen und englischen 56-Pfündern. Sie verschwanden; die Blockade war aufgehoben und mit dieser Lösung unserer Hauptaufgabe ein zweifelloser Erfolg erreicht.

Dies Gefecht blieb die einzige Aktion unserer in Hast improvisierten, aber trotz vieler Mängel immerhin schon ansehnlichen Flotte. Alsbald begann aber ihr Martyrium mit der empörend unverschämten Note Palmerstons. Armierte Fahrzeuge unter schwarzrotgoldener Flagge – so ungefähr lautete dieselbe – hätten im britischen Gewässer um Helgoland eine Kanonade gegen dänische Kriegsschiffe eröffnet. Im Wiederholungsfall würden dieselben als Piraten behandelt werden. Meinen Entwurf zur Antwort wagte der Minister nicht einmal seinen Kollegen mitzuteilen. Zähneknirschend mußten wir den Schimpf unterschlucken.

Schon aber stand uns Schlimmeres bevor seitens deutscher Bundesgenossen.

Ein ungemein anerkennender Bericht über die junge Schöpfung, den der österreichische Fregattenkapitän v. Bourguignon erstattete nach achttägiger gründlicher Musterung und Probefahrten in der Nordsee, auf denen ich ihn begleitete, hatte nicht vermocht, das entschiedene Uebelwollen Oesterreichs zu besiegen. Von Wien aus gepflegt, überwog und lähmte die Kostenscheu der meisten Mittel- und Kleinstaaten das nur von Oldenburg, Hannover und den Hansastädten unterstützte opferbereite Wohlwollen Preußens. Als eben noch drei neue Dampfer auf der Weser eingetroffen und ich von der Abnahme derselben aus England zurückgekehrt, fand ich unser Werk schon so gut wie verurteilt.

Wie über die Gründung, giebt auch über die Auflösung und unsere mit aufreibender Anstrengung fortgesetzten, doch erfolglosen Rettungsversuche die ausführlichste und verläßlichste Auskunft die aus den Staatsarchiven in Berlin und Hannover geschöpfte Schrift „Die deutsche Flotte von 1848 bis 1852“ von Dr. M. Bär, Leipzig, S. Hirzel, 1898.

Ich schweige von dieser trostlosen Siechtumsgeschichte und ihrer letzten Schmach, der Verauktionierung durch Hannibal Fischer. Von diesem „Totengräber der deutschen Flotte“ entwirft ein Brief des bremischen Bürgermeisters Smidt, abgedruckt im eben genannten Werke Bärs, ein so zutreffendes als erschöpfendes Charakterbild. Danach hat sich der ins Leben zurückgalvanisierte Bundestag unsterblichen Mißruhm eingelegt, indem er für die leider unvermeidlich gewordene Auflösung einer von der Nation ersehnten Schöpfung diese tragikomische Figur zu seinem Bevollmächtigten erkor.

Nur noch eine Erinnerung von unvergänglichem Geschichtswert sei hier aufgezeichnet.

Während die politische Konstellation den Fortbestand der Marine bereits fraglich machte, hatte ich die Ehre, mit dem Preußischen Marinebevollmächtigten Obrist von Wangenheim und dem hannoverischen Hauptmann Marcard zur Mittagstafel beim Prinzen von Preußen eingeladen zu werden.

Der nachmalige deutsche Kaiser veranlaßte mich, von meinen Erlebnissen in der Paulskirche und namentlich davon zu erzählen, wie die Partei der Erbkaiserlichen durch weitgehende Nachgiebigkeit in Betreff ihr bedenklicher Paragraphen der Reichsverfassung die genügende Mehrheit zur Wahl des Königs von Preußen zusammengebracht. Dann gab er dem Gespräch eine Wendung zu Marinefragen. Er wolle nicht verhehlen, daß ihm unser Unternehmen von vornherein den Eindruck eines verfrühten, bei seiner Kostspieligkeit auch etwas leichtsinnigen Versuches gemacht habe.

Ich bekannte, daß ein nicht ganz unerheblicher Teil der Schuld an dieser kecken Vorwegnahme mir zur Last falle, und fügte hinzu, daß jetzt auch mein Glaube an die Zukunft unserer Schöpfung sehr ins Wanken komme.

Da fiel plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, eine Frage von seinen Lippen, die mich erschreckte, als brenne mein Stuhl.

„Sagen Sie, versteht denn mein Vetter Adalbert etwas von der Marine?“

Dabei hielten seine Augen die meinigen fest mit jenem fridericianischen Blick, der bis tief ins Gewissen eindringt.

Kein Zweifel, nur auf entscheidende Probe stellen sollte den jungen Marinerat die befremdliche Zumutung eines Urteils über den prinzlichen Chef der Königlich preußischen Marine. Wenn auch nur ein Tröpfchen Vorwitz meine Antwort färbte, dann hatte ich vom Hohenzollern eine eisige Abfertigung zu erwarten und war für ihn endgültig durchgefallen.

„Wir alle,“ versetzt’ ich rasch gefaßt, „und vor allen ich, haben erst in der Arbeit das A B C des neuen Fachs lernen müssen. Darin wenigstens glaub’ ich weit genug gekommen zu sein, um behaupten zu dürfen, daß Se. Königl. Hoheit Prinz Adalbert aus umfassender Kunde des englischen Seewesens in die technische Kommission mehr Vorkenntnisse mitgebracht hat als irgend ein anderes Mitglied.“

Ich hatte bestanden. Er lächelte freundlich, aber dem Ausdruck der Güte war ein schalkischer Zug beigemischt, als ob er dächte: nicht unbehend aus der Schlinge geschlüpft.

Nach Aufhebung der Tafel winkte er mich in eine Fensternische, während Graf Pückler, sein Hofmarschall, die anderen Gäste zum Flüstergespräch um sich gruppierte.

„Sie haben recht,“ schloß er die Unterredung, „an der Zukunft Ihrer Marine zu verzweifeln. Auch Preußens guter Wille vermag sie nicht mehr zu retten. Es war verkehrte, jugendliche Uebereilung, erst eine Flotte schaffen zu wollen und nachträglich dazu das Reich. Ueberhaupt habt ihr in der Paulskirche so manchen überkühnen Griff gethan. Aber darunter auch einen, der sich, mein Wort darauf, nicht als Mißgriff erweisen soll. Das Reich kommt, mit ihm dann auch die Flotte. Die Gründung freilich geschieht nimmer durch Parlamentsbeschlüsse.“

So war ich einer der wenigen, die es längst von ihm selbst wußten, zu welchen Erfüllungen er als König rüste, als er sich unbeirrt mit schwerer Unpopularität belastete und gegen die Majorität ausführte, was nur er allein mit seinen Paladinen als unerläßlich geboten erkannt hatte.

An großen Wenden flößt die Weltgeschichte ihren Willen gern der handelnden Hauptperson ein als leidenschaftliche Vorliebe für das erforderliche Thatenfach. So ist meinem Glauben Kaiser Wilhelms II Passion für das Seewesen die providentielle Fügung des Willens, der sich zu seiner Vollstreckung ein meergewaltiges Deutschland ausersehen hat.

Wohl uns, daß die zwingende Beredsamkeit der Weltlage ihn der dornenvollen Pflicht überhoben hat, wie einst sein Großvater die Kräftigung des Heeres, so den Ausbau der Flotte gegen eine Majorität durchsetzen zu müssen.




  1. Diese Erinnerungen Wilhelm Jordans bilden den ersten in einer Reihe von Aufsätzen, welche hervorragende Veteranen der achtundvierziger Zeit für die „Gartenlaube“ geschrieben haben. Wie diese Aufsätze persönliche Erlebnisse von historischem Wert schildern, so haben auch die politischen Urteile darin den Wert historischer Zeugnisse, die wir uneingeschränkt wiedergeben als persönliche Bekenntnisse ihrer Verfasser. D. Red.