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« Dritter Aufzug Maria Stuart Fünfter Aufzug »
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Vierter Aufzug.


Vorzimmer.

Erster Auftritt.


Graf Aubespine. Kent und Leicester.

Aubespine.
Wie steht’s um Ihro Majestät? Milords,
Ihr seht mich noch ganz außer mir für Schrecken.
Wie gieng das zu? Wie konnte das in Mitte
Des allertreusten Volks geschehen?

Leicester.
 Es geschah
Durch keinen aus dem Volke. Der es that,
War eures Königs Unterthan, ein Franke.

Aubespine.
Ein Rasender gewißlich.

Kent.
 Ein Papist,
Graf Aubespine!

Zweiter Auftritt.


Vorige. Burleigh im Gespräch mit Davison.

Burleigh.
 Sogleich muß der Befehl
Zur Hinrichtung verfaßt und mit dem Siegel
Versehen werden – Wenn er ausgefertigt,
Wird er der Königin zur Unterschrift
Gebracht. Geht! Keine Zeit ist zu verlieren.

Davison.
Es soll geschehn.

(Geht ab.)

Aubespine (Burleigh entgegen).
 Milord, mein treues Herz
Theilt die gerechte Freude dieser Insel.
Lob sey dem Himmel, der den Mörderstreich
Gewehrt von diesem königlichen Haupt!

Burleigh.
Er sey gelobt, der unsrer Feinde Bosheit
Zu Schanden machte!

Aubespine.
 Mög’ ihn Gott verdammen,
Den Thäter dieser fluchenswerthen That!

Burleigh.
Den Thäter und den schändlichen Erfinder.

Aubespine (zu Kent).
Gefällt es Eurer Herrlichkeit, Lordmarschall,
Bei Ihro Majestät mich einzuführen,
Daß ich den Glückwunsch meines Herrn und Königs
Zu ihren Füßen schuldigst niederlege –

Burleigh.
Bemüht euch nicht, Graf Aubespine.

Aubespine (offizios).
 Ich weiß,
Lord Burleigh, was mir obliegt.

Burleigh.
 Euch liegt ob,
Die Insel auf das schleunigste zu räumen.

Aubespine (tritt erstaunt zurück).
Was! Wie ist das!

Burleigh.
 Der heilige Charakter
Beschützt euch heute noch und morgen nicht mehr.

Aubespine.
Und was ist mein Verbrechen?

Burleigh.
 Wenn ich es
Genannt, so ist es nicht mehr zu vergeben.

Aubespine.
Ich hoffe, Lord, das Recht der Abgesandten –

Burleigh.
Schützt – Reichsverräther nicht.

Leicester und Kent.
 Ha! Was ist das!

Aubespine.
 Milord,
Bedenkt ihr wohl –

Burleigh.
 Ein Paß, von eurer Hand
Geschrieben, fand sich in des Mörders Tasche.

Kent.
Ist’s möglich?

Aubespine.
 Viele Pässe theil’ ich aus,
Ich kann der Menschen Innres nicht erforschen.

Burleigh.
In eurem Hause beichtete der Mörder.

Aubespine.
Mein Haus ist offen.

Burleigh.
 Jedem Feinde Englands.

Aubespine.
Ich fodre Untersuchung.

Burleigh.
 Fürchtet sie!

Aubespine.
In meinem Haupt ist mein Monarch verletzt,
Zerreißen wird er das geschloßne Bündniß.

Burleigh.
Zerrissen schon hat es die Königin,
England wird sich mit Frankreich nicht vermählen.
Milord von Kent! Ihr übernehmet es,
Den Grafen sicher an das Meer zu bringen.
Das aufgebrachte Volk hat sein Hotel
Gestürmt, wo sich ein ganzes Arsenal
Von Waffen fand, es droht ihn zu zerreißen,
Wie er sich zeigt; verberget ihn, bis sich
Die Wuth gelegt – Ihr haftet für sein Leben!

Aubespine.
Ich gehe, ich verlasse dieses Land,
Wo man der Völker Recht mit Füßen tritt,
Und mit Verträgen spielt – doch mein Monarch
Wird blut’ge Rechenschaft –

Burleigh.
 Er hohle sie!

(Kent und Aubespine gehen ab.)

Dritter Auftritt.


Leicester und Burleigh.

Leicester.
So lößt ihr selbst das Bündniß wieder auf,
Das ihr geschäftig unberufen knüpftet.
Ihr habt um England wenig Dank verdient,
Milord, die Mühe konntet ihr euch sparen.

Burleigh.
Mein Zweck war gut. Gott leitete es anders.
Wohl dem, der sich nichts schlimmeres bewußt ist!

Leicester.
Man kennt Cecils geheimnißreiche Miene,
Wenn er die Jagd auf Staatsverbrechen macht.
– Jetzt, Lord, ist eine gute Zeit für euch.
Ein ungeheurer Frevel ist geschehn,
Und noch umhüllt Geheimniß seine Thäter.
Jetzt wird ein Inquisitionsgericht
Eröffnet. Wort und Blicke werden abgewogen,
Gedanken selber vor Gericht gestellt.
Da seid Ihr der allwichtge Mann, der Atlas
Des Staats, ganz England liegt auf euren Schultern.

Burleigh.
In euch, Milord, erkenn’ ich meinen Meister,
Denn solchen Sieg, als eure Rednerkunst
Erfocht, hat meine nie davon getragen.

Leicester.
Was meint ihr damit, Lord?

Burleigh.
Ihr wart es doch, der hinter meinem Rücken
Die Königin nach Fotheringhayschloß
Zu locken wußte?

Leicester.
 Hinter eurem Rücken!
Wann scheuten meine Thaten eure Stirn?

Burleigh.
Die Königin hättet Ihr nach Fotheringhay
Geführt? Nicht doch! Ihr habt die Königin
Nicht hingeführt! – Die Königin war es,
Die so gefällig war, Euch hinzuführen.

Leicester.
Was wollt ihr damit sagen, Lord!

Burleigh.
 Die edle
Person, die ihr die Königin dort spielen ließt!
Der herrliche Triumph, den ihr der arglos
Vertrauenden bereitet – Güt’ge Fürstin!
So schaamlos frech verspottete man dich,
So schonungslos wardst du dahin gegeben!
– Das also ist die Großmuth und die Milde,
Die euch im Staatsrath plötzlich angewandelt!

Darum ist diese Stuart ein so schwacher,
Verachtungswerther Feind, daß es der Müh
Nicht lohnt, mit ihrem Blut sich zu beflecken!
Ein feiner Plan! Fein zugespitzt! Nur schade,
Zu fein geschärfet, daß die Spitze brach!

Leicester.
Nichtswürdiger! Gleich folgt mir! An dem Throne
Der Königin sollt ihr mir Rede stehn.

Burleigh.
Dort trefft ihr mich – Und sehet zu, Milord,
Daß euch dort die Beredtsamkeit nicht fehle!

(Geht ab.)


Vierter Auftritt.


Leicester allein, darauf Mortimer.

Leicester.
Ich bin entdeckt, ich bin durchschaut – Wie kam
Der Unglückselige auf meine Spuren!
Weh mir, wenn er Beweise hat! Erfährt
Die Königin, daß zwischen mir und der Maria
Verständnisse gewesen – Gott! Wie schuldig
Steh ich vor ihr! Wie hinterlistig treulos
Erscheint mein Rath, mein unglückseliges
Bemühn, nach Fotheringhay sie zu führen!

Grausam verspottet sieht sie sich von mir,
An die verhaßte Feindin sich verrathen!
O nimmer, nimmer kann sie das verzeihn!
Vorherbedacht wird alles nun erscheinen,
Auch diese bittre Wendung des Gesprächs,
Der Gegnerin Triumph und Hohngelächter,
Ja selbst die Mörderhand, die blutig schrecklich,
Ein unerwartet ungeheures Schicksal,
Dazwischen kam, werd’ ich bewaffnet haben!
Nicht Rettung seh’ ich, nirgends! Ha! Wer kommt!

Mortimer. (kommt in der heftigsten Unruhe und blickt scheu umher)
Graf Lester! Seid ihrs? Sind wir ohne Zeugen?

Leicester.
Unglücklicher, hinweg! Was sucht ihr hier?

Mortimer.
Man ist auf unsrer Spur, auf eurer auch,
Nehmt euch in Acht.

Leicester.
 Hinweg, hinweg!

Mortimer.
 Man weiß,
Daß bei dem Grafen Aubespine geheime
Versammlung war –

Leicester.
 Was kümmerts mich!

Mortimer.
 Daß sich der Mörder
Dabei befunden –

Leicester.
 Das ist eure Sache!
Verwegener! Was unterfangt ihr euch,
In euren blutgen Frevel mich zu flechten?
Vertheidigt eure bösen Händel selbst!

Mortimer.
So hört mich doch nur an.

Leicester (in heftigem Zorn).
 Geht in die Hölle!
Was hängt ihr euch, gleich einem bösen Geist,
An meine Fersen! Fort! Ich kenn’ euch nicht,
Ich habe nichts gemein mit Meuchelmördern.

Mortimer.
Ihr wollt nicht hören. Euch zu warnen komm’ ich,
Auch eure Schritte sind verrathen –

Leicester.
 Ha!

Mortimer.
Der Großschatzmeister war zu Fotheringhay,
Sogleich nachdem die Unglücksthat geschehn war,

Der Königin Zimmer wurden streng durchsucht,
Da fand sich –

Leicester.
 Was?

Mortimer.
 Ein angefangner Brief
Der Königin an euch –

Leicester.
 Die Unglücksel’ge!

Mortimer.
Worin sie euch auffodert, Wort zu halten,
Euch das Versprechen ihrer Hand erneuert,
Des Bildnisses gedenkt –

Leicester.
 Tod und Verdammniß!

Mortimer.
Lord Burleigh hat den Brief.

Leicester.
 Ich bin verloren!

(Er geht während der folgenden Rede Mortimers verzweiflungsvoll auf und nieder.)

Mortimer.
Ergreift den Augenblick! Kommt ihm zuvor!
Errettet euch, errettet sie – Schwört euch

Heraus, ersinnt Entschuldigungen, wendet
Das Ärgste ab! Ich selbst kann nichts mehr thun.
Zerstreut sind die Gefährten, auseinander
Gesprengt ist unser ganzer Bund. Ich eile
Nach Schottland, neue Freunde dort zu sammeln.
An euch ist’s jetzt, versucht, was euer Ansehn,
Was eine kecke Stirn vermag!

Leicester. (steht still, plötzlich besonnen)
 Das will ich.

(Er geht nach der Thüre, öffnet sie, und ruft.)

He da! Trabanten!

(Zu dem Offizier, der mit Bewaffneten hereintritt.)

 Diesen Staatsverräther,
Nehmt in Verwahrung und bewacht ihn wohl!
Die schändlichste Verschwörung ist entdeckt,
Ich bringe selbst der Königin die Botschaft.

(Er geht ab.)

Mortimer. (steht anfangs starr für Erstaunen, faßt sich aber bald und sieht Leicestern mit einem Blick der tiefsten Verachtung nach)
Ha, Schändlicher – Doch ich verdiene das!
Wer hieß mich auch dem Elenden vertrauen?
Weg über meinen Nacken schreitet er,
Mein Fall muß ihm die Rettungsbrücke bauen.
– So rette dich! Verschlossen bleibt mein Mund,

Ich will dich nicht in mein Verderben flechten.
Auch nicht im Tode mag ich deinen Bund,
Das Leben ist das einz’ge Gut des Schlechten.

(Zu dem Offizier der Wache, der hervortritt, um ihn gefangen zu nehmen.)

Was willst du, feiger Sklav der Tyranney?
Ich spotte deiner, ich bin frey!

(Einen Dolch ziehend.)

Offizier.
Er ist bewehrt – Entreißt ihm seinen Dolch!

(Sie dringen auf ihn ein, er erwehrt sich ihrer.)

Mortimer.
Und frei im letzten Augenblicke soll
Mein Herz sich öffnen, meine Zunge lösen!
Fluch und Verderben euch, die ihren Gott
Und ihre wahre Königin verrathen!
Die von der irdischen Maria sich
Treulos, wie von der himmlischen gewendet,
Sich dieser Bastardkönigin verkauft –

Offizier.
Hört ihr die Lästrung! Auf! Ergreift ihn.

Mortimer.
Geliebte! Nicht erretten konnt’ ich dich,
So will ich dir ein männlich Beispiel geben.

Maria, heilge, bitt’ für mich!
Und nimm mich zu dir in dein himmlisch Leben!

(Er durchsticht sich mit dem Dolch und fällt der Wache in die Arme.)


Fünfter Auftritt.


(Zimmer der Königin.)

Elisabeth, einen Brief in der Hand. Burleigh.

Elisabeth.
Mich hinzuführen! Solchen Spott mit mir
Zu treiben! Der Verräther! Im Triumph
Vor seiner Buhlerin mich aufzuführen!
O so ward noch kein Weib betrogen, Burleigh!

Burleigh.
Ich kann es noch nicht fassen, wie es ihm,
Durch welche Macht, durch welche Zauberkünste
Gelang, die Klugheit meiner Königin
So sehr zu überraschen.

Elisabeth.
     O ich sterbe
Für Schaam! Wie mußt’ er meiner Schwäche spotten!
Sie glaubt’ ich zu erniedrigen und war,
Ich selber, ihres Spottes Ziel!

Burleigh.
Du siehst nun ein, wie treu ich dir gerathen!

Elisabeth.
O ich bin schwer dafür gestraft, daß ich
Von eurem weisen Rathe mich entfernt!
Und sollt’ ich ihm nicht glauben? In den Schwüren
Der treusten Liebe einen Fallstrick fürchten?
Wem darf ich trau’n, wenn er mich hintergieng?
Er, den ich groß gemacht vor allen Großen,
Der mir der Nächste stets am Herzen war,
Dem ich verstatte, an diesem Hof
Sich wie der Herr, der König zu betragen!

Burleigh.
Und zu derselben Zeit verrieth er dich
An diese falsche Königin von Schottland!

Elisabeth.
O sie bezahle mir’s mit ihrem Blut!
– Sagt! Ist das Urtheil abgefaßt?

Burleigh.
 Es liegt
Bereit, wie du befohlen.

Elisabeth.
 Sterben soll sie!
Er soll sie fallen sehn, und nach ihr fallen.
Verstoßen hab’ ich ihn aus meinem Herzen,
Fort ist die Liebe, Rache füllt es ganz.

So hoch er stand, so tief und schmählich sey
Sein Sturz! Er sei ein Denkmal meiner Strenge,
Wie er ein Beispiel meiner Schwäche war.
Man führ’ ihn nach dem Tower, ich werde Peers
Ernennen, die ihn richten, hingegeben
Sey er der ganzen Strenge des Gesetzes.

Burleigh.
Er wird sich zu dir drängen, sich rechtfertgen –

Elisabeth.
Wie kann er sich rechtfertgen? Überführt
Ihn nicht der Brief? O sein Verbrechen ist
Klar wie der Tag!

Burleigh.
 Doch du bist mild und gnädig,
Sein Anblick, seine mächtge Gegenwart –

Elisabeth.
Ich will ihn nicht sehn. Niemals, niemals wieder!
Habt ihr Befehl gegeben, daß man ihn
Zurück weis’t, wenn er kommt?

Burleigh.
 So ist’s befohlen!

Page (tritt ein).
Milord von Lester!

Königin.
 Der Abscheuliche!
Ich will ihn nicht sehn. Sagt ihm, daß ich ihn
Nicht sehen will.

Page.
 Das wag’ ich nicht, dem Lord
Zu sagen, und er würde mirs nicht glauben.

Königin.
So hab’ ich ihn erhöht, daß meine Diener
Vor seinem Ansehn mehr als meinen zittern!

Burleigh (zum Pagen).
Die Königin verbiet’ ihm, sich zu nahn!

(Page geht zögernd ab.)

Königin (nach einer Pause).
Wenns dennoch möglich wäre – Wenn er sich
Rechtfertgen könnte! – Sagt mir, könnt’ es nicht
Ein Fallstrick seyn, den mir Maria legte,
Mich mit dem treusten Freunde zu entzwein!
O sie ist eine abgefeimte Bübin!
Wenn sie den Brief nur schrieb, mir gift’gen Argwohn
Ins Herz zu streun, ihn, den sie haßt, ins Unglück
Zu stürzen –

Burleigh.
 Aber Königin, erwäge –

Sechster Auftritt.


Vorige. Leicester.

Leicester. (reißt die Thür mit Gewalt auf, und tritt mit gebieterischem Wesen herein)
Den Unverschämten will ich sehn, der mir
Das Zimmer meiner Königin verbietet.

Elisabeth.
Ha, der Verwegene!

Leicester.
 Mich abzuweisen!
Wenn sie für einen Burleigh sichtbar ist,
So ist sie’s auch für mich!

Burleigh.
 Ihr seid sehr kühn, Milord,
Hier wider die Erlaubniß einzustürmen.

Leicester.
Ihr seid sehr frech, Lord, hier das Wort zu nehmen.
Erlaubniß! Was! Es ist an diesem Hofe
Niemand, durch dessen Mund Graf Lester sich
Erlauben und verbieten lassen kann!

(Indem er sich der Elisabeth demüthig nähert.)

Aus meiner Königin eignem Mund will ich –

Elisabeth (ohne ihn anzusehen).
Aus meinem Angesicht, Nichtswürdiger!

Leicester.
Nicht meine gütige Elisabeth,
Den Lord vernehm’ ich, meinen Feind, in diesen
Unholden Worten – Ich berufe mich auf meine
Elisabeth – Du liehest ihm dein Ohr,
Das gleiche fodr’ ich.

Elisabeth.
 Redet, Schändlicher!
Vergrößert euren Frevel! Läugnet ihn!

Leicester.
Laßt diesen Überlästigen sich erst
Entfernen – Tretet ab, Milord – Was ich
Mit meiner Königin zu verhandeln habe,
Braucht keinen Zeugen. Geht.

Elisabeth (Zu Burleigh).
 Bleibt. Ich befehl’ es!

Leicester.
Was soll der Dritte zwischen dir und mir!
Mit meiner angebeteten Monarchin
Hab’ ichs zu thun – Die Rechte meines Platzes
Behaupt’ ich – Es sind heil’ge Rechte!
Und ich bestehe drauf, daß sich der Lord
Entferne!

Elisabeth.
 Euch geziemt die stolze Sprache!

Leicester.
Wohl ziemt sie mir, denn ich bin der Beglückte,
Dem deine Gunst den hohen Vorzug gab,
Das hebt mich über ihn und über alle!
Dein Herz verlieh mir diesen stolzen Rang,
Und was die Liebe gab, werd’ ich, bei Gott!
Mit meinem Leben zu behaupten wissen.
Er geh’ – und zweyer Augenblicke nur
Bedarfs, mich mit dir zu verständigen.

Elisabeth.
Ihr hofft umsonst, mich listig zu beschwatzen.

Leicester.
Beschwatzen konnte dich der Plauderer,
Ich aber will zu deinem Herzen reden!
Und was ich im Vertraun auf deine Gunst
Gewagt, will ich auch nur vor deinem Herzen
Rechtfertigen – Kein andres Gericht
Erkenn’ ich über mir, als deine Neigung!

Elisabeth.
Schamloser! Eben diese ist’s, die euch zuerst
Verdammt – Zeigt ihm den Brief, Milord!

Burleigh.
 Hier ist er!

Leicester. (durchläuft den Brief ohne die Fassung zu verändern)
Das ist der Stuart Hand!

Elisabeth.
 Les’t und verstummt!

Leicester (nachdem er gelesen, ruhig).
Der Schein ist gegen mich, doch darf ich hoffen,
Daß ich nicht nach dem Schein gerichtet werde!

Elisabeth.
Könnt ihr es läugnen, daß ihr mit der Stuart
In heimlichem Verständniß wart, ihr Bildniß
Empfingt, ihr zur Befreiung Hoffnung machtet?

Leichester.
Leicht wäre mirs, wenn ich mich schuldig fühlte,
Das Zeugniß einer Feindin zu verwerfen!
Doch frei ist mein Gewissen, ich bekenne,
Daß sie die Wahrheit schreibt!

Elisabeth.
 Nun denn
Unglücklicher!

Burleigh.
 Sein eigner Mund verdammt ihn.

Elisabeth.
Aus meinen Augen. In den Tower – Verräther!

Leicester.
Der bin ich nicht. Ich hab’ gefehlt, daß ich
Aus diesem Schritt dir ein Geheimniß machte,
Doch redlich war die Absicht, es geschah,
Die Feindin zu erforschen, zu verderben.

Elisabeth.
Elende Ausflucht! –

Burleigh.
 Wie, Milord? Ihr glaubt –

Leicester.
Ich habe ein gewagtes Spiel gespielt,
Ich weiß, und nur Graf Lester durfte sich
An diesem Hofe solcher That erkühnen.
Wie ich die Stuart hasse, weiß die Welt.
Der Rang, den ich bekleide, das Vertrauen,
Wodurch die Königin mich ehrt, muß jeden Zweifel
In meine treue Meinung niederschlagen.
Wohl darf der Mann, den deine Gunst vor allen
Auszeichnet, einen eignen kühnen Weg
Einschlagen, seine Pflicht zu thun.

Burleigh.
 Warum,
Wenns eine gute Sache war, verschwiegt ihr?

Leicester.
Milord! Ihr pflegt zu schwatzen, eh’ ihr handelt,

Und seid die Glocke eurer Thaten. Das
Ist Eure Weise, Lord. Die meine ist,
Erst handeln und dann reden!

Burleigh.
Ihr redet jetzo weil ihr müßt.

Leicester. (ihn stolz und höhnisch mit den Augen messend)
 Und ihr
Berühmt euch, eine wundergroße That
Ins Werk gerichtet, eure Königin
Gerettet, die Verrätherei entlarvt
Zu haben – Alles wißt ihr, eurem Scharfblick
Kann nichts entgehen, meint ihr – Armer Prahler!
Trotz eurer Spürkunst war Maria Stuart
Noch heute frei, wenn ich es nicht verhindert.

Burleigh.
Ihr hättet –

Leicester.
 Ich, Milord. Die Königin
Vertraute sich dem Mortimer, sie schloß
Ihr Innerstes ihm auf, sie gieng so weit,
Ihm einen blut’gen Auftrag gegen die Maria
Zu geben, da der Oheim sich mit Abscheu
Von einem gleichen Antrag abgewendet –
Sagt! Ist es nicht so?

(Königin und Burleigh sehen einander betroffen an.)

Burleigh.
 Wie gelangtet ihr
Dazu? –

Leicester.
 Ists nicht so? – Nun, Milord! Wo hattet
Ihr eure tausend Augen, nicht zu sehn,
Daß dieser Mortimer euch hintergieng?
Daß er ein wüthender Papist, ein Werkzeug
Der Guisen, ein Geschöpf der Stuart war,
Ein keck entschloßner Schwärmer, der gekommen,
Die Stuart zu befrein, die Königin
Zu morden –

Elisabeth. (mit dem äußersten Erstaunen)
 Dieser Mortimer!

Leicester.
 Er war’s, durch den
Maria Unterhandlung mit mir pflog,
Den ich auf diesem Wege kennen lernte.
Noch heute sollte sie aus ihrem Kerker
Gerissen werden, diesen Augenblick
Entdeckte mirs sein eigner Mund, ich ließ ihn
Gefangen nehmen und in der Verzweiflung,
Sein Werk vereitelt, sich entlarvt zu sehn,
Gab er sich selbst den Tod!

Elisabeth.
 O ich bin unerhört
Betrogen – dieser Mortimer!

Burleigh.
 Und jetzt
Geschah das? Jetzt, nachdem ich euch verlassen!

Leicester.
Ich muß um meinetwillen sehr beklagen,
Daß es dieß Ende mit ihm nahm. Sein Zeugniß,
Wenn er noch lebte, würde mich vollkommen
Gereinigt, aller Schuld entledigt haben.
Drum übergab ich ihn des Richters Hand.
Die strengste Rechtsform sollte meine Unschuld
Vor aller Welt bewähren und besiegeln.

Burleigh.
Er tödete sich, sagt ihr. Er sich selber? Oder
Ihr ihn?

Leicester.
 Unwürdiger Verdacht! Man höre
Die Wache ab, der ich ihn übergab!

(Er geht an die Thür und ruft hinaus. Ein Offizier der Leibwache tritt herein.)

Erstattet Ihrer Majestät Bericht,
Wie dieser Mortimer umkam!

Offizier.
 Ich hielt die Wache
Im Vorsaal, als Milord die Thüre schnell
Eröffnete und mir befahl, den Ritter
Als einen Staatsverräther zu verhaften.
Wir sahen ihn hierauf in Wuth gerathen,
Den Dolch ziehn, unter heftiger Verwünschung
Der Königin, und eh wirs hindern konnten,
Ihn in die Brust sich stoßen, daß er todt
Zu Boden stürzte –

Leicester.
 Es ist gut. Ihr könnt
Abtreten, Sir! Die Königin weiß genug!

(Offizier geht ab.)

Elisabeth.
O welcher Abgrund von Abscheulichkeiten –

Leicester.
Wer war’s nun der dich rettete? War es
Milord von Burleigh? Wußt’ er die Gefahr,
Die dich umgab? War er’s, der sie von dir
Gewandt? – Dein treuer Lester war dein Engel!

Burleigh.
Graf! Dieser Mortimer starb euch sehr gelegen.

Elisabeth.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich glaub’ euch,

Und glaub’ euch nicht. Ich denke, ihr seid schuldig,
Und seid es nicht! O die verhaßte, die
Mir all dieß Weh bereitet!

Leicester.
 Sie muß sterben.
Jetzt stimm’ ich selbst für ihren Tod. Ich rieth
Dir an, das Urtheil unvollstreckt zu lassen,
Bis sich aufs neu ein Arm für sie erhübe.
Dieß ist geschehn – und ich bestehe drauf,
Daß man das Urtheil ungesäumt vollstrecke.

Burleigh.
Ihr riethet dazu! Ihr!

Leicester.
 So sehr es mich
Empört, zu einem Äußersten zu greifen,
Ich sehe nun und glaube, daß die Wohlfahrt
Der Königin dieß blut’ge Opfer heischt,
Drum trag’ ich darauf an, daß der Befehl
Zur Hinrichtung gleich ausgefertigt werde!

Burleigh (zur Königin).
Da es Milord so treu und ernstlich meint,
So trag’ ich darauf an, daß die Vollstreckung
Des Richterspruchs ihm übertragen werde.

Leicester.
Mir!

Burleigh.
 Euch. Nicht besser könnt ihr den Verdacht,
Der jetzt noch auf euch lastet, widerlegen,
Als wenn ihr sie, die ihr geliebt zu haben
Beschuldigt werdet, selbst enthaupten lasset.

Elisabeth. (Leicestern mit den Augen fixierend)
Milord räth gut. So sey’s, und dabei bleib’ es.

Leicester.
Mich sollte billig meines Ranges Höh
Von einem Auftrag dieses traur’gen Inhalts
Befrein, der sich in jedem Sinne besser
Für einen Burleigh ziemen mag als mich.
Wer seiner Königin so nahe steht,
Der sollte nichts unglückliches vollbringen.
Jedoch um meinen Eifer zu bewähren,
Um meiner Königin genug zu thun,
Begeb’ ich mich des Vorrechts meiner Würde
Und übernehme die verhaßte Pflicht.

Elisabeth.
Lord Burleigh theile sie mit euch!

(Zu diesem.)

 Tragt Sorge,
Daß der Befehl gleich ausgefertigt werde.

(Burleigh geht. Man hört draußen ein Getümmel.)

Siebenter Auftritt.


Graf von Kent zu den Vorigen.

Elisabeth.
Was giebt’s, Milord von Kent? Was für ein Auflauf
Erregt die Stadt – Was ist es?

Kent.
 Königin,
Es ist das Volk, das den Pallast umlagert,
Es fodert heftig dringend dich zu sehn.

Elisabeth.
Was will mein Volk?

Kent.
 Der Schrecken geht durch London,
Dein Leben sey bedroht, es gehen Mörder
Umher, vom Papste wider dich gesendet.
Verschworen seien die Katholischen,
Die Stuart aus dem Kerker mit Gewalt
Zu reißen und zur Königin auszurufen.
Der Pöbel glaubt’s und wüthet. Nur das Haupt
Der Stuart, das noch heute fällt, kann ihn
Beruhigen.

Elisabeth.
 Wie? Soll mir Zwang geschehn?

Kent.
Sie sind entschlossen, eher nicht zu weichen,
Bis du das Urtheil unterzeichnet hast.


Achter Auftritt.


Burleigh und Davison mit einer Schrift. Die Vorigen.

Elisabeth.
Was bringt ihr, Davison?

Davison (nähert sich, ernsthaft).
 Du hast befohlen,
O Königin –

Elisabeth.
 Was ist’s?

(Indem sie die Schrift ergreifen will, schauert sie zusammen und fährt zurück.)

 O Gott!

Burleigh.
 Gehorche
Der Stimme des Volks, sie ist die Stimme Gottes.

Elisabeth. (unentschlossen mit sich selbst kämpfend)
O meine Lords! Wer sagt mir, ob ich wirklich
Die Stimme meines ganzen Volks, die Stimme
Der Welt vernehme! Ach wie sehr befürcht’ ich,
Wenn ich dem Wunsch der Menge nun gehorcht,

Daß eine ganze verschiedne Stimme sich
Wird hören lassen – ja daß eben die,
Die jetzt gewaltsam zu der That mich treiben,
Mich, wenns vollbracht ist, strenge tadeln werden!


Neunter Auftritt.


Graf Schrewsbury zu den Vorigen.

Schrewsbury. (kommt in großer Bewegung)
Man will dich übereilen, Königin!
O halte fest, sey standhaft –

(Indem er Davison mit der Schrift gewahr wird.)

 Oder ist es
Geschehen? Ist es wirklich? Ich erblicke
Ein unglückselig Blatt in dieser Hand,
Das komme meiner Königin jetzt nicht
Vor Augen.

Elisabeth.
 Edler Schrewsbury! Man zwingt mich.

Schrewsbury.
Wer kann dich zwingen? Du bist Herrscherin,
Hier gilt es deine Majestät zu zeigen!
Gebiete Schweigen jenen rohen Stimmen,
Die sich erdreisten, deinem Königswillen
Zwang anzuthun, dein Urtheil zu regieren.

Die Furcht, ein blinder Wahn bewegt das Volk,
Du selbst bist außer dir, bist schwer gereizt,
Du bist ein Mensch und jetzt kannst du nicht richten.

Burleigh.
Gerichtet ist schon längst. Hier ist kein Urtheil
Zu fällen, zu vollziehen ist’s.

Kent.
(der sich bey Schrewsbury’s Eintritt entfernt hat, kommt zurück)
Der Auflauf wächst, das Volk ist länger nicht
Zu bändigen.

Elisabeth (zu Schrewsbury).
 Ihr seht, wie sie mich drängen!

Schrewsbury.
Nur Aufschub fordr’ ich. Dieser Federzug
Entscheidet deines Lebens Glück und Frieden.
Du hast es Jahre lang bedacht, soll dich
Der Augenblick im Sturme mit sich führen?
Nur kurzen Aufschub. Sammle dein Gemüth,
Erwarte eine ruhigere Stunde.

Burleigh (heftig).
Erwarte, zögre, säume, bis das Reich
In Flammen steht, bis es der Feindin endlich
Gelingt, den Mordstreich wirklich zu vollführen.
Dreimal hat ihn ein Gott von dir entfernt.

Heut hat er nahe dich berührt, noch einmal
Ein Wunder hoffen, hieße Gott versuchen.

Schrewsbury.
Der Gott, der dich durch seine Wunderhand
Viermal erhielt, der heut dem schwachen Arm
Des Greisen Kraft gab, einen Wüthenden
Zu überwältgen – er verdient Vertrauen!
Ich will die Stimme der Gerechtigkeit
Jetzt nicht erheben, jetzt ist nicht die Zeit,
Du kannst in diesem Sturme sie nicht hören.
Dieß eine nur vernimm! Du zitterst jetzt
Vor dieser lebenden Maria. Nicht
Die Lebende hast du zu fürchten. Zittre vor
Der Todten, der Enthaupteten. Sie wird
Vom Grab’ erstehen, eine Zwietrachtsgöttin,
Ein Rachegeist in deinem Reich herumgehn,
Und deines Volkes Herzen von dir wenden.
Jetzt haßt der Britte die gefürchtete,
Er wird sie rächen, wenn sie nicht mehr ist.
Nicht mehr die Feindin seines Glaubens, nur
Die Enkeltochter seiner Könige,
Des Hasses Opfer und der Eifersucht
Wird er in der bejammerten erblicken!
Schnell wirst du die Veränderung erfahren.
Durchziehe London, wenn die blut’ge That

Geschehen, zeige dich dem Volk, das sonst
Sich jubelnd um dich her ergoß, du wirst
Ein andres England sehn, ein andres Volk,
Denn dich umgiebt nicht mehr die herrliche
Gerechtigkeit, die alle Herzen dir
Besiegte! Furcht, die schreckliche Begleitung
Der Tyranney, wird schaudernd vor dir herziehn,
Und jede Straße, wo du gehst, veröden.
Du hast das letzte, äußerste gethan,
Welch Haupt steht fest, wenn dieses heil’ge fiel!

Elisabeth.
Ach Schrewsbury! Ihr habt mir heut das Leben
Gerettet, habt des Mörders Dolch von mir
Gewendet – Warum ließet ihr ihm nicht
Den Lauf? So wäre jeder Streit geendigt,
Und alles Zweifels ledig, rein von Schuld,
Läg ich in meiner stillen Gruft! Fürwahr!
Ich bin des Lebens und des Herrschens müd’.
Muß eine von uns Königinnen fallen,
Damit die andre lebe – und es ist
Nicht anders, das erkenn’ ich – kann denn ich
Nicht die seyn, welche weicht? Mein Volk mag wählen,
Ich geb’ ihm seine Majestät zurück.
Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht für mich,
Nur für das Beste meines Volks gelebt.

Hofft es von dieser schmeichlerischen Stuart,
Der jüngern Königin, glücklichere Tage,
So steig’ ich gern von diesem Thron und kehre
In Woodstocks stille Einsamkeit zurück,
Wo meine anspruchlose Jugend lebte,
Wo ich, vom Tand der Erdengröße fern,
Die Hoheit in mir selber fand – Bin ich
Zur Herrscherin doch nicht gemacht! Der Herrscher
Muß hart seyn können, und mein Herz ist weich.
Ich habe diese Insel lange glücklich
Regiert, weil ich nur brauchte zu beglücken.
Es kommt die erste schwere Königspflicht,
Und ich empfinde meine Ohnmacht –

Burleigh.
 Nun bei Gott!
Wenn ich so ganz unkönigliche Worte
Aus meiner Königin Mund vernehmen muß,
So wärs Verrath an meiner Pflicht, Verrath
Am Vaterlande, länger still zu schweigen.
– Du sagst, du liebst dein Volk, mehr als dich selbst,
Das zeige jetzt! Erwähle nicht den Frieden
Für dich und überlaß das Reich den Stürmen.
– Denk an die Kirche! Soll mit dieser Stuart
Der alte Aberglaube wiederkehren?
Der Mönch aufs neu hier herrschen, der Legat
Aus Rom gezogen kommen, unsre Kirchen

Verschließen, unsre Könige entthronen?
– Die Seelen aller deiner Unterthanen,
Ich fordre sie von dir – Wie du jetzt handelst,
Sind sie gerettet oder sind verloren.
Hier ist nicht Zeit zu weichlichem Erbarmen,
Des Volkes Wohlfahrt ist die höchste Pflicht;
Hat Schrewsbury das Leben dir gerettet,
So will ich England retten – das ist mehr!

Elisabeth.
Man überlasse mich mir selbst! Bei Menschen ist
Nicht Rath noch Trost in dieser großen Sache.
Ich trage sie dem höhern Richter vor.
Was der mich lehrt, das will ich thun – Entfernt euch,
Milords!

(Zu Davison.)

 Ihr Sir! könnt in der Nähe bleiben!

(Die Lords gehen ab. Schrewsbury allein bleibt noch einige Augenblicke vor der Königin stehen, mit bedeutungsvollem Blick, dann entfernt er sich langsam, mit einem Ausdruck des tiefsten Schmerzes.)


Zehnter Auftritt.


Elisabeth allein.

O Sklaverei des Volksdiensts! Schmähliche
Knechtschaft – Wie bin ichs müde, diesem Götzen
Zu schmeicheln, den mein Innerstes verachtet!

Wann soll ich frei auf diesem Throne stehn!
Die Meinung muß ich ehren, um das Lob
Der Menge buhlen, einem Pöbel muß ichs
Recht machen, dem der Gaukler nur gefällt.
O der ist noch nicht König, der der Welt
Gefallen muß! Nur der ist’s, der bei seinem Thun
Nach keines Menschen Beifall braucht zu fragen.

     Warum hab’ ich Gerechtigkeit geübt,
Willkühr gehaßt mein Leben lang, daß ich
Für diese erste unvermeidliche
Gewaltthat selbst die Hände mir gefesselt!
Das Muster, das ich selber gab, verdammt mich!
War ich tyrannisch, wie die spanische
Maria war, mein Vorfahr auf dem Thron, ich könnte
Jetzt ohne Tadel Königsblut versprützen!
Doch war’s denn meine eigne freie Wahl,
Gerecht zu seyn? Die allgewaltige
Nothwendigkeit, die auch das freie Wollen
Der König zwingt, gebot mir diese Tugend.

     Umgeben rings von Feinden hält mich nur
Die Volksgunst auf den angefochtnen Thron.
Mich zu vernichten streben alle Mächte
Des festen Landes. Unversöhnlich schleudert
Der röm’sche Papst den Bannfluch auf mein Haupt,

Mit falschem Bruderkuß verräth mich Frankreich,
Und offnen, wüthenden Vertilgungskrieg
Bereitet mir der Spanier auf den Meeren.
So steh’ ich kämpfend gegen eine Welt,
Ein wehrlos Weib! Mit hohen Tugenden
Muß ich die Blöße meines Rechts bedecken,
Den Flecken meiner fürstlichen Geburt,
Wodurch der eigne Vater mich geschändet.
Umsonst bedeck’ ich ihn – Der Gegner Haß
Hat ihn entblößt, und stellt mir diese Stuart,
Ein ewig drohendes Gespenst, entgegen.

     Nein, diese Furcht soll endigen!
Ihr Haupt soll fallen. Ich will Frieden haben!
– Sie ist die Furie meines Lebens! Mir
Ein Plagegeist vom Schicksal angeheftet.
Wo ich mir eine Freude, eine Hoffnung
Gepflanzt, da liegt die Höllenschlange mir
Im Wege. Sie entreißt mir den Geliebten,
Den Bräut’gam raubt sie mir! Maria Stuart,
Heißt jedes Unglück, das mich niederschlägt!
Ist sie aus den Lebendigen vertilgt,
Frei bin ich, wie die Luft auf den Gebirgen.

(Stillschweigen.)

Mit welchem Hohn sie auf mich nieder sah,
Als sollte mich der Blick zu Boden blitzen!

Ohnmächtige! Ich führe beßre Waffen,
Sie treffen tödlich und du bist nicht mehr!

(Mit raschem Schritt nach dem Tisch gehend und die Feder ergreifend.)

Ein Bastard bin ich dir? – Unglückliche!
Ich bin es nur, so lang du lebst und athmest.
Der Zweifel meiner fürstlichen Geburt,
Er ist getilgt, sobald ich dich vertilge.
Sobald dem Britten keine Wahl mehr bleibt,
Bin ich im ächten Ehebett’ geboren!

(Sie unterschreibt mit einem raschen, festen Federzug, läßt dann die Feder fallen, und tritt mit einem Ausdruck des Schreckens zurück. Nach einer Pause klingelt sie.)


Eilfter Auftritt.


Elisabeth'. Davison.

Elisabeth.
Wo sind die andern Lords?

Davison.
 Sie sind gegangen,
Das aufgebrachte Volk zur Ruh zu bringen.
Das Toben war auch augenblicks gestillt,
Sobald der Graf von Schrewsbury sich zeigte.
„Der ist’s, das ist er!“ riefen hundert Stimmen,
„Der rettete die Königin! Hört ihn!
Den bravsten Mann in England.“ Nun begann

Der edle Talbot und verwies dem Volk
In sanften Worten sein gewaltsames
Beginnen, sprach so kraftvoll überzeugend,
Daß alles sich besänftigte, und still
Vom Platze schlich.

Elisabeth.
 Die wankelmüthge Menge,
Die jeder Wind herumtreibt! Wehe dem,
Der auf dieß Rohr sich lehnet! – Es ist gut,
Sir Davison. Ihr könnt nun wieder gehn.

(Wie sich jener nach der Thüre gewendet.)

Und dieses Blatt – Nehmt es zurück – Ich leg’s
In eure Hände.

Davison. (wirft einen Blick in das Papier und erschrickt.)
 Königin! Dein Name!
Du hast entschieden?

Elisabeth.
 – Unterschreiben sollt’ ich.
Ich hab’s gethan. Ein Blatt Papier entscheidet
Noch nicht, ein Name tödtet nicht.

Davison.
Dein Name Königin, unter dieser Schrift
Entscheidet alles, tödtet, ist ein Strahl
Des Donners, der geflügelt trifft – Dieß Blatt

Befiehlt den Kommissarien, dem Scherif,
Nach Fotheringhayschloß sich steh’nden Fußes
Zur Königin von Schottland zu verfügen,
Den Tod ihr anzukündigen, und schnell,
Sobald der Morgen tagt, ihn zu vollziehn.
Hier ist kein Aufschub, jene hat gelebt,
Wenn ich dieß Blatt aus meinen Händen gebe.

Elisabeth.
Ja, Sir! Gott legt ein wichtig groß Geschick
In eure schwachen Hände. Fleht ihn an,
Daß er mit seiner Weisheit euch erleuchte.
Ich geh’ und überlaß euch eurer Pflicht.

(Sie will gehen.)

Davison (tritt ihr in den Weg).
Nein, meine Königin! Verlaß mich nicht,
Eh’ du mir deinen Willen kund gethan.
Bedarf es hier noch einer andern Weisheit,
Als dein Gebot buchstäblich zu befolgen?
– Du legst dieß Blatt in meine Hand, daß ich
Zu schleuniger Vollziehung es befördre?

Elisabeth.
Das werdet ihr nach eurer Klugheit –

Davison (schnell und erschrocken einfallend).
 Nicht
Nach meiner! Das verhüte Gott! Gehorsam

Ist meine ganze Klugheit. Deinem Diener
Darf hier nichts zu entscheiden übrig bleiben.
Ein klein Versehn wär hier ein Königsmord,
Ein unabsehbar, ungeheures Unglück.
Vergönne mir, in dieser großen Sache
Dein blindes Werkzeug willenlos zu seyn.
In klare Worte fasse deine Meinung,
Was soll mit diesem Blutbefehl geschehn?

Elisabeth.
– Sein Name spricht es aus.

Davison.
So willst du, daß er gleich vollzogen werde?

Elisabeth (zögernd).
Das sag’ ich nicht, und zittre, es zu denken.

Davison.
Du willst, daß ich ihn länger noch bewahre?

Elisabeth (schnell).
Auf eure Gefahr! Ihr haftet für die Folgen.

Davison.
Ich? Heil’ger Gott! – Sprich, Königin! Was willst du?

Elisabeth (ungeduldig).
Ich will, daß dieser unglücksel’gen Sache
Nicht mehr gedacht soll werden, daß ich endlich
Will Ruhe davor haben und auf ewig.

Davison.
Es kostet dir ein einzig Wort. O sage,
Bestimme, was mit dieser Schrift soll werden!

Elisabeth.
Ich hab’s gesagt, und quält mich nun nicht weiter.

Davison.
Du hättest es gesagt? Du hast mir nichts
Gesagt – O, es gefalle meiner Königin,
Sich zu erinnern.

Elisabeth (stampft auf den Boden).
 Unerträglich!

Davison.
 Habe Nachsicht
Mit mir! Ich kam seit wenig Monden erst
In dieses Amt! Ich kenne nicht die Sprache
Der Höfe und der Könige – in schlicht
Einfacher Sitte bin ich aufgewachsen.
Drum habe du Geduld mit deinem Knecht!
Laß dich das Wort nicht reun, das mich belehrt,
Mich klar macht über meine Pflicht –

(Er nähert sich ihr in flehender Stellung, sie kehrt ihm den Rücken zu, er steht in Verzweiflung, dann spricht er mit entschloßnem Ton.)

Nimm dieß Papier zurück! Nimm es zurück!
Es wird mir glühend Feuer in den Händen.

Nicht mich erwähle, dir in diesem furchtbaren
Geschäft zu dienen.

Elisabeth.
 Thut, was eures Amts ist.

(Sie geht ab.)


Zwölfter Auftritt.


Davison, gleich darauf Burleigh.

Davison.
Sie geht! Sie läßt mich rathlos, zweifelnd stehn
Mit diesem fürchterlichen Blatt – Was thu’ ich?
Soll ichs bewahren? Soll ichs übergeben?

(Zu Burleigh, der hereintritt.)

O gut! gut, daß ihr kommt, Milord! Ihr seids,
Der mich in dieses Staatsamt eingeführt!
Befreiet mich davon. Ich übernahm es,
Unkundig seiner Rechenschaft. Laßt mich
Zurückgehn in die Dunkelheit, wo ihr
Mich fandet, ich gehöre nicht auf diesen Platz –

Burleigh.
Was ist euch, Sir? Faßt euch. Wo ist das Urtheil?
Die Königin ließ euch rufen.

Davison.
 Sie verließ mich
In heft’gem Zorn. O rathet mir! Helft mir!

Reißt mich aus dieser Höllenangst des Zweifels.
Hier ist das Urtheil – Es ist unterschrieben.

Burleigh (hastig).
Ist es? O gebt! Gebt her!

Davison.
 Ich darf nicht.

Burleigh.
 Was?

Davison.
Sie hat mir ihren Willen noch nicht deutlich –

Burleigh.
Nicht deutlich! Sie hat unterschrieben. Gebt!

Davison.
Ich solls vollziehen lassen – soll es nicht
Vollziehen lassen – Gott! Weiß ich, was ich soll.

Burleigh (heftiger dringend).
Gleich, augenblicks sollt ihrs vollziehen lassen.
Gebt her! Ihr seid verlohren, wenn ihr säumt.

Davison.
Ich bin verloren, wenn ichs übereile.

Burleigh.
Ihr seid ein Thor, ihr seid von Sinnen! Gebt!

(Er entreißt ihm die Schrift, und eilt damit ab.)

Davison (ihm nacheilend).
Was macht ihr? Bleibt! Ihr stürzt mich ins Verderben.

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