Maifeier 1898
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Maifeier 1898.
Frischauf, mein Volk, Du armes Volk der Bienen,
Frischauf zum Fest, wer irgend kann und mag!
Der erste Tag des Maien ist erschienen,
Der Arbeit höchster, einz’ger Feiertag!
Und aus den Forsten dringt des Kukuks Ruf,
Dann laßt den Ambos und das Schwungrad stehen,
Um froh und stolz vereinigt zu begehen
Den einz’gen Festtag, den das Volk sich schuf.
Um dessen Feier sie Euch nicht gefragt;
Sie lassen Euch und Eure Kinder fasten
Und fragen nicht, ob Ihr an Rinden nagt.
Die Arbeit ruht, wenn mit Musik von Geigern
Wenn sie zum Jubel ihr Behagen steigern;
Mit welchem Rechte will man Euch verweigern
Den einz’gen Tag, den Ihr Euch selbst gewählt?
Man thut es doch. Man thuts, um Euch zu trotzen;
Und ob vom Golde ihre Kassen strotzen,
Auf diesen Tag verzichten? Dreimal nein!
„Sie steh’n in meinem Brod ― sie sollen‘s wagen,
Davon zu bleiben, wenn ich’s nicht erlaubt!“
Doch kitzelt‘s ihn, den Tag Euch zu versagen,
Weil Ihr ein Recht auf ihn zu haben glaubt.
Nun, achtundneunzig giebt es kein Verbieten
Und wären selber gierig wie der Hai
Auf einen Sonntag fällt der erste Mai!
Es fällt der Zwang für ungezählte Massen
Und zöge selber schief es ihn und krumm,
An diesem Tag muß Euch gewähren lassen,
Der Mächtigste sogar ― der König Stumm!
Nun bleibt nur Eins, die kleinlichen Chikane
Der Polizei vom Niemen bis zum Rhein;
Geschlossner Zug, Musik und vollends Fahne
Man wird zu Roß die Wandrer eskortiren,
Wie Deportirte, die nach Irkutsk gehn,
Man wird nach langem, unverwandtem Stieren
Aufs rothe Tuch die Truppen konsigniren,
Daß man zum Schutz der Throne und Altäre
Die alten Künste immer wieder übt ―
Zum Lachen wär’s, wenn’s nicht so traurig wäre,
Doch hat es nie die Andacht uns getrübt.
Denn die Gedanken konfiszirt man nicht;
Sie sind unfehlbar und nicht auszurotten
Und man verbrennt unfehlbar wie die Motten
Die Flügel sich an ihrem stillen Licht.
Der alle Lande siegend heut‘ durchdringt,
Der mit der Zeit, der siechen, fieberkranken,
Verwirrten Welt die sichere Heilung bringt.
Von Land zu Lande laßt die Losung klingen,
„Es wird sich den Achtstundentag erringen
Und Friede wird für alle Welt erzwingen
Der freie Völkerbund vom ersten Mai!“
R. L.