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« Vierter Aufzug Maria Stuart [[Maria Stuart/|]] »
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Fünfter Aufzug.


Die Scene ist das Zimmer des ersten Aufzugs.

Erster Auftritt.


Hanna Kennedy in tiefe Trauer gekleidet, mit verweinten Augen und einem großen, aber stillen Schmerz, ist beschäftigt, Pakete und Briefe zu versiegeln. Oft unterbricht sie der Jammer in ihrem Geschäft, und man sieht sie dazwischen still beten. Paulet und Drury, gleichfalls in schwarzen Kleidern, treten ein, ihnen folgen viele Bediente, welche goldne und silberne Gefäße, Spiegel, Gemählde und andere Kostbarkeiten tragen, und den Hintergrund des Zimmers damit anfüllen. Paulet überliefert der Amme ein Schmuckkästchen nebst einem Papier, und bedeutet ihr durch Zeichen, daß es ein Verzeichniß der gebrachten Dinge enthalte. Beim Anblick dieser Reichthümer erneuert sich der Schmerz der Amme, sie versinkt in ein tiefes Trauern, indem jene sich still wieder entfernen. Melvil tritt ein.

Kennedy. (schreit auf, sobald sie ihn gewahr wird)
Melvil! Ihr seid es! Euch erblick ich wieder!

Melvil.
Ja, treue Kennedy, wir sehn uns wieder!

Kennedy.
Nach langer, langer, schmerzenvoller Trennung!

Melvil.
Ein unglückselig schmerzvoll Wiedersehn!

Kennedy.
O Gott! Ihr kommt –

Melvil.
 Den letzten, ewigen
Abschied von meiner Königin zu nehmen.

Kennedy.
Jetzt endlich, jetzt am Morgen ihres Todes,
Wird ihr die langentbehrte Gegenwart
Der Ihrigen vergönnt – O theurer Sir,
Ich will nicht fragen, wie es euch erging,
Euch nicht die Leiden nennen, die wir litten,
Seitdem man euch von unsrer Seite riß,
Ach, dazu wird wohl einst die Stunde kommen!
O Melvil! Melvil! Mußten wirs erleben,
Den Anbruch dieses Tags zu sehn!

Melvil.
 Laßt uns
Einander nicht erweichen! Weinen will ich,
So lang noch Leben in mir ist, nie soll
Ein Lächeln diese Wangen mehr erheitern,

Nie will ich dieses nächtliche Gewand
Mehr von mir legen! Ewig will ich trauern,
Doch heute will ich standhaft seyn – Versprecht
Auch ihr mir, euren Schmerz zu mäßigen –
Und wenn die andern alle der Verzweiflung
Sich trostlos überlassen, lasset uns
Mit männlich edler Fassung ihr vorangehn
Und ihr ein Stab sein auf dem Todesweg!

Kennedy.
Melvil! Ihr seid im Irrthum, wenn ihr glaubt,
Die Königin bedürfe unsers Beistands,
Um standhaft in den Tod zu gehn! Sie selber ists,
Die uns das Beispiel edler Fassung giebt.
Seid ohne Furcht! Maria Stuart wird
Als eine Königin und Heldin sterben.

Melvil.
Nahm sie die Todespost mit Fassung auf?
Man sagt, daß sie nicht vorbereitet war.

Kennedy.
Das war sie nicht. Ganz andre Schrecken warens,
Die meine Lady ängstigten. Nicht vor dem Tod,
Vor dem Befreier zitterte Maria.
– Freiheit war uns verheißen. Diese Nacht
Versprach uns Mortimer von hier wegzuführen,
Und zwischen Furcht und Hoffnung, zweifelhaft,

Ob sie dem kecken Jüngling ihre Ehre
Und fürstliche Person vertrauen dürfe,
Erwartete die Königin den Morgen.
– Da wird ein Auflauf in dem Schloß, ein Pochen
Schreckt unser Ohr, und vieler Hämmer Schlag,
Wir glauben, die Befreier zu vernehmen,
Die Hoffnung winkt, der süße Trieb des Lebens
Wacht unwillkührlich, allgewaltig auf –
Da öffnet sich die Thür – Sir Paulet ists,
Der uns verkündigt – daß – die Zimmerer
Zu unsern Füßen das Gerüst aufschlagen!

(Sie wendet sich ab, von heftigem Schmerz ergriffen.)

Melvil.
Gerechter Gott! O sagt mir, wie ertrug
Maria diesen fürchterlichen Wechsel?

Kennedy. (nach einer Pause, worin sie sich wieder etwas gefaßt hat)
Man lös’t sich nicht allmählig von dem Leben!
Mit Einem Mal, schnell augenblicklich muß
Der Tausch geschehen zwischen Zeitlichem
Und Ewigem, und Gott gewährte meiner Lady
In diesem Augenblick, der Erde Hoffnung
Zurück zu stoßen mit entschloßner Seele,
Und glaubenvoll den Himmel zu ergreifen.
Kein Merkmal bleicher Furcht, kein Wort der Klage

Entehrte meine Königin – Dann erst,
Als sie Lord Lesters schändlichen Verrath
Vernahm, das unglückselige Geschick
Des werthen Jünglings, der sich ihr geopfert,
Des alten Ritters tiefen Jammer sah,
Dem seine letzte Hoffnung starb durch sie,
Da flossen ihre Thränen, nicht das eigne Schicksal,
Der fremde Jammer preßte sie ihr ab.

Melvil.
Wo ist sie jetzt? Könnt ihr mich zu ihr bringen?

Kennedy.
Den Rest der Nacht durchwachte sie mit Beten,
Nahm von den theuren Freunden schriftlich Abschied,
Und schrieb ihr Testament mit eigner Hand.
Jetzt pflegt sie einen Augenblick der Ruh,
Der letzte Schlaf erquickt sie.

Melvil.
 Wer ist bei ihr?

Kennedy.
Ihr Leibarzt Burgoyn, und ihre Frauen.


Zweiter Auftritt.


Margaretha Kurl zu den Vorigen.

Kennedy.
Was bringt ihr, Mistreß? Ist die Lady wach?

Kurl (ihre Thränen trocknend).
Schon angekleidet – Sie verlangt nach euch.

Kennedy.
Ich komme.

(Zu Melvil, der sie begleiten will.)

 Folgt mir nicht, bis ich die Lady
Auf euren Anblick vorbereitet.

(Geht hinein.)

Kurl.
 Melvil!
Der alte Haushofmeister!

Melvil.
Ja, der bin ich!

Kurl.
O dieses Haus braucht keines Meisters mehr!
– Melvil! Ihr kommt von London, wißt ihr mir
Von meinem Manne nichts zu sagen?

Melvil.
Er wird auf freien Fuß gesetzt, sagt man,
Sobald –

Kurl.
 Sobald die Königin nicht mehr ist!
O der nichtswürdig schändliche Verräther!
Er ist der Mörder dieser theuren Lady,
Sein Zeugniß, sagt man, habe sie verurtheilt.

Melvil.
So ists.

Kurl.
 O seine Seele sey verflucht
Bis in die Hölle! Er hat falsch gezeugt –

Melvil.
Milady Kurl! Bedenket eure Reden.

Kurl.
Beschwören will ichs vor Gerichtes Schranken,
Ich will es ihm ins Antlitz wiederholen,
Die ganze Welt will ich damit erfüllen.
Sie stirbt unschuldig –

Melvil.
 O das gebe Gott!


Dritter Auftritt.


Burgoyn zu den Vorigen. Hernach Hanna Kennedy.

Burgoyn (erblickt Melvil).
O Melvil!

Melvil (ihn umarmend).
 Burgoyn!

Burgoyn (zu Margaretha Kurl).
 Besorget einen Becher
Mit Wein für unsere Lady. Machet hurtig.

(Kurl geht ab.)

Melvil.
Wie? Ist der Königin nicht wohl?

Burgoyn.
Sie fühlt sich stark, sie täuscht ihr Heldenmuth.
Und keiner Speise glaubt sie zu bedürfen,
Doch ihrer wartet noch ein schwerer Kampf,
Und ihre Feinde sollen sich nicht rühmen,
Daß Furcht des Todes ihre Wangen bleichte,
Wenn die Natur aus Schwachheit unterliegt.

Melvil (zur Amme, die hereintritt).
Will sie mich sehn?

Kennedy.
 Gleich wird sie selbst hier seyn.
– Ihr scheint euch mit Verwundrung umzusehn,
Und eure Blicke fragen mich: was soll
Das Prachtgeräth in diesem Ort des Todes?
– O Sir! Wir litten Mangel, da wir lebten,
Erst mit dem Tode kommt der Überfluß zurück.


Vierter Auftritt.


Vorige. Zwei andre Kammerfrauen der Maria, gleichfalls in Trauerkleidern. Sie brechen bei Melvils Anblick in laute Thränen aus.

Melvil.
Was für ein Anblick! Welch ein Wiedersehn!
Gertrude! Rosamund!

Zweite Kammerfrau.
 Sie hat uns von sich
Geschickt! Sie will zum letztenmal allein
Mit Gott sich unterhalten!

(Es kommen noch zwei weibliche Bediente, wie die vorigen in Trauer, die mit stummen Gebärden ihren Jammer ausdrücken.)


Fünfter Auftritt.


Margaretha Kurl zu den Vorigen. Sie trägt einen goldnen Becher mit Wein, und setzt ihn auf den Tisch, indem sie sich bleich und zitternd an einen Stuhl hält.

Melvil.
Was ist euch, Mistreß? Was entsetzt euch so?

Kurl.
O Gott!

Burgoyn.
 Was habt ihr?

Kurl.
 Was mußt’ ich erblicken!

Melvil.
Kommt zu euch! Sagt uns, was es ist!

Kurl.
 Als ich
Mit diesem Becher Wein die große Treppe
Herauf stieg, die zur untern Halle führt,

Da that die Thür sich auf – ich sah hinein –
Ich sah – o Gott!

Melvil.
 Was saht ihr? Faßet euch!

Kurl.
Schwarz überzogen waren alle Wände,
Ein groß Gerüst, mit schwarzem Tuch beschlagen,
Erhob sich von dem Boden, mitten drauf
Ein schwarzer Block, ein Kissen, und daneben
Ein blankgeschliffnes Beil – Voll Menschen war
Der Saal, die um das Mordgerüst sich drängten,
Und heiße Blutgier in dem Blick, das Opfer
Erwarteten.

Die Kammerfrauen.
 O Gott sey unsrer Lady gnädig!

Melvil.
Faßt euch! Sie kommt!


Sechster Auftritt.


Die Vorigen. Maria. Sie ist weiß und festlich gekleidet, am Halse trägt sie an einer Kette von kleinen Kugeln ein Agnus Dei, ein Rosenkranz hängt am Gürtel herab, sie hat ein Crucifix in der Hand, und ein Diadem in den Haaren, ihr großer schwarzer Schleier ist zurück geschlagen. Bei ihrem Eintritt weichen die Anwesenden zu beiden Seiten zurück, und drücken den heftigsten Schmerz aus. Melvil ist mit einer unwillkührlichen Bewegung auf die Knie gesunken.

Maria. (mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreise herumsehend)
Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet
Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel
Nun endlich naht, daß meine Bande fallen,
Mein Kerker aufgeht, und die frohe Seele sich
Auf Engelsflügeln schwingt zur ew’gen Freiheit.
Da, als ich in die Macht der stolzen Feindin
Gegeben war, Unwürdiges erduldend,
Was einer freien großen Königin
Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen!
– Wohlthätig, heilend, nahet mir der Tod,
Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln
Bedeckt er meine Schmach – den Menschen adelt,
Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal.
Die Krone fühl ich wieder auf dem Haupt,
Den würd’gen Stolz in meiner edeln Seele!

(Indem sie einige Schritte weiter vortritt.)

Wie? Melvil hier? – Nicht also, edler Sir!
Steht auf! Ihr seid zu eurer Königin
Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen.
Mir wird ein Glück zu Theil, wie ich es nimmer
Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz
In meiner Feinde Händen ist, daß doch
Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens
Als Zeuge dasteht in der Todesstunde.

– Sagt, edler Ritter! Wie erging es euch,
In diesem feindlichen, unholden Lande,
Seitdem man euch von meiner Seite riß?
Die Sorg’ um euch hat oft mein Herz bekümmert.

Melvil.
Mich drückte sonst kein Mangel, als der Schmerz
Um dich, und meine Ohnmacht, dir zu dienen!

Maria.
Wie stehts um Didier, meinen alten Kämmrer?
Doch der getreue schläft wohl lange schon
Den ew’gen Schlaf, denn er war hoch an Jahren.

Melvil.
Gott hat ihm diese Gnade nicht erzeigt,
Er lebt, um deine Jugend zu begraben.

Maria.
Daß mir vor meinem Tode noch das Glück
Geworden wäre, ein geliebtes Haupt
Der theuern Blutsverwandten zu umfassen!
Doch ich soll sterben unter Fremdlingen,
Nur eure Thränen soll ich fließen sehn!
– Melvil, die letzten Wünsche für die Meinen
Leg’ ich in eure treue Brust – Ich segne
Den allerchristlichsten König, meinen Schwager,
Und Frankreichs ganzes königliches Haus –
Ich segne meinen Öhm, den Kardinal,

Und Heinrich Guise, meinen edlen Vetter.
Ich segne auch den Papst, den heiligen
Statthalter Christi, der mich wieder segnet,
Und den katholschen König, der sich edelmüthig
Zu meinem Retter, meinem Rächer anbot –
Sie alle stehn in meinem Testament,
Sie werden die Geschenke meiner Liebe,
Wie arm sie sind, darum gering nicht achten.

(Sich zu ihren Dienern wendend.)

Euch hab’ ich meinem königlichen Bruder
Von Frankreich anempfohlen, er wird sorgen
Für euch, ein neues Vaterland euch geben.
Und ist euch meine letzte Bitte werth,
Bleibt nicht in England, daß der Britte nicht
Sein stolzes Herz an eurem Unglück weide,
Nicht die im Staube seh’, die mir gedient.
Bei diesem Bildniß des Gekreuzigten
Gelobet mir, dieß unglückselge Land
Alsbald, wenn ich dahin bin, zu verlassen!

Melvil (berührt das Crucifix).
Ich schwöre dir’s, im Namen dieser aller.

Maria.
Was ich, die arme, die beraubte, noch besaß,
Worüber mir vergönnt ist frey zu schalten,
Das hab’ ich unter euch vertheilt, man wird,

Ich hoff’ es, meinen letzten Willen ehren.
Auch was ich auf dem Todeswege trage,
Gehöret euch – Vergönnet mir noch einmal
Der Erde Glanz auf meinem Weg zum Himmel!

(Zu den Fräulein.)

Dir, meine Alix, Gertrud, Rosamund,
Bestimm’ ich meine Perlen, meine Kleider,
Denn eure Jugend freut sich noch des Putzes.
Du, Margaretha, hast das nächste Recht
An meine Großmuth, denn ich lasse dich
Zurück als die Unglücklichste von allen.
Daß ich des Gatten Schuld an dir nicht räche,
Wird mein Vermächtniß offenbaren – Dich,
O meine treue Hanna, reizet nicht
Der Werth des Goldes, nicht der Steine Pracht,
Dir ist das höchste Kleinod mein Gedächtniß.
Nimm dieses Tuch! Ich hab’s mit eigner Hand
Für dich gestickt in meines Kummers Stunden,
Und meine heißen Thränen eingewoben.
Mit diesem Tuch wirst du die Augen mir verbinden,
Wenn es so weit ist – diesen letzten Dienst
Wünsch’ ich von meiner Hanna zu empfangen.

Kennedy.
O Melvil! Ich ertrag’ es nicht!

Maria.
 Kommt alle!
Kommt und empfangt mein letztes Lebwohl.

(Sie reicht ihre Hände hin, eins nach dem andern fällt ihr zu Füßen und küßt die dargebotne Hand unter heftigem Weinen.)

Leb’ wohl, MargarethaAlix, lebe wohl –
Dank Burgoyn, für eure treuen Dienste –
Dein Mund brennt heiß, Gertrude – Ich bin viel
Gehasset worden, doch auch viel geliebt!
Ein edler Mann beglücke meine Gertrud,
Denn Liebe fodert dieses glühnde Herz –
Bertha! Du hast das beßre Theil erwählt,
Die keusche Braut des Himmels willst du werden!
O eile, dein Gelübde zu vollziehn!
Betrüglich sind die Güter dieser Erden,
Das lern’ an deiner Königin! – Nichts weiter!
Lebt wohl! Lebt wohl! Lebt ewig wohl!

(Sie wendet sich schnell von ihnen, alle, bis auf Melvil, entfernen sich.)


Siebenter Auftritt.


Maria. Melvil.

Maria.
Ich habe alles Zeitliche berichtigt,
Und hoffe keines Menschen Schuldnerin
Aus dieser Welt zu scheiden – Eins nur ists,

Melvil, was der beklemmten Seele noch
Verwehrt, sich frei und freudig zu erheben.

Melvil.
Entdecke mirs. Erleichtre deine Brust,
Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen.

Maria.
Ich stehe an dem Rand der Ewigkeit,
Bald soll ich treten vor den höchsten Richter,
Und noch hab’ ich den Heil’gen nicht versöhnt.
Versagt ist mir der Priester meiner Kirche.
Des Sakramentes heil’ge Himmelspeise
Verschmäh’ ich aus den Händen falscher Priester.
Im Glauben meiner Kirche will ich sterben,
Denn der allein ists, welcher selig macht.

Melvil.
Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt
Der feurig fromme Wunsch statt des Vollbringens.
Tyrannenmacht kann nur die Hände fesseln,
Des Herzens Andacht hebt sich frei zu Gott,
Das Wort ist todt, der Glaube macht lebendig.

Maria.
Ach Melvil! Nicht allein genug ist sich
Das Herz, ein irdisch Pfand bedarf der Glaube,
Das hohe Himmlische sich zuzueignen.
Drum ward der Gott zum Menschen, und verschloß

Die unsichtbaren himmlischen Geschenke
Geheimnißvoll in einem sichtbarn Leib.
– Die Kirche ists, die heilige, die hohe,
Die zu dem Himmel uns die Leiter baut,
Die allgemeine, die kathol’sche heißt sie,
Denn nur der Glaube aller stärkt den Glauben,
Wo tausende anbeten und verehren,
Da wird die Glut zur Flamme, und beflügelt
Schwingt sich der Geist in alle Himmel auf.
– Ach die Beglückten, die das froh getheilte
Gebet versammelt in dem Haus des Herrn!
Geschmückt ist der Altar, die Kerzen leuchten,
Die Glocke tönt, der Weihrauch ist gestreut,
Der Bischof steht im reinen Meßgewand,
Er faßt den Kelch, er segnet ihn, er kündet
Das hohe Wunder der Verwandlung an,
Und niederstürzt dem gegenwärt’gen Gotte
Das gläubig überzeugte Volk – Ach! Ich
Allein bin ausgeschlossen, nicht zu mir
In meinen Kerker dringt der Himmelsegen.

Melvil.
Er dringt zu dir! Er ist dir nah! Vertraue
Dem Allvermögenden – der dürre Stab
Kann Zweige treiben in des Glaubens Hand!
Und der die Quelle aus dem Felsen schlug,

Kann dir im Kerker den Altar bereiten,
Kann diesen Kelch, die irdische Erquickung,
Dir schnell in eine himmlische verwandeln.

(Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht.)

Maria.
Melvil! Versteh ich euch? Ja! Ich versteh euch!
Hier ist kein Priester, keine Kirche, kein
Hochwürdiges – Doch der Erlöser spricht:
Wo zwey versammelt sind in meinem Namen,
Da bin ich gegenwärtig unter ihnen.
Was weiht den Priester ein zum Mund des Herrn?
Das reine Herz, der unbefleckte Wandel.
– So seid ihr mir, auch ungeweiht, ein Priester,
Ein Bote Gottes, der mir Frieden bringt.
– Euch will ich meine letzte Beichte thun,
Und euer Mund soll mir das Heil verkünden.

Melvil.
Wenn dich das Herz so mächtig dazu treibt,
So wisse, Königin, daß dir zum Troste
Gott auch ein Wunder wohl verrichten kann.
Hier sey kein Priester, sagst du, keine Kirche,
Kein Leib des Herrn? – Du irrest dich. Hier ist
Ein Priester, und ein Gott ist hier zugegen.

(Er entblößt bei diesen Worten das Haupt, zugleich zeigt er ihr eine Hostie in einer goldenen Schale.)

– Ich bin ein Priester, deine letzte Beichte
Zu hören, dir auf deinem Todesweg
Den Frieden zu verkündigen, hab’ ich
Die sieben Weihn auf meinem Haupt empfangen,
Und diese Hostie überbring ich dir
Vom heil’gen Vater, die er selbst geweihet.

Maria.
O so muß an der Schwelle selbst des Todes
Mir noch ein himmlisch Glück bereitet seyn!
Wie ein Unsterblicher auf goldnen Wolken
Herniederfährt, wie den Apostel einst
Der Engel führte aus des Kerkers Banden –
Ihn hält kein Riegel, keines Hüters Schwerdt,
Er schreitet mächtig durch verschloßne Pforten,
Und im Gefängniß steht er glänzend da,
So überrascht mich hier der Himmelsbote,
Da jeder ird’sche Retter mich getäuscht!
– Und ihr, mein Diener einst, seid jetzt der Diener
Des höchsten Gottes, und sein heil’ger Mund!
Wie eure Knie sonst vor mir sich beugten,
So lieg ich jetzt im Staub vor euch.

(Sie sinkt vor ihm nieder.)

Melvil. (indem er das Zeichen des Kreuzes über sie macht)
 Im Namen
Des Vaters und des Sohnes und des Geistes!

Maria, Königin! Hast du dein Herz
Erforschet, schwörst du, und gelobest du
Wahrheit zu beichten vor dem Gott der Wahrheit?

Maria.
Mein Herz liegt offen da vor dir und ihm.

Melvil.
Sprich, welcher Sünde zeiht dich dein Gewissen,
Seitdem du Gott zum letztenmal versöhnt?

Maria.
Von neid’schem Hasse war mein Herz erfüllt,
Und Rachgedanken tobten in dem Busen.
Vergebung hofft ich Sünderin von Gott,
Und konnte nicht der Gegnerin vergeben.

Melvil.
Bereuest du die Schuld, und ists dein ernster
Entschluß, versöhnt aus dieser Welt zu scheiden?

Maria.
So wahr ich hoffe, daß mir Gott vergebe.

Melvil.
Welch andrer Sünde klagt das Herz dich an?

Maria.
Ach, nicht durch Haß allein, durch sünd’ge Liebe
Noch mehr hab’ ich das höchste Gut beleidigt.

Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,
Der treulos mich verlassen und betrogen!

Melvil.
Bereuest du die Schuld, und hat dein Herz
Vom eiteln Abgott sich zu Gott gewendet?

Maria.
Es war der schwerste Kampf, den ich bestand,
Zerrissen ist das letzte ird’sche Band.

Melvil.
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewissen?

Maria.
Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet,
Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft,
Im Augenblick der letzten Rechenschaft,
Und wälzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten.
Den König, meinen Gatten, ließ ich morden,
Und dem Verführer schenkt’ ich Herz und Hand!
Streng büßt’ ichs ab mit allen Kirchenstrafen,
Doch in der Seele will der Wurm nicht schlafen.

Melvil.
Verklagt das Herz dich keiner andern Sünde,
Die du noch nicht gebeichtet und gebüßt?

Maria.
Jetzt weißt du alles, was mein Herz belastet.

Melvil.
Denk an die Nähe des Allwissenden!
Der Strafen denke, die die heilge Kirche
Der mangelhaften Beichte droht! Das ist
Die Sünde zu dem ew’gen Tod, denn das
Ist wider seinen heilgen Geist gefrevelt.

Maria.
So schenke mir die ew’ge Gnade Sieg
Im letzten Kampf, als ich dir wissend nichts verschwieg.

Melvil.
Wie? deinem Gott verhehlst du das Verbrechen,
Um dessentwillen dich die Menschen strafen?
Du sagst mir nichts von deinem blutgen Antheil
An Babingtons und Parrys Hochverrath?
Den zeitlichen Tod stirbst du für diese That,
Willst du auch noch den ew’gen dafür sterben?

Maria.
Ich bin bereit zur Ewigkeit zu gehn,
Noch eh sich der Minutenzeiger wendet,
Werd’ ich vor meines Richters Throne stehn,
Doch wiederhohl’ ichs, meine Beichte ist vollendet.

Melvil.
Erwäg’ es wohl! Das Herz ist ein Betrüger.
Du hast vielleicht mit list’gem Doppelsinn
Das Wort vermieden, das dich schuldig macht,

Obgleich der Wille das Verbrechen theilte.
Doch wisse, keine Gaukelkunst berückt
Das Flammenauge, das ins Innre blickt!

Maria.
Ich habe alle Fürsten aufgeboten.
Mich aus unwürd’gen Banden zu befrein,
Doch nie hab’ ich durch Vorsatz oder That
Das Leben meiner Feindin angetastet!

Melvil.
So hätten deine Schreiber falsch gezeugt?

Maria.
Wie ich gesagt, so ists. Was jene zeugten,
Das richte Gott!

Melvil.
 So steigst du, überzeugt
Von deiner Unschuld, auf das Blutgerüste?

Maria.
Gott würdigt mich, durch diesen unverdienten Tod
Die frühe schwere Blutschuld abzubüßen.

Melvil. (macht den Seegen über sie)
So gehe hin, und sterbend büße sie!
Sink’ ein ergebnes Opfer am Altare,
Blut kann versöhnen, was das Blut verbrach,

Du fehltest nur aus weiblichem Gebrechen,
Dem sel’gen Geiste folgen nicht die Schwächen
Der Sterblichkeit in die Verklärung nach.
Ich aber künde dir, kraft der Gewalt,
Die mir verliehen ist, zu lösen und zu binden,
Erlassung an von allen deinen Sünden!
Wie du geglaubet, so geschehe dir!

(Er reicht ihr die Hostie.)

Nimm hin den Leib, er ist für dich geopfert!

(Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht, consekrirt ihn mit stillem Gebet, dann reicht er ihr denselben. Sie zögert, ihn anzunehmen, und weis’t ihn mit der Hand zurück.)

Nimm hin das Blut, es ist für dich vergossen!
Nimm hin! Der Papst erzeigt dir diese Gunst!
Im Tode noch sollst du das höchste Recht
Der Könige, das priesterliche, üben!

(Sie empfängt den Kelch.)

Und wie du jetzt dich in dem ird’schen Leib
Geheimnißvoll mit deinem Gott verbunden,
So wirst du dort in seinem Freudenreich,
Wo keine Schuld mehr seyn wird, und kein Weinen,
Ein schön verklärter Engel, dich
Auf ewig mit dem Göttlichen vereinen.

(Er setzt den Kelch nieder. Auf ein Geräusch, das gehört wird, bedeckt er sich das Haupt, und geht an die Thüre, Maria bleibt in stiller Andacht auf den Knien liegen.)

Melvil (zurückkommend).
Dir bleibt ein harter Kampf noch zu bestehn.
Fühlst du dich stark genug, um jede Regung
Der Bitterkeit, des Hasses zu besiegen?

Maria.
Ich fürchte keinen Rückfall. Meinen Haß
Und meine Liebe hab’ ich Gott geopfert.

Melvil.
Nun so bereite dich, die Lords von Lester
Und Burleigh zu empfangen. Sie sind da.


Achter Auftritt.


Die Vorigen. Burleigh. Leicester und Paulet.

Leicester bleibt ganz in der Entfernung stehen, ohne die Augen aufzuschlagen. Burleigh, der seine Fassung beobachtet, tritt zwischen ihn und die Königin.

Burleigh.
Ich komme, Lady Stuart, eure letzten
Befehle zu empfangen.

Maria.
 Dank, Milord!

Burleigh.
Es ist der Wille meiner Königin,
Daß euch nichts billiges verweigert werde.

Maria.
Mein Testament nennt meine letzten Wünsche.
Ich habs in Ritter Paulets Hand gelegt,
Und bitte, daß es treu vollzogen werde.

Paulet.
Verlaßt euch drauf.

Maria.
Ich bitte, meine Diener ungekränkt
Nach Schottland zu entlassen, oder Frankreich,
Wohin sie selber wünschen und begehren.

Burleigh.
Es sey, wie ihr es wünscht.

Maria.
 Und weil mein Leichnam
Nicht in geweihter Erde ruhen soll,
So dulde man, daß dieser treue Diener
Mein Herz nach Frankreich bringe zu den Meinen.
– Ach! Es war immer dort!

Burleigh.
 Es soll geschehn!
Habt ihr noch sonst –

Maria.
 Der Königin von England
Bringt meinen schwesterlichen Gruß – Sagt ihr,
Daß ich ihr meinen Tod von ganzem Herzen

Vergebe, meine Heftigkeit von gestern
Ihr reuevoll abbitte – Gott erhalte sie,
Und schenk’ ihr eine glückliche Regierung!

Burleigh.
Sprecht! Habt ihr noch nicht bessern Rath erwählt?
Verschmäht ihr noch den Beistand des Dechanten?

Maria.
Ich bin mit meinem Gott versöhnt – Sir Paulet!
Ich hab’ euch schuldlos vieles Weh bereitet,
Des Alters Stütze euch geraubt – O laßt
Mich hoffen, daß ihr meiner nicht mit Haß
Gedenket –

Paulet (giebt ihr die Hand).
 Gott sey mit euch! Gehet hin im Frieden!


Neunter Auftritt.

Die Vorigen. Hanna Kennedy und die andern Frauen der Königin dringen herein mit Zeichen des Entsetzens, ihnen folgt der Sherif, einen weißen Stab in der Hand, hinter demselben sieht man durch die offen bleibende Thüre gewaffnete Männer.

Maria.
Was ist dir, Hanna? – Ja, nun ist es Zeit!
Hier kommt der Sherif, uns zum Tod zu führen.

Es muß geschieden seyn! Lebt wohl! lebt wohl!

(Ihre Frauen hängen sich an sie mit heftigem Schmerz; zu Melvil.)

Ihr, werther Sir, und meine treue Hanna,
Sollt mich auf diesem letzten Gang begleiten.
Milord versagt mir diese Wohlthat nicht!

Burleigh.
Ich habe dazu keine Vollmacht.

Maria.
 Wie?
Die kleine Bitte könntet ihr mir weigern?
Habt Achtung gegen mein Geschlecht! Wer soll
Den letzten Dienst mir leisten! Nimmermehr
Kann es der Wille meiner Schwester seyn,
Daß mein Geschlecht in mir beleidigt werde,
Der Männer rohe Hände mich berühren!

Burleigh.
Es darf kein Weib die Stufen des Gerüstes
Mit euch besteigen – Ihr Geschrei und Jammern –

Maria.
Sie soll nicht jammern! Ich verbürge mich
Für die gefaßte Seele meiner Hanna!
Seid gütig, Lord. O trennt mich nicht im Sterben
Von meiner treuen Pflegerin und Amme!

Sie trug auf ihren Armen mich ins Leben,
Sie leite mich mit sanfter Hand zum Tod.

Paulet (zu Burleigh).
Laßt es geschehn.

Burleigh.
 Es sey.

Maria.
 Nun hab’ ich nichts mehr
Auf dieser Welt –

(Sie nimmt das Crucifix, und küßt es.)

 Mein Heiland! Mein Erlöser!
Wie du am Kreutz die Arme ausgespannt,
So breite sie jetzt aus, mich zu empfangen.

(Sie wendet sich zu gehen, in diesem Augenblick begegnet ihr Auge dem Grafen Leicester, der bei ihrem Aufbruch unwillkührlich aufgefahren, und nach ihr hingesehen – Bei diesem Anblick zittert Maria, die Knie versagen ihr, sie ist im Begriff hinzusinken, da ergreift sie Graf Leicester, und empfängt sie in seinen Armen. Sie sieht ihn eine Zeitlang ernst und schweigend an, er kann ihren Blick nicht aushalten, endlich spricht sie.)

Ihr haltet Wort, Graf Lester – Ihr verspracht
Mir euren Arm, aus diesem Kerker mich
Zu führen, und ihr leihet mir ihn jetzt!

(Er steht wie vernichtet. Sie fährt mit sanfter Stimme fort.)

Ja, Lester, und nicht bloß
Die Freiheit wollt ich eurer Hand verdanken.

Ihr solltet mir die Freiheit theuer machen,
An eurer Hand, beglückt durch eure Liebe,
Wollt’ ich des neuen Lebens mich erfreun.
Jetzt, da ich auf dem Weg bin, von der Welt
Zu scheiden, und ein sel’ger Geist zu werden,
Den keine ird’sche Neigung mehr versucht.
Jetzt, Lester, darf ich ohne Schaamerröthen
Euch die besiegte Schwachheit eingestehn –
Lebt wohl, und wenn ihr könnt, so lebt beglückt!
Ihr durftet werben um zwei Königinnen,
Ein zärtlich liebend Herz habt ihr verschmäht,
Verrathen, um ein stolzes zu gewinnen,
Kniet zu den Füßen der Elisabeth!
Mög’ euer Lohn nicht eure Strafe werden!
Lebt wohl! – Jetzt hab’ ich nichts mehr auf der Erden!

(Sie geht ab, der Sherif voraus, Melvil und die Amme ihr zur Seite, Burleigh und Paulet folgen, die übrigen sehen ihr jammernd nach, bis sie verschwunden ist, dann entfernen sie sich durch die zwei andern Thüren.)


Zehnter Auftritt.

Leicester allein zurückbleibend.

Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu leben!
Stürzt dieses Dach nicht sein Gewicht auf mich!
Thut sich kein Schlund auf, das elendeste
Der Wesen zu verschlingen! Was hab’ ich

Verloren! Welche Perle warf ich hin!
Welch Glück der Himmel hab’ ich weggeschleudert!
– Sie geht dahin, ein schon verklärter Geist,
Und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten.
– Wo ist mein Vorsatz hin, mit dem ich kam,
Des Herzens Stimme fühllos zu ersticken?
Ihr fallend Haupt zu sehn mit unbewegten Blicken?
Weckt mir ihr Anblick die erstorbne Schaam?
Muß sie im Tod mit Liebesbanden mich umstricken?
– Verworfener, dir steht es nicht mehr an,
In zartem Mitleid weibisch hinzuschmelzen,
Der Liebe Glück liegt nicht auf deiner Bahn,
Mit einem eh’rnen Harnisch angethan,
Sey deine Brust, die Stirne sey ein Felsen!
Willst du den Preiß der Schandthat nicht verlieren,
Dreist mußt du sie behaupten und vollführen!
Verstumme Mitleid, Augen, werdet Stein,
Ich seh sie fallen, ich will Zeuge seyn.

(Er geht mit entschloßnem Schritt der Thüre zu, durch welche Maria gegangen, bleibt aber auf der Mitte des Weges stehen.)

Umsonst! Umsonst! Mich faßt der Hölle Grauen,
Ich kann, ich kann das Schreckliche nicht schauen,
Kann sie nicht sterben sehen – Horch! Was war das?
Sie sind schon unten – Unter meinen Füßen
Bereitet sich das fürchterliche Werk.

Ich höre Stimmen – Fort! Hinweg! Hinweg
Aus diesem Haus des Schreckens und des Todes!

(Er will durch eine andre Thür entfliehn, findet sie aber verschlossen, und fährt zurück.)

Wie? Fesselt mich ein Gott an diesen Boden?
Muß ich anhören, was mir anzuschauen graut?
Die Stimme des Dechanten – Er ermahnet sie –
– Sie unterbricht ihn – Horch! – Laut betet sie –
Mit fester Stimme – Es wird still – Ganz still!
Nur schluchzen hör’ ich, und die Weiber weinen –
Sie wird entkleidet – Horch! Der Schemel wird
Gerückt – Sie kniet aufs Kissen – legt das Haupt –

(Nachdem er die letzten Worte mit steigender Angst gesprochen, und eine Weile inne gehalten, sieht man ihn plötzlich mit einer zuckenden Bewegung zusammenfahren, und ohnmächtig niedersinken, zugleich erschallt von unten herauf ein dumpfes Getöse von Stimmen, welches lange forthallt.)


Eilfter Auftritt.


(Das zweite Zimmer des vierten Aufzugs.)

Elisabeth tritt aus einer Seitenthüre, ihr Gang und ihre Gebärden drücken die heftigste Unruhe aus.

Noch Niemand hier – Noch keine Botschaft – Will es
Nicht Abend werden? Steht die Sonne fest
In ihrem himmlischen Lauf? – Ich soll noch länger
Auf dieser Folter der Erwartung liegen.

Ist es geschehen? Ist es nicht? – Mir graut
Vor beidem, und ich wage nicht zu fragen!
Graf Lester zeigt sich nicht, auch Burleigh nicht,
Die ich ernannt, das Urtheil zu vollstrecken.
Sind sie von London abgereist – Dann ists
Geschehn, der Pfeil ist abgedrückt, er fliegt,
Er trifft, er hat getroffen, gälts mein Reich,
Ich kann ihn nicht mehr halten – Wer ist da?


Zwölfter Auftritt.


Elisabeth. Ein Page.

Elisabeth.
Du kommst allein zurück – Wo sind die Lords?

Page.
Milord von Lester, und der Großschatzmeister –

Elisabeth (in der höchsten Spannung).
Wo sind sie?

Page.
 Sie sind nicht in London.

Elisabeth.
 Nicht?
– Wo sind sie denn?

Page.
 Das wußte niemand mir zu sagen.
Vor Tages Anbruch hätten beide Lords
Eilfertig und geheimnißvoll die Stadt
Verlassen.

Elisabeth (lebhaft ausbrechend).
 Ich bin Königin von England!

(Auf- und niedergehend in der höchsten Bewegung.)

Geh! Rufe mir – nein, bleibe – Sie ist todt!
Jetzt endlich hab’ ich Raum auf dieser Erde.
– Was zittr’ ich? Was ergreift mich diese Angst?
Das Grab deckt meine Furcht, und wer darf sagen,
Ich habs gethan! Es soll an Thränen mir
Nicht fehlen, die Gefallne zu beweinen!

(Zum Pagen.)

Stehst du noch hier? – Mein Schreiber Davison
Soll augenblicklich sich hierher verfügen.
Schickt nach dem Grafen Schrewsbury – Da ist
Er selbst!

(Page geht ab.)


Dreizehnter Auftritt.


Elisabeth. Graf Schrewsbury.

Elisabeth.
 Willkommen, edler Lord! Was bringt ihr?

Nichts kleines kann es seyn, was euren Schritt
So spät hierher führt.

Shrewsbury.
 Große Königin,
Mein sorgenvolles Herz, um deinen Ruhm
Bekümmert, trieb mich heute nach dem Tower,
Wo Kurl und Nau, die Schreiber der Maria
Gefangen sitzen, denn noch einmal wollt’ ich
Die Wahrheit ihres Zeugnisses erproben.
Bestürzt, verlegen weigert sich der Leutnant
Des Thurms, mir die Gefangenen zu zeigen,
Durch Drohung nur verschafft’ ich mir den Eintritt,
– Gott! Welcher Anblick zeigte mir sich da!
Das Haar verwildert, mit des Wahnsinns Blicken,
Wie ein von Furien gequälter, lag
Der Schotte Kurl auf seinem Lager – Kaum
Erkennt mich der Unglückliche, so stürzt er
Zu meinen Füßen – schreiend, meine Knie
Umklammernd mit Verzweiflung, wie ein Wurm
Vor mir gekrümmt – fleht er mich an, beschwört mich,
Ihm seiner Königin Schicksal zu verkünden;
Denn ein Gerücht, daß sie zum Tod verurtheilt sey,
War in des Towers Klüfte eingedrungen.
Als ich ihm das bejahet nach der Wahrheit,
Hinzu gefügt, daß es sein Zeugniß sey,
Wodurch sie sterbe, sprang er wüthend auf,

Fiel seinen Mitgefangnen an, riß ihn
Zu Boden, mit des Wahnsinns Riesenkraft,
Ihn zu erwürgen strebend. Kaum entrissen wir
Den Unglückselgen seines Grimmes Händen.
Nun kehrt’ er gegen sich die Wuth, zerschlug
Mit grimmgen Fäusten sich die Brust, verfluchte sich
Und den Gefährten allen Höllengeistern.
Er habe falsch gezeugt, die Unglücksbriefe
An Babington, die er als ächt beschworen,
Sie seien falsch, er habe andre Worte
Geschrieben, als die Königin diktirt,
Der Bößwicht Nau hab’ ihn dazu verleitet.
Drauf rannt’ er an das Fenster, riß es auf
Mit wüthender Gewalt, schrie in die Gassen
Hinab, daß alles Volk zusammen lief,
Er sey der Schreiber der Maria, sey
Der Bößwicht, der sie fälschlich angeklagt,
Er sey verflucht, er sey ein falscher Zeuge!

Elisabeth.
Ihr sagtet selbst, daß er von Sinnen war.
Die Worte eines Rasenden, Verrückten,
Beweisen nichts.

Schrewsbury.
 Doch dieser Wahnsinn selbst
Beweiset desto mehr! O Königin!

Laß dich beschwören, übereile nichts,
Befiehl, daß man von neuem untersuche.

Elisabeth.
Ich will es thun – weil ihr es wünschet, Graf,
Nicht weil ich glauben kann, daß meine Peers
In dieser Sache übereilt gerichtet.
Euch zur Beruhigung erneure man
Die Untersuchung – Gut, daß es noch Zeit ist!
An unsrer königlichen Ehre soll
Auch nicht der Schatten eines Zweifels haften.


Vierzehnter Auftritt.

Davison zu den Vorigen.

Elisabeth.
Das Urtheil, Sir, das ich in eure Hand
Gelegt – Wo ists?

Davison (im höchsten Erstaunen).
 Das Urtheil?

Elisabeth.
 Das ich gestern
Euch in Verwahrung gab –

Davison.
 Mir in Verwahrung!

Elisabeth.
Das Volk bestürmte mich, zu unterzeichnen,
Ich mußt’ ihm seinen Willen thun, ich thats,
Gezwungen that ichs, und in eure Hände
Legt’ ich die Schrift, ich wollte Zeit gewinnen,
Ihr wißt, was ich euch sagte – Nun! Gebt her!

Schrewsbury.
Gebt, werther Sir, die Sachen liegen anders,
Die Untersuchung muß erneuert werden.

Elisabeth.
Bedenkt euch nicht so lang’. Wo ist die Schrift?

Davison (in Verzweiflung).
Ich bin gestürzt, ich bin ein Mann des Todes!

Elisabeth (hastig einfallend).
Ich will nicht hoffen, Sir –

Davison.
 Ich bin verlohren!
Ich hab’ sie nicht mehr.

Elisabeth.
 Wie? Was?

Schrewsbury.
 Gott im Himmel!

Davison.
Sie ist in Burleighs Händen – schon seit gestern.

Elisabeth.
Unglücklicher? So habt ihr mir gehorcht,
Befahl ich euch nicht streng, sie zu verwahren?

Davison.
Das hast du nicht befohlen, Königin.

Elisabeth.
Willst du mich Lügen strafen, Elender?
Wann hieß ich dir die Schrift an Burleigh geben?

Davison.
Nicht in bestimmten, klaren Worten – aber –

Elisabeth.
Nichtswürdiger! Du wagst es, meine Worte
Zu deuten? Deinen eignen blutgen Sinn
Hinein zu legen? – Wehe dir, wenn Unglück
Aus dieser eigenmächtgen That erfolgt,
Mit deinem Leben sollst du mirs bezahlen.
– Graf Schrewsbury, ihr sehet, wie mein Name
Gemißbraucht wird.

Schrewsbury.
 Ich sehe – O mein Gott!

Elisabeth.
Was sagt ihr?

Schrewsbury.
 Wenn der Squire sich dieser That
Vermessen hat auf eigene Gefahr,

Und ohne deine Wissenschaft gehandelt,
So muß er vor den Richterstuhl der Peers
Gefodert werden, weil er deinen Namen
Dem Abscheu aller Zeiten Preiß gegeben.


Letzter Auftritt.


Die Vorigen. Burleigh, zuletzt Kent.

Burleigh (beugt ein Knie vor der Königin).
Lange lebe meine königliche Frau,
Und mögen alle Feinde dieser Insel
Wie diese Stuart enden!

(Schrewsbury verhüllt sein Gesicht, Davison ringt verzweiflungsvoll die Hände.)

Elisabeth.
 Redet, Lord!
Habt ihr den tödtlichen Befehl von mir
Empfangen?

Burleigh.
 Nein, Gebieterin! Ich empfing ihn
Von Davison.

Elisabeth.
 Hat Davison ihn euch
In meinem Namen übergeben?

Burleigh.
 Nein!
Das hat er nicht –

Elisabeth.
 Und ihr vollstrecktet ihn,
Rasch, ohne meinen Willen erst zu wissen?
Das Urtheil war gerecht, die Welt kann uns
Nicht tadeln, aber euch gebührte nicht,
Der Milde unsres Herzens vorzugreifen –
Drum seid verbannt von unserm Angesicht!

(Zu Davison.)

Ein strengeres Gericht erwartet euch,
Der seine Vollmacht frevelnd überschritten,
Ein heilig anvertrautes Pfand veruntreut.
Man führ’ ihn nach dem Tower, es ist mein Wille,
Daß man auf Leib und Leben ihn verklage.
– Mein edler Talbot! Euch allein hab’ ich
Gerecht erfunden unter meinen Räthen,
Ihr sollt fortan mein Führer seyn, mein Freund –

Schrewsbury.
Verbanne deine treusten Freunde nicht,
Wirf sie nicht ins Gefängniß, die für dich
Gehandelt haben, die jetzt für dich schweigen.
– Mir aber, große Königin, erlaube,
Daß ich das Siegel, das du mir zwölf Jahre
Vertraut, zurück in deine Hände gebe.

Elisabeth (betroffen).
Nein, Schrewsbury! Ihr werdet mich jetzt nicht
Verlassen, jetzt –

Schrewsbury.
 Verzeih, ich bin zu alt,
Und diese grade Hand, sie ist zu starr,
Um deine neuen Thaten zu versiegeln.

Elisabeth.
Verlassen wollte mich der Mann, der mir
Das Leben rettete?

Schrewsbury.
 Ich habe wenig
Gethan – Ich habe deinen edlern Theil
Nicht retten können. Lebe, herrsche glücklich!
Die Gegnerin ist todt. Du hast von nun an
Nichts mehr zu fürchten, brauchst nichts mehr zu achten.

(Geht ab.)

Elisabeth. (zum Grafen Kent, der hereintritt).
Graf Lester komme her!

Kent.
 Der Lord läßt sich
Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich.

(Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da. Der Vorhang fällt.)

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