Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Maria Stuart
Untertitel: Romanzen-Cyklus
aus: Gedichte, Seite 152–161
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[152]
Maria Stuart.[1]

(Romanzen-Cyklus.)

      Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,
 Die Macht verführte mich, ich hab’ es nicht
 Verheimlicht und verborgen, falschen Schein
 Hab’ ich verschmäht mit königlichem Freimuth,
 Das Aergste weiß die Welt von mir, und ich
 Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf.


1.
Maria Stuart’s Weihe.

     Schloß Holyrood ist öd’ und still,
Der Nachtwind nur durchpfeift es schrill,
Es klirrt kein Sporn in Hof und Hall’,
Nur finstres Schweigen überall.

5
     Da plötzlich schwebt, in luftgem Gang,

Ein hohes Weib die Hall’ entlang:
Ihr klares Aug’ strahlt ewig-jung
Vom Feuer der Begeisterung.

     Zu Häupten ihr glüht Sternenschein.

10
Ihr Haar ist gold, – wer mag sie sein?

Sie kommt und bringt ihr Angebind
Im Saale drin dem Königskind.

     Das Königskind das heißt Marie;
Wie Liedes-Zauber umklingt es sie

15
Als, neigend über die Wiege sich,

Die Muse spricht: „ich weihe Dich!“

[153]
     Sie sprach es kaum, da – still und stumm

Entschwebet schon sie wiederum,
Und lachend schlüpfen lust’ge Zwei

20
Jetzt in die Thür, an ihr vorbei.


     Die Eine trägt zu buntem Tand
Einen Pfauenfächer in blitzender Hand,
Es knistert die Seide, es bauscht ihr Kleid,
Das war die Dame „Eitelkeit“.

25
     Die Andre, frech und üppig gar,

Trägt langes, aufgelöstes Haar.
Ihr Aug’ ist schwarz, nackt ihre Brust,
Das war die Dirne „Sinnenlust“.

     Sie neigen beide zur Wiege sich,

30
Und kichern hell: „wir weihen Dich!“

Da huscht, und ihre Wang’ erblaßt,
Rasch in den Saal ein dritter Gast.

     Wie Schatten schleicht er an der Wand,
Sein Kleid ist roth, roth seine Hand,

35
Es schaut sich um, sein Auge sticht,

Und messerscharf ist sein Gesicht.

     Er neigt sich jetzt und spricht das Wort:
„Ich weihe Dich zu Blut und Mord!“
Aufschreit im Schlaf das Königskind,

40
Und heller draußen pfeift der Wind.


     Der Gast ist fort, doch her und hin
Wirft banger Traum die Schläferin,
Geweiht fürs Leben schlummert sie,
Die schöne, schottische Marie.


[154]
2.

David Rizzio.[2]

     Herr Darnley[3] reitet in den Wald, Lord Ruthven[4] ihm zur Seite;
Herr Darnley spricht: „was frommt es mir, daß in den Lenz ich reite?
Ich ritt hinaus ein Schreckgespenst mir aus dem Sinn zu schlagen,
Ihr aber Ruthven hastet Euch ins Feuer Oel zu tragen.“

5
     Lord Ruthven streicht den rothen Bart, als sei es des zufrieden,

Er schweigt und denkt nur: „wenn es heiß, soll man das Eisen schmieden;“
Seit an Maria’s Ohr er frech ein Liebeswort verloren,
Hat er der schönen Königin im Herzen Haß geschworen.

     Er spricht kein Wort, beredter spricht sein Lächeln jetzt und Schweigen,

10
Er sieht, von Schritt zu Schritt, das Blut in Darnley’s Wange steigen,

Der ruft: „sing aus Dein Rabenlied, und spricht’s wie Deine Blicke,
Verdamm mich Gott, wenn ich den Fant nicht in die Hölle schicke!“

     Lord Ruthven streicht den rothen Bart; in heuchelndem Erstaunen
Spricht er: „mein König zweifelt noch an dem, was alle raunen,

[155]
15
Er weiß nicht, was ein Jeder weiß von Schottlands Königsstuhle,

Daß Heinrich Darnley’s ehlich Weib des David Rizzio Buhle!“

     Herr Darnley kehrt gen Edinburg, er hält vor seinem Schlosse:
„Lord Ruthven – spricht er – so’s beliebt, bleibt Ihr mein Jagdgenosse,
Der Fuchs ist schlau, doch bärg er sich in ihres Kleides Falten,

20
Ich jag ihn auf, noch heute Nacht will meinen Schwur ich halten.“


     Es glänzt der festgeschmückte Saal von Rittern wohl und Frauen,
Vor allen ist Maria doch als Königin zu schauen,
Sie läßt die Zeit bei Spiel und Tanz in raschem Flug enteilen,
Und nur ihr Gatte zögert noch des Festes Lust zu theilen.

25
     Die Kerzen und die Wangen glühn vor Freuden um die Wette,

Es schreitet an Lord Seytons Hand Maria zum Bankette,
Der Becher schäumt, Maria winkt, ein Saitenspiel zu bringen,
Ihr Liebling Rizzio nimmt es hin und hebet an zu singen:

          Der König zog in finstrem Sinn

30
     Hinaus mit seinem Trosse;

 Nachblickt die schöne Königin
     Dem Reiter und dem Rosse.

[156]
          Und als des Waldes Laub und Moos

     Den König kaum erlaben,

35
     Da lockt sie schon auf ihren Schooß

     Den blonden Edelknaben.

          Sie streicht sein Haar, sie küßt so heiß
     Die Lippen ihm und Wangen,
     Die aber sind heut kalt wie Eis

40
     Und athmen kein Verlangen.


          Sie flüstert: „lieber Knabe mein,
     Halt’ fester mich in Armen,
     Wir wollen eins zur Stunde sein,
     Das wird Dein Herz erwarmen.“

45
          Er aber spricht: „mag heute nicht

     Fest herzen Dich und pressen,
     Ich hatt’ zur Nacht ein Traumgesicht,
     Das kann ich nicht vergessen:

          „Es trat der König vor mich hin,

50
     Als ich Dich wollte küssen;

     Mir ist so bang, lieb Königin,
     Als würd’ ich sterben müssen …“

„„So stirb, Du buhlerischer Thor!““ Herr Darnley ruft’s dazwischen,
Es fegt im Nu sein Zornesblick die Gäste von den Tischen,

55
„„Stirb denn, und dank’s im Tode mir, daß ich mit guter Klinge

Zu Deinem bösen Bubenlied das letzte Verslein singe.““

[157]
     Es packt den Sänger Todesangst: in namenlosem Leide

Hält fest er, wie ein zitternd Kind, sich an Maria’s Kleide,
Die tritt, halb Furcht halb Zorn im Blick, hervor ihn zu bewahren,

60
Umsonst, schon ist des Königs Schwert ihm durch die Brust gefahren.


     Es hält, die lange Nacht hindurch, Maria Todtenwache,
Zum ersten Mal durchzieht ihr Herz der heiße Wunsch nach Rache;
Die Morgensonne sah den Schwur auf ihrer Lippe beben, –
Herr Darnley hat des Sängers Tod bezahlt mit seinem Leben.


3.
Maria und Bothwell.

     König Darnley liegt erschlagen
Graf Bothwell[5] hat es gethan,
Sechs Lords von Schottland tragen
Die Leiche nach Sankt Alban,

5
Sie stellen bei Fackelscheine

Den Sarg an den Altar hin; –
Von Trauernden fehlt nur Eine,
Maria, die Königin.

     Sie sitzet daheim im Schlosse,

10
In funkelnder Nische des Saals,

Auf dem Sammetpfühl ihr Genosse
Ist der Mörder ihres Gemahls;
Dem Lande kleidet die Trauer,
Der Königin kleidet die Lust,

15
Kalt-heiße Wonneschauer

Durchrieseln ihre Brust.

[158]
     Sie spricht verlockenden Schalles:

„Nun komm, und küsse Dich roth,
Ich danke Dir Alles, Alles,

20
Mein Leben und – seinen Tod;

O schau nicht so fragend und bange,
Schau lieber wie sonst mich an,
Leg ab die blasse Wange,
Gethan ist was gethan.“

25
     Die Kerzen brennen wie lüstern

Und geben schwülen Hauch,
Immer leiser wird das Flüstern,
Nun schweigt das Flüstern auch,
Ihr Athem lodert zusammen

30
Wie Gluth und Gluth sich mischt,

Bis mälig in Flackerflammen
So Lust wie Licht erlischt.

     Still wird’s; nur Mondeslichter
Durchhuschen noch bleich den Saal,

35
Es schlummern wie Todtengesichter

Graf Bothwell und sein Gemahl;
Sie schlummern; des Windes Weise
Erstirbt im hohen Kamin,
An den Wänden, hastig-leise,

40
Schatten vorüber fliehn.


     Und hastiger wird ihr Treiben,
Schon graut und dämmert der Tag,
Da schlägt’s an die klirrenden Scheiben
Wie flatternder Flügelschlag;[6]

45
Auffahren die zwei vom Kissen,

Verstört an Haar und Sinn,
Im Traume ward wach ihr Gewissen
Und es murmelt die Königin:

[159]
     „Hilf Himmel, ich sah die Meinen
50
Landflüchtig, der Zügel beraubt,

Der fallenden Krone des Einen
Nachrollte sein fallendes Haupt,
Und wie Donner durch meine Seele,
Ging das alte Lied:

55
Ich räch alle Schuld und Fehle

Bis in das vierte Glied.“

     Maria hat es gesprochen,
Graf Bothwell hört es kaum,
Seine Schläfe pulsen und pochen,

60
Er denkt an den eigenen Traum,

Er spricht unter Starren und Stocken:
„Sie grüßte, dann betete sie,
Abschnitt ihr der Henker die Locken,
Ach, Deine Locken, Marie.“

65
     Graf Bothwell hat es gesprochen,

Maria hört ihn kaum,
Ihre Schläfe pulsen und pochen,
Sie denkt an den eigenen Traum,
Stumm blicken die Buhlergatten

70
Sich an so blaß, so bang; –

König Darnleys blutiger Schatten
Schreitet den Saal entlang.


[160]
4.

Der sterbende Douglas.[7]
(Schlacht bei Langside. 1568.)

     Die Heere stießen an einander; der Tag ist heiß, der Himmel finster,
Vom Hufschlag dröhnt weithin die Haide, roth tropft der Thau vom schwarzen Ginster;
Es blickt die schottische Maria von nahen Schlosses Fensterbrüstung,
Ihr Auge haftet auf dem Kampfe, doch in dem Kampf auf Einer Rüstung.

5
     Dem jungen Douglas folgt ihr Auge; sie fühlt ihr Herze höher schlagen,

Er ist’s, der sechzehnjährige Knabe, der aus dem Kerker sie getragen,
Er ist’s, der ihr ein Heer geworben, und durfte doch um Eins nicht werben,
Drum wirbt er jetzt um seinen Frieden und um das Glück für sie zu sterben.

     Wen tragen aus dem Kampfgetümmel sie dort auf zweiggeflochtner Bahre,

10
Das Antlitz weiß, und schwarz die Rüstung und roth von Blut die blonden Haare?!

Der Douglas ist’s: Erfüllung wurde des Hoffnungslosen einz’gem Hoffen,
Es hat ein Schwert von Murrays[8] Mannen in’s tiefste Leben ihn getroffen.

[161]
     Da liegt er, auf gewirktem Teppich, jetzt an des alten Schlosses Stufen,

Maria neigt sich zu ihm nieder, ein Priester wird herbeigerufen,

15
Der reicht den Kelch ihm unter Thränen, er aber segnet diese Stunde,

Hätt’ langsam sonst verbluten müssen an seines Herzens stiller Wunde.

     Die Brust wird kalt, es stockt sein Athem, sein Auge scheint vom Tod geschlossen;
Maria küßt die bleiche Stirne, die schon so frühe Ruhm genossen:
Da spielt um seinen Mund ein Lächeln, aufglimmt ein letzter Lebensfunken,

20
Dann ist er in Maria’s Arme zu letztem Schlaf zurückgesunken.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Maria Stuart
  2. David Rizzio
  3. Henry Stuart
  4. Patrick Ruthven (1520–1566)
  5. James Hepburn
  6. Vorlage: Fügelschlag
  7. Willie Douglas, Gefängniswärter in Loch Leven Castle
  8. James Stewart